Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 12: Zurück nach Hause ----------------------------- Nachtdienste sind lustig und machen Spaß ^.^ Nur war ich danach meist so müde, dass Schreiben nicht mehr drin war. Das meiste des Kapitels ist heute entstanden, ich hoffe, es entspricht trotzdem allen qualitativen Ansprüchen. Ich danke sehr für eure Kommentare und wünsche viel Spaß beim Lesen ^.^ _________________________________________________________________________________ So viel Hoffnung. So viel Optimismus. Katsuya starrte auf das kleine rote Backsteinhäuschen, die wenigen Quadratmeter Beet und den Mercedes in der Auffahrt. Irgendwie konnte er das nicht teilen. Seto liebte ihn und wollte ihn zurück? Der Gedanke war ja nett, aber die Realität unterstützte das nicht so wirklich. Nicht einmal ansatzweise. Seto liebte ihn ... war das Liebe zu nennen? Diese Abhängigkeit? Diese ständige Angst davor, verletzt zu werden? Das Gefühl, am liebsten wegzurennen, aber es nicht zu können? Katsuya kannte das doch nur zu gut: Er hatte Seto gewollt. Aber dieser hatte ihn verletzt. Jetzt wollte Seto ihn und er verletzte diesen. Es war wie immer ein ewiger Kreislauf mit ihnen. Mal wieder hatte sich die Situation gedreht. Er kam zurück im klaren Wissen, dass ihm weh getan wurde. Dass Seto ihn vielleicht liebte, aber dass diese Liebe nur weh tat. Weil er verletzt war. Und nichts, was Katsuya tun könnte, würde daran etwas ändern. Also warum kam er zurück? Um sich an den Gedanken zu klammern, dass Seto ihm vergeben könnte? Dass alles irgendwann wieder wie früher sein könnte? Hing er nicht einfach der Vergangenheit nach? Seto würde ihm nie wieder vertrauen wie früher, da hatte Noah recht. Aber das hieß auch, dass er nie wieder so hingebungs- und liebevoll sein würde. Diese leidenschaftliche Selbstaufgabe, das schier blinde Vertrauen ... natürlich war das zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber es änderte nichts daran, dass es schön gewesen war. Er war von Seto praktisch betrunken gewesen. Wenn es nie wieder so sein würde, was machte er dann hier? Sich verletzen lassen für die Möglichkeit einer Beziehung, von der er nicht einmal wusste, ob sie noch passte? Weil es eine andere sein würde wie die, die sie geführt hatten. Das wäre es auf jeden Fall. Also warum? Warum kam er zurück? Auf was hoffte er, dass es die Schmerzen wert war? Er seufzte tief und sah sich um. Überall gleiche Häuser, an deren Wänden sich Efeu oder Rosen hochzogen. Strahlende, polierte Autos. Die Frau mit dem Cocker Spaniel machte ihre Abendrunde. Diese Welt hatte er sich immer gewünscht. Ein Teil dieser Welt zu sein, die ganz normal war. Kleine Häuschen mit hübschen Gardinen, hinter denen Familien lebten, die sich mochten. Normale Familien. Wo man Kinder nicht schlug und mit Sachen bewarf. Vor ihm war auch so ein ganz normales Haus. In dessen Wänden lebte ein Mann, der sich betrank, ihn schlug und ihm die unmöglichsten Worte an den Kopf warf. Die Welt, die er sich gewünscht hatte, war nur eine Illusion. In diesen hübschen Wänden lebten auch nur hässliche Menschen. Sie alle lebten ihren ganz normalen Wahnsinn. Genau wie Seto und er. Jeder lebte mit seinen ganz eigenen Problemen. Was half es, sich in eine bessere Welt zu träumen? Er musste das, was er hatte, lebenswert machen. Also hatte er auch nicht vor Seto davon zu laufen. Er hatte zu bleiben. Er hatte mit den Konsequenzen seines Handelns zu leben, bis Seto sich wieder beruhigt hatte. Denn er hatte Fehler gemacht. Zu denen hatte er auch zu stehen. Er atmete tief durch und betrat das Haus mit den Worten: „Bin wieder zuhause!