Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 8: Ein Fels in der Brandung ----------------------------------- Die Psychiatrie ist schon ein schönes Pflaster. Sie birgt sehr viel Inspiration für DS. Eher gesagt Motivation, ich weiß ja, wie es weiter geht. Ich hoffe, ich werde neben der Arbeit immer genug Zeit finden, aber derzeit sieht es nicht schlecht aus. Ich wünsche wie immer viel Spaß beim Lesen und hoffe, ihr genießt eure Ferien, wenn ihr gerade welche habt :) P.S.: 1000 Yen sind ungefähr neun Euro ^.- P.P.S.: Freundlicherweise ist das japanische Sozialrecht dem deutschen recht ähnlich. Ich habe allerdings nicht noch einmal alle Feinheiten nachgelesen sondern erkläre einfach das deutsche. Es ist also möglich, dass manche Angaben so nicht auf Japan zutreffen (aber das tut allein schon das Jugendamt, so etwas haben die nicht). _________________________________________________________________________________ „Hier wohnt er?“ Shizuka schritt mit geweiteten Lidern voran und sah in praktisch jede Richtung gleichzeitig, so oft drehte sie sich auf der Stelle. „Das ist riesig!“ „Wie er selbst sagte, er hat viel Platz“ Katsuya lächelte über sie. Es war nur wenige Wochen her, dass er zum ersten – und einzigen – Mal hier gewesen war. „Bei allen Göttern“ Seine Schwester drehte sich erschrocken zu ihm. „Heißt das, ich werde hier leben? In dieser Villa?“ Er nickte nur. „Hilfe … da habe ich aber einen verdammt langen Schulweg, wenn ich jeden Morgen diese Allee runter renne.“ „Solange das das einzige Problem ist ...“ „Meinst du, hier gibt es einen Swimmingpool? Ich würde so gern mit Isamu schwimmen gehen … wusstest du, dass Babys tauchen können? Sie halten die Luft an, wenn man ihnen ins Gesicht pustet. Man muss aber sehr vorsichtig sein“ Sie lief die Stufen zum Eingangstor, drehte sich um und hielt Isamu hoch. „Guck mal, Kleiner, das ist unser eigener Park. Wenn du größer bist, kannst du da Fußball spielen.“ „Da kann eine ziemliche Horde von Kindern Fußball spielen. So viele kannst du gar nicht kriegen, selbst, wenn du wolltest“ Katsuya überblickte den Weg, den sie bereits gegangen waren. „Selbst, wenn jeder sein eigenes Fußballfeld bekäme. Hinter dem Haus gibt es einen nochmal so großen Blumengarten und Park.“ „Ich glaube, ich werde ihm wirklich nicht auf der Tasche liegen. Ich falle finanziell wahrscheinlich gar nicht auf.“ „Nicht wirklich. Aber er wird sicher viel Zeit mit dir verbringen. Und erst recht mit Isamu. Wir könnten ihn mal fragen, wie euer Zusammenleben so geplant ist.“ „Ich kann gar nicht fassen, dass ein so wichtiger Mann ernsthaft Zeit auf uns verschwenden möchte … sag mal“ Sie wandte sich ihm zu und zog Isamu in ihre Arme. „Das mit dir und Seto … dass ihr jetzt streitet … meinst du, er will mich jetzt überhaupt noch? Hat er das nicht euch zuliebe getan?“ „Ich glaube, deine Situation hat ihn sehr berührt. Ich denke, er tut das in erster Linie für dich, weil er dir helfen will. Noah ist so ein Mensch. Er sorgt sich sehr für andere. Ich glaube, er ist so ein richtiger Papa-Typ.“ Er versuchte sie mit einem Lächeln zu überzeugen, aber es schien nicht ganz zu funktionieren. Ihre Stirn lag in Falten und sie kaute auf ihrer Unterlippe. Ihre Pupillen zitterten leicht und wechselten schnell ihr Ziel, während sie sein Gesicht absuchte. Schließlich flüsterte sie: „Sicher?“ „Denke ja“ Er atmete tief durch. „Aber das einfachste ist, ihn zu fragen. Er wird sicher ehrlich antworten.“ „'Kay ...“ Sie sah zum Tor hinüber. „Wie genau kommen wir jetzt eigentlich da rein?“ „Ich bin für Klopfen.