Mythna II von Jeanne-Kamikaze- (Das Erbeben der Dimensionen) ================================================================================ Kapitel 1: Die Versammlung der Götter ------------------------------------- 1. Kapitel: Ironisha Versammlung der Götter In einer weit entfernten Dimension befand sich eine Ebene, vom völligen Nichts umgeben wie eine einsame Insel die in einem großen Ozean treibt. Dieser wundersame Ort befand sich vollkommen isoliert in einer anderen Welt- und irgendwie auch wieder nicht. Keine weltlichen Einflüsse beeinflussten ihn. Weder Zeit, Raum noch die Elemente bekamen diese Eben zu erfassen, genauso wie eine Welle die verzweifelt versuchte ein Gebäude zu erreichen und doch immer wieder kurz vorm Ziel sich zurückziehen musste. Diese besondere Ebene wurde von den Mythianern Elunris Ebene genannt- die erleuchtete Ebene. Obwohl kein Bewohner des Planeten je diese Ebene besucht oder gesehen, geschweige denn von ihr gehört. Und dennoch...auf unerklärliche Weise wusste jeder von der Existenz dieses ungreifbaren Ortes, der vielleicht höchstens ein Schemen in ihrem Bewusstseins war, zweifelt doch niemand ihre Existenz an. Das Bewusstsein, dass es einen Ort gab, weit von ihrer begrenzten Welt entfernt, war fest in ihnen verankert. Das war halt so und daran gab es nichts zu rütteln. Meiste Zeit lag dieser Ort auch vollkommen unberührt da, ohne jegliches Leben (abgesehen von ein paar Tieren), sondern existierte einfach, in vollkommender Harmonie. Die hohen Berge ragten, wie eine warnende Kette die sich um die Ebene schlang, in den Himmel. Sollte es doch mal einer schaffen Elunris zu erreichen, so stand er vor einer so hohen, massiven Bergwand, deren Überwindung mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen würde, egal wie geschickt der Kletterer auch war. Der Talkessel der Elunris Ebene war von einer smaragdgrünen Decke aus frischem Gras bedeckt. Nur ab und zu wurde sie von bunt schimmernden Blumen unterbrochen, welche vorsichtig aus der Erde lugten. Die Luft war so rein wie nirgendwo sonst. Bloß der Duft immer blühender Blumen verliehen ihr einen leicht süßlichen Geruch. Links und rechts in regelmäßigen Abständen aufgereiht türmten sich kleine Hügel auf, die von dichten Bäumen bewachsen waren. Auf ihnen thronte, von der immer scheinenden Sonne mit einem hellen Kranz aus Licht bestückt, weiße Tempel. Alle waren ungefähr gleich große und hoch. Ein Mensch der Erde würde den Baustil dieser prachtvollen Gebäude vielleicht in die frühe griechische Geschichte einordnen, doch hier besaß er keinen Namen. Das Gerüst war aus strahlend weißem Marmor erbaut worden. In die dicken Wände wurden zur Zierde von spiralförmigen Kalksteinsäulen eingelassen, sodass die Dächer zu schweben schienen. Die Sockel wurden von verschlungenen, feingliedrigen Goldadern durchzogen. Das breite, schmuckvoll gestaltete Vordach wurde von zwei dieser Säulen getragen, welche so stabil wirkten, als könnten sie den Himmel tragen. Der Eingang dieser Tempel wurde von einer reich verzierten Minoaholz Tür bewacht- das wertvollste und seltenste Holz auf Mythna. Genau 12 von diesen Tempeln an der Zahl säumten einen imaginären Weg, welcher auf das Zentrum der weitläufigen Ebene zu lief. Alle von ihnen waren vollkommen identisch erbaut. Egal wie sehr man auch suchen würde, man könnte nicht den geringsten Unterschied entdecken- außer einem Einzigen. Auf dem dreieckigen Vordach war eine blank polierte Steinplatte angebracht, auf die merkwürdige Runen eingraviert waren, die kein Mythianer je gesehen hatte. Die Zeichen gehört zu einer uralten Sprache, welche nur die Götter sprachen, welche Elunris nutzen um sich zu treffen und zu beratschlagen. Im Vergleich zu diesem prunkvollen erscheinenden Äußeren, war die Innenausstattung schlicht enttäuschend. Dort befand sich eine karge, trostlos eingerichtete Halle, die im starken Kontrast zu der Erhabenheit der äußeren Fassade der Tempel stand. Das einzige Schöne in dieser Halle war eine dunkle, fein gearbeitete Treppe, die von einem rot, goldenen Teppich belegt war. Am Absatz davon lag eine fast unscheinbare Tür, die...Wamp!!! „Verdammt! Ich bringe diesen Mistkerl um! Was erlaubt er sich?! Ist doch nicht zu fassen!!“ In einem Tempel in der Mitte der linken Reihe flog krachend die Tür auf, sodass sie zitternd an der Wand liegen blieb. Aus dem wabernden und sich drehenden Nichts trat eine Gestalt. Erst schien sie sehr weit entfernt, kaum mehr eine kleine Absetzung gegenüber dem Nichts. Doch mit jedem Augenblick gewann sie rasch an Größe, die sich immer besser von dem Schwarz abzeichnete. Nur wenige Sekunden später stürmte Ironisha, die Göttin der Luft, aus dem Tunnel, der ihre Dimension mit Elunris verband. Kurz folgte ihr das Nichts in diese Welt, so als wolle es sie nicht loslassen, doch rasch überlegte es sich es anders. Schnell zog es sich in die Zwischendimension zurück und die Tür schloss sich leise. Kurz blieb Ironisha stehen und holte tief Luft. Ihr Gesicht war schmal und hatte sehr zarte Gesichtszüge. Auf ihren hohen Wangenknochen lag eine leichte röte, sodass sie trotz der Elfenbein weißen Haut, immer frisch und gesund aussah. Große, blassblaue Augen starrten zornig und aufgewühlt in die Halle. Dichte schwarze Wimpern umrahmten diese. Die Augenbrauen besaßen einen schönen Schwung und waren pechschwarz. Ebenso schön wie ihre Augen waren ihre vollen Lippen, die von einem leichten perlmuttton überzogen waren, wie das erste Rosa, welches den Anbeginn eines Tages ankündigte. Eine lange, weiße Haarpracht floss wie ein Wasserfall um ihren schlanken Körper und endete an ihren schmalen Hüften. Die Strähnen ihres Ponys fielen bis auf die Nase und lockerten ihre Frisur auf. Zwei Haarsträhnen allerdings fielen ihr nur bis zur Taille, doch meist trug sie diese eingeflochten, damit sie nicht ständig in dem weichen Gesicht hingen. Genervt strich sich die Luftgöttin die trotzigen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihr inneres glich einem tobenden Meer, dessen wütende Brandung erbarmungslos gegen die Felsen schlug. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Ist Mronas blind, oder was?“, knurrte sie wütend und strich sich geistesabwesend den nicht vorhanden Staub von ihren Klamotten. Diese bestanden aus einer blauen Metallrüstung, die wie ein Korsett geformt war und ihre wohlgeformten, runden Brüste perfekt stützte. Im Gegensatz zu ihrem sonst so braven Erscheinungsbild, verdeckte ihre Rüstung nur so viel Haut, wie nötig, damit ihre Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt war. Ein gesteifert, hellblauer Spitzenrock aus Tülle hing über ihrem Po. Der Brustpanzer war mir reichlichen Ornamenten bestückt und war extra von den Dunkelalben, den besten Schmieden überhaupt, angefertigt worden. Über ihrer schmalen Schulter hing ein brauner Lederköcher in dem weißgefiederte Pfeile steckten, mit denen die Luftgöttin vortrefflich umzugehen wusste. Noch einmal holte Ironisha tief Luft, dann straffte sich ihre Haltung, bevor sie schnellen Schrittes die Halle verließ und die Tür sich leise schloss. Normalerweise mochte sie keine so enganliegende Kleidung, erst Recht keine Rüstung. Wenn sie könnte, so würde die Luftgöttin eher ein luftiges Gewand aus festem Stoff tragen, wo sie jede Regung ihres Elementes spüren konnte. Doch die Zeit momentan war nun mal nicht normal und so waren ungewohnte Maßnahmen nötig. Ungeschützt ging Ironisha nirgendwo mehr hin. Das war ihr einfach zu unsicher. Die Gefahr einem von Dragos zahlreichen Verbündeten zu begegnen, war zu groß, sodass hinter jeder Ecke, in jedem Augenblick es zu einem Kampf kommt. Da ging es nicht mehr darum, was ihr am liebsten wäre. Einmal noch holte das weißhaarige Mädchen tief Luft, bevor sich ihre Haltung straffte und die Maske der Gefasstheit sich wieder auf ihr Gesicht legte. Mit schnellen, sicheren Schritten trugen ihre Beine sie durch die karge Halle, traten durch die Tür und bemerkte nicht, wie das Tor leise hinter ihr zufiel. Eilig hastete Ironisha den gut fünf Meter hohen Hügel hinunter und blieb an dessen Fuß kurz stehen. Sie strich sich mit der Hand durchs Haar. Vergeblich versuchte die Herrin der Lüfte so sie zu glätten und in Ordnung zu bringen, doch nach wenigen Augenblicken gab sie frustriert auf. Genervt warf sie einfach alle über ihre rechte Schulter, so sie in der hellen, warmen Sonne wie ein silberner Fluss schimmerten. Geschickt glitten ihre Finger durch das widerspenstige Haar, bis Ironisha es schließlich zu einem lockeren Pferdeschwanz geflochten hatte. So sah der zerzauste Schopf von ihr wenigstens etwas erträglicher aus und man könnte fast meinen, dass es so beabsichtigt war. In den letzten Tagen war Ironisha kaum zum Schlafen gekommen. Ständig streifte ihre schlanke Gestalt mit dem Nordwind durch die Lüfte und sah, was nur die wenigsten sehen konnten. Ihr war die unheimliche Finsternis nicht verborgen geblieben, welche am Horizont aufzog. Die langwierigen Streifzüge der letzten Tage über die Tundren und Gebirge im Norden, den weiten Seen mit ihren wabernden, fast einem Labyrinth gleichenden Mooren, im Osten, dem im Westen liegenden Transan Ozean, der die saftig grünen Ebenen mit Wasser versorgte und den dichten Wäldern im Süden hatte sie gesehen wie Dörfer zerstört, Menschen getötet und die Natur zum Verwesen gebracht wurden. Mit wachsender Verzweiflung hatte sie alles hilflos mit ansehen müssen, doch ohne Shaleng hatte sie nicht genügend Macht um irgendetwas gegen das Grauen auszurichten. Die Göttin des Windes vermochte die Zeichen zu verstehen, doch die anderen waren blind. Als Wind konnte Ironisha leider alles nur von oben heraus in einem schnellen Tempo erkennen und sah- ob nun zum Glück oder Pech- oberflächlich die Verwüstungen. Aber eines war gewiss, so vermochte die Luftgöttin nicht zu verstehen, was Dragos Plan war. Das Einzige was sie erkannte war, wie die Natur Mythnas langsam, Stück für Stück, in einem dicken Nebel der Verderbnis verlor und die Meisten Verbündeten des Lichts aus Angst vor der heranrückenden Macht, sich lieber auf dessen Seite schlugen, anstatt zu sterben. Bei all der in ihr aufkeimenden Sorge, blieb Ironisha keine Zeit, sich um ihr Äußeres zu kümmern, auch wenn es ihrer übernatürlichen Schönheit keinen Abbruch tat. Doch waren ihre Haare doch nicht mehr so seidig wie zu Friedenzeiten und sie wirkte noch blasser als sonst. Aber das war nun nicht von Belang, denn vor ihr lag ein wichtiges Ereignis. ~Ironisha war gerade über der Trenei Ebene unterwegs, einer der unberührtesten Fleckchen Natur des Planeten, wo zum Glück noch alles beim Alten war. Als sie sich dann weiter nach Norden wenden wollte, sah sie, wie eine durchsichtige Gestalt, die wie eine Wolke im Wind waberte, auf sie zu tanzte. Es war ein Windtänzer, die schnellsten Lebewesen an Land- bzw. eher in der Luft-, welche ihr als Boten dienten. „Seid gegrüßt, Herrin Ironisha.“, sagte er und genauso wie seine Gestalt, so war auch sie nichts weiter, als ein sanfter, weicher Hauch, der kurz das Ohr streifte, bevor er sich verflüchtigte. Die Angesprochene drückte ihre schneeweißen Flügel, die aus ihrem Rücken sprossen, sobald sie sich in die Luft erheben wollte, gegen den immer vorhandenen Rückenwind und blieb auf der Stelle stehen- völlig bewegungslos, nur ein vereinzelter Flügelschlag hielt sie in der Luft. „Welcher meiner Diener bist du, Windtänzer?“, fragte auch sie mit einer Stimme, die zart wie eine frische Sommerbrise war. „Seros, meine Herrin. Ich stamme von den südlichen Tänzern.“, antwortete die Gestalt, der man kein Geschlecht zuordnen konnte, ohne zu zögern. Für einen kurzen Augenblick zerfloss Seros Gestalt mit dem Wind, bevor sie wieder einigermaßen Form annahm. „Aaah...“, sagte Ironisha verstehend. Die südlichen Tänzer waren die loyalsten Wesen des Windes. Seit Anbeginn ihrer Existenz stand der ranghöchste Stamm ihr mit Rat und Tat zur Seite. „Ich hatte bisher leider nicht die Ehre euch persönlich zu treffen, verehrte Windgöttin. Mein Dasein ist noch nicht lang auf diesem Planeten und ich wurde gerade erst zu einem Boten ernannt.“ „Schon gut, schon gut!“, winkte sie schnell ab. Für einen Kaffeeklatsch hatte sie keine Zeit, auch wenn eine Konversation mit einem Windtänzer immer interessant war. Diese Wesen hatten nämlich eine ganz eigene Sicht der Dinge. Allerdings wollte Ironisha dringend weiter, denn so manche Orte standen noch auf ihrer Liste, wo sie nach dem Rechten sehen wollte. „Verzeiht, ich will Euch nicht weiter aufhalten. Mronas schickt mich zu Euch.“ Ein eisiger Schauer lief Ironishas Rücken hinunter und auch der von ihr erzeugte Wind auf der Wiese unter ihnen, wurde schlagartig frischer. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Und...was will er?“ „Er hat eine Versammlung der 12 Götter einberufen.“ Nun war das Mädchen doch überrascht. Normalerweise residierte Mronas in irgendeiner seiner zahllosen Dimensionen und ergab sich der Überheblichkeit. Er war so weit entfernt, dass er von Mythna nichts mehr bemerkte. Werder die Gefahr, noch die Probleme. Und nun eine Konferenz? Hatte er vielleicht doch endlich bemerkt, dass Dragos Amok lief? Auch wenn sie oft von dem Gott des Raumes enttäuscht worden war, so konnte sich die Luftgöttin nicht dagegen wehren, dass ein Funken Hoffnung in ihr aufkeimte. „Hat er gesagt aus welchem Anlass?“, fragte sie den Boten vorsichtig nach, doch Seros schüttelt nur den gesichtslosen Kopf. „Nein, Herrin. Er hat dazu keine Angaben gemacht.“ „Nun gut, nun gut. Und wann soll die Versammlung sein?“ „Jetzt, Herrin.“ „Bitte was? Sonst geht es ihm gut, oder wie?“ „Das vermag ich nicht zu sagen.“ Sie seufzte ergeben. Es blieb ihr ja doch keine Wahl. „Na schön...du bist entlassen, Seros. Ich werde mich auf dem Weg machen.“ Der Windtänzer verneigte sich, ehe er auf dem Wind nach Hause tänzelte. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, flog Ironisha so schnell sie konnte zu ihrem Lufttempel zurück um sich auf den Weg nach Elunris zu machen. ~ Seitdem waren knapp zwei Stunden vergangen. Gespannt und mit etwas Hoffnung im Herzen ging sie zum Zentrum Elunris. Ihre schnellen Schritte verlangsamten sich und schließlich blieb sie am Ziel angekommen stehen. Eine Hand lässig in die Hüfte gestemmt hob sie ihren Blick. Amard schien ihr direkt in die Augen, sodass sie sie kurz mit der Hand schützen musste. Von dem hellen Licht erstrahlt, erhob sich ein weißer Palast aus feinstem Marmor, welcher vom weiten wie eine strahlende Krone wirkte. Goldene Adern zogen sich wie Schlangen über das gesamte Gebäude und imposante, ineinander gedrehte Säulen stützten das spitze Dach ab. Von einer großen Eichentür geschützt drangen gedämpft verschiedenste Stimmen nach draußen: hohe, tiefe, raue, sanfte, laute und leise. Einer der Diener, welche hier hauptsächlich aus Elfen oder Halbgötter bestanden, der gerade am Eingang vorbeilief, entdeckte Ironisha, wurde schlagartig rot und hastete eilig weiter. Er und seine Kameraden waren durften nichts weiter als Schatten sein, die Götter sollten sie niemals bewusst wahrnehmen. Kurz blickte sie ihm nach, dann wanderte ihr Blick wieder zum großen Eingangsportal. „Die meisten sind also schon eingetroffen.“, stellte die Luftgöttin fest. Wollte sie sich wirklich in die Höhle des Löwen begeben? Die meisten Versammlungen liefen schließlich ähnlich ab. Mronas hielt eine lange, ausschweifende Eröffnungsrede, wo er heraushob wie besonders sie als Götter doch waren und wie wichtig ihre Aufgabe war. Danach ging lautes Geschwafel los- ohne jeglichen Belang oder gar tieferen Sinn. Der einzige Sinn und Zweck lag darin sich möglichst gut darzustellen. Keiner von ihnen war so häufig auf Mythna unterwegs wie sie und... „Hey! Ironisha!“, brummelte eine tiefe, melodische Stimme neben ihr. Reflexartig fuhr das Mädchen mit den weißen Haaren herum und atmete erleichtert auf. Es war bloß Forensis, der Gott des Feuers, und ein alter Freund von ihr. „Du bist aber ganz schön schreckhaft.“, grinste er neckisch und seine smaragdgrünen Augen blitzten schelmisch auf. Sein kurzes Haar war von dunklem Rot, wie ein Feuer, das bereits lange brannte, und das nichts erlöschen lassen konnte. Seine Frisur war fransig und die meisten Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Sie spiegelte seine temperamentvolle, energische Art wieder. Bloß ein weißes Stirnband hielt die wilde Mähne etwas im Zaum. Im Gegensatz zu den meisten Göttern, waren die Herrscher der vier Elemente in jugendlicher Gestalt anzutreffen. Es lag nicht daran, dass sie jünger waren als die Anderen, doch aus irgendeinem Grund, wirkten sie eher als wären sie ungefähr 17-18. „Wenn du mich auch so sehr erschreckst und plötzlich neben mir stehst.“, gab sie nun missmutig zurück, auch wenn Ironisha genau erkannte, dass sein Necken nur Fassade war. In Wirklichkeit war Forensis genauso besorgt wie sie selbst. „Du warst ziemlich abgelenkt. Worüber hast du nachgedacht?“ „Über das, worüber wir alle nachdenken.“, sagte Ironisha ruhig und schloss die Augen. „Warum Mronas so plötzlich eine Konferenz abhält?“. Sie nickte nur stumm. Forensis seufzte und fuhr sich nervös durchs Haar. Danach pfriemelte er an dem Kragen seiner schwarzen Jacke herum und strich sich sein weißes Hemd glatt. Ein schwarzes Lederband schmiegte sich um seine Hüfte und in dem daran befestigten Heft steckte eine rote Scheide, in der ein kunstvoll, blank geschliffenes Schwert steckte. „Ja...das fragen sich mein Bruder und ich mich auch.“ „Du hast mit Terensis gesprochen?“, mit einen kurzem Nicken bestätigte der Feuergott ihre Frage. Terensis war der Gott der Erde und der etwas ältere Bruder von dem Jungen neben ihr. Sie beide waren die Söhne von Arachna, die einst die Pflanzen schuf, auch wenn die meisten es nicht glauben würden. Die beiden Brüder waren wie Tag und Nacht. Während Forensis aufbrausend, unberechenbar und temperamentvoll wie das Feuer war, so ruhig und beständig wie die Erde war Terensis. Dennoch verstanden sich die beiden Brüder gut, besser als so viele Menschen, die sich als „Freunde“ bezeichneten. Auch wenn die vier eine eigene, stark zusammenhaltende Gruppe bildeten, so war manchmal eine leichte Tendenz zu zweier Gruppen zu erkennen. Terensis verstand sich am besten mit Arsenia, der Göttin des Wassers mit den kurzen blauen Haaren und den geraden Pony. Wohingegen Ironisha sich besonders gut mit Forensis verstand. Wahrscheinlich weil diese 2 Elemente sich jeweils brauchten. Feuer brauchte Luft zum Leben und Erde brauchte Wasser, damit etwas auf ihr wuchs. „Hat er Neuigkeiten?“ „Die Schrimnas Wälder sind nun ebenfalls verdorben und in Dunkelheit gehüllt.“ Wieder seufzte Ironisha schwer. Es war nur noch eine Frage der Zeit gewesen bis das passierte. Schweigend nahm sie diese Information zur Kenntnis. Etwas andres lag ihr schwerer im Magen, als dass dieser Wälder in Dragos Hand fielen, denn es war eh unvermeidbar gewesen. Auch wenn dies bedeutete, dass Forensis wieder einen Teil seiner Lebensenergie verlor, die er aus der blühenden Natur bezog. „Wie geht es ihm?“, fragte die Luftgöttin knapp. „Terensis wird immer blasser und sein Gesicht schmaler. Aber noch geht es.“, antworte ihr Freund, der sichtlich um seinen Bruder besorgt war. „Ja...das glaub ich...sag...hast du das von Narunia gehört?“ Forensis keuchte hörbar auf und holte zischend Luft. Dann nickte er schnell. Er wandte den Blick zu ihr und in seinen blauen Augen war Trauer zu erkennen. Die vier kannten Narunia gut und hatten sehr oft mit ihr zusammengearbeitet. Ihr Verlust hatte bei allen ein tiefklaffendes Loch des Schmerzes hinterlassen, was sich nur langsam schloss. Die Verblendung ihrer Gefährten machte ihnen den Schmerz nicht erträglicher. Der Junge schluckte den Kloß im Hals hinunter und sprach mit etwas brüchiger Stimme: „Es ist schrecklich, oder? Ihr eigener Sohn...Da sieht man mal, dass Niemand, nirgendwo mehr vor ihm sicher ist.“ „Da hast du Recht. Wir müssen auf der Hut sein. Nur was hatte Dragos dazu getrieben? Er war zwar immer verschlossen, aber bösartig oder machtgierig? Das passt so gar nicht zu ihm“ „Darauf habe ich auch keine Antwort. Er ist ja nicht zu finden...sobald man denkt, man hat ihn entdeckt und kann ihn zur Rede stellen, verschwindet er, wie ein Schatten, der sich im Licht auflöst...Also, wollen wir rein?“ „Von Wollen kann keine Rede sein.“ „Nein, nicht wirklich.