Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 3: Weinen oder ausrasten -------------------------------- WARNUNG, dieses Kapitel ist nicht nett. Ansonsten entschuldige ich mich für die Verspätung, ich habe über das Lernen für morgen (auf die Sekunde heute) fast die Kapitel vergessen. Hier also schnell noch ein Nachtrag ^.^ _________________________________________________________________________________ Stille. Katsuya schluckte und atmete tief durch. Das letzte Mal, dass er alleine zu Hause gewesen war ... das war in der ersten Nacht hier, wo Seto nachts zu Yami fuhr. Eine ebenso verletzende Aktion wie alles, was er jetzt tat, aber er hatte es ihm zumindest nicht unter die Nase gerieben. Mit einem Kopfschütteln legte der Blonde seine Tasche ihm Wohnzimmer ab und ging in die Küche. Essen ... was sollte er machen? Sollte er auf Seto warten? Theoretisch müsste der ja bald kommen. Sollte er das Essen fertig auf dem Tisch haben, wenn Seto kam? Oder aß der zu Mittag? Als Beamter hatte er doch sicher eine Mittagspause, oder? Andererseits hatte er die auch als Lehrer schon nie genutzt. Besser, er machte etwas. Seto aß sowieso zu wenig. Selbst, wenn er nichts wollte, Essen konnte man aufwärmen. Und vielleicht verführte er ihn so wenigstens, an den Tisch zu kommen. Katsuya ging zum Kühlschrank herüber und öffnete ihn. Gähnende Leere ... kein Wunder, sonst waren sie montags ja auch einkaufen gewesen. Nach dem wöchentlichen Arztbesuch – dass sie den nicht mehr hatten, war eine Erleichterung – war es stets noch zum Supermarkt gegangen. Auch wenn es noch eine Sache weniger war, wo sie zusammen etwas taten. Zeit miteinander verbrachten. Und wenn es nur Zeit im selben Raum war. Aber Eier waren noch da. Und Hähnchenfleisch. Aus Eiern, Reis und Hähnchen konnte er sicherlich etwas Angenehmes zaubern. Er hob den Reiskocher aus dem Schrank, schaltete diesen schonmal ein und schnitt das Fleisch, während die weißen Körner vor sich hin dampften. Er mischte gerade das gebratene Hähnchen, den Reis und die Eipaste mit Gewürzen zusammen, als ein Wagen die Auffahrt hoch fuhr. Ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, als sich der Schlüssel im Schloss drehte. „Willkommen zuhause!“, rief er in Richtung des Flurs. „N‘ Abend ...“, meinte eine junge, männliche Stimme – Katsuya machte praktisch eine Kehrtwende auf der Stelle, wo er stand, „hübsch hier. Wer ist er?“ „Sohn“, gab Seto kühl als Antwort, packte den schwarzhaarigen Kerl im Anzug und zog ihn hinter sich her, „Schlafzimmer ist oben.“ „Bis später, Kleiner!“, meinte der breitschultrige Kerl noch, bevor er aus dem Sichtfeld verschwand und Schritte die Treppe hinauf polterten. Katsuya sog ganz langsam und vorsichtig die Luft in seine Lungen, bevor er mit dem Ausatmen auf die Knie sackte. Nein ... das war nicht wahr, oder? Das war nicht gerade passiert, oder? Er schüttelte langsam den Kopf. Dieses ... dieses Arschloch ... dieses verdammte ... er konnte nicht ... hier vor seinen ... direkt neben ihm ... es brodelte in ihm auf und seine Hände formten sich zu Fäusten. Das ging zu weit. Das ließ er sich nicht bieten. Er stand auf und stampfte Richtung Treppe. Vielleicht waren sie nicht mehr zusammen. Vielleicht war das jetzt auch schon eine halbe Woche