“ Alkohol. Es war nur drei Monate her, dass das der Geruch gewesen war, der ihn jedes Mal beim Betreten seiner Wohnung begrüßt hatte. Scharfer Alkohol, der die Luft schwängerte und einen sofort wieder aus der Tür drücken wollte. Bei Seto hingegen roch es immer frisch, manchmal sogar noch nach dem Reinigungsmittel. Jeden Tag wurde ordentlich gelüftet. Manchmal hätte er sich den Geruch von Essen gewünscht, aber die Frische war auch toll. Dieses Mal roch es süßlich. Nicht wie die Shishas in den Clubs, auch nicht wie Räucherstäbchen und nicht wie Kuchen. Eher nach Vanille und Zucker. Wie eine Duftkerze. Oder eine Flasche Dreiundvierziger. Er folgte dem Geruch und wie nicht unerwartet führte ihn dieser ins Wohnzimmer. Wie nicht unerwartet zu Seto. Es war wirklich eine Flasche Licor 43. „Das ist aber kein gutes Zeug, um sich damit zu betrinken“, neckte Katsuya vollkommen ruhig und trat zu der vor dem Sofa zusammen gekauerten Gestalt, „Da kriegt man doch pur kaum etwas von runter.“ Seto saß gegen die Couch gelehnt, vor der Brust ein Kissen, das er mit beiden Armen umklammerte. Die Beine waren angezogen und der Kopf im Stoff vergraben. „Kannst du mich hören?“ Katsuya strich eine der braunen Strähnen zurück, um einen Blick auf Setos Gesicht zu erhaschen, doch dieses war in das Kissen vergraben. Was tun? Was? All die Philosophie war ja schön, aber ein praktischer Tipp wäre echt hilfreich. Katsuya seufzte und ließ sich neben diesem auf den Boden sinken. Er lehnte sich zurück, winkelte die Beine an und legte die Arme darauf. „Wenn du mich aus heiterem Himmel betrogen hättest, hätte ich dich zusammen geschlagen. Ich hätte dich angeschrien, auf dich eingeprügelt ... möglicherweise in meiner Wut sogar vergewaltigt. Ehrlich gesagt traue ich mir das zu. Danach hätte ich mir entweder die Birne zugedröhnt oder mich selbst verletzt“ Er warf einen Blick zu Seto, aber der ließ keine Regung erkennen. „Ich hätte die Kontrolle über mich komplett aufgegeben. Das hast du nicht. Du versuchst alles so gut wie möglich unter Verschluss zu halten. Allerdings kocht es gefährlich über. Deine Wange, deine Ausbrüche, das Saufen – das sind alles nur die Auswüchse dessen, was du in dir hast und nicht rauslässt“ Erlitt er gerade eine Wahrnehmungstäuschung? Wunschdenken? Oder hatte sich Setos Kopf ihm wirklich etwas zugewandt? „Ich kann nichts tun als da zu sein und zu warten, dass sich deine Gefühle wieder beruhigen und du die nötige Stabilität findest, um die Worte zu akzeptieren, die ich immer wieder wiederholen werde. Ich liebe dich. Du bist der wichtigste Mensch auf Erden für mich. Ich will dich nicht verlieren. Ich will mit dir zusammen sein. Ich wollte dich nicht verletzen. Du bist alles, was ich brauche.“ Setos Schultern erzitterten und der Kopf wandte sich sichtlich ab. Und jetzt? Seto konnte ihm diese Worte nicht glauben. Was konnte er noch sagen? Oder wenn er mit Worten nicht weiter kam, was konnte er tun? Er wollte Seto nicht allein lassen. Der stellte nur Blödsinn an. Aber was tat man, um einen Menschen zu überzeugen, dass man ihn mochte? Es sagen? Umarmen? Küssen? Das würde gerade kaum gut ankommen. Katsuya seufzte und sah sich um. Alles wie immer. Der Fernseher und die Konsole. Die Filme. Das Sofa und der Sessel, die Bücherregale ... nicht sehr hilfreich. Die einzige Veränderung des Raums war die verdammte Flasche auf dem Tisch. Der Blonde seufzte erneut, zog Setos Glas heran, befüllte es neu und meinte: „Cheers!“ Bevor er es sich jedoch an die Lippen setzen konnte, schnellte Seto herum, griff danach und zog es ihm weg. Der halbe Inhalt schwappte über sie beide, aber das bewirkte keine Reaktion mehr. Seto war erstarrt in seiner Haltung, mit einem Arm das Glas weit hinter sich, die Lider geweitet, das Gesicht voller Entsetzen. „Was?“, fragte Katsuya nach einer halben Ewigkeit, „du darfst dich zulaufen lassen, obwohl du Alkohol nicht verträgst, aber ich darf in meiner Verzweiflung keinen Tropfen haben? Und jetzt komm mir nicht damit, dass ich nicht denselben Stellenwert wie du habe. Hier geht es nicht um Vater und Sohn. Hier geht es um Mensch und Mensch.“ „Ich ... ich will nicht ...“ Seto wandte den Blick zu Boden und stellte das Glas außerhalb der Reichweite auf den Tisch. „Ich will nicht, dass du so endest wie ich.