Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 6: Verletzt ------------------- Jetzt neu, jede Woche wieder, die Bild zum Sonnt- äh, DS am Sonntag. Ich werde die Woche in Kopenhagen sein und hoffe, dass ich ein Kapitel für nächste Woche fertig kriege. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich es nicht garantieren kann, da ich rund um die Uhr Programm habe und mein Laptopkabel irgendwie spinnt - mit nicht funktionierendem Laptop schreibt es sich schlecht. Also bitte betet für mein Kabel T.T Viel Spaß beim Lesen! _________________________________________________________________________________ „Ich frage erst gar nicht, mit wem du dich diesmal rumgetrieben hast.“ Katsuya blieb auf Höhe der Wohnzimmertür stehen, seufzte und schloss die Augen. Nicht ausrasten. Metakommunikation. Darüber reden. Nicht schreien. Er atmete wieder ein und wandte den Kopf zur Seite, bevor er fragte: „Was bringen dir solche Kommentare eigentlich? Hast du da Spaß dran? Befriedigen sie dich irgendwie?“ „Ich kenne recht suffiziente Formen der Befriedigung, vielen Dank. Hast du gegessen?“ Der auf dem Sofa Liegende sah nicht ein einziges Mal von seinem Buch weg. „Und wenn ich es hätte?“ „Müsstest du jetzt nur für mich kochen. Pronto“ Seto winkte ihn mit einer Hand weg, als wäre er ein lästige Fliege. „Darf ich erstmal rein kommen?“, giftete der Blonde. Er ließ das Buch ein wenig sinken, sodass seine blauen Augen dahinter hervor blitzten, bevor er erwiderte: „Ich wollte gerade fragen, ob du deinen Kopf vor der Tür gelassen hast, aber du scheinst vollständig eingetreten zu sein.“ „Arschloch ...“, murmelte Katsuya leise, drehte sich um und stapfte in die Küche. Dieser hirntote Affe. Dieses bestialische Scheusal. Dieser Hurensohn sondergleichen. Seto war so ein ... rargh! Der Kerl war echt unfassbar. Er warf einen Blick in den Kühlschrank, holte ein paar Lebensmittel heraus und machte kehrt zurück Richtung Wohnzimmer. „Wenn du was zu essen haben willst, dann hilf mir.“ „Wenn ich etwas zu essen haben will, dann sage ich dir, dass du etwas machen sollst. Ich bezahle schon eine Haushälterin, sodass Kochen deine einzige Pflicht ist. Werd‘ nicht aufmüpfig.“ „Das werde ich, solange du dich so unverschämt verhältst. Ich bin keine bezahlte Arbeitskraft, klar?“ Er stellte sich mit verschränkten Armen neben das Sofa. Seto schlug sein Buch zu, schwang sich von der Couch und stellte sich ihm gegenüber. Mit verengten Lidern erwiderte er: „Du wohnst hier. Du kriegst zu essen. Ich zahle deine Schule und deine Versicherungen. Du kriegst Taschengeld. Was willst du noch, du undankbarer Blutegel?“ „Dass mir nicht vorgehalten wird, dass ich dankbar zu sein habe! Ich bin dankbar, mehr, als dir vorstellen kannst, aber es kotzt mich an, wie du dich deswegen aufführst. Wenn du mich damit gekauft hast, damit ich deine Befehle ausführe, dann sag mir das so, aber dann werde ich ganz sicher nicht mehr dankbar sein“ Er stemmte die Hände in die Hüfte. „Bis jetzt hattest du auch kein Problem damit, zu kochen. Warum muss ich es dir plötzlich befehlen?“ „Weil ich es gern gemacht habe!“ Katsuya spürte, wie Tränen in seinen Augen aufstiegen. Das war zu viel. Er musste weg. Er hielt dieses Gespräch nicht aus. „Weil ich dich geliebt habe und glücklich war, etwas für dich tun zu können. Ich weiß nur nicht, wie ich dein jetziges Ich noch lieben soll!