“, räumte der Feuergott ein. „Aber wir sollten.“ Er erhielt ein Nicken zur Antwort und so betraten sie beide den Palast um sich zu den restlichen acht, nein 7 Göttern, zu gesellen. Weitere fünf Minuten später hatten die beiden Götter Platz genommen. Die Götter tagten um einen runden, ungefähr 10 Meter langen Tisch, welcher aus Minoaholz, dem ältesten und wertvollsten aller Hölzer, angefertigt wurde. Die Farbe war von einen dunklen, glänzenden braun von feinen schwarzen Adern durchzogen, welche die gesamte Kraft der Natur verkörperten. Die Elementgötter saßen in auf der linken Seite des Tisches in der Mitte. Auch Arsenia und Terensis waren so eben eingetroffen und saßen nun neben ihren beiden Freunden. Links neben Ironisha hatte Terensis seinen Platz eingenommen. Der Gott der Erde sah von ihnen noch an erwachsensten aus. Sein markantes Gesicht mit der ausgeprägten Wangenpartie verlieh ihm ein erstes und ruhiges Aussehen. Das Haar fiel in Strähne, so schwarz wie die dunkelste Nacht, bis zum Kinn hinab. Doch im Gegensatz zu der zerzausten Frisur seines Bruders, nahmen seine Haare ihm nicht die Sicht. Um seine Stirn hatte er ein rotes Tuch gebunden, was einen starken Kontrast zu seinem Schopf bildete. Dunkelblaue Augen blickten müde auf den Tisch und seine sonst so braune Haut, war sichtlich erblasst. Auch Terensis hatte, wie Ironisha, eine Rüstung angelegt, doch seine war so dunkel wie die tiefsten Erdschichten des Planeten, den er bewachte. Nur das goldene Zeichnen des Elements Erde prangte auf seiner durchtrainierten Brust. Um seine Schultern schmiegte sich ein roter Schal aus Wolle, er ihn vor den eisigen Winden des Nordens schützte, wo er sich in letzter Zeit am Häufigsten aufhielt um den Schaden der Verderbnis noch irgendwie zu begrenzen. Auch er trug ein treues Schwert an seiner Hüfte, welches ihm im Notfall zur Seite stand. Doch besorgt nahm Ironisha zur Kenntnis, dass seine Haut matter und blasser wirkte als sonst. Seine sonst intelligenten Augen waren dumpfer und das Gesicht wirkte eingefallener. Auch sein Haar glänzte nicht mehr ganz so sehr wie es immer üblich war. Von ihnen allen, traf das Wüten Dragos Terensis am Meisten. Immer mehr Teile der Erde fielen unter den schwarzen Mantel des dunklen Fürstens und raubten so dem Gott der Erde seine Energie. Das Mädchen neben ihm hatte dieses Problem bisher noch nicht. Arsenia hatte das Aussehen einer 16-Jährigen mit zierlichen Körper und feinen Gesichtszügen. Genauso wie das Wasser, was sie kontrolliere, so waren auch ihre Haare von dunklem Blau und fielen gestuft bis zu ihrer Schulter hinab. Ein gerade geschnittener Pony verdeckte ihre Stirn. Da sie bisher noch kaum Angriffe des Halbgottes verkraften musste, trug sie ein verspieltes, weißes Kleid mit Spitzenbesatz. Alle vier blickten mit missmutigen, ernsten Gesichtern in die Runde der verblieben Götter, während ihre Blicke immer mal wieder auf dem einsamen Stuhl Narunias hingen blieben. Dem angeregten, fröhlichen Gequatschen der restlichen Siebe nach zu schließen, hatte noch keiner Notiz von dem Tod der Schicksalsgöttin genommen. Mit jeder Minute die verging, wurde das aufgeregte Schnattern im Raum lauter. Hier diskutierten sie über ihre neuen Errungenschaften, dort über die Dummheit der Menschen, die ihnen dienten und noch so viel unsinniges Zeug mehr. Immer wenn sich entweder ein Kelch mit blutroten Wein leerte oder sich auf einem goldenen Teller keine appetitliche Speise mehr befand, so löste sich ein Schatten von der Wand und ein Diener füllte entsprechendes sofort wieder auf. Die Zeit schien endlos zu sein und Ironisha verlor immer mehr die Geduld, aber es stand ihr nicht zu, die Sitzung zu eröffnen, dafür stand sie in der Rangordnung zu niedrig. Genervt fuhr sich das Mädchen durch ihre Haare und ließ sich in die Lehne fallen. Leider konnte nur Mronas für Ruhe sorgen, da er der Vorsitzende war. Doch eben dieser war tief in ein lautstarkes, Gesten reiches Gespräch mit Zunas, dem Todesgott, vertieft. „Das gibt es doch nicht!“, schoss ein zorniger Gedanke durch ihren Kopf. Tief holte sie Luft und versuchte ihr vor Wut rasendes Herz zu beruhigen. Ihre Finger krallten sich so fest in das dunkle Holz des Stuhles, dass ihre Kuppen weiß hervortraten. Doch sie musste ruhig bleiben, ein Wutanfall würde nur noch mehr Ärger und Chaos hervorrufen und somit für kein Vorankommen in der Angelegenheit sorgen. So schwer es auch fiel, hier musste die Geduld siegen. Der schlanke, grazile Körper sackte gegen die Lehne des Stuhles, wobei ihr weißes Haar über die Lehne floss. Nach einiger Zeit erhob sich dann auch endlich Mronas vom Stuhl. Der Gott des Raumes war ein Mann mittleren Alters mit teilweise bereits ergrautem, schütteren Haar und Wohlstandsbauch, welchen er unter einer Kutte, wie ihn sonst Tempeldiener trugen, versteckte. Seine scharfen, wasserstoffblauen Augen wanderten durch die Runde, verharrten kaum den Bruchteil einer Sekunde an Narunias Stuhl, als würde es ihn nicht überraschen, dass sie fehlte. Nach einem tiefen Atemzug räusperte er sich und sofort wurde es still in dem hohen Raum. Auch Ironisha richtete sich nun auch in ihrem Stuhl wieder auf und wandte ihre Aufmerksamkeit nun dem Vorsitzenden zu. „Ich heiße euch willkommen, meine Freunde und danke euch, dass ihr den weiten Weg auf euch genommen habt. Es ist mir durchaus bewusst, dass ihr alle momentan viel zu tun habt.“, sprach seine raue Stimme. „Von wegen...das ist doch bloß eine übliche Floskel. Was weißt du schon?“, dachte Ironisha wütend und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Ihre Augen verengten sich, sodass nur noch schmale Schlitze zu sehen waren. „Bevor wir nun zur üblichen Tagesordnung übergehen, möchte ich noch sage, dass...“ Noch bevor Mronas seinen Satz beenden konnte, wurde die Tür aufgerissen und ein gehetzter, junger Hochelf, stürmte in den Saal. „Was erlaubst du dir einfach so eine wichtige Konferenz zu stören?“, fuhr der Herr des Raumes den Diener an. Terensis, Forensis, Arsenia und Ironisha, die mit den Rücken zur Tür saßen, drehten sich um, sodass sie zur Tür sehen konnten. Die Göttin der Luft erkannte den Störenfried. Es war der Elf gewesen, der vorhin an dem Eingang vorbeigelaufen war, als sie Forensis getroffen hatte. „Verzeiht mir...Herr...“, presste der blondhaarige Elf keuchend hervor. „ABER WIR WERDEN ANGEGRIFFEN!“ „Was? Von wem?“, fragte Ironisha und sprang sofort auf. „Von...“, doch der Elf brach ab und begann stark zu zittern. Die Augen verdrehten sich langsam nach Innen und Blut tropfte aus seinem Mund. Dann sackte die Gestalt in sich zusammen und mit einem entsetzten Schrei sah Ironisha, dass ein schwarzes Schwert in dessen Brust steckte. Der Diener röchelte und blieb dann regungslos auf der Klinge hängen. Plötzlich war es totenstill in dem Raum. Jeder der anwesenden Götter war vor Schrecken zu Stein erstarrt. Mit zu einem stummen Schrei aufgerissenen Mündern starrten sie auf das Szenario vor ihnen. Nach endlos erscheinenden Augenblicken in denen keiner zu blinzeln wagte, durchdrang das Klappern von aufeinander treffenden Metall die einem zu ersticken drohenden Stille. Eine hochgewachsene Gestalt löste sich aus dem Schatten und legte dem Elf die in Kettenhandschuhen steckende Hand auf die Schulter. Der Mann, der nun bedrohlich im Türrahmen stand, war komplett in eine schwarze Rüstung gekleidet. Das Gesicht konnte Niemand erkennen, da es von einem schwarzen Helm verdeckt wurde. Er Eindringlich zog nun das Schwert aus dem jungen Elf, was diesem ein letztes Keuchen entlockte, bevor er leblos zu Boden sackte. Die Luft im Saal schien zu Eis zu gefrieren und das Herz Ironishas schlug ihr bis zum Hals. Es war doch unmöglich, dass einer es schaffte in Elunris einzudringen. Aber es blieb kein Zweifel. Diesem schwarzen Ritter war es gelungen, denn er stand vor ihnen. Entsetzt wich Ironisha bis zum tisch zurück, da sie dem Feind am nächsten stand. Angst durchflutete ihr Bewusstsein und machte ein logisches Denken fast gänzlich unmöglich. So etwas Grausames hatte sie selten gesehen. Er war definitiv gefährlich. Der Mann trat nun vor und blieb direkt vor der Versammlung stehen, wobei sein rechter Fuß auf dem Kopf des soeben getöteten Elfs stand. Dunkelrotes Blut perlte an der Klinge seines gewaltigen Schwertes hinab und fiel wie Tränen auf den Boden. In einer flüssigen Bewegung zog der schwarze Ritter seinen Helm vom Kopf und feuerrote Haare sprangen in eine Drachenzacken ähnelnden Frisur zurück. Smaragdgrüne Augen blickten in die Runde und ein boshaftes Grinsen lag auf dem Gesicht Axels. „Hiermit erkläre ich die Party beendet.“ Kapitel 2: Schmerzliche Gewissheit ---------------------------------- 2. Kapitel: Melanie Verzweifelte Erkenntnis Ein lautes Grollen ließ die Erde das Heiligtum des Donners erzittern. Gleißende Blitze erhellten in Sekundentakt den Himmel und ließen den Wald der Donnerebene in einem gespenstischen Licht erscheinen. Die einzelnen Bäume wirkten wie dürre Leiche, welche in dem Sturm ächzten und wehklagten. Eiskalte Regentropfen, so groß wie ein Vogelei, prasselten unablässig auf den bereits schlammigen Boden und der starke Wind trieb sie auch noch in den besten Unterschlupf. So war auch Melanie in ihrem Versteck dem tobenden Sturm hilflos ausgeliefert. Bibbernd schlang sie ihren Mantel noch fester um ihren Körper, doch es half nichts gegen die eisige Kälte. Ihre Klamotten waren bereits vollkommen durchnässt und klebten an ihren schlanken Körper, welcher von Gänsehaut übersät war. Melanie presste sich soweit es ihr möglich unter einen Felsvorsprung, welcher über eine kleine Senke ragte. Noch immer hämmerte ihr Herz wie wild gegen die Brust und die Shurana jappste nach Luft. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen den Felsen. Verzweifelt kniff Melanie die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen, doch der schnell prasselnde Regen und der tiefschwarze Himmel machten es ihr gänzlich unmöglich mehr als Schatten auszumachen. Zwar sorgten die Blitze für genug Licht, doch sie blendeten das Mädchen, sodass auch sie keine Hilfe waren. Kurz schloss Melanie die Augen. Noch immer erschien ihr das, was in der letzte Stunde passiert war, unbegreiflich. Sie war so eine Idiotin gewesen. Ihre Sehnsucht hatte ihren Verstand vernebelt und in eine Falle laufen lassen. Nun war sie auf der Flucht vor ihrem Verfolger und lauschte verzweifelt in die aufkeimende Nacht. Doch das Trommeln der Wassertropfen war so laut, dass alle anderen Geräusche übertönt wurden. Angestrengt versuchte Melanie ihre Atmung zu kontrollieren. Wie hatte sie nur glauben können, dass dieses Wesen wirklich Axel gewesen war? Wie hatte sie nur so blöd sein können? Wütend schlug die Shurana auf den schlammigen Boden und musste sich sehr beherrschen um nicht laut zu zischen. Ihr Körper zitterte- nicht nur vor Kälte, sondern auch aus unterdrücktem Zorn. Der Wunsch in ihrer Brust ihren Geliebten endlich wieder zu sehen war einfach zu groß gewesen. Stumm liefen Tränen ihrer Wangen hinunter. Sie wünschte es sich doch so sehr. Noch nicht einmal so eine offensichtliche Falle hatte sie als Shurana durchschaut. Schöne Bescherung... Wie sollte sie dann Axel aus Dragos Festung retten? Eine scharfe Windböe ließ Melanie erneut erzittern und hastig rieb sie sich über ihre Arme, welche bereits ganz taub geworden waren. In eben jenen Moment, wo Melanie auf den harten Waldboden aufgeschlagen war, da wurde ihr bewusst, dass das hier keine Realität war, sondern bloß eine Einbildung ihres Herzens- ausgenutzt von irgendeinem Wesen. Wie hätte Axel denn auch aus der Gefangenschaft von Dragos fliehen können und sich auf eine Ebene vorkämpfen können, die in der Luft schwebte? Dieses Szenario war völlig unmöglich und doch hatte Melanie es geglaubt. Ihr Geist war noch von dem Streit mit Canzor und den Strapazen der letzten Monate so durcheinander gewesen, dass sie nicht mehr rational hatte denken können. Doch in dem Moment, wo sie die Zunge des Wesens an ihrem Hals spürte, war es der Shurana wie Schuppen von den Augen gefallen, dass sie blindlings in eine Falle getappt war. Melanie blickte zum schwarzen Himmel hinauf. Ein Schwarm Donnerkrähen flatterte krächzend aus dem Wald heraus und über Melanie hinweg. Diese fuhr erschrocken zusammen und ihr Herz schien für einige Momente auszusetzen, doch als sie erkannte, dass es sich dabei nur um Vögel handelte, atmete sie erleichtert auf. Ihre Nerven lagen definitiv blank. Das schwarzhaarige Mädchen wusste nicht, ob das Wesen, was sich als Axel ausgab, sie verfolgte, nachdem sie ihm ihr Bein in den Schritt gerannt und davon gerannt war. Die ersten Minuten ihrer Flucht hatte er es noch getan, doch seitdem sie hier unter diesem Felsen hockte, hatte sie nichts Verdächtiges mehr wahrgenommen. Aber genau das beunruhigte Melanie auch. Wenn sich jemand schon so eine raffinierte Falle ausdachte, dann würde er doch nicht so einfach aufgeben, oder? Melanie biss sich auf die Unterlippe und begann unkontrolliert zu zittern. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so war es ihr doch klar: Sie hatte große Angst. Momentan wünschte sie sich nichts so sehr, wie das Brüllen von Canzor am Himmel zu hören, der ihr zur Rettung eilte. Den scharfen Wind zu spüren, den seine Flügel entfachten und die feurig glühende Schuppen zu sehen. Doch der Drache würde sie nicht retten kommen, wie er sonst immer getan hatte. Schließlich war sie wutentbrannt davon gestapft und hatte ihn stehen lassen. Wie sollte er also wissen, dass Melanie nun seine Hilfe brauchte? Sie war schließlich selbst schuld. Mittlerweile hatte auch die Shurana eingesehen wie kindisch und störrisch sie sich verhalten hatte, doch ließ es sich nicht mehr rückgängig machen auch wenn sie es sich sehr wünschte. Bei den Gedanken an den Elementdrachen wurde ihr Herz ungewohnt schwer- fast so, als würde es sich verkrampfen- und salzige Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr tat es leid Canzor so angefahren zu haben. Der Regen begann allmählich nachzulassen und die dichte Wolkendecke lichtete sich. Ein schwacher Lichtschein durchdrang nun den dunklen Himmel und ließ die grobe Konturen einer Gestalt erkennen. Melanie blinzelte als sie bemerkte, dass der Sturm vorüber zog und schirmte ihre Augen mit einer Hand ab. Allerdings ließ sich nicht sagen, was genau das war, dem selbst das fahle Licht der langsam aufgehenden Morgensonne war so stark im Vergleich zu der vorherigen Finsternis, dass es die Shurana blendete. Angestrengt starrte Melanie das Wesen vor ihr an. Das Mädchen wusste nicht, ob sie bereits entdeckt worden war oder die Gestalt nur zufällig da stand. Allerdings bewegte es sich nicht. Sie konnte es echt nicht sagen, was das zu bedeuten hatte. Melanie beschlich ein ungutes Gefühl und ein Schauer jagte ihren Rücken hinab. Es sah sie an, oder? Ja, ziemlich sicher, es starrte sie an. Sie schluckte und presste sich so leise wie möglich an die Felswand hinter ihr. Ihr Herz begann zu rasen und Adrenalin schoss durch ihre Blutbahnen. Angst griff wie eine kalte Hand nach ihren Eingeweiden und presste sie zusammen. Dann brach ein Loch in die Wolkendecke und das Licht von Starfire schien direkt auf die Gestalt vor ihr. Das Blut gefror in Melanies Adern, als sie erkannte was da vor ihr stand. Erschrocken schnappte sie nach Luft, da ihr der Atem wegzubleiben drohte. Nur gut drei Meter von ihrem Versteck entfernt stand Axel und blickte sie an. Sein Haar war dunkelbraun vom Regen und hing bis zu seinen Schultern hinab. Auch sein schwarzer Mantel war klitschnass und spannte sich um seinen muskulösen Oberkörper. Mit traurig, verletztem Blick sah er auf das zusammengekauerte Mädchen hinab, doch ansonsten regte er sich nicht. Er stand einfach da und durchdrang sie mit diesem herzzerreißenden Blick in seinen smaragdgrünen Augen. Auch Melanie war nicht in der Lage sich zu regen. Sein Blick nahm sie gefangen und ließ einen brennenden Schmerz von Schuldgefühlen in ihr auflodern. Ihr Herz schlug schnell und unregelmäßig, doch nicht vor Angst, sondern vor Sehnsucht. Der Zauber der Illusion ergriff wieder von ihrem Verstand Besitz und auch wenn Melanie wusste, dass es nur ein schöner Schein war, dem sie sich dort hingab, so konnte sie sich nicht dagegen wehren. Der Gedanke sich in ihrer Wunschvorstellung zu verlieren war für das verzweifelte, überforderte Mädchen durchaus verlockend. Warum sollte sie sich nicht in diese Lüge fliehen, wenn sie doch dort viel glücklicher war? Wenn sie dort all ihre Sorgen und Ängste vergessen konnte? Der Mensch war nun mal ein egoistisches Wesen und für Melanie selbst war es so wesentlich einfacher und vor allem erträglicher. Ihr mentaler Widerstand schwand mit jeder Sekunde indem Melanie in die traurigen Augen von Axel sah. Langsam erhob sich die junge Frau aus ihrem Versteck und schritt über den schlammigen Untergrund auf den zweiten Shurana zu. Vorsichtig, beinahe tranceähnlich, ging sie auf den Jungem mit den feuerroten Haaren zu- ohne den Blickkontakt abzubrechen. Auch Axel regte sich langsam. Sein Kopf hob sich und er streckte seine Hand nach Melanie aus, während sich ein zufriedenes Lächeln auf seine vollen Lippen legte. Mit diesem schönen, sanften Lächeln verlor sich auch der letzte Rest von Melanies Widerstand gegen die Illusion. Obwohl ihr Unterbewusstsein sich im Klaren war, dass das nicht die Realität war, so war ihr Bewusstsein wunderbar ruhig. All ihre Sorgen und Zukunftsängste waren wie vom Regen weggewaschen. Plötzlich fühlte sie sich wunderbar leicht und schwerelos an, beinahe als würde sie schweben. Schließlich war sie hier mit ihrem Geliebten und das war alles was zählte. Oder etwa nich? Kurz blinzelte Melanie verwirrt und blieb stehen. Die Anziehungskraft Axels schwand für einen kurzen Augenblick. Melanie zögerte und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Irgendetwas hatte sie doch vergessen...nur was? Nachdenklich senkte sie die Augenbrauen und verzog den Mund. Angestrengt versuchte Melanie ihre trägen Gedanken wieder anzukurbeln und herauszubekommen, woran sie noch denken sollte. Rot...diese Farbe glühte vor ihrem inneren Auge auf, als wäre es ein Hinweis darauf, was sie vergessen hatte. Angestrengt dachte sie weiter nach und das Rot in ihren Gedanken entwand sich und nahm allmählich Formen an. Aus dem blutroten Fluss formten sich große Hornschuppen. All das half Melanie allerdings auch nicht weiter auch wenn sie das Gefühl nicht loswurde, dass es da noch Jemanden gab, der auf sie wartete, den sie nicht im Stich lassen durfte. Ein lautes Brüllen schien ihre Seele zu erschüttern- fast so als wolle es sie aufwecken, doch ihre Erinnerungen schliefen weiter. Ein beklemmendes Gefühl ergriff Melanie und ließ sie innehalten. Dieses Wesen mit den roten Schuppen...wer war das? Bedeutete er ihr so viel, dass sie dafür ihre Glückseligkeit aufgeben würde? Der Shurana bekam darauf keine Antwort. Sie wusste nicht, wer aud sie warten würde und doch schmeckte sie den bitteren Beigeschmack von Galle in ihrem Mund. Axel war die plötzliche Regung in Melanies Geist natürlich nicht entgangen. Er trat auf sie zu, stand nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Eine sanfte Brise, ein Nachzügler des Sturmes, ließ Axels Haar leicht im Wind wehen. Ein zärtlicher Ausdruck legte sich auf sein schönes Gesicht, während er seine Hand an ihre Wange legte. Melanie sah auf und blinzelte fragend. „Melanie...“, flüsterte Axel und seine Stimme kam einer sanfter Frühlingsbriese gleich. „Was ist los? Ich dachte wir wollten für immer zusammen sein.“ Vorsichtig, fragend strich er über ihre Wange und sah sie flehend an. Das schwarzhaarige Mädchen schloss die Augen und seufzte sehnsüchtig. Ihr Bewusstsein wollte nichts lieber als sich diesen Verlangen bei Axel zu sein, nachzugeben, doch ihr Unterbewusstsein kämpfte noch immer verbissen dagegen an. „Natürlich möchte ich das, Axel...