“ „Und wie soll ich dann enden?“ Er rümpfte die Nase und legte den Kopf in den Nacken. „Ich bin verkommen und verendet mit einem Alkoholiker als Vater, der mich schlug. Jetzt lebe ich bei einem Alkoholiker, der mich mit Fäusten und Worten schlägt. Und bei dem es noch mehr weh tut, weil er mir nicht egal ist. Sag mir, wie soll ich enden?“ „Bei jemanden, der dich liebt. Der für dich da und dir eine Stütze ist. Irgendjemand, der für dich sorgen kann“ Seto umklammerte das Kissen wieder, vergrub jedoch nicht den Kopf darin. „Da bin ich gerade“ Er schielte aus seiner Position etwas zur Seite, aber sah nur, dass der Andere unverändert da saß. Er seufzte, sank zur Seite und legte seinen Kopf auf Setos Schulter. Seto stieß ihn nicht weg. Er erwiderte nicht, aber er stieß ihn auch nicht weg. Ein Anfang. Sie schwiegen einige Minuten, bis Seto so etwas wie eine Antwort formuliert hatte: „Du hast Recht. Das Zeug schmeckt scheußlich“ – er setzte eine erneute längere Pause – „Lass uns lüften und uns was anderes anziehen.“ „Was machen wir mit dem Alkohol?“ Katsuya hielt innerlich die Luft an. „Der Töle der Nachbarin verfüttern. Das Mistvieh hat in meine Anzughose gebissen.“ „Ich bring‘ sie ihnen, du lüftest“, bestimmte der Blonde, erhob sich, nahm Glas und Flasche und ging, um beides in Nachbars Garten zu kippen. Dreiundvierziger ... schien nicht, als wäre Seto glücklich damit, dass er trank. Wenn er sich so etwas antat. Wer besoff sich schon mit Vanillelikör? Es war vielleicht Galgenhumor, aber es ließ Katsuya schon grinsen. Vom Inhalt der Flasche her gesehen hatte Seto auch nicht unbedingt viel davon runter bekommen. Er stellte die Dusche ab, schnappte sich ein Handtuch und trocknete sich ab. Wenn er daran dachte, dass Seto gerade genau dasselbe tun könnte, nur ein Raum weiter ... er könnte aber auch gerade da stehen und unkoordiniert versuchen, ein Handtuch zu greifen. Katsuya seufzte, griff nach seinen Klamotten und fluchte leise. Apropos unkoordiniert ... er hatte vergessen, dass Setos Bad eine Tür zu dessen Zimmer hatte, sein eigenes aber nicht. Er hätte vielleicht auch ein paar Sachen mitnehmen sollen. Grummelnd schlüpfte er in seine alte Unterhose und packte den Klamottenberg unter einen Arm. Nach dem Öffnen der Badezimmertür erstarrte er jedoch, ebenso wie die Person, die gerade aus dem Arbeitszimmer trat. Seto. Seto im Jogginganzug mit nassen Haaren. Feuchte Haut, die Wangen vom Alkohol gerötet. Er sah trotzdem aus wie gerade frisch durchgevögelt. Katsuya zog die Kleidung unter seinem Arm vor seine nackte Brust. „Uhm ... sorry“ Er wandte den Blick zu Boden. „Ich ... ich müsste in mein Zimmer.“ „Natürlich“, erwiderte Seto, blieb aber einfach stehen. Er schien ihn zu beobachten. Katsuya konnte es nicht genau sagen, er wich den blauen Augen so weit wie möglich aus, während er zu seinem Zimmer schlich. Nicht unbedingt leicht, gemessen daran, dass er Seto dabei auch immer näher kam. Hätte er doch zumindest seine Hose noch angezogen ... er atmete tief durch, griff nach der Klinke seiner Tür und trat in sein Zimmer. Ohne einen Blick zu dem anderen, der sich immer noch nicht bewegt hatte, schloss er die Tür. Woah ... shit. Okay. Herzrasen. Er atmete tief durch und lehnte sich erstmal gegen die Tür. In all diesem Chaos von Verletzungen und Enttäuschungen hatte er fast vergessen, dass er nicht nur Setos Lächeln und seine Zuneigung wiederhaben wollte. Er wollte auch diese Hände auf seiner Haut wieder spüren, die heißen Küsse, dieser dezente Geruch von Schweiß, Zigaretten und ... nun, dem, was sein Freund ihn nicht probieren ließ. Noch nicht. Scheiß auf safe sex und so – die sollten mal Tests erfinden, die schneller sagten, ob man nun irgendetwas hatte oder nicht. Wetten, als nächstes durften sie drei Monate ab Setos letztem anderen Geschlechtspartner warten? Wehe, der Typ nahm sich nochmal irgendwen ... Katsuya atmete tief durch. Erstmal etwas anziehen. Jeans und Shirt wenigstens. Es war Winter, da sollte er nicht in fast nichts rumrennen. Er zog das entsprechende aus dem Schrank und sich über. Und jetzt wieder Seto entgegen treten ... nun, er könnte es ja mal mit Abendessen versuchen. Dann war zumindest ein Tisch zwischen ihnen. Genug Barriere, um nicht aufzuspringen und über den Kerl herzufallen. Und vorher musste er dringend etwas gegen das Ding zwischen seinen Beinen tun, das sich immer noch nicht beruhigt hatte. „Und?