“ Scheiße. Er schlug die Hand vor seinen Mund. Scheiße ... er rannte an Seto vorbei, den Blick nicht noch einmal auf ihn richtend. Scheiße ... was sollte er tun? Was sollte er tun? Er rannte aus der Haustür und die Straße hinab. Scheiße! Er rannte. „Komm rein“, meinte Yami ruhig. Er öffnete die Tür ganz und trat zur Seite. Katsuya stellte sich in den Flur, damit er die Tür schließen konnte, bevor er zur Küche wies, in die sie sich beide begaben. Yami schien nicht überrascht, ihn zu sehen. Nicht einen Moment lang stand eine Frage auf seinen Zügen und er stockte nicht. Er stellte sich einfach wieder zurück an den Küchentisch, wo er gerade Sushirollen schnitt. Hatte Seto ihn angerufen? Oder war es bei ihrer derzeitigen Lage nicht verwunderlich, wenn er urplötzlich auftauchte? Sie schwiegen, bis Yami ihm Stäbchen und einen Teller mit fertig gewürztem Sushi reichte. „Hat er angerufen?“ „Nein“ Er machte sich seinen eigenen Teller fertig. „Er hat seitdem nicht mehr mit mir gesprochen. Ich habe nur eine SMS bekommen, dass es vorerst kein gemeinsames Kaffeetrinken mehr gibt.“ Katsuya nickte nur. „Du bist völlig fertig, richtig?“ Er zuckte nur mit den Schultern und seufzte. „Was hat er getan?“ „Alles“ Ein stummes Lachen ließ seinen Oberkörper erzittern, während er sich über das Essen beugte und es ansah, als wüsste er nicht, was er damit tun sollte. „Mit anderen Kerlen geschlafen. Mich geohrfeigt. Mich beleidigt und nieder gemacht. Mir wieder und wieder vorgehalten, dass ich nicht mehr gleichberechtigt bin, ihm zu gehorchen habe und ... im Endeffekt alles.“ Yami nickte langsam und kaute auf, bevor er nachfragte: „Hat er auch mit dir geschlafen?“ „Huh?“ Er sah auf und zog die Augenbrauen zusammen. „Nur ein Gedanke. Was du erzählst, ist seine Art zu zeigen, dass du ihm jetzt nichts mehr bedeutest. Das muss er sich sagen, um den Schmerz zu ertragen. Er zerstört dich nicht systematisch.“ „Nicht? Sonntag hat er mich ins Wohnzimmer geschickt, um die Reste des Adventskalender wegzuputzen, den er mir hatte schenken wollen. Gestern Abend hat er mir ins Gesicht gesagt, dass ich gefälligst warten soll, weil er in die Sauna wollte, um einen Kerl zu ficken. Das ist nicht systematisch?“ Er hielt die Stäbchen in seiner Hand so fest, dass sie beinahe zerbrachen. „Derzeit tut er dir weh, um sein Herz zu verschließen. Um den Schmerz zu vergessen und zu verdrängen. Nicht, weil er dir in erster Linie weh tun will. Wenn er den Schmerz weggeschlossen hat, dann könnte er um einiges härter werden.“ Katsuyas Stirn lag in Falten. Seine Lider geweitet. Die Lippen leicht geöffnet. „Du willst mir sagen, dass es schlimmer kommen kann, als es jetzt ist?“ „Er könnte dich schlagen und dir sagen, dass du es verdient hast. Er könnte mit dir schlafen und dir danach sagen, dass du immer noch ein guter Fick bist, bevor er dich aus dem Zimmer schmeißt. Er könnte das Schloss austauschen und dich draußen schlafen lassen, nur um dir danach einen neuen Schlüssel zu geben und zu sagen, dass er dich versehentlich vergessen hat. Er könnte dich vergewaltigen und dir sagen, dass es sein gutes Recht ist nach dem Schmerz, dem du ihm gegeben hast. Er könnte dir verbieten, deine Freunde zu sehen, unter der Drohung, dass er dich sonst rausschmeißt. Er könnte dich zur Prostitution zwingen mit dem Argument, dass du dir dein Geld zum Leben gefälligst selbst verdienen sollst. Ich vermute zwar, dass er bei dir Gewalt anwenden müsste, um dich dazu zu kriegen, aber prinzipiell ist es ihm zuzutrauen“ Yami schob sich ein weiteres Sushi zwischen die Zähne. „Iss.“ „Ich glaube, mir ist gerade jede Art von Hunger vergangen“ Der Blonde legte die Stäbchen zur Seite und lehnte sich zurück gegen den Stuhl. Sein Gegenüber aß währenddessen auf und nahm sich Katsuyas Portion vor. „Glaubst du wirklich, dass ... dass er irgendwas davon tun würde?