“, flüsterte Melanie ebenfalls. Axel strahlte glücklich und zog sie an sich heran. Die Shurana wurde rot, als sie den muskulösen Oberkörper an ihrer Haut spürte und die Hitze, die sein Körper abstrahlte. Die angenehme Körperwärme nahm Melanie gefangen und dennoch fühlte sich das Mädchen sicher. Hier gehörte sie hin, daran bestand für Melanie kein Zweifel mehr. In diesen Armen war ihr Platz und Niemand könnte sie von Axels Seite reißen. Axel lächelte und umarmte sie zärtlich. Sanft streichelte der rothaarige Junge über ihren Rücken. Melanie seufzte zufrieden. Sie war wunschlos glücklich. Der Junge strich unter ihr Kinn. Sie erschauderte, als sie seine sanfte Hand unter ihrem Kinn spürte. Zärtlich hob ihre große Liebe ihren Kopf an und küsste sie. In Melanies Bauch schien ein Schwarm Schmetterlinge umherzuflattern und alles begann in ihrem Körper zu kribbeln. Die Welt um sie herum verschwamm. Raum und Zeit schienen nicht mehr zu existieren oder zumindest still zu stehen. Nur noch Axels weiche Lippen auf den ihren waren für Melanie noch von Relevanz. Ihr Herz klopfte rasend schnell gegen ihre Brust, wohlige Wärme breitete sich in ihrem vor Kälte halb tauben Körper aus und ihr Gefühl in den Armen kehrte langsam wieder. Das Kribbeln in ihrem Körper wurde mit jedem Moment des Kusses intensiver. Axel... Endlich war er wieder da, endlich war er wieder bei ihr. Nun würde alles gut werden. Zusammen würden sie das schon schaffen. Melanie runzelte die Stirn und löste sich ein wenig aus dem langen Kuss. Was? Was würden sie zusammen schaffen? Von was hatte sie da gerade gedacht? So sehr Melanie auch darüber nachdachte, ihr wollte es partout nicht einfallen. Ihre „normalen“ Gedanken liefen schnell und flüssig wie ein Gebirgsbach, doch sobald Melanie versuchte den flüchtigen Gedanken zu erfassen so wurden sie zäh und dickflüssig wie ein Sumpf. Als hätte ihr Bewusstsein eine mentale Mauer darum gebaut. Nach einigen Augenblicken jedoch gab die Shurana es auf, sie durchbrechen zu wollen. Dafür war der Moment viel zu schön. Axel öffnete die Augen, als er bemerkte, dass Melanie sich löste und trat einen Schritt zurück. Fragend hob er seine schlanken Augenbrauen. In seinen grünen Augen schimmerte Verwunderung und vorsichtig legte er seine Hände an ihre Schulter, als wolle er sie festhalten und verhindern, dass sie floh. Aber warum sollte sie das tun? Allmählich schlich sich das unangenehme Gefühl wieder an, was sie doch eben erst erfolgreich verdrängt hatte. Der rothaarige Junge öffnete Mund, wollte etwas sagen, doch sollte er nicht mehr dazu kommen. Eben in jenem Moment ertönten laute Flügelschläge über ihren Köpfen. Die umher stehenden Bäume erzitterten auf Grund des entfachten Luftzuges. Melanie sah überrascht drein und warf den Kopf in den Nacken. Doch konnte sie nichts weiter als die Konturen der Gestalt über ihnen ausmachen, denn sie stand genau vor der mittlerweile kräftigen Starfire, sodass nicht mehr erkennbar war als dunkle Umrisse. Melanie schirmte instinktiv ihre Augen ab und musste stark blinzeln, doch noch immer konnte sie nicht mehr Details ausmachen. Mit ruhigen Flügelschlägen hielt sich die große Gestalt in der Luft. Melanie war durchaus beeindruckt von ihrer erhabenen Ausstrahlung- wenn gleich sie nicht wusste, ob sie gut oder böse war. Axel hingegen zischte zornig. Offensichtlich hatte er die Gestalt erkannt. Vielleicht war sie eine von Dragos Gefährten, der ihn verfolgte? Melanie wandte sich zu ihrem Freund um, um zu sehen was für einen Blick er hatte, doch dann verlief alles viel zu schnell. Ihr Gefährte sprang mit einem kräftigen Satz wie ein Raubtier auf seine Beute zu und packte sie grob an den Schulter. Melanie schrie entsetzt auf, taumelte rückwärts von der Wucht und wäre beinahe hingefallen, wenn Axel sie nicht so krampfhaft festgehalten hätte. Der zweite Shurana zog sie herum, wollte gerade mit ihr losrennen, doch Melanie wehrte sich. Sie wollte nicht fliehen. Etwas stimmte hier nicht und sie wollte erst herausfinden, was es war. Aber der Neuankömmling ließ Axel gar nicht erst mit Melanie entkommen. Ein Zischen durchschnitt die Luft. Axel warf einen Blick zurück, weitete entsetzt die Augen, doch für ihn gab es kein Entkommen mehr. Ein goldener Pfeil mit weißem Federschaft durchbohrte ihn genau durch die Brust. Mitten in einer letzten, verzweifelten Fluchtbewegung erstarrte der Junge und röchelte. Ein Schwall Blut ergoss sich aus seinem Mund, doch es war nicht rot, sondern silbrig schimmernd und vor allem dickflüssiger. Melanie schrie erneut und wich entsetzt zurück. Der Pfeil hatte sie nur um Haaresbreite verfehlt. Ihr Körper zitterte unkontrolliert, als sie mit ansehen musste, wie ihre große Liebe vor ihren Füßen zusammenbrach. Der schwarze Umhang begann sich aufzublähen und Blasen zu werfen. Ungläubig, fassungslos schüttelte das Mädchen den Kopf und wich immer weiter zurück, bis sie schließlich über eine Wurzel stolperte und zu Boden fiel. Ihre Gedanken waren vor Schock wie gelähmt, sie konnte nicht realisieren, was vor ihr geschah. „A...Axel!!!“, rief sie entsetzt nach ihrem Freund. Der Körper ihres Geliebten wand sich qualvoll aus den Boden, als würde er innerlich verbrennen. Sein Blick zitterte, als er sie mit flehenden, tiefen Blick ansah und die Hand hoffnungsvoll nach ihr ausstreckte. Sie musste ihm helfen! Irgendwie! Doch wie? Melanie wimmerte. Blankes Entsetzen hatte sie gepackt und so zur Hilflosigkeit verdammt. Tränen schimmerten durch das sanfte Sonnenlicht in ihren Augen. Die Wunde in Axels Brustkorb begann sich zu weiten und begann ein Loch zu bilden, so groß wie eine menschliche Faust. Ein markerschütternder Schrei entfuhr dem Shurana, während er, einem Anfall nahe, den Kopf in den Nacken warf und sein Schrei verging sich in einem irren Lachen. Seine tiefen, seelenvollen Augen traten aus ihren Höhlen und wurden immer stumpfer. Sein Körper bebte. Der Todesschrei ihrer großen Liebe schlug in Melanie ein wie ein Blitz und ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Mit jedem Augenblick wurde das Loch in seiner Brust größer und mit einem letzten, qualvollen Stöhnen, löste Axel sich in Luft auf. Er war fort. Nichts blieb von ihm, fast als hätte er nie wirklich existiert. Für die Shurana zerbrach die Welt. Die Person, die ihr immer Kraft gespendet hatte, egal wie schlecht es ihr ging, war nun fort- für immer. Melanie saß wie versteinert auf dem Boden und starrte auf die silbrige Pfütze, die als einziges von Axel geblieben war. Das durfte nicht wahr sein. Es konnte nicht...! Nein, Axel durfte nicht tot sein! Ihr Herzschlag setzte einige Sekunden lang aus. Auf einmal...erschien er die ganze Welt grau. Sämtliche Farben schienen aus dem Raishi Gebiet zu verschwinden und alles war sinnlos geworden. Ihr Geliebter lebte nun nicht mehr und auf einmal war auch sämtlicher Lebenswillen aus ihrem Körper gewichen. Was hatte das Leben denn noch für einen Sinn, wenn das entschwunden war, was dieser gewaltigen Aufgabe doch noch eine Überwindbarkeit verlieh? Melanie wusste es nicht und so erschien es ihr am besten, wenn sie nun einfach einschlafen und nie mehr Erwachen würde. Mit Axel Tod wurde die sonst so friedlich, harmonische Welt von Mythna, die so rein war blutbefleckt und düster. Alles war verschluckt von einem matten Schwarz und ein Loch zerriss ihre Ansicht von dem Planeten, verschlang sie und gab sie nicht mehr frei. Die warme Morgensonne kam der Shurana merkwürdig fehl am Platz vor. Da wäre ihr momentan der Sturm von vor einer Stunde doch wesentlich lieber, denn das strahlendschöne Wetter ließ in ihr die Galle hochkommen. Es kam ihr so böswillig ironisch vor. So, als würde die Starfire das extra machen, nur um ihre seelische Qualen weiter zu vergrößern. Bilder von glücklichen Zeiten mit Axel, all die schönen Erlebnisse sprudelten aus Melanies Unterbewusstsein hervor, überrollten sie wie eine gigantische Flutwelle und zogen sie weg. Ließen sie in ihrer Trauer versinken. Der Mörder ihres Freundes glitt elegant nach unten und setzte neben ihr auf. Wütend funkelten Melanies hellgrüne Augen auf und sie fuhr herum. Als sie jedoch erkannte, wer da neben ihr gelandet war, weitete sie überrascht die Augen. Es handelte sich um Parsath, den Himmelspaladin. Daran bestand kein Zweifel. Rappen waren unter den Zentaur relativ selten- die meisten von ihnen waren Füchse mit heller Mähne, doch einen komplett schwarzen Zentaur gab es so gut wie kaum. Was allerdings den Zentaur als Parsath identifizierte waren die schneeweißen Schwingen, die aus seinen muskulösen Schultern wuchsen. Aber warum sollte der Paladin Axel töten? Seine Flügel hatte er schließlich von den Ursprungsgöttinen bekommen verliehen bekommen, da er sich in dem Krieg gegen Oranum profiliert und als überragender Streiter für die Sache des Lichts bewährt hatte. Warum sollte eben dieser einen Shurana töten? Schließlich waren sie die Einzigen, die verhindern konnten, dass sich die Tragödie von damals wiederholte. Verwirrt legte das schwarzhaarige Mädchen ihre Stirn in Falten und strich sich eine Strähne hinter die Ohren. Ihr Blick schweifte von Parsath zu der silbrigen Pfütze, die als einzige von Axel geblieben war. Das alles ergab doch keinen Sinn... „Du weißt es doch schon längst, oder Melanie? Dass das hier nur eine Lüge war.“, sagte Parsath ruhig und verschränkte seine Arme locker vor der Brust. Seine samtige, ruhige Stimme umwehte sie wie ein zärtlicher Wind und ließ Melanie endlich erwachen. Sie war so rein und klar, dass sie alle Zweifel von Melanie davon wehte. Man konnte ihr einfach nur glauben. Es war für sie, als würde sie aus einem tiefen Schlaf erwachen. Endlich sah Melanie wieder klar und die vorher verschlossenen Erinnerungen kehrten zurück. Es war, als wäre sie in einer Blase tief unter dem Meer gefangen gewesen und nun tauchte sie endlich wieder an die langersehnte Oberfläche auf. Und dennoch, ließ ihr das Geschehene keine Ruhe. Melanie fühlte sich schrecklich, denn sie hatte sich wieder von ihrer Sehnsucht verleiten lassen, dabei war sie doch die Auserwählte und hätte vernünftiger seien müssen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Axel wirklich entkommen sein könnte? Äußerst gering. Canzor würde so sauer auf sie sein. Wie oft hatte er sie vor so etwas gewarnt? Zich mal und doch...hatte sie sich herein legen lassen. Traurig schloss die Shurana die Augen und wandte sich dann wieder dem Zentaur zu. Dessen schwarzes Haar umspielte friedlich dessen Schultern und die weißen Schwingen zogen sich zurück. So schwer es Melanie auch fiel es sich einzugestehen, so hatte Parsath recht. Ein wenig zögerlich nickte die junge Frau. „Ja...tief in mir schon...“ Während Melanie diese Worte flüsterte, legte sie ihre Hände vor die Brust und schloss die Augen. Ein zarter Wind strich durch Melanies rabenschwarzes Haar und ließ es tanzen. Diese Böe war so sanft, dass sie dem Mädchen vorkam wie eine fürsorgliche Mutter, die versuchte ihr Kind zu trösten, doch es half nichts. Melanie kam sich so dumm vor. Kleine Zweige zerbrachen, als der Himmelspaladin langsam auf sie zu schritt. Seine hellblauen Augen sahen sie ruhig und unverwandt an. Sie besaßen eine unglaubliche Tiefe, in der man sich leicht verlor. Wie viel mochten diese Augen wohl schon gesehen haben? „Was war das?“, fragte sie ihren Retter. Dieser schloss kurz die Augen und seufzte schwer. „Ein Kitsune.“ War die knappe Erklärung. Kitsune waren Fuchsgeister, welche entweder in Mooren oder dichten Wälder lebten. Die Anzahl ihrer Schwänze nahm mit zunehmendem Alter zu- maximal konnten es bis zu neun Stück werde. Je mehr Schwäze ein Kitsune besaß, desto machtvoller wurde ihre Magie. Mit Hilfe ihres Fuchsfeuers umhüllten sie den Verstand ihres Gefangenen und manipulierten dessen Verstand. Sie waren Meister der Illusionen. Häufig nutzten Kitsune diese allerdings nur um Reisende kleinen Streiche zu spielen, waren aber meist friedfertig und scheu. „Ein Kitsune? Das ist ungewöhnlich.“, murmelte die Shurana nachdenklich und sah zum Himmel hinauf. Die Spuren des Sturms hatte der Wind mit sich fortgezogen. Nur vereinzelte Schäfchenwolken trieben gemächlich über den blauen Himmel hinweg. „Es geschehen viele merkwürdige Dinge auf diesem Planeten.“, erwidert der Parsath mit merkwürdig monotoner, abwesender Stimme und folgte ihrem Blick. Seine intelligenten Augen betrachteten den Fluss der Wolken und verloren sich in den Weiten des Horizonts. Melanie nickte nur und obwohl Parsath dies nicht sehen konnte, wusste Melanie, dass er spürte, dass sie ihm zustimmte. Lange betrachtete sie den Himmel. Ein Gefühl der Leere hatte sich über ihren Geist gelegt. Sie dachte nicht nach, sah einfach nur die Wolken. Alles schien plötzlich weit entfernt und Melanie konnte das Vergangene mit einem gewissen Abstand reflektieren. Sie hatte viele Fehler in der Vergangenheit begangen, doch nun wollte sie sich bessern. Dieser Vorfall hatte ihr ihre eigenen Schwächen aufgezeigt. „Ich war eine verdammte Närrin...“, flüsterte die Shurana deshalb nach einiger Zeit. Das Gesagte verflog direkt, verging mit den Sommerbriesen. Parsath wandte langsam den Kopf und blickte sie mit seinen weisen Augen an, doch dann schüttelte er kurz den Kopf. „Das ist nicht wahr. Du hast dich von deiner Sehnsucht leiten lassen. Ich kann verstehen, dass du dir vom ganzen Herzen wünschst, dass dein Freund wieder bei dir ist.“ „Ich hätte es dennoch bemerken sollen.“ „Jeder möchte das sehen und an das glauben, was er sich wünscht. Davon ist Niemand befreit. Weder der imposanteste König noch der ärmste Bettler. Ein jedes Wesen würde alles tun um seinen Wunsch erfüllt zu sehen und wenn es dafür eine Lüge leben müsste.“, sprach der Himmelspaladin mit sanfter Stimme, die auch dieses Mal keinen Zweifel zuließ. Er bückte sich und hob den goldenen Pfeil auf, der den Kitsune durchbohrt hatte und steckte ihn in seinen Köcher zurück. Dankbar lächelte Melanie den Zentauren an. Es war Balsam für ihre geschundene Seele. Doch dann glitten ihre Gedanken wieder zu Canzor, der sicher von ihr enttäuscht sein würde und eine erstickende Traurigkeit legte sich wieder über sie. Doch Melanie wollte zurück. Der Streit tat ihr unglaublich leid und nun wollte sie das Gespräch mit dem Elementdrachen suchen und sich bei ihm entschuldigen. Dies hatte für sie nun oberste Priorität. „Parsath...ich habe eine Bitte an Euch.“, wandte sie sich deshalb an den Himmelspaladin. Dieser strich sich eine entflohene Haarsträhne hinter die Ohren und blickte sie fragend an. „Und welche?“ „Könntet...Ihr mich bitte zu Canzor bringen? Ihr habt doch damals gemeinsam gekämpft und kennt euch...ich...habe mich mit ihm gestritten und...möchte mich entschuldigen. Er macht sich sicher auch schon Sorgen um mich.“ Flehenden sahen die schimmernden Smaragde Parsath an. Doch dessen blick wurde seltsam leer und schien sich in der Ferne zu verlieren. Verwundert sah Melanie, wie der Gesegnete der Göttinnen sich in Erinnerungen der Vergangenheit verlor und ein trauriger Schimmer sich in seinen blauen Augen sammelte. Einige Zeit verharrte der Zentaur ohne sich zu Rühren, doch dann nickte er langsam und kehrte zurück ins Hier und Jetzt. „In Ordnung, ich bringe dich hin. Ich weiß...wo er ist.“, seine Stimme stockte immer wieder und er schluckte unauffällig. Trauer schwang in seiner Stimme mit. Ein ungutes Gefühl beschlich Melanie und ihr wurde klar, dass etwas vorgefallen sein musste, dennoch kletterte sie auf Parsaths Rücken. Der Paladin breitete seine Schwingen aus und erhob sich mitsamt Melanie in die Lüfte. Einige Zeit später sank Parsath ruhig durch die Luft in eine Schlucht hinab. Zerklüftete Felswände umrahmten Melanies Blickfeld. Steil fielen sie in die weite Tiefe hinab, als hätte einer mit einem Hammer die Felsen zerteilt. Fragend blickte das junge Mädchen sich um. Warum sollte Canzor hier sein? Sie waren gut 4 Lichtstrahlen von ihrem Lager entfernt und hier war nichts Außergewöhnliches. Bloß zerklüftete Steinwände, welche von der Zeit und Wind zerfressen worden waren. Alles ergab keinen Sinn und genau das steigerte das Unbehagen, was in Melanies Magen rumorte nur noch vergrößerte. Es klackte, als Parsath auf einen Felsvorsprung kurz über dem Boden landete. Hastig kletterte das junge Mädchen von dessen Rücken und sah sich um, doch Canzor war nicht zu entdecken. Sie sah nur Gestein vor ihr. Melanie streckte hre geistigen Fühler aus, suchte die Verbindung zu Canzors Geist, doch eine Reaktion blieb aus. Schließlich trat sie dann doch an den Rand des Vorsprunges und was sie dort sah, raubte ihr den Atem. Unter ihr befanden sich mehrere Meter hohe Felsen, die wie Nägel in die Luft ragten. Sie waren spitz und würden alles mit Leichtigkeit durchbohren, was auf ihnen landete. Genau unter den Füßen der Shurana lag der Körper des Elementdrachen- auf unzähligen Felsnägeln aufgespießt. Dunkelrotes Blut hatte ihre Spitzen verklebt. Melanie schrie entsetzt auf und kletterte ohne zu zägern die steile Felswand herab- rutschte mehr, als das sie kletterte. „Nein, Melanie! Tu das nicht!“, rief Parsath ihr noch nach, doch sie hörte ihn nicht. Er würde nicht zu ihr durchdringen. Sie wollte nur zu Canzor. Ihre Hände krallten sich in die Felswände und bluteten bereits durch die scharfen Kanten, doch sie musste da runter. Bloß Canzors Kopf war die einzige Stelle seines Körpers, der nicht durchbohrt worden war. Schlaff hing er auf einen schmalen, ebenen Bodenstreif, der das Nagelkissen wie einen Rahmen umgab. Sein Maul war zu einem letzten, qualvollen Schrei aufgerissen und seine Zunge war heraus gerollt. Melanie konnte förmlich spüren, welchen Schmerz fühlen, welchen der Drache im letzten Moment seines Lebens gespürt haben musste und es zerriss ihr das Herz. Unendlich Trauer verschluckte ihre Gemüt und sie konnte es nicht glauben. Canzor war tot. Er war wirklich tot, das spürte sie genau und es schmerzte ihr fast noch mehr als Axels Tod in dem Moment, wo sie ihn noch für echt hielt. Ihr Herz schien nun bleiern schwer und sämtliche Kraft wich aus ihren Körper. Melanie sackte auf den kalten Körper von Canzor, ihrem einzigen Verbündeten. Während ein Wasserfall aus silbrig schimmernde Tränen auf die roten Schuppen tropfte, wurde die schattenhafte Vermutung plötzlich zur grausamen Gewissheit. Sie war allein. Kapitel 3: Das frühere Ich -------------------------- 3. Kapitel: Canzor Das frühere Ich Es war still auf der Insel, die als Vordimension des Totenreiches diente. Jegliche Geräusche hatte Maloras Aussage verschluckt. Die Tiere hielten in ihren täglichen Tätigkeiten inne und wandten ihren Kopf den Drachen des Raumes zu. Gebannt beobachteten unzählige kleine Augenpaare die großen Drachen, welche stumm Canzor betrachteten, der noch nicht richtig begriff, dass sein Meister ihm gerade erklärt hatte, dass er tot sei und dabei war seine Erinnerungen für immer zu verlieren. Erst nachdem Resandris, mit einem Schwenk seines Schweifes, ihr Kiranos manipulierte, ließen die Tiere von dem Geschehen ab und ignorierten die acht Drachen vollkommen. Die erdrückende Stille waberte dennoch noch über die Ebene wie eine dicke Schicht aus Nebel. Canzor versuchte verzweifelt zu begreifen, was Maloras ihm da gerade gesagt hatte, doch seine Gedanken entglitten ihm immer, sobald er sie zu fassen bekommen hatte. Der Elementdrache blinzelte und strengte sich noch einmal an. Immer wieder rief Canzor sich die Worte seines Meisters in Erinnerung, doch es dauerte eine Weile, bis die Worte die dicke Mauer überwanden, die seinen Geist umgab und die Tragweite ihrer Bedeutung preisgaben. „Streng dich an, Canzor. Du kannst es schaffen.“, sagte Shaleng mit seiner sanften Stimme, die seinen Geist wie eine zarte Briese liebkoste. Wie eine Windböe drang sie in seinen Verstand und wehte den geistigen Nebel davon. Nun konnte er plötzlich wieder relativ klar denken und ihm wurde bewusst, was Maloras ihm da gesagt hatte. „Ihr...was?! Nein, das ist nicht wahr! Da...das kann nicht! Bitte, Meister Maloras...sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist!“, flehte der Elementdrache ihn mit gequälter Stimme an. Das Gesagte war für ihn so unwirklich, so unbegreiflich, dass es ihn fast wahnsinnig machte. Seine Seele sollte sich auflösen? War das diese Schwere, die seine Gedanken langsam wie ein zäher Schlammfluss dahin kriechen ließ? Nein! Das durfte nicht...sein Inneres sträubte sich, diesen Zustand zu akzeptieren und wehrte sich nun verbissen. Maloras blickte ihn aus seinen tiefen Augen wehleidig an. Er verstand, dass diese Worte Canzor aufwühlten und er litt mit ihm. Orikalco wandte sich zu Maloras um und stupste seinen Bruder kurz sanft an, als wollte er ihn ermutigen weiterzusprechen, doch dieser schwieg. Es schien ihn selbst zu quälen, denn so etwas war nicht leicht zu verdauen. Kurz schweifte der Blick des Drachens zum Himmel hinauf. „Hör zu, Canzor...