“ Gesagt, getan. Es vergingen nicht mehr als ein paar Sekunden, bis die Tür sich öffnete und ein einzelner Diener – diesmal kein ganzer Auflauf von Personal – sie begrüßte und zu „Master Kaiba“ geleitete. Sie wurden zum selben Raum gebracht, wo auch Seto und er schon hingegangen waren. Diesmal allerdings nahm der Mann ein neben der Tür an der Wand hängendes Telefon, tippte etwas ein und kündigte sie nach ein paar Sekunden an, bevor er auflegte und ihnen die Tür öffnete. Noah, der hinter seinem großen Schreibtisch gesessen hatte, erhob sich und kam mit einem sichtbaren Hinken auf sie zu. Shizuka währenddessen trat ein und verbeugte sich mit Isamu im Arm mit den Worten: „Vielen Dank, dass sie Zeit für uns haben, Herr Kaiba.“ „Noah heißt das“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter und richtete sie auf. „Und für dich habe ich immer Zeit. Setzt euch doch“ Er deutete auf die Sitzgruppe aus Couchen. „Ist etwas mit deinem Fuß?“, fragte Katsuya, nachdem er das Hinken erneut bemerkte. „Nicht wirklich. Es geht nur heute nicht so gut mit dem Laufen“ Der Mann lächelte etwas gequält. „An manchen Tagen will mein Körper nicht so wie ich.“ „Das muss ziemlich nervig sein, oder?“ Sie setzten sich alle. „Ich vermute, es ist nicht so schrecklich anders, als gegen Dissoziationen zu kämpfen. Der Körper macht immer weniger und man versucht verzweifelt, ihn zu überzeugen, doch zu funktionieren. Es ist sehr frustran, wenn es nicht klappt“ Noah seufzte und deutete auf das Teeservice. „Getränkewünsche?“ „Tee“, anworteten sie im Chor, während seine Schwester noch ein „bitte“ hinzufügte. „Wirklich?“ Ein amüsiertes Lächeln legte sich auf dessen Lippen. „Und was für Tee?“ Shizuka sandte ihm einen hilfesuchenden Blick zu, worauf Katsuya nur mit den Schultern zuckte. Was hatte er schon für eine Ahnung von Tee? Sein Ausdruck schien auf jeden Fall stupide genug zu sein, dass es Noah zum Glucksen brachte. „Soll es fruchtig, blumig, erdig, herb oder sanft sein?“ „Was ist denn ein erdiger Tee?“ Wenigstens wussten alle Anwesenden, dass er ein Vollidiot war. Konnte er auch blöde Fragen stellen. „Ein Tee mit einem vollen Aroma. Es ist die Klasse der Phu Err aus China“, erklärte Noah geduldig, „möchtet ihr einen probieren?“ „Gern“, erwiderte Shizuka für ihn, „Bist du ein großer Teekenner, Noah? Ist es okay, wenn ich du sage?“ „Nicht okay, ich bitte darum. Und ja, ich liebe Tee sehr“ Er warf einen Blick zur Tür, doch Roland hatte sich schon ohne sein Zeichen aufgemacht, um Tee zu holen. „Kaffee macht einen wach, aber auch überdreht und manchmal aggressiv. Tee währenddessen kann vielerlei genutzt werden. Manche Tees machen wach, andere beruhigen. Man kann sie sehr gut zur Stimmungsstabilisierung nutzen.“ Auf eine etwas längere Erklärung über verschiedene Tees und deren Nutzen kam Roland auch recht bald mit einer Thermoskanne und verschiedenen Teezubehören wie Schalen, einer kleinen Kanne, einem Teesieb und der Teedose. Er fragte, ob er eine Zeremonie durchführen solle, worauf Noah um eine stille chinesische Zeremonie bat. Der im Anzug gekleidete, eher mittelalte Herr kniete also neben den Tisch, stellte ein schwarzes Brett auf und ließ sich von Noah das Service anreichen. Dort streute er Tee in das kleine Kännchen, goss es mit Wasser auf und begann die Schälchen mit heißem Wasser zu spülen, das in das schwarze Brett sickerte. Das Teesieb landete auf der Seite. „Während der erste Aufguss zieht, könntet ihr mir ja berichten, was euch herführt. Gibt es ein bestimmtes Anliegen?“ Shizuka zog an Katsuyas Ärmel und sah bittend zu ihm auf, sodass er antwortete: „Mehrere. Zum einen dachte ich, Shizuka sollte mal sehen, wo sie einzieht und dich besser kennen lernen. Dann hatte Herr Sarowski sie um irgendwelche Entscheidungen bezüglich Geld gebeten, bei denen sie Hilfe braucht, weil sie sich überfordert fühlt. Und … nun, ich würde nachher gern bezüglich Seto nochmal allein mit dir reden. Wenn ich darf.“ „Da wollte ich ebenso mit dir reden, das trifft sich gut. Ich bin zwar stets auf der Seite meines Bruders, aber ich weiß, dass seine Wahrnehmung bisweilen ein bisschen verzerrt ist. Ich würde gern deine Seite der Story wissen“ Noah nickte bedächtig. „Aber vorher sollten wir auf jeden Fall diese Geldsachen besprechen. Ich bin zwar kein Bankier, aber ich traue mir da eine Menge Fachkompetenz zu. Und während wir beide dann sprechen, kann Roland ihr das Haus zeigen, damit sie einen Eindruck bekommt. In Ordnung so?