“ Yami wandte den Blick zur Decke, kaute auf, schluckte und überlegte, bevor er ruckartig nach unten sah und sich ein weiteres Stück Sushi fischte. Erneut richtete sich sein Blick nachdenklich etwas anderem zu. Nach einer schieren Ewigkeit bequemte er sich allerdings doch zu einer Antwort: „Ich weiß es nicht. Aber ich habe es alles schon gesehen, wenn auch nicht bei ihm. So lange, wie er verletzt ist, wird er sich selbst schützen, aber sobald der Schmerz verarbeitet oder verdrängt ist, kann es sein, dass er sich an dir auslässt. Ehrlich gesagt glaube ich es nicht, weil ich Seto im Grunde seines Herzens für gut halte und er den Menschen eigentlich nichts Böses will. Er weiß oft nicht, wie er sich ausdrücken soll, aber er sorgt sich um die, die ihm wichtig sind. Doch ich traue ihm auch zu, dass sich seine Liebe in Hass wandelt und er seine Verbitterung so an dir auslässt, dass er dir weh tut.“ „Das ist kein wehtun. Das ist systematische Vernichtung. Das, was er jetzt tut, das tut weh“ Katsuya schlang die Arme um sich selbst und zog die Beine an, sodass er die Füße auf den Stuhl stellte. „Es tut weh, aber ich sehe, dass er verletzt ist. Ich halte es aus, weil er verletzt ist. Aber würde er ... wenn ich sehe, dass er es genießt, mir weh zu tun, dann werde ich ganz sicher nicht bei ihm bleiben.“ „Wie erkennst du, dass er es genießt?“, fragte Yami nach. Sein Tonfall sagte schon, dass er die Antwort kannte und die Frage nur für Katsuya selbst stellte. „Dass er nicht mehr aggressiv ist, nicht mehr unsicher wirkt und keine Tränen mehr in seinen Augen blitzen, wenn er wieder etwas Verletzendes sagt“ Er sah auf, plötzlich etwas ruhiger als vorher. „Derzeit fühlt es sich an, als würde er ... genau genommen, als würde er sich selbst weh tun wollen, indem er mich verletzt. Ich weiß auch nicht ... es ist ganz komisch. Müsste er nicht eigentlich mich verletzen wollen?“ „Er gibt sich die Schuld, dass du ihn betrogen hast. Er fühlt sich verantwortlich. Er glaubt, es sei sein Makel und Fehler, dass du das getan hast. Also straft er dich und damit auch sich selbst, weil du ihm so viel bedeutest, dass er mit dir mitfühlt. Dadurch bringt er sein Herz auf dem schnellsten Weg dazu, sich vor dir zu verschließen – um den Schmerz, den er selbst zufügt, nicht mehr zu spüren.“ „Er tut mir weh, um weniger für mich zu spüren?“ Katsuyas Augenbrauen zogen sich zusammen. „Es hat noch die zweite Komponente, dass Gefühle den Erwartungen und Handlungen folgen. Aus deinem Unterbewusstsein ergibt sich das, was du tust und aus dem, was du tust, ergibt sich, was du fühlst. Zumindest zum Teil. Wenn er dich also verletzt, sagt er sich damit auch, dass er dich nicht mögen kann.“ Hieß, solange er zuließ, dass Seto so mit ihm umging, konnte dieser gar nicht wieder in ihn verlieben? Hieß das, dass Seto ihn wieder lieben würde, wenn er ... zum Beispiel mit ihm schlief? Hm ... irgendwie klang das falsch. Ja, weil für Seto Sex nicht automatisch mit Gefühlen verbunden war. Was war für Seto mit Gefühlen verbunden? Küssen? Auch nicht unbedingt. Zusammen wegfahren auf jeden Fall. Spazieren gehen. Auf der Couch liegen. Essen gehen. Eigentlich alles, wo sie sich unterhielten und vielleicht auch berührten. Unschuldig berührten. Einfach zusammen sein. Wie beim Essen. Katsuya fixierte das Sushi, was nach und nach in Yamis Mund verschwand. Seto liebte es, wenn er kochte. Er guckte gern zu und versuchte zu erraten, was er machte. Er freute sich über selbst gekochtes Essen und ihre Gespräche bei Tisch. Shit. Das wäre so eine gute Situation gewesen ... das war eine der wenigen gemeinsamen Momente, die Seto noch zuließ und er hatte das komplett gesprengt. Vielleicht war Setos herrische Art sogar ein Wunsch nach Zuwendung gewesen. Katsuya erhob sich, umrundete den Tisch und legte die Arme um Yami, welcher ein fragendes Geräusch machte. Er löste sich, ging Richtung Tür und meinte: „Danke. Jetzt weiß ich, was zu tun ist!