“, sprach nun Orikalco für seinen Bruder weiter und sah Canzor eindringlich an. Dieser nickte sofort und blickte unverwandt die sieben Himmelsdrachen an. Der Drache der Zeit blickte noch einmal fragend zu seinem Bruder, ob er nicht doch weiter sprechen wolle, doch dieser schüttelte nur den Kopf. Auch Resandris seufzte schwer und blickte ernst und nachdenklich zugleich drein. Eine kleine schwarze Rauchwolke kringelte sich aus seinen Nüstern und lief mit dem Wind davon. Maloras gab ein trauriges Brummen von sich und ließ den Kopf hängen. Zwischen ihm und Canzor hatte immer eine besonders starke Verbindung bestanden und so machte ihm das Vorliegende am Meisten zu schaffen. Ganz im Gegensatz zu Zrias, der Canzor von den Punkt an nicht leiden konnte, an dem er den sieben Himmelsdrachen beigetreten war. Grund dafür war, dass Canzor den Platz und Azurra einnahm- der einzige weibliche Drache der Himmelsdrachen. Soweit Canzor gehört hatte, waren Zrias und Azurra verlobt gewesen, doch dann war sie in einer der Vorschlachten während einer Schlacht gegen Oranum gestorben, als er vor gut 15000 Jahren noch der Herrscher über Mythna war. Dadurch trat der erste und bisher einzige Fall ein, dass ein Drache auserwählt wurde, den sieben Himmelsdrachen beizutreten. Canzor war der einzige „Neue“. Die anderen sechs Himmelsdrachen existierten schließlich seitdem Mythna erschaffen worden war. Auch wenn Canzor für all das nichts konnte, so verstand der Elementdrache, dass es den Herrn des Metalls schmerzte und es ihm missfiel einen anderen ihren Posten gesehen zu haben, als seine Geliebte. Doch selbst Zrias war außergewöhnlich still und mied konsequent den Blick des Drachen der Elemente. Canzor fragte sich warum. Zrias war sonst nie um einen Spruch verlegen, besonders nicht, wenn er damit ihm einen reindrücken konnte. Canzor erschauderte, denn die Temperatur schien merklich auf der paradiesischen Eben zu sinken und er begann sich zu fragen, ob er das, was seine Lehrmeister ihn mitteilen wollten, wirklich wissen wollte. Jansaro warf Shaleng und Akarum einen tiefen Blick zu und diesen nickten leicht. Ihr Blick glitt in die Ferne- verschwand in ihrem weiten Wissen. Ihre Gedanken verschwanden in den Erinnerungen, soviel konnte Canzor erkennen. „Canzor!“, fuhr Orikalcos Stimme wie ein Messer in seine Gedanken und ließ ihn zusammenzucken. „Konzentrier dich!“ Der Elementdrache zögerte dem Drachen der Zeit in die Augen zu sehen, tat es dann aber. Strafende Augen ließen ihn zusammenfahren und er schluckte. „Entschuldigung.“, nuschelte er leise und senkte betreten den Blick. „Wenn du aufhörst dich auf uns zu konzentrieren und deine Gedanken schweifen lässt, wirst du deine Seele noch schneller verlieren als du es ohnehin schon tust und wir können dir nicht das sagen, weshalb wir überhaupt hier sind. Maloras hat extra diese Dimension erschaffen, damit wir vor deiner Reinigung mit dir reden können.“, erklärte Resandris die schroffe Art des Drachen der Zeit. Dieser sah seinen Bruder einige Momente lang an, doch Resandris Blick war zu mächtig, sodass der grün leuchtende Drache schließlich den durchdringenden Augen auswich und sich dem Drachen des Kiranos unterordnete. „A...aber wann bin ich gestorben? Ich erinnere mich ni...AAAH!“, Canzor zuckte zusammen, als er krampfhaft zusammen, als ihn ein geistiger Blitz durchzuckte. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper, als er verzweifelt versuchte die Erinnerungen zu greifen, die kurz vor seinem Tod geschehen waren. Wimmernd ließ der Elementdrache sich ins Gras fallen und vergrub seine Schnauze unter seinen Pranken. Der rotgeschuppte Körper zitterte unkontrollierte und ein qualvolles Quieken entwich ihm. „Versuch nicht, dich krampfhaft zu erinnern. Deine Seele befindet sich gerade in einem sehr unruhigen Zustand und jeder weiterer Stress würde sie noch mehr aufwühlen, was unvorhersehbare Folgen hätte.“ Maloras sanfte, liebevolle Stimme liebkoste Canzors Geist und nahm den brennenden Schmerz, der hinter seinen Augen zu pochen schien, von dem Drachen. Erleichtert atmete der Elementdrache aus und schloss kurz die Augen, um die friedliche Ruhe, die seinen Geist nun erfüllte zu genießen. Doch dann schüttelte Canzor den Kopf und konzentrierte sich wieder auf Orikalco, welcher in weiterhin abwartend ansah. Als der rot geschuppte Drache mit einem kurzen Kopfnicken signalisierte, dass er wieder bereit war zuzuhören, seufzte der Drache der Zeit schwer. Nun zögerte auch er. Es schien, als müsste er etwas sagen, dass ihm unangenehm sei. Canzor betrachtete den Herrn der Zeit und fragte sich, was sie alle so belastete. „Wir...“, setzte schließlich Orikalco an, brach aber kurz ab und blickte zur Seite. „Ja?“, hakte Canzor nach, welcher die Spannung kaum noch aushielt. „Wir...sind nicht immer ganz ehrlich gewesen.“, sprach Orikalco schnell das aus, was sie alle zu belasten schien. Canzor weitete entsetzt die Augen. „Aber um das besser zu erklären...muss ich wissen... an was von deinem Leben du dich nicht erinnerst...vor allem die Zeit, als wir dich erwählten...und die Schlacht vor 15.000 Jahren.“ Überrascht sah Canzor seinen Meister an. Wozu sollte das gut sein? Aber er gehorchte und versuchte sich zurück zu erinnern. Seine Gedanken glitten zu den Ereignissen vor etwa 15.000 Jahren, als er von den sieben Himmelsdrachen erwählt worden war. Zuerst waren sie nicht mehr ein Schatten ferner Erinnerungen in seinem Unterbewusstsein, doch mit jedem Moment mit dem er sich konzentrierte, wurden sie fester und kamen näher und schließlich sah er sie so deutlich vor sich, als würde er das Geschehene noch einmal durchleben. *** Die Nachricht, dass die Sieben Himmelsdrachen nach Dronia- dem Reich der Drachen- kamen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Canzor war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 1500 Jahre alt- konnte gerade erst Feuer speien-, als die Nachricht seine Familie ereilte. Sofort kamen Gerüchte am Hofe des Drachenkaisers Verenahdur auf, warum die Drachenwächter- so wurden die Himmelsdrachen von ihren Artgenossen genannt- sich ins Reich begaben, wo sie doch sonst nur in ihren Dimensionen aufhielten. Es ging über bevorstehenden Mord, Rebellion und noch weitere, grausige Dinge. Die Himmelsdrachen bekleideten einen besonderen Status unter dem Volk der Drachen. Jedem war bewusst, dass diese mächtigen Drachen höher gestellt waren, als selbst der Kaiser, doch genau das beunruhigte die restlichen Drachen und ließ dem Ruf der Drachenwächter ein Schatten der Angst folgen. Es wurde sogar gemunkelt, dass die Drachen von den Drachenwächtern einst geschaffen worden waren. Doch warum, oder ob das überhaupt der Wahrheit entsprach, blieb bis zum heutigen Tag ungelöst. Deshalb sorgte die Nachricht, dass sie um eine Audienz gebeten hatten für eben jene wilden Spekulationen. Doch Canzor wusste es besser. Einer seiner Freunde stammte aus einer der niedrigeren Drachenfürstenfamilien und war auch noch der jüngste Sohn. Aus diesem Grund hatte seine Eltern Trias früh in den Dienst des Kaisers gestellt, denn eine andere Karrieremöglichkeit auf Grund seines Status war sehr unwahrscheinlich. Doch Trias war ein begabter Drache- schlau, raffiniert und mit einer gewissen Portion Hinterlist ausgestattet machten ihn wie geschaffen für den kaiserlichen Hof. Deshalb war es auch nicht weiter verwunderlich, dass Trias bald zum Lehrling von Verenahdurs Kammerdiener ernannt wurde und somit die Möglichkeit hatte die Audienz zu belauschen und Canzor davon zu erzählen. Was Trias ihm jedoch berichtete erschien Canzor völlig unwirklich. So fragte er nach, ob er sich wirklich sei, doch der Lehrling hatte auf sein Leben geschworen, dass es der Wahrheit entsprach- und das tat er sonst nie. Die Drachenwächter waren vorgestern an den Hof des Kaisers gekommen, ohne jegliche Vorwarnung, und hatten alle Bedienstete in helle Aufruhr versetzt. Niemand wusste was er zu tun hatte, denn die Drachenwächter waren bisher noch nie nach Dronia gekommen. Für einen solchen Vorfall gab es kein Protokoll. Sichtlich nervös, so hatte Trias erzählt, hatte der Drachenkaiser die mit höchsten Wesen Mythnas empfangen. Verenahdur war bewusst, dass diese mächtigen Drachen vom höheren Range waren, als er selbst. In seiner Welt, in seinem Reich, war der Drachenkaiser vom höchsten Rang, doch plötzlich Wesen gegenüberzustehen, die mächtiger waren als er jemals sein würde, konnte selbst den größten Herrscher verunsichern. Etwas verunsichert und steif soll er sie empfangen haben- so hieß es. Doch etwas bereitete viel mehr Verwirrung unter den Drachen als des Kaisers Unterwürfigkeit. Obwohl die Diener strengstens angehalten worden waren, sickerte doch durch, dass die Wächter bloß zu siebt an den Hof gekommen waren. Diese Tatsache sorgte für ordentlichen Spekulationsstoff. Waren es doch sonst schließlich acht. Die fünf greifbaren und die drei ungreifbaren Elemente. Doch Trias kannte die Wahrheit und bestätigte zumindest ein Gerücht: Das Volk Dronias war von den Himmelsdrachen für eben jenen Tag geschaffen worden, der nun eingetroffen war. Azurra, die Drachin des Wassers, war in einer erbitterten Schlacht gegen Oranum gestorben und die Drachenwächter waren nun hier um unter den Sprösslingen der zwölf Adelsfamilien der Drachen einen Nachfolger zu erwählen. Canzor war als einziger Spross des Geschlechts Granaels einer dieser Anwärter. Doch seine Chancen waren nicht sehr vielversprechend, denn obwohl seine Familie einst sehr einflussreich gewesen war, da sie direkt von einem Drachenkaiser abstammten, waren sie durch Intrige am Hof tief gefallen. Canzor jedoch ließ sich davon nicht entmutigen. Er wusste, dass er etwas Besonderes war und ihm würde diese große Ehre zu teil. Garantiert! Am nächsten Tag hatte der Kaiser offiziell die Familien an geheißen ihre vielversprechendsten Kinder zu präsentieren. Mit vor Aufregung flatterndem Herzen, aber dennoch selbstbewusst, betrat Canzor an diesem Tag die große Eingangshalle welcher in den bloßen Stein des Vremont Gebirges- im Westen des Planeten- gehauen worden war und von Bernsteinlampen erhellt wurde. Beim Anblick der nunmehr sieben Drachenwächter schwand dem Jüngling aber augenblicklich seine Selbstsicherheit. Canzor war schon häufiger am königlichen Hof gewesen und hatte somit schon so manche eindrucksvollen Drachen, wie zum Beispiel Verenahdur, gesehen. Dessen Erhabenheit jedoch verblasste im Vergleich zu den sieben Drachen, die am Fuß der Treppe stand, die zum kaiserlichen Sitzkissen hinaufführte. Die Drachenwächter waren mindestens doppelt so groß wie der Kaiser und waren das Eindrucksvollste was Canzor je gesehen hatte. Sie besaßen mächtige Schwingen und ebenso starke Klauen. In ihren starken Kiefer steckten Fangzähne, die so lang wie eine Elle waren. Ihre Schuppen glühten in den prächtigsten Farben und schienen die Höhle allein zu erhellen. Mit hocherhobenen Köpfen standen sie da und ihre intelligenten Augen beobachteten abschätzend das turbulente Treiben. Canzor war durchaus gut entwickelt für sein Alter, doch beim Anblick dieser Wesen schwand alles Selbstbewusstsein aus ihm und er kam sich vor wie ein kleiner Wurm. In solch einen Rang sollte einer von ihnen erhoben werden? Das würde doch niemals funktionieren. Oh man, seine Mutter würde ihn allein für diesen Gedanken tadeln. All die Hoffnungen seines Geschlechtes ruhten nun auf seinen Schultern. Großartig, gar kein Druck. Unruhig schweifte sein Blick durch die Menge und entdeckten Trias hellblauen Schuppen. Er stand an der ersten Stufe der Treppe und wartete darauf, eine Aufgabe zugeteilt zu bekommen. Trias bemerkte seinen Blick und verzog seine Lippen zu einem amüsierten Grinsen, als er Canzor nun nicht mehr so selbstbewusst wie sonst sah. Der Jüngling des Granael Geschlechts brummte verstimmt und peitschte genervt mit dem Schwanz. Was Canzor allerdings nicht bemerkt hatte war, dass der Drachenkaiser sich von seinem samtenen Kissen erhoben und es augenblicklich still geworden, sodass sein Brummen von den hohen Steinwänden unangenehm laut wiederhallte. Wie eine tosende Welle rollte es über die Köpfe des Volkes hinweg. Plötzlich lag alle Aufmerksamkeit auf ihm. Hätte ein Drache erröten können, so hätte es Canzor auf der Stelle getan. Auch die Drachenwächter drehten in perfektem Einklang ihre Köpfe zu dem jungen Drachen um und musterten ihn interessiert. Auf einmal verspürte Canzor den Drang zu seiner Mutter zu rennen und sich hinter dessen Flanken zu verstecken. Beschämt senkte er den Blick und bemerkte dabei frustriert, dass Trias Grinsen noch breiter geworden war. Der Kaiser ließ ein furchterregendes Brüllen hören, welches Canzor durch Mark und Bein fuhr. Erschrocken wandte er seinen Kopf um und sah wie eine zornige Flamme aus dem Schlund Verenahdurs schoss. Der mächtige, grüngeschuppte Drache erhob sich mit einem kräftigen Flügelschlag von seinen Seidenkissen und landete direkt vor Canzor. Die Halle erbebte als sein großer, jadefarbiger Körper auf dem Boden aufsetzte. Der junge Drache quiekte erschrocken und wäre von der Erschütterung beinahe umgeworfen worden. Wütende Augen fixierten unerlässlich Canzor, welcher ängstlich einige Schritte zurück wich, bis er an den Rand der Menge stieß, welche dem Kaiser eilig Platz gemacht hatte. Unterwürfig senkte Canzor den Kopf und hoffte so zumindest etwas den Zorn des Jadedrachen zu schälern. Der Erfolg blieb jedoch aus. „Was erlaubst du schmächtiger Wurm dir solch ein frevelhaftes Verhalten in der Gegenwart der großen Drachenwächter zu zeigen?“ Verenahdurs tiefe Stimme durchdrang Canzors Geist und ließ seine Verzweiflung wachsen. Es klang nicht, als ob es noch eine Möglichkeit gäbe, das Geschehene wieder gut zu machen. Der Kopf des Drachenkaisers schwebte gefährlich nah vor seinen Kopf, sodass innerhalb eines Augenblickes ihm den Kopf abbeißen könnte. Es wäre nicht das erste Mal... „Aber, ehrwürdiger Drachenkaiser, es lag nicht daran, dass...“ „Schweig!!!“, donnerte der mächtige Jadedrache und schlug Canzor mit seinem Schwanz ins Gesicht. Dessen Kopf ruckte zur Seite und für einige Augenblicke verschwamm sein Sichtfeld, doch er blieb stehen wo er war. Er wich nicht zurück. „Ich will deine billigen Ausreden nicht mehr hören, du Nichtsnutz! Ich sollte dich auf der Stelle in den Kerker werfen lassen oder noch besser: Dich verbannen.“, knurrte der Herrscher der Flugwesen drohend und in seinen Augen blitzte unverhohlener Zorn auf. Entsetztes Gemurmel entbrannte, als der Kaiser das Strafmaß verkündete. Dies war der Moment indem Canzor klar wurde, dass er verloren war. Kein logisches Argument würde den Kaiser mehr erreichen in seiner Verunsicherung. Er wusste nicht, wie die Drachenwächter reagieren würden und so übertrieb er in seiner Verzweiflung. In diesem Moment verblasste Canzor der Glorreiche und wich Canzor dem Verstoßenen. „Nun macht schon!“, heischte er seine Wachen an. „Nehmt ihn fest und bereitet alles für die Verbannung vor.“ Die Wachen zuckten zusammen und eilten rasch herbei. Weit entfernt hörte Canzor den verzweifelten Ruf seiner Mutter, doch seine Ohren waren wie mit Watte ausgestopft. Alles drang merkwürdig gedämpft an seinen Verstand. „Haltet ein!“ Eine ruhige, voluminöse Stimme durchflutete die Halle mit ihrem wohligen Klang. Flügel und Schuppen raschelten, als alle sich nach dem Ursprung umwandten. Die Drachenwächter gingen ruhig auf den Kaiser zu. Canzor vermutete, dass der Drache mit den prachtvollen goldfarbenen Schuppen der Ursprung der Stimme war, denn er lief vorne weg und betrachtete die Situation abschätzend. „Meister Resandris, dieser Jüngling muss für sein Vergehen bestraft werden.“ Resandris sah den Kaiser nicht an, sondern betrachtete Canzor ruhig aus seinen schwarzen Augen. Schnell verneigte er sich in tiefster Demut. „Lasst ihn sich doch erst mal erklären, verehrter Verenahdur“, sprach nun der Drache, der etwas hinter Resandris stand und ein tiefblaues Schuppenkleid trug. Seine Stimme war genauso tief und wohlklingend wie die des Drachen des Kiranos, erschien aber einen Hauch freundlich und wohlwollender. Dieser Klang ließ einen Funken Hoffnung in Canzor aufkeimen. Den Blick immer noch unterwürfig gesenkt, sprach der Jüngling: „Ich danke Euch, Meister Maloras.“ Es konnte sich bei dem blaugeschuppten Drachen nur um den des Raumes handeln, denn es war allseits bekannt welcher Drachenwächter welche Schuppenfarbe hatte und neben Azurra hatte nur Mronas noch dunkel blaue Schuppen. Tief holte Canzor Luft und fuhr dann fort: „Mein genervtes Brummen hatte nichts mit Eurer Anwesenheit zu tun, verehrte Drachenwächter.“ Er spürte ihre stechenden Blicke auf seinen Rücken und musste leise Schlucken, doch er kontrollierte seine Verlegenheit und Angst und sprach weiter: „Es war so... nun es ist mir etwas unangenehm.“ „Sag es uns ruhig, Junge.“, ermunterte ihn nun Orikalco. Canzor nickte, wagte es dennoch aber noch nicht aufzusehen. „Ich habe in der Menge einen Freund von mir entdeckt, der sich sichtlich darüber amüsierte wie sehr mich Ihr Auftreten beeindruckte. Ich bin sonst ein selbstbewusster Drache, müssen Sie wissen.“ Die nunmehr sechs Himmelsdrachen blickten sich einige Zeit an und schienen sich mit ihren Blicken zu unterhalten, dann nickten sie, wobei Zrias, der Drache des Metalls nicht besonders begeistert zu sein. „Wie ist dein Name?“; fragte Resandris. „Canzor aus dem Geschlecht Granaels.“ „Interessant...“, murmelte Orikalco. Resandris und Maloras nickten zustimmend und sie blickten Canzor eingehend an. „Verenahdur, wir haben uns entschieden. Hebe dein Haupt, Canzor vom Geschlecht Granaels.“ Canzor gehorchte und sah zu den Drachenwächtern hinauf. Die sieben mächtigsten Drachen neigten ihre Köpfe bis sie mit ihm auf Augenhöhe waren und stießen ihn sanft mit ihren Nasen an. Canzor spürte wie ein warmes Kribbeln sich durch seinen Körper ausbreitete und ihn erschauern ließ. „Vom jetzigen Moment an bist du, Canzor, der Anwärter auf das Amt des Wasserdrachens.“ *** Mit diesem Satz verblassten die Erinnerungen, die Canzor bis zu diesem Zeitpunkt gefangen hielten und er berichtete, wie von Orikalco aufgetragen, von seinen Erinnerungen. „Faszinierend... Wie es aussieht hat es besser funktioniert, als wir vermutet hatten, Resandris.“ Der goldfarbene Drache nickte zustimmend und betrachtete Canzor mit sanftem Blick. „Allerdings ich war ja erst skeptisch, schließlich habe ich sowas nie zuvor getan. Aber es hat besser funktioniert als gedacht.“ „Könntet ihr mir mal erklären wovon ihr redet!“, fuhr Canzor die Drachenmeister genervt an. Orikalco und Resandris zuckten zusammen und wandten ihren Kopf zu ihm um. Maloras seufzte aufgrund des unsensiblen Verhaltens seiner Brüder und schüttelte den Kopf. „Also mal ehrlich...ihr könnt euch später freuen...“ Der Drache des Raumes wandte seinen Kopf zu Canzor um und in seinem Blick lag so viel Leid, dass es dem Elementdrachen die Kehle zuschnürte. „Es gibt ein Geheimnis in Mythnas Geschichte. Ein Geheimnis, das nur wir kennen...“ „Ja und?“ „Die Geschichte unsres Planeten verlief nicht so, wie es erzählt wird. Sie ist manipuliert...von uns.“, beendete nun Resandris Maloras Satz und sein Blick glitt in die Ferne. Canzor hingegen blieb der Atem weg. Wa...was? Warum sollte seine Meister so etwas tun? Verwirrung ließ seine Gedanken Achterbahn fahren und unweigerlich wich er zurück. „Canzor...warte. Wir hatten einen Grund es zu tun.“ „Und der wäre? Wie konntet ihr...“ Er konnte den Satz nicht beenden. Der Atem blieb ihm weg. Maloras lächelte traurig und senkte den Kopf. „Das sagst du jetzt schon, wo du die ganze Geschichte noch nicht kennst...das kann was werden.“ „Ich will nicht Bestandteil einer Lüge sein.“ „Du WOLLTEST Bestandteil dieser Lüge sein.“, fuhr nun Zrias dazwischen, dem die weichliche Variante von den drei ungreifbaren Elementdrachen gefahren wurde auf die Nerven ging. Die Worte drangen nur langsam zu Canzor durch. „Ich...wollte was?“ „ZRIAS!“, knurrten Maloras, Resandris und Orikalco bedrohlich im Chor. „Wollen wir Jahre damit verbringen es ihm schonend bei zu bringen? Bis dahin kann es zu spät sein!“, erwiderte der Metalldrache trocken und brummte. Eine Rauchwolke kam aus seinen Nüstern. „Nun...da Zrias ja schon damit raus geplatzt ist. Es ist wahr. Die Geschichte von Mythna erzählt, dass in der letzten Shinanji Periode Dragos oder eher Oranum einen Fluch auf die Shurana legte und somit ihre Zahl von drei auf zwei zu dezimieren. Die Wahrheit ist jedoch, dass der dritte Shurana zu uns kam und uns darum bat. DU batest uns darum, Shurana Irunas.