“ „Danke schön! Ich habe mich schon ganz schlecht gefühlt, dass ich ihnen die Zeit wegnehme“ Shizuka drückte sich etwas an Katsuyas Seite. „Vielen Dank, dass sie das machen.“ „Duzen, Shizuka, bitte. Das Jugendamt möchte mich als deinen Vormund einsetzen und du ziehst bald hier ein. Ich möchte nicht, dass wir wie Fremde sind. Es ist mir ein Anliegen, dass wir uns gut verstehen. Ich bin vielleicht nicht mehr der Jugendlichste, aber ich halte mich doch für recht zuverlässig.“ Er kannte sich fraglos gut. Er war der totale Fels in der Brandung. Es war, als könnte den Mann gar nichts aus der Ruhe bringen. Seto schien ihm ja erzählt zu haben, was zwischen ihnen beiden gelaufen war, aber Noah kratzte das gar nicht. Er benahm sich überhaupt nicht anders als vorher. Okay, er war auch recht reserviert und ließ nicht unbedingt Gefühle raus hängen, aber er wirkte jetzt auch nicht so, als hätte er Probleme, die auszudrücken. Auch wenn die türkisen Haare irgendwie nicht zu passen schienen. Roland servierte währenddessen die erste Runde Tee und begann den zweiten Aufguss. „Was sind das denn für Geldsachen?“ „Uhm … ja … halt mal“ Shizuka drückte ihrem Bruder Isamu in den Arm und beugte sich zur Tasche hinab. „Also, ich habe hier ein paar Prospekte, die mir erklären sollen, wie das mit dem Geld funktioniert. Ehrlich gesagt verstehe ich die überhaupt nicht. Und ich weiß auch gar nicht, welches Geld ich überhaupt anlegen soll, ich habe doch gar keins. Und dann war da irgendetwas über Versicherungen, das habe ich schon gar nicht mehr verstanden. Allgemein bin ich ziemlich ratlos … ich weiß gar nicht, was jetzt eigentlich los ist ...“ Sie legte einen Stapel Papier auf den Tisch und schob ihn zu Noah hinüber. „Ich bin total verloren.“ „Dann wollen wir mal sehen, ob ich verstehe, um was es geht … lasst mich mal schauen ...“ Er begann die Blätter aufzuheben, kurz darauf zu sehen und in einzelnen Stapeln zu ordnen. „Hier sind Informationen über Versicherungen, Geldanlagen und dir zustehende Gelder … mhm … verstehe … ja, das macht Sinn“ Er verglich einige Blätter des dritten Stapels. „Ich denke, ich verstehe.“ „Huff ... das erleichtert mich total“ Shizuka warf Katsuya ein Lächeln zu, der gerade versuchte, eine passende Haltung zu finden, sodass Isamu nicht murrte. „Kannst du mir das erklären, Noah?“ „Ja, ich denke, ich bin so weit. Es sieht so aus, dass sowohl du als auch Isamu Kindergeld bekommen. Das kriegt man bis zum achtzehnten Lebensjahr und länger, wenn man in der Ausbildung ist. Da bekommst du also auch noch einige Zeit. Isamu ja sowieso. Dann gibt es einen Betrag, mit dem deine Mutter euch zu unterstützen hat. Der geht an dich. Theoretisch soll ich mir davon so viel nehmen, wie ich für passend halte, aber ich glaube, Geld ist das Letzte, was ich brauche. Also kriegst du auch das. Das ergibt dann zusammen ein nicht unbeträchtliches Sümmchen“ Er legte den einen Stapel zur Seite und zog die anderen zwei vor sich. „Also kommt die Frage auf, was mit dem Geld gemacht wird. Du musst entscheiden, wie viel du im Monat brauchst und wie viel du für Isamu ausgibst. Also praktisch dein Taschengeld, mit dem du für euch beide einkaufst. Spielsachen, Kleidung, aber auch Geld für Ausflüge, die du vorhast. Hast du eine Idee, was da realistisch ist?“ „Wie? Für uns?“ Sie sah zu Isamu. „Also … ich gebe im Monat nicht so viel aus. Ich kaufe mir Zeitschriften, Schminke, manchmal Kleider … habe ich da genug Geld für?“ „Wie viel gibst du dafür denn aus?“ Ein Lächeln legte sich auf Noahs Lippen. „Ich bekam fünftausend Yen Essensgeld und nochmal fünftausend Taschengeld jede Woche“ Sie sah unsicher zu Katsuya. „Ich weiß nicht, ob das jetzt normal ist, aber ich bin damit immer recht glücklich gewesen. Reicht das Geld dafür? Ich kann natürlich auch Einschnitte machen, das geht.