“ „Wuah!“ Katsuya schnellte herum und sah Seto mit weit aufgerissenen Lidern an. „Schleich dich nicht so an!“ „Kann ich etwas dafür, dass du beim Kochen so versinkst? Du bist in einer anderen Welt, wenn du am Herd stehst“ Dieser beugte sich an ihm vorbei über den Topf und atmete tief ein. „Carbonara?“ „Ja ...“ Der Jüngere ließ langsam die Luft aus seiner Lunge, um sich zu beruhigen. „Ich hatte dich gerade nicht gefunden, also habe ich einfach schon mal angefangen. Ich hoffe, es trifft deinen Geschmack.“ „Du kochst für mich mit?“, Setos Blick wirkte ernsthaft fragend mit einem Hauch Überraschung darin. „Solange du dich benimmst“ Katsuya verschränkte die Arme und spitzte die Lippen, bevor er sich mit einer Kopfbewegung den Pony aus dem Gesicht warf. „Willst du die eigentlich nicht mal schneiden lassen?“ Seto richtete sich auf. „Sie sind langsam ziemlich lang geworden. Wenn du so weitermachst, kannst du dir bald einen Zopf daraus binden“ Er lehnte sich seitlich mit der Hüfte gegen den Küchenschrank. „Magst du es nicht?“ Er fuhr sich durch die blonden Strähnen. „Doch“ Setos rechter Mundwinkel hob sich. „Aber es ist gegen die Schulordnung.“ „Heeerr ...“ Der Jüngere verdrehte die Augen. „Alles ist gegen diese beknackte Schulordnung, oder?“ Kopfschüttelnd stellte er sich wieder vor den Herd und rührte um. „Die Uniform, die Haare, das Benehmen, alles nach Regeln.“ „Regeln vereinfachen das miteinander“ Der Andere drehte sich zur Seite, sodass er fast auf der Küchenplatte saß und den Raum überblickte. „Jedes Zusammen besteht aus einem Satz ausgesprochener und nicht ausgesprochener Regeln. Kinder müssen die nicht ausgesprochenen immer erst lernen, daher macht man es ihnen leicht und schreibt am Anfang alle aus. Im Beruf wird von dir dasselbe und mehr erwartet, aber die machen es dir nicht einfach und legen dir die Regeln schriftlich vor.“ „Und in einer Beziehung auch nicht ...“, murmelte Katsuya leise. „Das würde es einfacher machen, was? Wenn es einen festen Satz Regeln gäbe, an den man sich halten muss“ Seto atmete tief durch. „Wie führt man eine Beziehung? Was muss man beachten? Wie machen das andere?“ Ihr Blick traf sich. „Davon haben wir beide keine Ahnung, was? Wir kennen nur gescheiterte Beziehungen.“ „Oder gestörte. So wie Ryou und Bakura.“ „Oder die ... ich würde ja glatt eine Paartherapie vorschlagen, wenn wir nicht in der Lage wären, in der wir uns befinden ... zwei Männer, die eigentlich Vater und Sohn sein sollten ... ich glaube, jede gute Paartherapeutin würde das Jugendamt und die Polizei einschalten.“ Bu-bumm. Bu-bumm. Paartherapie ... hieß das, Seto betrachtete sie als Paar? Trotz allem? Bei allen Göttern, er durfte jetzt bloß nichts Falsches sagen. Er durfte diesen Moment nicht zerstören. Seto machte gerade einen so großen Schritt auf ihn zu. „Irgendwelche Vorschläge?“, fragte er den anderen. „Nun ... ich denke, es ist gar nicht so schlecht, wenn wir das wie die Schulen machen und die Regeln ausschreiben. Was willst du, was will ich, was darf man und was nicht ... ich denke, das sollten wir machen.“ „Okay“ Ehrlich, er hätte gerade zu allem okay gesagt. Egal, was Seto vorgeschlagen hätte. Er gab ihm eine zweite Chance! Eine echte zweite Chance! „Magst du probieren?“ Er hielt Seto den Kochlöffel mit ein wenig Sauce darauf hin. Dieser nickte nur und schloss die Lippen darum, bevor er urteilte: „Köstlich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)