“, enthüllte Resandris das große Geheimnis. Canzor riss entsetzt die Augen auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Ein heiseres Lachen entwich seiner Kehle. „D...Der Witz war wirklich gut, Meister Resandris. Ich...ein Shura...“, doch noch während Canzor dies sagte schüttelte Resandris den Kopf und wies somit diese Behauptung ab. Er log nicht und erst recht scherzte er nicht. „Du bist nicht immer ein Drache gewesen, Canzor. Am besten ich erzähle die Geschichte, wie sie sich wirklich zu getragen hatte.“, fuhr nun Orikalco fort und ließ sich ins Gras nieder. Canzor tat es ihm unbewusst nach und spürte das weiche Gras unter sich. Die Worte Resandris hallten durch seinen Kopf und egal wie oft er sie hörte klangen sie doch so surreal. Er hatte doch Erinnerungen an seine Kindheit...an alles. Wie kann es dann sein, dass er ein Shurana gewesen sein soll? Aber er konnte sich auch nicht vorstellen, dass seine Meister logen. Vor allem nicht unter diesen Umständen. „Die Macht von den Shuranas war zu dem Zeitpunkt noch anders aufgeteilt als es nun bei Melanie und Axel der Fall ist. Ein Shurana kontrollierte dabei gleichzeitig Wasser und Erde, da diese das Leben erschaffen. Dieses Zweigesicht, wie er auch in den Legenden genannt wird, nahm immer die Rolle des Anführers ein, denn er trug eine besondere Macht in sich. Er konnte die Pflanzen befehligen und die Tiere verstehen, ähnlich der Macht Resandris‘“, begann Maloras die wahre Geschichte zu erzählen. „Bei der vorletzten Generation, also der vor 5000 Jahren, warst du, Irunas, das Zweigesicht. Bei den ersten Shuranas Sinael, Varanus und Irenia sorgte das Zweigesicht zu Missgunst und Verrat.“ Canzor nickte. Er kannte die Geschichte und die Erinnerungen an sie überdeckte seine Verwunderung und zeitgleiches Entsetzen darüber, dass er ein Zweigesicht gewesen war. „Sinael, Shurana des Feuers, ging zu Oranum und verriet seine Begleiter. Erst dadurch gelang ihm die Herrschaft über Mythna zu gelangen. Welche Ironie, dass sich nun der nächste Shurana des Feuers in Dragos Fängen sitzt.“ Alle sieben Drachen nickten zustimmend und Maloras fuhr fort: „Bei euch war es anders. Shinanji hatte mit euch drei Wächter erwählt, die sich bereits seit frühester Kindheit kannten und Freunde waren. Noch früher als dies bei Melanie und Axel der Fall war. Ihr habt euch vertraut und unterstützt egal wobei. Mit dieser Kraft der Freundschaft schlugt ihr euch tapfer gegen die finsteren Mächten durch und wir Sieben, Azurra starb nämlich wirklich vor 15000 Jahren, halfen euch wo wir konnten. Gemeinsam feierten wir einige Erfolge, doch bei der letzten Schlacht sollte alles anders kommen.“ Maloras Stimme wog schwer von der Trauer, die ihm seine Erinnerungen bereitete. Sein Blick war in weite Fernen gewandert und schien in den Weiten des Raums nach Halt zu suchen. Ein trauriger Singsang drang für einige Momente über die Ebene. Canzor erkannte die tiefe, ruhige Melodie. Maloras sang den traditionellen Drachengesang zu Ehrung der Toten. Ein eiskalter Schauer lief wie eine Spinne seinen Rücken hinauf. Teilweise aus Ekel und teilweise auch aus Unbehagen, denn der Gesang ließ ein dramatisches Ende vermuten. Der Totengesang der Drachen war in drei Stufen eingeteilt, die je nach Grad des Geschehenen gewählt wurden. Maloras sang gerade die komplizierteste Melodie, sodass Canzor wusste, dass diese Schlacht ein wirklich schlimmes Ende genommen hatte. Dann jedoch brach der Drache des Raumes den Gesang verfrüht ab und schloss die Augen. Einige Momente später hatte er seine Fassung jedoch wieder gefunden. Jedoch zitterte seine samtene Stimme, als er weitersprach: „Die letzte Schlacht fand an einem schwülen Sommertag in der Trenei Ebene statt. Auf der Ostseite, die aufgehende Starfire im Rücken, scharrten wir unsere Verbündeten zusammen und im Westen stand uns Oranums unheilvolle Armee gegenüber. Wir waren damals hoffnungslos in der Unterzahl und es war uns bewusst, dennoch verloren wir nicht den Mut. Die Luft war wie zum zerreißen gespannt und es schien als würden alte Mächte, aus ihrem langen Schlaf erweckt, wie erboste Geister um uns herum zu sirren. Jeder von uns wusste, dass dies der Tag war, der alles entscheiden würde, dieses Wissen war tief in uns verankert. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir jedoch noch nicht, dass es Oranum gelungen war, Dragos zu übernehmen. Deshalb ging ein unsicheres Flüstern durch die Reihen, als er als schwarzer Ritter an die vorderste Front der Garnison ritt. Morana, Gaaran, du und wir hier hatten alle Mühe die Moral aufrecht zu erhalten und beschlossen unseren Nachteil durch Strategie auszugleichen. Es war vorauszusehen, dass die Fläche von Trenei nicht reichen würde um einen passendes Kampffeld zu kreieren. Also beschlossen wir, dass du dich zusammen mit den Elfen zurückzogst um Stellung zu beziehen, damit ein Hinterhalt möglich war, sobald wir die feindliche Armee auf ein größeres Feld gelockt hatten. Orikalco, Resandris und ich sollten dich dabei unterstützen. Shaleng vermittelte zwischen den beiden Truppen, während Morana und Gaaran zusammen mit Zrias, Akarum und Jansaro die Nahkämpfer unterstützten.“ „A...aber...was hat das alles mit mir zu tun?“, stotterte Canzor, der das alles noch nicht richtig verdaute. Ihm kam das alles wie ein schlechter Traum vor, aus dem er jeden Moment erwachen würde. Doch irgendetwas tief in seinem Unterbewusstsein schlug große Wellen. Anscheinend war doch irgendetwas dran an der Geschichte. „Alles schien zu funktionieren, doch dann wendete sich das Blatt zu unserem Nachteil.“ Canzor hielt den Atem an. Was war bloß geschehen? Er versuchte das Szenario vor seinem geistigen Auge abspielen zu lassen und es gelang ihm auch größten Teils. Doch nur sobald er versuchte sich den Shuranas zuzuwenden, verblassten die Konturen des Bildes und an der Stelle, an der Irunas stehen sollte, befand sich ein schwarzes Loch. Derjenige, der er früher gewesen sein sollte, war für ihn fremder als alles andere auf Mythna. Doch nun wollte er endlich Gewissheit. Obwohl sein Unbehagen weiter wuchs. Sein Unterbewusstsein schien ihn vor den Erinnerungen warnen zu wollen. „Was geschah?“ „Dragos war ein geschickterer Stratege als wir es gedacht hatten. In einigen Schlupfwinkeln hatte er Dunkelelfe platziert, die Blutmagie einsetzten. Auf einmal begannen unsere Kämpfer sich gegeneinander zu richten. Verwirrung durchdrang das Schlachtfeld und entsetzte Schreie hallten über die Ebne. Durch dieses Chaos verloren wir Dragos aus den Augen und das hatte fatale Folgen...er nahm Gaaran und Morana gefangen und wir bemerkten es erst einige Zeit später. Als Oranum dann jedoch stolz verkündete, dass er sie gefangen und am nächsten Tag hinrichten lassen wollte- an ihnen ein Exempel zu statuieren- kippte die Stimmung und die Moral der Männer war dahin. Auch wir wussten, dass der Kampf nun verloren war und wussten nicht, was wir tun sollten. Wir wurden vernichtend geschlagen und mussten uns zurückziehen- die beiden Shurana ließen wir dabei in Stich. Doch du, Irunas, du warst nicht bereit deine Freunde aufzugeben. Als du davon erfuhrst kamst du sofort zu uns und wolltest, dass wir dich zu ihnen bringen, damit du sie retten konntest. Doch das konnten wir nicht, denn Dragos hatte einen mächtigen Bannzauber um seine Basis gelegt, damit wir nicht hindurch kamen. Du hingegen hättest durchgekonnt, aber würdest nicht mehr rechtzeitig angekommen. Es war eine verfahrene Situation. Du fluchtest und schriest. All deine Wut brach aus dir heraus, bis sie durch einen Weinkrampf verblasste und du uns anflehtest etwas zu tun. Egal was es wäre, du wärest bereits alles zu tun.“ „Und so wurde ich ein Drache?“ Das konnte doch nicht wahr sein? All das klang so fremd. Es war eine Geschichte für ihn-irgendeine- aber nicht seine eigene. An nichts davon erinnerte er sich, doch der Kloß, der sich tief in seinen Eingeweiden gesammelt hatte, wog nun schwerer und er musste schlucken. Resandris nickte und erklärte weiter: „Ich war es, dem die Idee kam. Sie war gewagt und keiner von uns wusste, dass sie funktionieren würde. Doch wenn du ein Drache werden würdest, hättest du die Kraft sie zu retten, würdest aber von dem Bannkreis nicht abgehalten, da du kein Himmelsdrache warst. Doch wie du weißt verlangt das Kiranos immer einen Gegenpreis und dieser war hoch. Den Preis, den du zu bezahlen hattest war, dass dein Platz bei den Shurana verloren ging und es fortan nur noch zwei geben würde. Als ich dir dies sagte, antwortest du, dass zwei sowieso besser harmonieren würden, denn drei führten nur zu Streit. Doch das alleine würde nicht reichen. Das war der Preis für dein Amt, doch deine Persönlichkeit musste auch noch bezahlen und das war der Verlust deines Gedächtnisses. Ich versiegelte es und manipulierte dein Kiranos und machte so aus dir einen Drachen.“ „Sofort flogst du los um deine Freunde zu retten.“ Maloras Stimme brach fast weg, während er sprach. „Doch, du kamst zu spät. Gerade als du den Zeltplatz erreichtest, fuhr das Messer hinab und enthauptete sie. Rasend vor Zorn begann dein jetziges Ich zu toben, das Lager zu zerstören. Dadurch zerbrach der Bannkreis und wir eilten dir zu Hilfe, doch noch immer war Dragos übermächtig und so wurden wir bei dem Versuch dich zur Vernunft zu bringen, getötet. Teilweise von dir selbst, teilweise von Dragos...doch noch bevor du verzweifelst, wir sind dir nicht böse. Um ehrlich zu sein haben wir ein schlechtes Gewissen dein Gedächtnis versiegelt und mit der Aufgabe allein gelassen zu haben, doch wir hatten keine Wahl. Vielleicht war es in dem Moment sogar besser so...“, flüsterte Maloras und sah den sprachlosen Canzor an. Resandris beugte sich vor bis seine Schnauze beinahe Canzors berührte und hauchte ihn zärtlich an. „Kiranos in dir...sei frei.“, sprach der Wächter des Kiranos und auf einmal brach der Damm. Eine Flut aus Erinnerungen stürmte auf Canzor ein, überspülte ihn und riss ihn mit sich. Plötzlich befand er sich in einem Monsun aus Farben und Emotionen. Liebe, Wut, Hass, Trauer und Hoffnung, Rot, Blau, Gelb und Grün, alles wirbelte um ihn herum und drohten ihn zu verschlingen. Ein Brausen strömte durch seine Ohren und nahm ihn jeglichen Orientierungssinn. Dem Drachen wurde übel und der Sturm der verdrängten Erinnerungen schien seinen Verstand zu vernichten. In einem qualvollen Schrei entlud Canzor die Spannung, die seinen Körper zu zerreißen drohte. Dann auf einmal wurde es still und der brausende Sturm ebbte ab. Canzors Geist blinzelte und sah vor sich eine Gestalt schweben. Langsam glitt sie auf ihn zu. Großgewachsen, schlank, mit schulterlangen blauen Haaren. Große, dunkle Augen sahen ihn an. Instinktiv wusste Canzor wer vor ihm stand. Irunas... Das war also...sein früheres ich...so hatte er ausgesehen. Noch immer war er für Canzor völlig fremd, aber er glaubte seinen Meistern...während des Taifuns hatte er gespürt, dass es wahr war. Ein unbändiges Gefühl durchfuhr seinen Geist und trieb ihn vorwärts- Irunas entgegen. Langsam ging Canzor auf ihn zu- unsicher, zögernd. Er wusste nicht, ob es eine gute Idee war, doch sein Unterbewusstsein trieb ihn weiter. Irunas hob vorsichtig die Hand, hielt dann aber inne. Der Junge schien sich zu fragen, ob er Canzor wirklich berühren sollte. Fragend blinzelten die großen Augen ihn an. Der Drache jedoch streckte sich vor und berührte die weiche Handfläche mit seiner Schnauze. In diesem Moment wurden er eins mit Irunas. Die vorher verschwommenen Erinnerungen nahmen Konturen an und offenbarten sich nun Canzor. Wie bei einem Sterbenden zog Irunas Leben vor seinen Augen vorbei und zeigte sein glückliches Leben. Aber auch eine für Irunas qualvolle Gewissheit. Er hatte Morana geliebt, doch sie ihn nicht. Für Morana gab es nur Gaaran, doch dieser hatte nie mehr als Freundschaft für sie empfunden. Aus dem Blick des Shurana sah Canzor so manchen Szenen, die ihm das Herz fast zerrissen. Auch wenn sie alle besondere Freunde gewesen waren, so hat auch zwischen ihnen dieses starke Gefühl gestanden. Langsam glitten seine Gedanken zu seiner eigenen, jüngsten Vergangenheit. Zu Melanie. Innerlich flehte Canzor, das der Raizon ihr nichts getan hatte. Das würde er nicht ertragen. Nein! Ihr durfte nichts geschehen sein. Er könnte es nicht verkraften. Die Ungewissheit, was aus seiner Freundin geworden war, bereitete ihn seelische Schmerzen. Auf einmal traf ihn eine bittersüße Erkenntnis wie ein Schlag. Sein Herz zog sich zusammen. Ungläubig schüttelte Canzor den Kopf. Das durfte nicht wahr sein! Verunsichert öffnete er schließlich die Augen und hoffte, dass die Erkenntnis bloß ein Überschäumen der Erinnerungen war. Doch während Canzor in die abwartenden und zeitgleich neugierigen Augen der sieben Himmelsdrachen schaute. blieb dennoch das Pochen seines Herzens und das Gefühl nicht zu wissen, was er nun tun sollte. Eine einzelne, salzige Träne rollte aus seinem rechten Auge und tropfte ins Gras, wo sie an einem Halm wie ein Tautropfen hingen blieb. „Ich liebe sie...“, flüsterte Canzor kaum hörbar. Sprach er doch auch eher mehr mit sich selbst als mit seinen Meistern. „Ja du hast Morana sehr...“, setzte Maloras an, doch wurde von einem Kopfschütteln seitens Canzor zum Schweigen gebracht. „Ich rede nicht von Morana...“ Es kostete Canzor all seine Überwindungskraft um den Satz fortzufahren, doch sein Inneres wollte es hinaus brüllen. „Sondern von...Melanie.“ Augenblicklich wurde es still auf der Ebene und die Himmelsdrachen sahen Canzor mit vor Überraschung geweiteten Augen an. Eine unangenehm kribbelnde Atmosphäre entstand zwischen ihnen, wobei Canzor verlegen zur Seite sah. „Du...was?“, stotterte Resandris überrascht. „Na ja...“, sagte er verlegen. „Ich habe mich in meinem Innersten mit Irunas vereinigt und sein Leben gesehen...auch wie stark seine Gefühle für Morana waren, doch dass er jedes Mal abgewiesen wurde. Direkt danach musste ich an Melanie denken und da spürte ich genau dieselben Gefühle wie mein früheres Ich Morana gegenüber... erst dachte ich das wäre eine Art Nebenwirkung von Irunas Erinnerungen. Schließlich ist Melanie Moranas Wiedergeburt. Doch...als ich meine Augen öffnete und so seine Gefühle verdrängte...blieb das Herzpochen und mir wurde klar...dass ich es nicht ertragen würde, falls Melanie was passiert. Es würde mich töten...“ „Verstehe...unser kleiner Canzor ist endlich erwachsen geworden.“, schmunzelte Orikalco. „Hey!“, murrte Canzor und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, doch dieser brummte nur amüsiert. Dann seufzte Resandris und sah seine Brüder und Kameraden an. „Ich denke es wird Zeit, oder?“ Alle nickten zustimmend nur Canzor war verwirrt- wieder einmal. Wie machten die das nur immer? „Was?“ „Falls du es vergessen haben solltest, Canzor, wir sind tot!“, stichelte Zrias und zog ihm einem mit dem Schwanz über. Der junge Elementdache murrte genervt und strafte den Metalldrachen mit einem vernichtenden Blick. „Laut euch bin ich das auch.“ „Noch nicht ganz.“, erwiderte Resandris. „Wie jetzt?“ Das wurde ja immer schöner. Welche Überraschungen hatten die sieben denn noch auf Lager? Vielleicht war er ja auch noch ein Schmetterling gewesen. Hach ja...ohne seinen Sarkasmus würde Canzor eingehen. „Dein Körper das ist richtig. Aber deine Seele ist es noch nicht und sie darf es auch nicht, denn du musst die beiden Shurana unterstützen. Immerhin bist du der Elementdrache.“ „Wirklich witzig, Meister Maloras. Aber bei allem Respekt. Wenn selbst Ihr dieser Dimension nicht entkommen konntet, wie soll ich es dann?“ „Für uns ist es mittlerweile zu spät und wir waren nicht stark genug...aber du bist es.“ „Hahaha, das wird ja immer besser. Ich bin noch nicht einmal ein echter Drache.“ „Doch das bist du, Canzor.“, fuhr nun Jansaro streng dazwischen. Wie von Donner gerührt hielt Canzor in seiner neu aufkeimenden Verzweiflung inne und wandte sich dem Erddrachen zu. „Auch wenn du nun weißt, dass du einst ein Mensch warst, so bleibst du immer noch du. Die Erinnerungen, die ich dir gab, haben dich zu dem gemacht, was du nun bist. Gib es zu, Canzor! Du fühlst dich immer noch als Canzor des Elementdrachens und nicht als Irunas. Für dich ist er immer noch ein Fremder. Also hör auf dir darüber Gedanken zu machen.“ „Wieso musstest ihr mir das erzählen?!“, brüllte Canzor sie an. Die Situation überforderte ihn. So viele neue Gedanken, so viele neue Gefühle. Er wusste gar nichts mehr zu hundert Prozent. Er hatte das Gefühl sich nicht selbst zu kennen. Er wäre glücklicher damit gewesen, wenn sie ihm nichts gesagt hätten. „Weil wir ein schlechtes Gewissen hatten. Wir wollten dich nicht mehr anlügen.“ „Mit der Lüge habe ich aber besser gelebt.“ „Du bist tot.“ „Ach, sei still, Zrias.“, knurrte Canzor wütend. Sie verstanden ihn einfach nicht. Sie sahen nicht worauf er hinaus wollte. „Canzor bitte. Es tut und leid, aber wir fanden du solltest die Wahrheit kennen. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Unsere Seelen werden bald verschwinden und wir wollen dir vorher noch was geben.“ „Geben?!“ Canzor sah sie verwirrt an. „Was denn?“ „Deine volle Kraft.“ Mit diesen Worten stellten sich die sieben Drachen in einem Halbkreis um Canzor herum auf. Verwirrt sah dieser von einem zum anderen, doch realisierte nicht, was sie vor hatten. Resandris, der direkt vor ihm stand, begann in einer Sprache, die Canzor nicht verstand, schnell zu murmeln. Ein lautes Sirren durchfuhr die Luft- brachte sie zum zittern- und hell leuchtende Linien zogen sich durch das Erdreich. Von dem Drachen ging jeweils eine solche Linie auf Canzor zu. Ein warmer Schauer lief dem Elementdrachen über den Rücken und sein Körper begann zu Kribbeln. Irgendetwas begann sich in ihm zu verändern. Fast schien es, als würde mehr Energie auf seinen Körper übertragen. Fast begriff Canzor, was die Himmelsdrachen vorhatten, doch dann wurde das Sirren, wie von 100 Heuschrecken, noch lauter und Canzor verloren den Faden. Resandris lächelte, während nun Maloras und Orikalco die Formel fortsetzten. Irrte Canzor sich oder waren die Umrisse von Resandris schwächer geworden? Irgendwie wirkte der Drache des Kiranos durchsichtiger...Moment! Sie wollten doch nicht...! „Wa...was macht ihr da?“ „Wir übertragen dir unsere restliche Macht.“, erkläre Resandris und lächelte Canzor warm an. „Was...? Aber...dann werdet ihr euch auflösen.“, schrie Canzor verzweifelt, doch ausnahmslos alle Drachen sahen ihn wohlwollend an. Mit aller Kraft kämpfte der Elementdrache gegen das Kribbeln in seinen Körper und versuchte sich aus dem Zentrum des Halbkreises zu entfernen, doch seine Klauen schienen mit dem Boden verwachsen. Fiebrig überlegte er wie er das verhindern konnte, doch ihm fiel nichts ein. „Lass es gut sein, Canzor. Unsere Zeit ist vorbei. Wir können nichts mehr verändern, aber du kannst es noch. Wir legen all unsere Hoffnungen in dich. Du bist ein guter Drache.“ Mit diesen letzten warmen Worten lächelte Resandris ihn an, bevor er sich glitzernd auflöste. „Resandris!“ Die Trauer und Verzweiflung drohte Canzor zu übermannen, während er spürte, wie dessen Macht auf ihn überging. Er nahm die Energien der Lebewesen wahr und vor allem spürte er, wie das Kiranos von den restlichen Sechsen auf ihn zufloss. Auch Orikalco und Maloras waren bereits stark verblasst und würden jeden Moment ihre Seele verlieren. Der Schmerz in seinem Herzen wurde für Canzor beinah unerträglich. Besonders der Verlust von Maloras ließ ihn fast wahnsinnig werden. Tränen brannten in seinen glühendroten Augen. „Ich vertraue dir, Canzor. Du wirst es schaffen.“, flüsterte der Drache des Raumesn liebevoll, bevor er ins Nichts überging. Nach und nach lösten sich die ehemaligen Himmelsdrachen auf und übertragen Canzor ihre Macht und mit jedem weiterem wurde Canzor nur noch verzweifelter. Er wollte schreien, brüllen, gegen die Fesseln der Energie kämpfen, doch er war wie gelähmt. Schließlich war nur noch Zrias übrig und seine matten, schwefelgelben Augen musterten ihn streng. Erschöpft knickte Canzor unter dessen Blick weg und wich ihm aus. Er hatte das alles nicht gewollt. Doch dann hörte er ein Seufzen des Metalldrachen und wandte sich wieder zu ihm um. „Canzor...