“ „Fünfzehntausend ist nicht wenig, aber völlig in Ordnung. Das passt in den Rahmen. Du kannst selbst entscheiden, ob du sparsamer sein willst oder das so gut ist.“ „Nun … ich kann davon auf jeden Fall auch Isamus Sachen bezahlen. Windeln und Babytücher sind ja nicht so teuer. Und lieber kaufe ich ihm eine Rassel als mir eine neue Handtasche. Davon habe ich genug.“ Katsuya nickte erstaunt. Dafür, dass seine Schwester ziemlich heftig gelebt hatte, war sie unerwartet bodenständig. Mit ihren Taschengeld für eine Woche hätte er einen ganzen Monat leben können. Anscheinend hatte seine Mutter wirklich Geld … er atmete nur tief durch und spielte mit Isamu. Nicht dran denken. Sie war Geschichte. „Euer Essen hier und solche Sachen wie Windeln oder Tücher übernehme natürlich ich“, warf Noah ein, „du kannst jeden Tag auf die Einkaufsliste schreiben, was du brauchst und das wird besorgt. Es geht nur um das, was du für euch beide kaufen möchtest.“ „Uhm … dann komme ich mit weniger aus, denke ich. Das meiste Geld frisst eh das Schulessen“ Sie tippte mit dem Zeigefinger an ihr Kinn. „Du kannst natürlich jederzeit von hier Essen mitnehmen.“ „Also … dass ich nicht mehr in der Kantine esse sondern ein Bento mitnehme? Würde mir das hier jemand machen? Ich kann das ehrlich gesagt nicht ...“ „Das ist kein Problem. Wir haben zwei Köche hier, einer wird sicherlich Zeit für ein Bento haben“ Noah nickte. „Es ist sehr lobenswert, dass du überlegst, wie du Geld sparen kannst. Mit deinem alten Taschengeld kann man in den Randbezirken von Tokio schon eine Wohnung mieten.“ „Okay … also wenn ich kein Essen mehr kaufe und nicht an den Tagesbedarf denke … theoretisch könnte ich dann ganz ohne Geld leben, aber ich möchte Isamu schon Spielzeug kaufen. Und ein Kinderwagen wäre toll, auf Dauer wird er doch recht schwer. Und ich brauche neue Hosen, weil die Umstandshosen jetzt zu groß sind, aber ich in meine alten noch nicht wieder passe. Andere BHs brauche ich auch. Und ein oder zwei Blusen … außerdem muss ich noch Schulbücher kaufen. Und neue Kunstsachen. Und vielleicht … ne, das ist nur schnick-schnack. Ich brauche kein neues Handy. Mein altes funktioniert wunderbar“ Sie begann an ihren Fingern etwas abzuzählen. „Also, wenn ich das verteile … obwohl … Noah, könnte ich diesen Monat mein ganzes Geld haben? Ich muss noch schrecklich viel für uns beide einkaufen, was ich bis jetzt nicht konnte. Und weißt du, wie viel ein Kinderwagen kostet?“ „Gemach, Gemach“ Er hob beide Hände. „Das lässt sich auf jeden Fall alles machen. Denk jetzt mal bitte nur daran, wie viel Geld du ungefähr brauchst, wenn du diese Dinge gekauft hast.“ „'Kay … nun … fünftausend die Woche sind wahrscheinlich zu viel, oder?“ Sie legte die Stirn in Falten. „Ich muss halt normale Kleidung kaufen und nicht Markenklamotten. Ich wollte eh nicht mehr in sein. Also wenn ich Normales kaufe … so zwanzigtausend im Monat? Ist das realistisch?“ Sie sah zu ihrem Bruder. „Wie lebst du denn?“ „Ich habe beim Jobben achttausend Yen die Woche gemacht und war damit sehr glücklich. Ich habe davon gegessen und alles gekauft, was ich brauchte“ Er brauchte nicht zu erwähnen, dass er das Gehalt noch nicht lange hatte und vorher von praktisch nichts lebte. „Dann … ist fünfzehntausend auch hoch angesetzt?“, fragte sie unsicher in Noahs Richtung. „Ich halte fünfzehntausend für eine junge Dame mit Kind für angemessen. Das kann man ruhig so belassen. Das heißt, vom Rest werden die nötigen Versicherungen bezahlt und alles andere legen wir an. Ab nächstem Jahr, damit du bis dahin Geld hast, um euch besser auszustatten und Weihnachtsgeschenke zu kaufen“ Sie lächelte und seufzte erleichtert, worauf Noah nur nickte. „Also erkläre ich dir jetzt Versicherungen und Geldanlagen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)