“ Nur wie zur Hölle brachte er jetzt Seto dazu, ihm die Aktion von vorhin zu vergeben? Er konnte ja wohl kaum nach Hause gehen, klingeln und sagen, dass er gern kochen würde, oder? Überhaupt ... erst erzählte er, dass er Seto zurück wollte, dann dass er ihn so nicht lieben konnte? Wenn er Seto noch etwas bedeutete, dürfte diesen das trotz allem ziemlich verletzt haben. Ehrlich ... Seto dachte wahrscheinlich, dass er langsam brach. Dass er aufgab. Nach nur einer Woche – kein Wunder, wenn er ihn nicht für voll nahm. Vielleicht war Seto gerade nicht einfach, ja, aber noch hatte er eine Chance. Egal, was Seto ihm entgegen warf, er musste im Hinterkopf behalten, dass Seto ihn noch liebte, solange er ihn verletzte. Und dass es Seto weh tat, wenn er ihn verletzte. Er durfte seinen Schmerz nicht verstecken, nein, aber er durfte auch keine Gegenangriffe starten. Er durfte nicht auf die Provokationen eingehen. Aber ab von all dem durfte er vor allem nicht aufgeben. Egal, was er alles tat, er durfte Seto nicht aufgeben. Nur war es wahrscheinlich genau das, was er Seto vorhin vermittelt hatte. Dass er aufgegeben hatte. Also musste er ihm klar machen, dass das nur eine momentane Reaktion gewesen war. Dass er ihn liebte, auch wenn ihm gerade weh getan wurde. Dass er nicht aufgab, obwohl es schmerzte. Das musste er irgendwie in Worte packen. Oder Taten ... er könnte ihn küssen, das dürfte all das klar machen. Aber bei Setos derzeitiger Stimmung könnte er sich dafür eine gute Tracht Prügel einheimsen. Also besser erklären ... die Frage war das Wie. Am besten wäre wahrscheinlich, einfach spontan zu reagieren. Andererseits half es, sich vorher zumindest stichpunktartig vorzulegen, was er sagen oder vermitteln wollte. Was seine Hauptanliegen waren. Vielleicht sogar ein paar Formulierungen ... er wandte den Blick zum bewölkten Nachthimmel. Der war irgendwie genau wie sein Kopf: dunkel und leer. Seine Hauptanliegen ... nun, dass er Seto liebte und nicht aufgab. Das waren die zwei wichtigsten Botschaften. Wie, besonders mit welcher Formulierung oder Tat – keine Ahnung. Im Zweifelsfall einfach völlig direkt, wenn ihm gar nichts einfiel. Oder war es besser, einfach nur direkt zu sein? Sollte er einfach das als einen Satz bringen und es dabei bewenden lassen? Ohne Vor- oder Nachspann? Andererseits hatte Seto auf die direkte Bekundung gestern nicht gerade positiv reagiert. Vielleicht war etwas Zurückhaltung gar nicht schlecht. Er fischte den Schlüssel aus der Hintertasche seiner Jeans, um die Tür zu öffnen. Seto hatte ja hoffentlich nicht das Schloss getauscht ... nein, hatte er nicht. Katsuya trat ein, zog seine Schuhe aus – ohne hinzusehen, geschweige denn sich zu setzen – und sah sich um. Kein Licht in der Küche, keins im Wohnzimmer, keins oben. „Seto?“ Stille ... keiner da? Er warf einen Blick in die Räume und nahm die Treppe nach oben. Arbeitszimmer? Er klopfte noch am Bad und am Schlafzimmer. Entweder Seto wollte nicht antworten oder er war wirklich weg. Katsuyas Herz sackte nach unten. Schien, als wollte sein Freund ihn nicht sehen. Er schloss die Lider und atmete zitternd durch. Alles gut. Alles in Ordnung. Kein Grund zu weinen. Er schluckte, sog die Luft ein, machte kehrt und ging in sein Zimmer. Alles okay – er würde schlafen und es Seto morgen sagen. Es war alles okay. Mit ihm war alles in Ordnung. Er konnte das schaffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)