“ Der Angesprochene rechnete mit einem Donnerwetter. „Ich habe dir Unrecht getan...du konntest nichts für Azurras Tod...aber ich wollte nicht verstehen, dass ihr Tod erst mal unbeachtet blieb und dann tauchtest du auf, wo endlich mal Zeit für ein ordentliches Gedenken war und nahmst wieder all die Erinnerungen an sie...ich mochte dich nicht...aber schließlich wolltest du dasselbe wie ich...die Menschen beschützen die du liebst. Und das...solltest du auch jetzt tun.“ Fassungslos sah er den silbrig schimmernden Drachen an. Zrias entschuldigte sich bei ihm? Ok, er träumte sicherlich. „Leb wohl, Giftzwerg.“, grinste Zrias. „Und wehe du rettest Melanie nicht.“ Schnell nickte Canzor und schluckte die Tränen hinunter. „Danke, Zrias.“ Dann verschwand auch der Drache des Metalls und nun stand der vereinte Himmelsdrache allein und verlassen auf der Ebene. Die Macht der Elemente pulsierte durch seine Adern und er fühlte sich so mächtig wie noch nie. So könnte er Melanie beschützen, doch diese Kraft hinterließ in ihm auch den bitteren Beigeschmack von Galle. Seine Meister vertrauten ihn, bauten ihre Hoffnung auf ihn. Für diese Hoffnung hatten sie ihr Leben gegeben. Er musste sich dem als würdig erweisen! Sofort probierte Canzor seine neue Kräfte aus. Mit einem mächtigen Flügelschlag entfachte er einen Orkan, der die Bäume erzittern ließ. Als sein Schwanz peitschte, bäumte sich das Wasser im See hinter ihm auf und schlug hohe Wellen. Canzor öffnete sein Maul und spuckte einen gigantischen Feuerball der über die Ebene züngelte. Mit einem Kopfruck verbog sich die Metallstange eines Vogelhauses. Die Erde begann zu beben, als seine Klauen auf den Boden donnerten. Die greifbaren Elemente funktionierten also schon mal. Wunderbar. Nun die nicht greifbaren. Canzor schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Energiefluss in seinem Inneren. Zunächst erspürte er das Kiranos einiger Tiere und veränderte ihren Fluss, sodass diese sich zu ihm umwanden und sich vor ihm verneigten und auch bei den Pflanzen funktionierte es. Mit einem ausgewählten Gedanken flog die Zeit an ihm vorbei. Die Tiere bewegten sich in Zeitraffer und huschten an ihm vorbei. Dann kam Canzor eine Idee. Mit der vereinten Macht der Himmelsdrache- vor allem Maloras- könnte er von hier entkommen und er könnte Melanie retten. Mit all seiner Kraft dehnte Canzor den Raum und suchte nach einer anderen Dimension. Als erstes fand er Mythna, doch als er versuchte die beiden Dimensionen zu verbinden sah er bloß ein riesiges Maul, dass nach ihm schnappte. Schreiend taumelte Canzor zurück und sackte zusammen. Fenris- der Wolf, der den Planten in seinem Schlund hielt- hatte ihn eiskalt abgewehrt. Also musste Canzor eine andere Dimension finden. Suchend glitt er durch den Raum und fand schließlich eine. Der Drache konzentrierte seine Gedanken darauf einen Tunnel zu erschaffen. Er wusste nicht, wo er landen würde. Doch seine Verzweiflung war einer eisernen Entschlossenheit gewichen. Ein einziger Wunsch brannte nur noch tief in seinem Herzen. Er musste hier raus und Melanie retten. Koste es, was es wolle! Anmerkung 14.7. Soo endlich da^^ Zum 4 1/2 jährigen Jubiläum mal ein sehr langes chap :) Es soll ein Wendepunkt darstellen und hoffentlich ist mir das gelungen^^ @Hotaru_chan: und ich will nicht von dir hören, dass ich die Endszene von Avatar geklaut hab. Das weiß ich :D Kapitel 4: Kriegsrat -------------------- 4. Kapitel: Dragos Kriegsrat Dragos ließ seine rotglühenden Augen durch den dunklen Saal schweifen, welcher zum größten Teil im Dunklen verborgen war. Die meisten seiner Gäste waren etwas...nun ja... empfindlich was das Licht anbelangte. Nur ein Kristallleuchter baumelte ruhig von der hohen Steindecke und spendete unruhiges, geisterhaftes Licht. Die wichtigsten Persönlichkeiten der Schattenwelt Mythnas hatten an einer schlicht verarbeiteten Holztafel Platz genommen, welche mit reichen, seltsam riechenden Speisen bedeckt war. Aufgeregtes Gemurmel drängte sich wie ein Qualm zur Decke hinauf, wo es in einem dumpfen Echo verharrte. Zerberus hingegen lag zufrieden in einer Ecke und kaute behaglich auf einem Einhornknochen. Die schwefelgelben Augen des Höllenhundes fixierten die Runde der ominösen Gestalten misstrauisch. Jeder von ihnen war schließlich ein potentieller Nachtisch, falls Dragos es erlaubte. Dragos schmunzelte über seinen Schoßhund und lehnte sich entspannt zurück. Die wie lodernde Rubine funkelnden Augen wanderten durch den Kriegsrat- nein...SEINEN Kriegsrat. Wie immer saß Fansan neben ihn- entspannt gegen die hohe Steinlehne seines Stuhles gesunken. Sein kahlgeschorener Schädel wirkte im Schein des Leuchters wie ein Totenschädel, der mit fettigem Leder überzogen worden waren. Dunkle Runen waren in die verwitterte Haut tätowiert und schimmerten in unheilvollem Schwarz, während seine langen, dürren Finger an einem Ring aus Obsidian spielten. Ein amüsiertes Grinsen lag auf dem von der Zeit gezeichneten Gesicht, denn Helozius, Herrscher der Dunkelelfen, hatte sich halb über die Tafel gebeugt und stritt wild gestikulierend mit Rhensis, dem Rudelführer der Werwölfe. Dragos hingegen wurde es langsam zu bunt und trommelte daher ungeduldig mit den Fingern auf dem polierten Tisch, doch der Streit der beiden verfeindeten Lager war zu sehr angefacht, als dass sie bemerken könnten, wie die Stimmung zu kippen drohte. Schnell packte Dragos sich den mit Juwelen verzierten Kelch und nahm einen großzügigen Schluck Wein. Ein paar Tropfen liefen aus den Mundwinkeln seiner schmalen, blassen Lippen hinab, welche er sich schnell abwischte. Noch immer war weder Helozius noch Rhensis aufgefallen in welcher Gefahr sie schwebten, nein, stattdessen schien ihr Streit sogar noch intensiver geworden zu sein. Der Anführer der verfluchten Elfen lag fast komplett in einer gebratenen Schwarte und gestikulierte wild. Das Gesicht wirkte durch die Wut und das flackernde Licht des Kristallleuchters entstellt und eine seiner schwarzen Locken war ihm ins Gesicht gefallen. Die sonst schwarzen Augen glühten nun, als hätte man hinter den Pupillen ein Feuer entfacht. Eine finstre, erbarmungslose Macht um flackerte den Dunkelelf. Nur noch wenige Augenblicke und Helozius würde sich der finsteren Magie seines Volkes bedienen. Rhensis ließ das jedoch kalt. Gelassen strich er sich eine haselnussbraunen Haarsträhne aus seinem kantigem Gesicht und ließ ein amüsiertes Knurren hören. Mindra, die Stellvertreterin Heloziuses, trommelte genervt mit ihren langen, rot lackierten Fingernägeln auf dem Holz und leckte sich über ihre vollen Lippen. Ihr rabenschwarzes, langes Haar bedeckte ihr rechtes, schwefelgelbes Auge und verlieh ihr ein verführerisches Aussehen. Die Elfe war offensichtlich genervt von dem Verhalten Helozius, doch obwohl die Gesellschaft der verstoßenen Elfen von Frauen dominiert wurde, so besaß sie doch einen König und einen Prinzen. Die einzigen Männer, die den Frauen Befehle erteilen durften und eben jener König saß nun neben ihr und verhielt sich wie ein eingeschnapptes Kind. Obwohl, selbst die Kinder des Volkes der Dunkelelfen würden so ein Verhalten nicht wagen- nicht bei den drohenden Peitschenschlägen. Dragos wusste nicht worüber der Werwolf und der Dunkelelf stritten, doch es interessierte ihn auch nicht. Nun wurde es ihm endgültig zu viel und eine heiße Welle des Zorns überflutete ihn. Mit aller Wucht donnerte er den Weinkelch auf den Tisch, sodass das restliche Geschirr auf dem Tisch erzitterte. Sofort wurde es mucksmäuschenstill und eine nervöse Ruhe erfüllte den Raum. Alle Blicke wanderten zu Dragos, der seinen Kopf auf eine Hand stützte und sie alle fixierte- alle, bis auf die zwei Streithähne. Diese diskutierten lautstark weiter, während sich die restlichen Mitglieder des Rates der Finsternis sich unbehaglich ansahen, denn die Wut Dragos wollte niemand auf sich ziehen. Der muskulöse Körper von Dragos bebte und seine feuerroten Augen loderten unheilvoll. Die Nasenlöcher waren geweitet und zogen stoßweise Luft ein. Seine schmalen Lippen kräuselten sich unheilvoll und eine Ader auf seiner Stirn schien bald zu explodieren. Die Wut kochte in ihm wie ein Sud glühend heißer Lava. Als die beiden Unglücklich die Wut, die schon beinahe Funken zu sprühen schien, immer noch nicht bemerkten, wurde es ihm zu viel. „Das reicht jetzt!“, donnerte seine tiefe Stimme durch den Thronsaal. Augenblicklich zuckten auch Helozius und Rhensis zusammen und bemerkten erst jetzt in was für einer Situation sie sich befanden. Aber es war bereits zu spät. Dragos stürmte auf Helozius zu und packte ihm am Kragen. Mit enormer Wucht hob er die schlanke Gestalt des Dunkelelfs in die Höhe und drückte ihm die Kehle zu. Die roten Augen des Herrn der Finsternis funkelten wütend, während Helozius ihn entsetzt ansah. Mindra neben ihn stolperte hastig zurück und brachte Abstand zwischen ihren König und sich. Helozius wand sich unter der körperlichen Qual der ausbleibenden Luft. Dunkelelfen lebten zwar an unwirklichen Orten wie Vulkane, wo die Luft von Schwefel verpestet und für die meisten Lebewesen giftig war, aber auch die verstoßenen Feenwesen brauchten Luft zum Atmen. Jappsend rang der Gesandte des grausamsten Volkes nach Atem und seine Lederstiefel zappelten hilflos in der Luft. Während Dragos Helozius stille Qual beobachtete, konnte er sich ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen. Er genoss es wie der törichte Elf unter den Schmerzen litt und seine Augen bereits aus den Höhlen quollen. Neben der Tatsache, dass es ihn köstlich amüsierte, war es für den Erben des Schicksals auch eine gute Möglichkeit seine grausame Macht zu präsentieren. Das Volk der verdorbenen Elfen galt als das grausamste Volk von ganz Mythna und doch war dessen erhabener König schutzlos seiner Gnade ausgeliefert. Diese Tatsache ließ einen erregenden Schauer durch seinen sonst so kalt anfühlenden Körper jagen und er spürte den aufgeregten Puls von Shinsara an seiner Hüfte. Anscheinend wollte Neyera diesem frevelhaften Elf ein jähes Ende bereiten. Als Helozius Augen jedoch bereits aus den Höhlen zu springen schienen, ließ Dragos von ihm ab und ging entschlossenen, festen Schritten zu seinem Platz zurück, während der vorher so arrogante Dunkelelf kraftlos zu Boden sank. Hastig eilte Mindra zu ihrem König und hievte ihn hoch, sodass zumindest etwas seiner Schmach gemindert wurde. Dragos jedoch war all dies gleich. Die Luft erschien nun zum zerreißen gespannt. Jeder der Anwesenden beobachteten ihn genau- er konnte die teilweise beunruhigten, teilweise interessierten Blicke auf sich spüren. Fansan nickte seinen Herren kurz anerkennend zu und widmete sich dann wieder seinem Obsidianring- seinen Augen jedoch verharrten warnend auf Rhensis, der vergnügt grinste. „Rhensis...“, sprach Dragos mit unheilvoller Stimme, den Rücken dem Werwolf zugewandt. Dessen fellüberzogene Ohren zuckten fragend in seine Richtung. „Glaubt nicht, dass ich Euch nicht im Augen behalten werde. Ihr könnt bloß froh sein, dass Helozius näher bei mir saßt, als Ihr, räudiger Köter.“ Die Stimme war eiskalt und schien die Haut zu zerschnitten, während Dragos Hand sich um den Knauf von Shinsara legte. Kurz schloss er seine Augen um sich wieder einigermaßen zu fassen. „Ich dulde keine Diskussionen oder Widerworte in meinem Thronsaal.“ Seine Blicke glitt über die Tafel wie eine Schlange und blieb bei Helozius und Rhensis hängen. „Noch schätze ich Ungehorsam oder gar mangelnden Respekt.“ Auf den ersten Blick schienen diese drohende Worte an Rhensis und Helozius gerichtet, doch die Diener der Finsternis wussten es besser. Langsam, ähnlich einer trägen Welle, wandten sich alle Mitglieder den wahren Adressanten ihren Blick zu, während ihre Roben und Gewänder raschelten. Zunas und Renaro- die Götter des Todes und der Finsternis- jedoch erwiderten seinen anprangernden Blick mit arroganter Gelassenheit, was die Wut in ihm wieder zum kochen brachte. Die roten Augen verschmälerten sich und sahen die beiden verräterischen Götter herausfordernd an. Wenn sie ihm etwas zu sagen hatten, dann sollten sie es jetzt tun. Er wartete sogar förmlich darauf, doch seine Erwartungen wurden enttäuscht. Zunas blickte ihn gelangweilt an und schien ein Gähnen gerade noch unterdrücken zu können, während Renaro die Augen schloss um ein wenig zu Dösen. Dragos biss sich aufgrund dieser Geste die Zähne zusammen und unterdrückte ein Knurren erst in aller letzter Sekunde. Die beiden Götter- und vor allem ihr Wohlwollen- war für sein Unterfangen von größter Bedeutung und dessen waren sich Renaro und Zunas nur zu gut bewusst. Auch wenn er sich diese traurige Realität nicht eingestehen wollte, so wusste Dragos es nur zu gut. Er brauchte sie! Dragos war schließlich nur ein Halbgott und auch wenn er direkt von Neyara abstammte, so hatte er gegen die vollwertigen Gott einen schweren Stand. Insgeheim verfluchte Dragos die verdammte Hierarchie, beruhigte sich aber durch den Gedanken wieder, dass er bald diesen Missstand beseitigen würde. Langsam glitt er auf die beiden links von ihm sitzenden Götter zu, wobei er meist perfekt mit der alles verschlingenden Dunkelheit verschmolz. Dragos wusste nicht, warum der Gott der Finsternis und der Gott des Todes sich auf seine Seite geschlagen hatten, denn er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sein Plan die Vernichtung der Götter beinhaltete und dennoch waren sie hier. Vielleicht hofften sie verschont zu werden...nein, wohl eher nicht. Vielleicht weil sein Plan der Finsternis diene? Dies erschien ihm schon wahrscheinlicher, aber die wohl am einleuchtendste Erklärung war wohl schlichte Langeweile. Letzten endlich konnte es ihm auch egal sein. Als einziges Relevante galt es die Gefährlichkeit der Beiden in Auge zu behalten und ihr Wissen vorsichtig zu nutzen. Zu unsicher war ihre Treue und ihre Rolle zu weitreichend in seinem Plan. Dragos war das Risiko seines Spieles durchaus bewusst, denn sie konnten ihm auch falsche Informationen geben und so den Göttern einen Vorteil zu verschaffen. Innerlich seufzte der Sohn der Schicksalsgöttin und schimpfte sich selbst für seinen Hang zur Perfektion, denn ein Plan in dem ein Verrat zweier Götter integriert war, hatte doch viel mehr Potential für eine Legende, als ein anderer. Also war er bereit für seine Revolution zu pokern. Schließlich erreichte er den Tod und die Dunkelheit und lehnte sich zwischen den beiden Stühlen zu ihnen herüber und betrachtete sie mit einem abschätzenden Blick. „Oder seid ihr Zwei nicht damit einverstanden, dass ich den Vorsitz führe, ehrwürdiger Zunas und Renaro?!“, säuselte Dragos ihnen lieblich ins Ohr, doch tief versteckter Spott färbte seine Stimme schwarz. Zunas hob abschätzend eine Augenbraue, sagte jedoch nichts- sein wahrscheinlich regungsloses Gesicht in den Schatten verborgen. Renaro blickte nur stumm drein. Dragos Augen glühten vor Zorn auf, doch dieses Mal behielt er sein hitziges Temperament im Zaum. Vorerst... „Seht ihr? Niemand widerspricht mir, also hütet eure Zungen! Wir sind hier ein Kriegsrat und kein Kindergarten voller eifersüchtiger Kinder, die um eine Rassel streiten!“ Würde es noch einmal einer wagen, sich respektlos zu verhalten, dann würde er nicht mehr so gnädig wie mit Helozius sein. Der junge Halbgott war klug genug, dass Thema nun ruhen zu lassen, denn die Zeit drängte und ein Entschluss musste her. Noch mehr Brutalität würde nur für noch mehr Zündstoff sorgen und das zu mehr Brutalität führen und würde das passieren würde diese Zusammenkunft genauso enden wie die Letzte. Mit einer Schlägerei. Zwei Minuten später saß Dragos wieder auf seinem Platz und stützte seinen Kopf auf die gefalteten Hände und blickte seinen Rat abwartend an. Niemand wagte es auch nur ein Wort zu sagen, was ihm ein triumphierendes Lächeln auf seine dünnen, blutleeren Lippen zauberte. „Nun, warum ich euch zusammengerufen habe hat einen Grund, sonst würde ich mich nie mit euch allen gleichzeitig abgeben.“ Niemand widersprach ihn, obwohl er ihnen Zeit dafür ließ. „Ich habe bereits den nächsten Zug in unserem Kampf vollzogen.“ Er wartete einige Momente, um die Spannung zu steigern, denn von der Reaktion auf seine Enthüllung hing ab, ob er seine Vormachtstellung verfestigen konnte oder nicht. Als er sich der erwartungsvollen Blicke auf sich versicherte, fuhr er so sachlich, wie seine eigene Aufregung es zuließ, fort: „Ich verkünde euch hiermit, dass es Axel, dem Kommandant meiner Schwarzen Gerade, vor einigen Stunden gelungen ist in die Elunris Ebene einzudringen und er hat eine Versammlung der Götter aufgelöst.“ Aufgeregtes Gemurmel brandete erneut wie die Woge einer Welle auf und überspülte den Saal. Dieses Mal ließ Dragos sie jedoch gewähren, denn es war ihm recht. Ihre Überraschung würde seine Hilfe sein. Iria, die Königin der Lamien- vampirähnliche Gestalten, die bevorzugt das jeweils andere Geschlecht verführten um sich ihrer Lebenskraft zu bedienen- erhob sich ein wenig von ihrem Platz um anzudeuten, dass sie etwas zu sagen hatte. Dragos wandte seine Aufmerksamkeit der hübschen Frau mit der perfekten Haut und den strahlend blonden Haaren zu, während ihre meeresblauen Augen Verwunderung zeigten und zeitgleich versuchten ihn zu verschlingen. Genau das mochte Dragos an ihr. Sie war böse auf eine hinterhältige, listige Art und Weise. Sie war nicht brutal wie die Trolle oder einfältig wie die Zyklopen, sondern Iria manipulierte ihre Gegner. Genauso wie es Dragos tat. Mit einer schnellen Handbewegung erlaubte er ihr zu sprechen, bevor sie ihn vollkommen ablenkte. „Entschuldigen Sie, dass ich die Wahrheit Ihrer Worte in Frage stellen, aber...Elunris gilt als uneinnehmbar. Wie soll das möglich sein?“ Iria besaß eine bezaubernde Stimme, die jeden Mann betörte und seiner Sinne beraubte. Ihre sanfte Melodie drangen in Dragos Ohr und wollten auch ihn verzaubern, doch mit einer unwirschen Handbewegung schob er ihren süßen Klang beiseite und lächelte nur- ob amüsiert oder böse ließ sich dabei schwer sagen. Er würde der äußerst attraktiven Lamienkönigin widerstehen- zumindest heute. In Zukunft...wer weiß. Aber erst einmal war er froh, dass Iria diese Frage stellte, denn es würde ihn die Bewunderung der Anwesenden sichern. „Ich werde es Euch vergeben, Iria- für dieses Mal- denn die Frage ist durchaus berechtigt. Nun mit den Zugang meiner Mutter.“ Er hob die Hand, bevor Iria ihn unterbrach und fuhr fort: „Ich weiß, dies würde nicht reichen, da der Zugang jeden nicht Gott blockiert, aber wie Ihr sicher bereits erkannt habt, sind heute noch zwei weitere Gäste anwesend. Zunas- Gott des Todes- und Renaro- Gott der Dunkelheit. Sie haben mir die Informationen gegeben, die ich brauchte, um Axel einzuschleusen.“ Andächtig nickte er den beiden Götter zu, die kurz den Kopf neigten um zuzustimmen. „Aber...was soll uns das bringen? Ein einzelner Mann, mag er auch noch so stark sein, wird es nicht schaffen die Götter zu besiegen und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihren besten Kämpfer einfach so opfern, Dragos.“, warf Helozius ein und seine schwarze Augen fixieren Dragos verwirrt. Dragos schmunzelte amüsiert über diesen Einwurf, denn er hatte ihn bereits erwartet und wusste, was er darauf antworten würde. „Nein...ich habe nicht vor Axel als Bauernopfer zu verwenden. Dieser Shurana ist dafür viel zu kostbar für uns.“ Sanft fuhr er sich mit seinem Zeigefinger über seine Lippen und lächelte verträumt, als er an die Zukunft dachte. „Dieser Angriff dient dazu die Götter wach zu rütteln.“ „Welchen Sinn sollte das haben, Dragos? Schließlich wollen wir die Götter- nichts gegen euch, Dunkelheit und Tod- vernichten. Warum sollten wir sie dann mit einem unnützen Angriff warnen? Das ist Verschwendung eines Überraschungsmoments! Noch ahnen sie nichts von unseren Intrigen, wenn wir aber nun angreifen, fliegt alles auf.“ Rhensis haute wütend auf den Tisch. Sein braunes Nackenfell sträubte sich vor Wut auf und bedrohlich fletschte der verfluchte Wolf seine Zähne, während er Dragos anknurrte. „Kronk stimmt zu! Kronk hat genug von warten. Er wollen endlich kämpfen. Wie können Dragos Jungen hinschicken und Kronk dabei vergessen?