her. Vielleicht war das jetzt alles so, weil er Seto in dessen Augen mit Yami betrogen hatte. Aber das gab ihm kein Recht, jetzt irgendeinen Typen abzuschleppen und ihn im Nebenzimmer flachzulegen. Das ging nicht. Punkt. Er stoppte am Fuß der Treppe, den Blick auf die Schlafzimmertür gerichtet. Das ging nicht. Das konnte Seto nicht bringen. Er musste doch wissen, wie sehr das weh tat. Wie sehr er ihn damit verletzte. Er versuchte einen weiteren Schritt, aber seine Füße schienen wie angewachsen. Schwer wie Blei. Seine Finger krallten sich in das Geländer der Treppe. Er konnte nicht einfach hier stehen bleiben und ... er konnte nicht einfach ... Katsuya schloss die Lider und schluchzte auf. Scheiße ... er konnte nicht ... Seto konnte nicht ... nicht so einfach ... Katsuyas ganzer Körper erzitterte. Dieser Scheißkerl. Dieser verdammte Scheißkerl! Er sackte an der Wand vor den Stufen in sich zusammen und glitt an der Mauer hinab. Mit einem Schluchzen legte er die Arme um sich. Seto konnte. Er tat es. Und er tat es, um ihn zu verletzen. Er tat es, um ihm weh zu tun. Weil er es konnte. Weil er ein klares Statement setzen wollte, dass es vorbei war. Dass er Katsuya auch keine zweite Chance geben würde. Er ließ keine Gefühle mehr zu. Er würde ihm sein Herz nicht mehr öffnen. Seto verzieh nicht. Nicht so etwas. Nichts, was sein Vertrauen erschüttert hatte. Niemals. Der Neunzehnjährige schlug neben sich gegen die Wand. Scheiße! Warum? Warum war all dieser Mist passiert? Warum musste er hier sitzen? Warum musste er dabei zusehen, wie sein Freund – ja, verdammt, seiner! – mit irgendeinem dahergelaufenen Idioten schlief? Er funkelte die Treppe hinauf die Tür an. Er konnte trotzdem nichts tun. Seto war nicht sein. Seto würde tun und lassen, was er wollte. Er hatte keine Kontrolle mehr darüber, was dieser tat. Wem gegenüber er was empfand. Mit wem er schlief. Bei wem er glücklich war. Nein! Er würde nicht aufgeben, konnte nicht, durfte nicht ... vielleicht war es aussichtslos, aber er hatte noch nicht alles versucht, um Seto zurück zu gewinnen. Er musste Seto zeigen, dass er es wert war, dass man ihm vertraute. Er musste ihn zurück gewinnen. Er konnte Seto nicht einfach loslassen. Der Typ bedeutete ihm einfach zu viel ... zu viel, um ihn gehen lassen zu können. Er atmete tief durch und drückte die aufquellenden Gefühle zurück in sich hinein, bevor er sich erhob. Ruhig. Wie konnte er Setos Vertrauen in dieser Situation bestärken? Nicht, indem er den beiden hinterher jagte und den anderen Kerl zusammen schlug. Aber Seto musste wissen, dass das weh getan hatte. Dass er ihn liebte und deshalb verletzt war. Er musste ihm das irgendwie zeigen. Allerdings würde er nicht weinen. Erst recht nicht, wenn dieses schwanzlose Ekelpaket in der Nähe war, das sich an Seto vergriff. Aber konnte er ruhig bleiben, wenn der Kerl ihm nochmal unter die Augen trat? Er musste. Er durfte ihn nicht schlagen. Nicht jetzt, nicht später. Reden. Er musste mit Seto reden. Möglichst ohne tränenreichen Zusammenbruch oder aggressive Flüche. Er durfte weder den kontrollsüchtigen Ex noch die verheulte Frau geben – er hatte das ruhig anzugehen. Aber dabei trotzdem vermitteln, dass diese Aktion echt unter der Gürtellinie war. Sollte er versuchen, an Setos Gewissen zu appellieren? Oder hatte der das schon wieder ausgeschaltet? Sollte er das Ganze überhaupt planen oder einfach die Situation nutzen? Darin war er zumindest besser. Ja, die Situation ... nur nicht weinen oder ausrasten. Schritte auf der Treppe. Nicht Seto. Katsuya atmete tief durch und verschränkte die Arme, während er mit ein paar Schritten Kochplatte und Arbeitsschränke zwischen sich und die Tür brachte. „Hey, ist von dem Essen noch was da?