“ Der bullige Zyklop ließ wütend seine große Keule auf die Tafel donnern. Der Tisch zitterte und knarrte verdächtig, hielt der Wucht des Schlages aber stand. Dragos warf dem Zyklopen nur einen genervten Blick zu und rollte mit den Augen. Der war echt anstrengend. Kronk war als Anführer der Zyklopen besonders große und stark, aber leider auch noch einfältiger als seine Artgenossen. Dragos erwartete erst gar nicht, dass Kronk seinen strategischen Schachzug verstehen würde. Dennoch musste er den Kampfkoloss zu den Treffen einladen, denn er brauchte die Kampfkraft der Zyklopen. „Ihr denkt nicht weit genug, Rhensis und Kronk. Es wird uns weit nach vorne bringen, wenn wir diesen Schritt wagen.“ Verständnislos sahen ihn die meisten seiner Ratsmitglieder an- außer den beiden Göttern, die schließlich diesen Schritt mit ihm geplant hatten. „Dieser Angriff wird zwar den Götterrat zeigen, dass etwas nicht stimmte...aber irgendwann würden sie sich den vier Elementgöttern auch nicht mehr entziehen können. Heißt: Irgendwann würden sie sowieso herausfinden, dass wir etwas planen, so bestimmen wir den Zeitpunkt und behalten die Kontrolle. Und es bietet uns noch einen positiven Nebeneffekt, nämlich Verwirrung.“ Ein kurzes Raunen ging durch den Saal du hallte von der Decke wieder, aber es verstummte sofort wieder und alle wandten sich gebannt Dragos zu, der die Aufmerksamkeit genoss. Den darauffolgenden unangenehmen Teil von seinem gescheiterten Plan gegen Melanie blendete er aus. „Wie Iria bereits richtig feststellte gilt Elunris als uneinnehmbar... und unter normalen Umständen ist sie das auch. Was hat also der Angriff eines Shuranas für Folgen?“, grinste Dragos böse. „Sie werden schlussfolgern, dass einer der Götter ein Verräter sein muss.“, sprach Zunas mit einer düsteren Klang in seiner Stimme. „Ja, aber...“, begann Rhensis, aber Dragos unterbrach ihn jäh. „Es wird Zwietracht unter den Göttern sähen. Die Götter waren sich vorher schon immer uneinig und arbeiteten eher gegen als miteinander. Nun wo die Anwesenheit eines Verräters bekannt wird, wird nichts mehr diese Narren vereinen und gegen uns vorgehen.“ „Der Plan ist aber ein großes Risiko.“, grollte die hallende Stimme von Vishop, dem Drachengeist der sich von der Energie der Blitze ernährte und somit Stürme über Mythna heraufbeschwor, wo er auftauchte. Seine Konturen verschwammen immer wieder nur um sich dann wieder zu verfestigen. Sein Schwanz fuhr durch die Luft und ließ immer wieder kleine Tornados um dessen Spitzen entstehen. „Das haben wir auch gesagt, als Dragos uns abfing.“ Renaro hob den Kopf und seine rot glühenden Augen fixierten Dragos auf eine unangenehme Art und Weise. „Aber er meinte das Risiko wäre nötig um die Revolution voran zu treiben.“, fuhr Zunas fort. „Wieso habt ihr euch dann darauf eingelassen?“ Cherenus, Gesandte der Mantikore, ließ seinen Drachenschwanz unruhig peitschen. Sein rotes Fell schien in dem nervösen Licht zu glühen und seine Zunge glitt aufgebracht über seine Löwenschnauze. Der Mantikor war sichtlich nervös jemand Neues in dem Rat zu akzeptieren. Sein Volk stand kurz vor der Ausrottung, weil die Götter es veranlasst hatten. Für ihn war Dragos Plan der letzte Ausweg. „Aus purer Langeweile.“, antworte Renaro trocken und nahm einen Schluck Wein. Seine Augen wanderten zu dem Mantikor und beäugten ihn skeptisch. „Sprechen wir die Tatsachen doch mal aus: Wir haben als Gott des Todes und der Dunkelheit hat man auf Mythna nicht wirklich viel zu tun. Renaro und ich haben uns gelangweilt. Nur während Shinanji war es ein wenig aufregender.“ „Aber Dragos will doch auch euren Tod, oder versteh ich da was falsch?“, hakte Rhensis nach und zog eine Augenbraue hoch. Der Fürst der Finsternis war doch nicht wirklich bereit diese beiden Risikofaktoren zu verschonen, oder? Alles würde nur funktionieren, wenn ausnahmslos alle Götter beseitigt wurden. Sonst würden die beiden noch versuchen die Macht an sich reißen und die Welt ins Chaos stürzen. Obwohl...zu gegeben das wäre doch schon verlockend. Rhensis schmunzelte amüsiert und bleckte dabei seine spitzen Eckzähne. Dragos jedoch schnaubte verächtlich bei seiner Frage und warf dem Werwolf einen finsteren Blick zu. „Sicherlich nicht.“, knurrte der Halbgott wütend und erdolchte Rhensis schier mit seinem Blick. „Es ist uns egal. So wie unser Leben bisher war, war es eh purer Frust, also ist es uns auch irrelevant, wenn er am Ende Hopps gehen.“, sprach Zunas nüchtern ihre Beweggründe aus und biss ein Stück Fleisch von einer Hühnerkeule ab. „Ihr seid schon wunderlich...“ Iria zog ihre schlanke Augenbraue hoch und betrachtete die Götter halb amüsiert und halb verächtlich. Für einen Lamien gab es nichts Wichtigeres als das Leben. Deshalb ernährten sie sich vom Kiranos anderer Lebewesen um ihr eigenes immer wieder zu verlängern. „Sind das nicht alle Götter?“, konterte der Gott der Finsternis und der Hauch eines Schmunzelns war auf seinen Lippen zu sehen. „Allerdings.“, fuhr Dragos dazwischen, doch sein Ton war nicht amüsiert, sondern verächtlich. „Um mal auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. Warum sollten wir so einen riskanten Plan zustimmen?“ Helozius ahnte, dass diese Frage den erneuten Zorn Dragos auf sich ziehen könnte, doch hatte er nicht den Wunsch noch längere Zeit in diesem kargen Raum- in der Höhle des Löwen- zu verharren. Mindra warf ihrem König einen genervten Blick zu und flehte, dass er für seine Torheit nicht bezahlen würde. Mitleid war dafür jedoch nicht der Grund, sondern Selbstschutz. Wenn Dragos richtig wütend wurde, dann war jeder im unmittelbaren Umfeld in Gefahr. Dragos blieb allerdings erstaunlich ruhig. Fast schien er auf so etwas gar gewartet zu haben. „Ganz einfach, weil ihr keine Wahl habt.“ „Was meinen Sie damit, Dragos?“ „Wie ich vorhin schon sagte...“, stöhnte Dragos genervt, fuhr dann aber mit einem bösen Grinsen fort: „...hat Axel bereits Elunris angegriffen.“ „Raffiniert...“, höhnte ein weiteres Mitglied des Rates: Ranara, die Medusa, welche die Basiliken befehligte und noch so manch andre grausame Kreaturen. „Uns einfach zu übergehen, sodass wir nur zustimmen können.“ „Sagt diejenige, die ohne Einwilligung des Rates, in den Geist von Melanie eingedrungen ist um sie zu manipulieren und sie so in Canzors Pranken getrieben hat, da sie sich erst durch Eure Traummanipulation zu verstehen begannen.“ Ranara zischte verärgert und die Schlangen, die sich um ihren schmalen, bleiches Gesicht wanden entblößten drohend die Giftzähne. Dragos jedoch blieb ruhig und betrachtete die Medusa nur mit einem abschätzenden Blick. Zerberus, der die plötzliche für seine Bedrohung gegen seinen Herren vernommen hatte, ob seine drei Köpfe und knurrte warnend, während er seine Ohren flach anlegte. Midna seufzte theatralisch und trank ihren Wein leer. Sofort eilte ein tüchtiger Diener herbei- getrieben von der Angst, dass er sonst geschlagen oder weggesperrt wurde- und füllte den dunklen Traubensaft nach. „Wenn der Plan funktioniert, dann ist Ihnen ein großer Coup gelungen, Dragos, zweifellos, aber was ist mit Melanie? Wie ich hörte, waren Sie da nicht so erfolgreich.“ Vishop materialisierte sich und blickte verärgert zu Dragos. Dieser seufzte und schloss die Augen. Der Erbe des Schicksals hatte gehofft, dass sein Misserfolg noch nicht durchgedrungen war. Jedoch hätte er ahnen können, dass Vishop es bereits wusste. Als Gewitterdrache war er sicher auch öfters auf der Donnerebene um dort von dem ständigen Gewitter zu leben. „...ich gebe es ungern zu, aber ja...mein ursprünglicher Plan, Melanie durch den Raizon zu töten, ist fehlgeschlagen. Dafür ist mir etwas gelungen, wovon ich nicht gerechnet hätte.“ „Nun spuck es schon aus und hör auf dein Versagen schön zu reden.“, grollte Ranara, die sichtlich verärgert war von der Schmach, die Dragos über sie gebracht hatte und wollte es ihm nun schön reden. Wieder begann die Wut bedrohlich in Dragos zu brodeln und drohte ihn zu übermannen. Diese Frau machte ihn noch wahnsinnig. Ständig musste sie ihn provozieren und genoss seine Wut. Aufgeregt zischten ihr Schlangenschopf und ihre giftgelben Augen funkelten vergnügt. Der Fürst jedoch donnerte so voller Wut seinen Kelch auf den Tisch, dass der Wein überschwappte. Durchdringend sah er seine Konkurrentin an, doch diese lächelte betont freundlich. „Mir ist es gelungen Canzor, den Elementdrachen, zu töten.“ Freude schwang in der Stimme des Fürsten mit aufgrund des kaltblütigen Mordes, den der Raizon in seinem Namen begangen hatte. Eine solche Gräueltat erfüllte sein sonst so kaltes Gemüt mit purer Freunde und Wonne. Der Preis des Wahnsinns. „Das ist wirklich nicht zu verachten.“, musste Ranara einlenken, was sie sichtlich verärgerte. Genervt ließ sie sich in den Stuhl fallen und verschränke trotzig die Arme vor der Brust. Rhensis, der neben ihr saß, amüsierte sich köstlich über ihren Ärger, was ihm einen pikierten Blick einbrachte. „Aber das Problem mit Melanie bleibt.“, murmelte Cherenus nachdenklich und seine Flügel schlugen aufgebracht in die Luft. Mindra, dessen Frisur von dem so entstehenden Wind zerzaust wurde, stöhnte genervt und warf einen missmutigen Blick durch den Raum. „Wir sollten sie einfach umbringen. Wenn Canzor wirklich tot ist, kann es so schwer nicht sein.“, murrte die Begleiterin des Dunkelelfenkönigs genervt, was Helozius dazu brachte ihr einen mahnenden Blick zuzuwerfen. „Wenn es so einfach wäre, hätten wir es schon getan.“, schaltete sich nun Zunas in die mittlerweile hitzige Diskussion ein. „Tod?“, fragte Helozius überrascht. Und es sei nur mal nebenbei erwähnt, dass so eine Anrede nicht als unhöflich galt. „Der Rat der Götter bewacht sie, so zerstritten er auch ist. Wenn Melanie durch einen plötzlichen Angriff getötet würde, würde sie das misstrauisch stimmen und auch Dragos jetzige Finte wäre vergebens.“ „Wie wäre es...“, sagte Dragos nach einigen Minuten des Überlegens. „...wenn wir einen Spion als Melanies neuen Gefährten einschleusen?“ „Das klingt gut, nur wird sie so schnell einem vertrauen?“ „Ich wüsste da schon Jemanden...“ Dragos Grinsen war so voller Boshaftigkeit, das keiner, selbst Ranara nicht, daran zweifelte, dass ihr Anführer einen vielversprechenden Kandidaten für diese Aufgabe hatte. Stumm nickten der Rat der Finsternis seinem Vorschlag zu und verschwand dann in der Dunkelheit. Erschöpft ließ sich Dragos in seinen Stuhl zurückfallen und rieb sich die Schläfen. Jede dieser Sitzungen lief ähnlich ab. Noch immer war er nicht vollständig als Anführer akzeptiert, sodass er jedes Mal um seine Vormachtstellung kämpfen musste. Danach war er immer furchtbar erschöpft und würde am liebsten drei Tage durchschlafen, doch ihm blieb dafür keine Zeit, denn bereits der nächste Schritt musste vollführt werden. „Das war mal wieder was...aber wir werden es schon schaffen, oder, Piräus?“ Bei den Worten begann sich plötzlich etwas an der Turmspitze, in der sich der Thronsaal befand, zu regen. Ein pechschwarzer Umriss, noch finster als die tiefschwarze Nacht, erhob den schemenhaften Kopf und rotglühende Augen schienen alles zu durchdringen. Ein Drache, so groß die gesamte Turmspitze, erwachte aus seinem tiefen Schlaf. Gigantische Schwingen wurden von dem schrecklichen Drachen entfaltet seine gigantischen Schwingen und spie ein lodernde Flammeninferno gegen einen unsichtbaren Feind, als er sich von dem Dach schwang, wobei er zustimmend brüllte. Aus Piräus dem Zwergdrachen, war Piräus, der Nachtschrecken geworden. Kapitel 5: Die Dienerin ----------------------- 5. Kapitel: Dragos (vor 10.000 Jahren) Die Dienerin Dragos erschrak, als es plötzlich an der Tür klopfte. Zu sehr war er in dem Wirrwarr von Ideen seines keimenden Planes gefangen, als das er Jemanden hatte kommen hören. Verwirrt blinzelte der Halbgott und erkannte, dass die stürmische Nacht langsam einem frischen Morgen wich. Es war wirklich schon Morgen. Himmel, wir lange hatte er denn nachgedacht? Das konnte doch nicht sein. Für Dragos erschien der Zeitpunkt, wo ihm die Idee kam, wie er Mythna retten konnte, erst wenige Minuten zurück. Offensichtlich hatte er sich komplett seinen Gefühlen hingegeben und hemmungslos treiben lassen. Aber dieses Leuchten, der Hoffnungsschimmer, der die Finsternis, die sein Leben war, erhellte war so aufregend, so mitreißend, dass es gar nichts anders ging, als sich in den Tagträumen der Ausführung zu verlieren. Müde blinzelnd stand Dragos auf und strich sich seine mittlerweile zerzausten Haare aus dem Gesicht. Schlurfend ging er zu den Vorhängen, die die Fensterfront an der Kopfseite seines Zimmers verdeckten, und schob sie beiseite. Ein Stöhnen entwich ihm, als aus den Halbschatten strahlendes Sonnenlicht wurde. Dass es bereits später Vormittag war, warf den Halbgott völlig aus der Bahn. Irritiert kniff er die Augen zusammen und starrte auf die Bergkette, die den Horizont markierte. Dragos kam nun nicht mehr drum herum. Er hatte sich mehr von den Gedanken der Revolution hinreißen lassen, als er gedacht hatte. Der Wald direkt unterhalb seines Balkons zeigte noch deutliche Spuren des Sturmes der letzten Nacht. Bäume waren umgeknickt oder gar entwurzelt und Dragos meinte sogar einen Erdrutsch erkennen zu können. Einige Augenblicke später, als sich seine Augen an das plötzliche Tageslicht gewöhnt hatten, wandte er sich ab und ging wieder zum Bett. In dem Weidenkorb, der sich direkt daneben befand, schlief Piräus friedlich- den Schwanz schützend über die Schnauze gelegt. Bei diesem Anblick stahl sich ein sanftes Lächeln auf Dragos Gesicht. Für ihn war es schön zu sehen, dass zumindest sein bester Freund seinen inneren Frieden fand, etwas, was ihm bisher verwehrt blieb. Sein Leben war bisher von der ständigen Unruhe geprägt, die seine Machtlosigkeit bewirkte. Wieder vernahm er das dumpfe Geräusch des Klopfens an der Tür und nun drängte sich erneut die Verwirrtheit in seine Gedanken, aber dieses Mal aus einem anderen Grund. Wer sollte jetzt zu ihm kommen? Das war doch völlig absurd. Noch zu genau hatte er die mahnenden Worte seiner Mutter im Kopf, dass jeder hart bestraft würde, der auch nur in die Nähe seines Zimmers kam. Zum Glück hatte sie ihm zumindest Piräus gelassen. Wer also wäre so dumm den Zorn einer Göttin zu riskieren? Noch dazu der Schicksalsgöttin? Das war doch hirnrissig... Unbewusst ließ sich Dragos aus Bett fallen, während seine Gedanken um die Frage ‚Warum?‘ kreisten. Nur wenige Augenblicke später klopfte es zum dritten Mal, dieses Mal unmissverständlich. Dragos schüttelte den Kopf um nicht wieder in Gedanken zu versinken, holte tief Luft und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Herein?!“ Leise schwang die Tür auf und eine schlanke Gestalt schlüpfte durch den Türspalt, bevor sich diese wieder leise schloss. Dragos erkannte die Person, die sein Zimmer betrat, sofort. „Salia!“, flüsterte er erstaunt. „Was machst du denn hier?“ Er wandte seinen Blick zu der Dienerin um, die murrend ein Silbertablett auf seinem Nachttisch abstellte und sich dann neben ihn aufs Bett fallen ließ. Eine Aktion, die einem Frevel gleichkam. Es war nicht gestattet die Besitztümer eines Halbgottes oder gar eines Gottes zu berühren. Jede Missachtung dieses ungeschriebenen Gesetzes wäre hart bestraft worden, doch bei Salia lagen die Dinge anders. In den fünf Jahren, die sie nun als einziger Mensch im Tempel von Narunia diente, waren sie und Dragos so etwas wie Freunde geworden. Im Gegensatz zu den Lichtelfen Diener des Tempels der Sterne, die meist bereits mehrere Jahrhunderte gesehen hatte, war Salia vom geistigen Stand her genauso alt wie Dragos, auch wenn dieser bereits 100 Jahre auf Mythna gesehen hat. Unweigerlich begann sein Herz zu klopfen, als er in die strahlend blauen Augen von Salia sah, versuchte jedoch vergeblich sich zu beruhigen. Dragos wusste, dass eine Freundschaft zwischen einem Gott- zu denen er letzten endlich als Halbgott auch gehörte- verpönt, nein sogar verboten war. Ihre Aufgabe war zwar der Schutz der Menschen, doch jegliche auf Sympathie beruhende Bindung war strikt abgelehnt. Neben sich hörte der Halbgott die junge Dienerin genervt seufzen. Etwas, was sonst ein unverzeihlich war, doch Dragos ließ sie gewähren- er ließ sie immer gewähren. Sein Blick wanderte wieder zu ihr und begegnete dabei einem tadelnden Blick. Obwohl er sich in einer höheren Position befand und gegenüber Salia keine Rechenschafft schuldig war, bemerkte Dragos, wie er unter dem Blick kleiner wurde. „Was ich hier mache?“, fragte die temperamentvolle Frau und schnaubte erbost. „Das fragst du allen Ernstes noch, Dragos? Ich hätte etwas mehr Dankbarkeit erwartet. Immerhin bring ich dir was zu Essen.“ Gespielt beiläufig deutete Salia auf das Tablett, welches nun auf seinem Nachttisch stand. Dragos Blick wanderte kurz auf das Silbertablett mit dem Brot und verschiedenen Aufschnitten, doch sein Ausdruck war desinteressiert. Narunia hatte ihm bloß eine Woche absoluten Zimmerarrest erteilt. Eine zu kurze Zeit, als dass er wirklich hätte Hungern müssen, dennoch nahm Dragos augenblicklich eines der belegten Brote und schob es sich in den Mund. „Was hast du diesmal eigentlich wieder angestellt, Dragos? Herrin Narunia hat wie eine Furie getobt nachdem sie dich auf dein Zimmer verbannt hat. So gesehen ist deine Strafe noch sehr milde.“, fuhr Salia weiterhin im aufgebrachten Ton fort. Für sie bedeuteten Wutausbrüche von Narunia extra Arbeit- wie zum Beispiel das Aufkehren zerstörter, kostbarer Vasen oder Ähnliches. Dragos sah sie mit vollem Mund an und zuckte nur belanglos mit den Achseln. „Dragos!“, kreischte die schwarzhaarige Frau beinah. //Noch schriller und die nächste Vase geht zu Bruch, die sie Auffegen darf.//, dachte Dragos sarkastisch, war jedoch klug genug diesen Gedanken nicht in Worte zu verwandeln. Obwohl Salia nur eine Menschenfrau war, so sollte man sie dennoch nicht reizen, dies konnte unangenehme Folgen haben. Schnell schluckte er den Happen in seinem Mund runter und seufzte schwer. „Ich war in der Bibliothek.“ „Lüg mich nicht an! Wegen so etwas würde Narunia nicht so ausrasten. Du hättest sie mal erleben sollen. Wie ein Gewitter ist sie durch die Hallte gebraust und hat alles umgeschmissen. Mich wundert es, dass sie dich nicht umgebracht hat.“ Salia war nun ruhiger, doch ihr Tonfall hatte etwas von einer belehrenden Mutter, die ihrem Kind erklären wollte, wie viel Glück es doch gehabt hatte, für sein Vergehen nicht gleich aus dem Haus geworfen zu werden. Wieder seufzte Dragos schwer und sah Salia direkt in ihr klaren, blauen Augen, in denen er nicht die Wut fand, die ihre Stimme vermuten ließ, sondern pure Besorgnis. Wieder erschien diese Verbundenheit zwischen ihnen, die Dragos nie erfassen konnte. Ein stilles Verstehen des Gegenübers ohne auch nur ein einziges Wort zu verlieren. So etwas Seltsames, Verwirrendes, und doch ein derart schönes Gefühl zugleich, hatte Dragos noch nie empfunden. Vielleicht genoss er gerade deshalb ihre Nähe so sehr. Für Salia war er nicht ihr Herr- ein Halbgott- dem man höflich distanziert begegnen musste, in der ständigen Angst, dass eine falsche Geste seinen Zorn beschwören würde. Nun gut...normalerweise stimmte das ja auch, aber nicht bei Salia. Nein, für die Dienerin war Dragos genauso wie jeder andere Junge ihrer Rasse auch. „Hast du eine Ahnung...“, flüsterte er resigniert nach einer Pause - mehr zu sich selbst, als zu Salia. Diese zog eine ihrer schlanken Augenbraue hoch und musterte ihn verwirrt. Doch dann siegte wieder ihr Temperament. Brüskiert stemmte sie die Hände in die Hüften und fixierte Dragos mit keckem Blick. Dieser war jedoch so sehr mit dem zu Tode starren des Bodens beschäftigt, als dass er es bemerkt hätte. „Dann klär mich mal auf.“, schnaubte sie schnippisch und strich sich einer ihrer langen Ponysträhnen aus den Augen. „Ich war wirklich in der Bibliothek.“, seufzte Dragos und wandte seinen Blick wieder zu ihr. Salias lange mit Edelstein verzierte Perlenkette klimperte, als sie den Kopf verständnislos neigte. „Aber...wenn du wirklich bloß in der Bibliothek warst, dann...“ Abrupt stockte die junge Dienerin und fuhr wie vom Blitz getroffen zu ihm herum, sodass Dragos zurückzuckte. „Duuu...!“ Sie lehnte sich vor, sodass nur noch ein Blatt zwischen sie gepasst hätte. Mahnende, blaue Augen starrten in seine, glaubten nicht, was sie gerade dachte. „Sag mir nicht du warst in der verbotenen Abteilung, Dragos.“ Ein unschuldiger Ausdruck huschte über Dragos Gesicht und er sah sie entschuldigend an. Salia stöhnte genervt auf. „Sag, dass das nicht wahr ist!