“ Der Kerl – groß, muskulös, aber sonst wenig markant – lächelte und nahm einen Schritt in die Küche. „Ich habe keine Gäste erwartet. Deswegen reicht es nur für Seto und mich“, erwiderte Katsuya kalt und fixierte den anderen. „Keep cool, Kleiner“ Der Typ hob beide Hände. „Dann verschwinde ich wohl besser. Ruf mich an“ Den letzten Satz richtete er zur Treppe, wo dann wohl Seto stand. „Vielleicht“ Dieser nahm die letzten Stufen und ging an dem anderen vorbei in die Küche. Dieser verdrehte die Augen, wandte sich um und man konnte nur noch hören, wie er sich die Schuhe anzog, Tschüss rief und ging. Seto nahm währenddessen am Tisch Platz und breitete die Serviette über seinen Oberschenkeln aus. „Hast du irgendetwas zu sagen?“, fragte Katsuya, der sich nicht einen Zentimeter gerührt hatte. „Nun ...“ Seto sah von ihm zum Tisch und zurück. „Vielen Dank, dass du gekocht hast?“ Er ließ eine Pause. „Würdest du bitte servieren?“ Der Blonde stieß mit einem Tz-Laut die Luft aus und schüttelte den Kopf. Er sah zu seinem Ex, hob eine Augenbraue und wartete. Da allerdings keine Antwort kam, meinte er: „Ich kann nicht fassen, dass das alles ist. Du spazierst hier mit einem wildfremden Kerl rein, fickst ihn und kommst dann zu mir, damit ich dir Essen serviere?“ „Ja?“ Seto öffnete die Hände und drehte das Gesicht ein Stück zur Seite. „Ich fasse es nicht ... denkst du überhaupt mal über das nach, was du machst? Ich will nicht glauben, dass du mir weh tun willst, nachdem du meintest, dass du versuchen willst ... dass du zumindest versuchst, mein Vater zu sein.“ „Auch Väter dürfen ein Sexleben haben“ Er lehnte sich zurück. „Ich sehe kein Problem zur Zeit.“ „Nur zu deiner Info: Es tut scheiße weh, was du gerade machst!“, schrie Katsuya und hielt sich mit den Händen an Küchentheke und Kochfläche fest, „aber das scheint dir ja egal zu sein. Scheiß auf den Ex, dem du vielleicht zur Abwechslung auch mal irgendetwas bedeutest.“ „Ach, plötzlich bedeute ich dir was? Das ist eine Neuigkeit. Schien mir letzte Woche nicht so“ Seto rümpfte die Nase. „Aber ehrlich gesagt, mein Sohn“, er betonte die beiden Worte, „geht es dich gar nichts an, was ich mit wem mache. Deine Aufgabe ist es, dich in der Schule anzustrengen, über deine Zukunft nachzudenken und zu kochen.“ „Ich bin aber mehr als deine kleine Haushaltsfee, du Arschloch!“ „Katsuya, achte auf deine Wortwahl. Und ich korrigiere: Du warst mehr. Und du weißt selbst verdammt gut, woran das liegt“ Seto machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Wenn du dann bitte servieren würdest ... ich habe Hunger.“ „Du kannst mich mal!“ „Ich denke, das reicht“ Seto nahm die Serviette von seinen Beinen, erhob sich und trat ein paar Schritte auf Katsuya zu. „Geh in dein Zimmer. Sofort.“ „Das werde ich ganz sicher nicht, du debiler Vollidi-“ Batsch. Das Geräusch von Haut, die schmerzhaft auf Haut schlug. Das eine Geräusch, das Katsuya nie wieder hatte hören wollen. „Geh auf dein Zimmer“, wies Seto ihn mit völlig ruhiger Stimme an. Scheiße. Katsuya versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bringen, doch er flatterte. Stark. Vor seinen Augen tanzten weiße Punkte, die wie ein immer schlimmer werdender Schneesturm zu einer weißen Fläche wurden, während die Geräusche seines hektischen Luftschnappens verblassten. Wand. Schnell. Runter. Bevor er umkippte und sich etwas tat. Sitzen. Ruhig. Langsam. Atem unter Kontrolle. Nicht bewusstlos werden. Er atmete tief durch. Warum eigentlich nicht? Bewusstlosigkeit hörte sich sehr verführerisch an. Bewusstlos zu sein hieß, nicht denken zu müssen. Nicht daran zu denken, was sein Vat- was Seto gerade getan hatte. Wie er einfach ... so kalt ... dass er ... Katsuya schüttelte den Kopf, zog die Beine an sich, legte die Arme darum und den Kopf darauf. Wie hatte er das nur tun können? Wie hatte er ... wo er doch wusste ... Seto wusste ganz genau, was sein Erzeuger getan hatte. Er hatte die blauen Flecken, die Schrammen und die Narben gesehen. Er hatte jedes Mal daneben gesessen, wenn Katsuya davon erzählen musste. Er war beim Jugendamt und beim Gericht dabei gewesen. Er wusste ganz genau ... ihm war doch bewusst ... Katsuya schreckte auf. Seine Lider weiteten sich. Und wenn ... wenn er es extra getan hatte? Weil er es wusste? Weil er wusste, wie sehr es Katsuya erinnerte ... wie sehr es schmerzte? Schmerzen würde? Er konnte es an seinem ganzen Körper spüren. Jeden erst vor kurzem verblassten Fleck. Jede angebrochene Rippe. Den Riss in seinem Schädel und die Narbe darüber. Die Gürtelstriemen, die Zerrungen und Quetschungen der Pranken, mit denen er gefasst und durch die Gegend geschleudert worden war. Er roch den Alkohol. Den verwesenden Müll. Die Kotze, die über Wand und Boden geschmiert war. Er drückte eine Hand auf seinen Mund. Seto war dort gewesen. Er hatte es gesehen. Sein ganz persönliches Ende der Welt. Die von Pilzen und toten Insekten überzogene Tapete. Die Scherben und zerschlagenen Möbel. Die Überreste dessen, was er einmal Leben genannt hatte. Er hatte all das gesehen. Er konnte nicht, durfte nicht deswegen zugeschlagen haben. Nicht, um diese Erinnerung wieder herauf zu bringen. Selbst, wenn er ihn erinnern wollte, was er alles zu verlieren hatte, konnte er nicht ... nicht deswegen. Er konnte es nicht mit Absicht getan haben. Aber er war so kalt gewesen. Hatte nicht einen Muskel verzogen. Mit starrer Miene hatte er einfach zugeschlagen. Da war keine Reue in seinen Augen gewesen. Konnte er es überhaupt im Affekt getan haben? Aber er musste ... anders konnte es nicht sein. Durfte es nicht sein. Er schluchzte, doch presste die Hand stärker auf die Lippen, um es zu unterdrücken. Nicht weinen! Er durfte nicht weinen. Nicht deswegen. Er hatte so viel durchgestanden. Seto durfte ihn mit seiner kleinlichen Rache nicht zu Fall bringen. Selbst, wenn er ihn vor seinen Augen betrog, ihn niedermachte und seine Erinnerungen gegen ihn verwendete. Selbst, wenn er sich wie das letzte Arschloch benahm. Selbst, wenn er ihn schlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)