“, flehte sie ihn an, rang mit den Händen. Dragos hingegen senkte nur traurig den Blick. Er hatte nichts andres erwartet. Salia war ihrer Herrin Narunia gegenüber äußerst loyal, selbst für eine Dienerin. Grund dafür war, dass die Schicksalsgöttin sie vor gut fünf Jahren vor Sklavenhändler gerettet hatte und unter ihre Fittiche genommen. Seitdem wurde sie von Kurnos, dem obersten Diener dieses Tempels –einem arroganten Lichtelf- ausgebildet. „Doch...“, antworte er matt. „Nein!!!“ Zischend zog Salia die Luft ein und ihre Augen weiteten sich vor Schock. „Doch!“, sagte Dragos, diesmal mit mehr Nachdruck. „Dragos.“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe, während sie ihn an kreischte. Blitzschnell fuhr ihr Körper herum, packte ihn an Kragen und zog ihn zu sich heran. Unverhohlene Wut funkelte in ihren wunderschönen blauen Augen. Ihre perlmuttfarbenen Lippen waren erzürnt gekräuselt und bebten zeitgleich. Dragos kannte diesen Blick zu gut, denn er hatte ihn schon so manches Mal gesehen und dieser finstere Blick bedeutete nur eines: Ärger- großen Ärger. Doch ehrlich gesagt, Dragos legte es fast darauf an. Seine Situation frustrierte ihn und so musste er sich abreagieren. Piräus hatte Diskussionen mittlerweile mit ihm aufgegeben und mit Salia konnte man so herrlich streiten. „Du. Warst. In. Der. Verbotenen. Abteilung?“, knurrte sie den Halbgott mit gefletschten Zähnen an. Ihr Gesicht pendelte sehr dicht vor dem seinem- so nah, dass sich fast ihre Nasen berührten. Und da war sie wieder...diese seltsame Spannungen zwischen, die schon beinahe Funken zu sprühen schien. Sie starrten in seine schwefelgelben Augen und er in ihre tiefblauen. Keiner von beiden wich zurück, sie trugen ihren Streit im Stillen aus. Schlussendlich gab Salia seufzend auf. „Es ist dir wirklich ernst, oder?“, lenkte die junge Frau schließlich ein. „Würde ich mir sonst Mutters Zorn zu ziehen?“ Dragos sah Salia an und seine Augen wirkten so leer, dass es Salia erschreckte. Es musste wirklich etwas Wichtiges sein. „Auch wieder wahr.“ Wieder seufzte Salia und sah ihn aber ungläubig an. Sie löste ihren hohen Zopf und ihr langes, seidiges Haar fiel nun wie ein schwarz schimmernder Fluss über ihre Schultern. „Dann erklär mir aber bitte, warum es hier geht. Dragos...“ Verzweifelt griff sie nach seinen Arm, krallte sich in den weichen Stoffes seines Wamses. Dragos sah sie an und in seinem Blick lag ebenfalls Verzweiflung. Zärtlich strich er einer ihrer langen Strähnen hinters Ohr und legte dann seine starke Hand an ihre Wange. „Salia...ich möchte dich da nicht mit hineinziehen.“, flüsterte er leise, während seine Augen gequält aufblitzen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen und der Weg, den er seit gestern beschlossen hatte zu bestreiten, würde sie auf jeden Fall in Gefahr bringen. Das würde er nicht übers Herz bringen. Salia und Piräus...diese beiden waren das einzig wichtige in seinem Leben, die einzige Konstante, das einzig Vertraute. Keinen von den beiden, die sein Leben in festen Bahnen hielten, wollte er verlieren. „Das bin ich schon seit ich dir was zu essen gebracht habe. Also sag es mir bitte! Dragos, vertrau mir!“ Ihre flehende Stimme schnitt in sein Herz, ließ es verkrampfen. Qualvoll blickte er sie an, flehte sie aus tiefengründigen, gelben Augen an ihn nicht zu zwingen, doch Salia ließ nicht locker. Auch ihre zweite Hand griff in das weiche Leder seines Wamses, so als fürchtete sie, dass er fliehen würde. Der junge Halbgott lachte innerlich auf. Er und fliehen? Wohin denn? Er befand sich in einem goldenen Käfig. Von ihm wurde Perfektion erwartet- wie es sich für einen Halbgott und dem Sohn der Schicksalsgöttin geziemte. Viele Male fühlte sich Dragos mehr wie ein Besitz, ein Eigentum seiner Mutter, denn als ein Sohn. Ihm wurde jeden Tag vieles aufs Auge gedrückt: Magie, Literatur, Zauber, Theorie, Theologie, Astronomie, Fechten, Reiten, Schwertkampf. In diesem engen Raum, der sich sein Tag nannte, hatte er keinen Freiraum um sich selbst zu entfalten. Oh wie oft hatte er doch auf den Hof gestarrt, während er eigentlich irgendeinen hochphilosophischen Wälzer hätte lesen sollen und den jungen Elfen beim Herumtollen zugesehen. Zu gern hätte er mitgespielt, hätte sich gerauft, versteckt und fangen gespielt, doch jedes Mal, sobald er auf den Hof trat, verstummte das Gelächter und das Geschwätz. Alle hatten ihn angestarrt und waren dann weggelaufen. Niemand wollte es wagen mit dem Halbgott zu spielen. Die Gefahr, dass er sich verletzte war zu hoch. In all der Zeit, die er hier aufgewachsen war, in diesem schönen Palast, war er einsam gewesen. Niemand außer Piräus war für ihn da gewesen. „Dragos…“, flüsterte Salia leise, denn sie hatte gesehen, was sich in seinem Innersten bewegt hatte. Trauer und Leid waren durch seine abwesenden Augen geflogen und sie wusste, woran er dachte. Diesen Blick bekam der Sohn Narunias immer, wenn er an seine Kindheit dachte. Dragos blinzelte und löste sich aus den lebhaften Erinnerungen, die wie ein Film vor seinen Augen getanzt waren. Der Halbgott verwischte seine Gedanken und schob sie beiseite, doch dieses Mal ging es nicht so einfach wie sonst. Salias großes Mitgefühl, was deutlich zu hören gewesen war, ließ längst verdrängte Gefühle wieder hervordringen. Sie ballten sich in ihm, als wollten sie sein Herz zerdrücken. Von diesem innerlichen Sturm der Emotionen getrieben stand Dragos auf und rannte durch das Zimmer- hoffte Unbewusst diesen gehassten Gefühlen der Hilflosigkeit und Trauer entkommen zu können. Er wollte nicht schwach sein, doch es gelang ihm nicht. Schließlich blieb er seufzend und mit hängenden Schultern stehen. Langsam wandte er sich seiner Freundin wieder zu und flüsterte: „Ich halte das alles nicht mehr aus. Dieser Ort macht mich krank. Das ganze System macht mich krank!“ Er spie die Worte förmlich aus, sein Gesicht vor Verachtung glühend. Salia sah ihn überrascht an und blinzelte. „Was? Aber warum? Du hast es doch gut hier und…“ Dragos lachte jäh auf und unterbrach sie somit. Der Halbgott kringelte sich förmlich vor Lachen, was ihm etwas Wahnsinniges verlieh, denn es klang so hohl, so voller Spott über sich selbst, dass es schmerzte. „Ich habe es hier gut? Du hast überhaupt keine Ahnung, Salia.“ „Ach ja?“, erwiderte sie barsch und fixierte in missmutig, ihre Augen funkelnd vor Wurt. Sie hasste es, wenn Dragos so mit ihr sprach, als würde sie überhaupt nichts von der Welt verstehen. Als wäre sie bloß ein einfacher Mensch, der sowieso nicht mit ihm mithalten konnte. Das musste er ihr nicht sagen, das wusste sie selbst. Dragos seufzte und sah sie entschuldigend an. Sie konnte nun wirklich nichts für seine Misere und doch ließ er seine Wut an ihr aus, die seine eigene Hilflosigkeit mit sich brachte. Er wollte nicht, dass sie sauer auf ihn war, das war mit das letzte was er wollte. Langsam ließ er sich wieder neben ihr sinken und starrte zur Decke hinauf. Nachdenklichkeit verschleierte sein Gesicht, während er langsam sprach: „Weißt du…es ist schrecklich ein Halbgott zu sein. Du gehört nirgendwo richtig dazu… Die Götter nehmen dich nicht ernst, weil du eben noch menschliches Blut in dir trägst und belächeln dich nur. Egal was du sagst, du hast sowieso keine Ahnung, denn du bist ja bloß ein halber Gott. Bei den Menschen ist es nicht anders, nur dass sie dich belächeln, sondern dich fürchten. Sie haben Angst davor, dass du über sie richten könntest und wissen nicht, wie sie sich dir gegenüber verhalten sollen. Letzen endlich ist es ein sehr einsames Leben.“ Traurig schloss Dragos die Augen, wandte sich dann aber nach wenigen Sekunden Salia zu. Sein Blick schien förmlich in Trauer zu versinken und Salia zuckte unwillkürlich zusammen, hatte sie doch selbst das Gefühl in diesen tiefen Augen zu versinken. Ein freudloses Lächeln stahl sich auf das schöne Gesicht des Halbgottes und er strich langsam eine seiner langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die Stimmung sank mittlerweile auf den Nullpunkt und eine bedrückte Stimmung herrschte zwischen den beiden Freunden. Piräus wandte sich in seinem Korb und legte desinteressiert den Schwanz über die Schnauze. Dragos wandte sich kurz seinem kleinen Freund zu und strich unterbewusst über seine kühlen, glatten Schuppen, was den Drachen zufrieden gurren ließ. Ein sanftes Lächeln legte sich einen Augenblick lang auf die Lippen des Halbgottes. Egal wie schlecht es ihm ging, Piräus schaffte es immer ihn mit kleinen Gesten aufzumuntern. Salia sah ihn an, legte ihre Hand auf seinen Arm und auch diese zarte Berührung, die er fast nicht spürte, holte ihn aus seinem tiefen Loch. Dragos wandte seinen Kopf zu ihr um und auf einmal war ihr Gesicht dem seinem ganz nah. Ihr Atem wehte wie eine sanfte Briese über seine Wangen und ließen ihm einen wohligen Schauer dem Rücken hinab laufen und er bekam eine Gänsehaut. Diese kleine Geste berührte ihn tief in seiner Seele, in seinem Herzen. Die wunderschön blauen Augen von Salia sahen ihn mitfühlend an und ein entschuldigendes Lächeln lag auf ihren Lippen. Wie schön sie doch war. Dragos kam einfach nicht drum herum, er konnte es nicht leugnen. Sie war ihm wichtig- unglaublich wichtig. „Salia…ich bitte dich…“ Vorsichtig nahm Dragos Salias Hände und umschloss sie zärtlich mit den seinen. Irritiert sah die junge Dienerin ihn und blinzelte, dann sah sie zu ihren Händen hinab und eine leichte Röte lag sich auf ihre Wangenknochen, ehe sie verlegen wegsah. Dragos jedoch ließ das nicht zu. Sanft fasste er unter ihr Kinn und zwang sie, wenn auch zärtlich, ihn anzusehen. Es ging nicht anders, er musste einfach in diese tiefen Augen sehen. „Ich kann in dieser Unordnung nicht mehr weiterleben. Ich muss hier raus, ich muss kämpfen und etwas verändern. Bitte, komm mit mir!“ „Dr…Dragos.“, stotterte Salia überrascht und sah ihn an. „Ich muss gehen, muss etwas tun, aber ich könnte es nicht, wenn ich dich hier zurücklassen müsste… ich…“ Der Junge Halbgott stockte und brach mit hochrotem Kopf ab. Schüchtern blickte er auf seine Decke. Er konnte es ihr einfach nicht sagen, so gerne würde er es, aber er konnte es nicht. Wie erbärmlich. Piräus fiepte einmal unwirsch und drehte sich in seinem Korb um 180°, während seine Schuppen für ein schabendes Geräusch auf der Decke sorgten. Dragos warf seinem Freud einen Blick zu. Nie hatte er dem Zwergdrachen von seinen Gefühlen gegenüber Salia erzählt. Wie denn auch, wenn es dem Halbgott bis gerade eben selbst nicht bewusst gewesen war? Sein Herz wurde schwer, als er bemerkte, dass sein kleiner Gefährte von ihm genervt war und auch Salias Blick, diese Verwirrung gemischt mit ihren intensiven Blauschimmer, zerriss ihm das Herz. Dragos hatte Angst vor dem Weg, der vor ihm lag, er musste viel riskieren um ihn bis zum Ziel zu gehen, doch genau vor diesen weitreichenden Entscheidungen fürchtete es ihn. „Wohin willst du gehen? Was ist in letzter Zeit mit dir geschehen, Dragos?“ Salia griff bestimmt unter sein Kinn und zog dessen Gesicht zu sich herum. Zwang ihn sie anzusehen. „Ich habe die Wahrheit erkannt, Salia. Mythna zerbricht und bald wird es zum Krieg kommen.“ „Nein, das glaube ich nicht.“ Geschockt schlug sich die Hände vorm Mund sah ihn aus geweiteten Augen an, die ihn anflehten ihr nicht die Sicherheit zu nehmen, dass ihr Planet ein friedlicher war, doch Dragos konnte es ihr nicht gewähren. Nur die Sicherheit an seiner Seite konnte er ihr bieten. „Salia, hör mir zu. Ich würde es dir nicht sagen, wenn ich mir nicht sicher wäre. Die Spannung bei den Rassen auf Mythna wächst, die Diskrepanzen werden immer größer und bald werden die Konflikte explodieren. Und weißt du was? Keiner der Götter wird etwas unternehmen, denn keiner wird es bemerken und irgendwann wird sich sicher die Wut der Wesen sammeln und sich gegen die Götter wenden, gegen uns, denn wir werden der Sündenbock sein. All die Götter und Halbgötter. Aus diesem Grund kann ich dich nicht zurücklassen...du würdest...getötet werden.“ Dragos flüsterte den letzten Teil nur und seine Stimme war von Schmerz über diese Vorstellung getränkt. Salias Herz begann zu rasen und ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf hin und her. Sie vertraute Dragos- sie hatte es immer getan- doch was er ihr hier erzählte, klang so unwirklich, dass sie es sich nicht vorstellen konnte. Aber der Halbgott hatte Recht, er würde es ihr nicht sagen, wenn er sich nicht sicher wäre. Alles, was sie über Mythna dachte, zersprang in diesem Augenblick in tausend Scherben und Angst begann aus ihrem Unterbewusstsein hoch zu wallen. Dragos bemerkte ihre Sorge und zog sie- sich keiner anderen Möglichkeit bewusst- in den Arm. Sofort errötete Salia und ihr Herz begann genauso schnell zu schlagen wie das seine. Vorsichtig hob sie den Kopf und die beiden sahen sich tief in die Augen, während sie sich langsam näher kamen. Dragos wusste nicht, was in seinem Körper vorging, doch der Funke, der so lange zwischen ihnen getanzt hatte, schien nun übergesprungen zu sein. Das Blut wallte in seinen Adern wie die Brandung einer Welle und sein Herz schien bereits in seinem Hals zu schlagen. Er sah wie das hübsche Mädchen ihre Augen schloss, konnte jede ihrer langen Wimpern erkennen. Als ihre Lippen sich auf einen winzigen Atemhauch genähert hatten, hielt Dragos inne. Er war verunsichert. Sich sonst bei jeder Tat den Konsequenzen bewusst, hatte er nur Angst vor den Folgen. Was würde geschehen? Fühlte Salia dasselbe für ihn. Als sie merkte, dass er innehielt, sah sie durch den dichten Wimpernkranz zu ihm auf und ihr durchdringender Blick ließ ihn schwanken. So schüchtern, so rein war er. Wieder legte er ihr eine Hand an die Wange, er musste sich irgendwo festhalten und Salia sah ihn an- ihn einfach nur an. „Ich habe Angst, Dragos.“, flüsterte sie schließlich leise nach einigen Augenblicken, doch sie schlug nicht, wie sonst, die Augen nieder, sondern hielt seinen Blicken stand. Offensichtlich schämte sie sich nicht dafür, sondern gestand es ihm bloß. Dragos seufzte und ihr schönes Gewand knisterte, als er sie näher zu sich heranzog. Mit einer Sanftheit, die er von sich selbst nicht kannte, strich er ihr die Haare aus dem Rücken und fuhr dann mit seinen Händen die Wirbelsäule. Er spürte ihr Erschauern, ihr Erzittern unter seinen Fingerkuppen und es löste eine Explosion in seinem Körper aus. „Ich werde dich beschützen, egal was da kommen mag.“, flüsterte er ihr sanft ins Ohr und er lehnte seinen Kopf in ihr weiches Haar. Es roch nach dem Frühling, wenn die Blumen gerade frisch erblühten. „Dragos...“ Ihre Stimme sprach ganz sanft, so als wären die letzten Zweifel zerbrochen. Langsam löste der junge Halbgott sich von ihr, beugte sich dann direkt zu ihr hinab. Wieder begann sein Herz zu rasen, doch dieses Mal brach er nicht ab. Er küsste sie. Zunächst noch schüchtern, ein wenig zaghaft, doch als er spürte, dass er es ihr nichts ausmachte, küsste er sie erneut. Ein Feuer in seinem Körper entbrannte, als er ihre zarten Lippen auf den seinen spürte und Dragos wurde klar, wie lange er sich nach diesem Augenblick gesehnt hatte. Ein Gefühl des Glückes floss durch jeden Zentimeter seines Körpers und ließen die Sorgen für den Moment verschwinden. In diesem Moment zählten nur Salia und seine Gefühle für sie. Verbotene Gefühle, doch schienen eben jene so magisch in seiner Familie verankert zu sein. Schließlich war er selbst die Frucht einer solchen Liebe. Salia seufzte nach wenigen Augenblicken wohlig, ihre Hände hielten sich an ihm fest, während ihr Körper sich näher an den seinen schmiegte. Dragos genoss das Gefühl der Nähe und Geborgenheit. Liebevoll zog er sie an sich ran und seine Hand strich über ihre Wange und Hals über die Seite ihres Körpers hinab, wo sie an ihrer Hüfte verweilte und sie wie von selbst streichelte. Erneut schüttelte sich der zierliche, schöne Körper unter seiner Hand, doch Dragos wusste, dass es voller Behagen war. Er wusste nicht woher. Er wusste es einfach. Diese Gewissheit entfachte etwas in ihm, das Wissen, dass Salia sein war, brüllte durch seinen Körper, der die Kontrolle über seine Gedanken gewonnen zu haben schien. Langsam beugte sich Dragos nach vorne und drückte Salia auf das Bett unter sich. Sein kräftiger Körper lag nun auf den ihren und begrub ihn sanft unter sich. Salia, welche so sehr in dem Kuss gefangen war, quiekte überrascht auf und öffnete die Augen, löste sich jedoch nicht von seinen Lippen, sondern klammerte sich nur noch mehr an ihn. Dragos lachte leise. Die Reaktion war zu niedlich und löste sich dann nach einigen Momenten aus dem Kuss. Sofort sah die junge Frau zu ihm hoch und Dragos sah, wie schnell sich ihre Brust hob. Ihr Gewand ließ da wenig Raum für Interpretationen. Unmerklich schluckte der junge Halbgott und befürchtete, dass die Hormone bald mit ihm durchgehen würden. Ihr Atem flog und kitzelte Dragos auf seinen starken Armen, sodass sich eine Gänsehaut auf ihnen bildete. Zärtlich blickte er zu ihr hinab, strich eine verirrte, schwarze Strähne aus dem Gesicht. „Ich liebe dich, Salia.“, hauchte er und das Aussprechen erleichterte ihn ungemein, auch wenn sein Herz sich verkrampfte, denn er wusste nicht, wie Salia reagieren würde. Er sah in ihre großen Augen, verlor sich in ihrem schönen Anblick. Etwas dergleichen hatte der Halbgott noch nie gespürt, alles in ihm schien vor Glück zu schreien und war doch zeitgleich so verängstigt. Und das Schlimmste war: Salia schwieg. Sie sah ihn einfach nur an. Würde sie genauso für ihn empfinden? Er wartete auf eine Antwort, seine Hände auf ihre Arme gedrückt und sah in ihr schönes Gesicht, wo er sie zu finden hoffte. Wann war er so verdammt unsicher geworden? „Dragos...“, flüsterte sie wieder mit dieser sanften Stimme, die alles in ihm in Unruhe brachte. Er hielt es nicht mehr aus. Beim besten Willen nicht. Er beugte sich nochmals vor und legte seine weichen Lippen auf die ihren, küsste sie zärtlich wie ein Windhauch. Der Körper unter ihm entspannte sich und wieder schaffte er es Salia dieses sehnsüchtige, verzückte Seufzen zu entlocken. Ihr Kuss schien ewig zu dauern. Keiner der beiden wollte ihn Enden lassen, doch irgendwann musste sich Dragos lösen- wenn auch ungern. Sein Körper brauchte Luft, auch wenn er momentan das Gefühl hatte nur von den Gefühlen in seinem Bauch leben zu können. Salia kicherte leise, als sie wieder zu Atem gekommen war und ihre sanften Finger strichen über seine hohen Wangenknochen. Nun war es Dragos selbst, der unter dieser zärtlichen Berührung erschauerte. Jede Stelle, die Salia berührte, prickelte angenehm. „Was machen wir hier eigentlich?“, fragte Salia- noch immer vom Glück sichtlich benommen. Dragos lächelte scheu und neckte ihre Wange mit seiner Nase. „Ich weiß es nicht...“ Seine Liebste kicherte wieder, während er sie zärtlich neckte, wobei ihre Hände seinen Rücken hinabfuhren und ein erneuter Wirbel von Gefühlen fuhr durch seinen Körper. „Salia...was machst du da?“, fragte der Halbgott, als sie begann an seinem Wams zu spielen. „Ich weiß es nicht.“, schmunzelte sie scheinheilig, hielt aber in ihren Bemühungen nicht inne. Eine von Dragos Augenbraue hob sich spöttisch, dann grinste er und entfachte einen Kampf um die Führung. Kreischend und lachend rollte er zusammen mit Salias übers Bett, gewann aber schließlich das Duell und lag wieder über ihr. Keuchend sah Salia zu ihm hinauf und lächelte. „Ich liebe dich auch, Dragos.“ „Das will ich doch auch schwer hoffen.“, lächelte der Halbgott und küsste sie erneut. Dieses Mal war sein Kuss allerdings fordernder, während seine Hand langsam nach unten wanderte. Doch dann stimmte etwas auf einmal etwas nicht. Die Farben in seiner Umgebung verblasten, wie die Farben von Wäsche, die man zu oft gewachsen hatte. Verwirrt blinzelte Dragos, versuchte sich zu bewegen, erstarrte aber dann. Egal wie sehr sich bemühte, der Halbgott konnte sich nicht bewegen. Entsetzt ruckte er immer wieder, spannte seine Muskeln an, doch nichts bewegte sich. Stattdessen bewegte sich das eingefrorene Bild von ihm fort. Dragos wollte schreien, doch kein Laut drang über seine Lippen. Seine Umgebung löste sich in einen Wirbel von Farben auf. Entsetzt wollte Dragos seine Hand ausstrecken um dieses Bild festzuhalten, doch es verschwamm immer mehr. In dem Kreisel aus Geschwindigkeiten wurde ihm schlecht und der Halbgott flehte nur noch, dass es bald aufhörte. Nach Minuten, die ihm ewig erschienen, beruhigten sich der Wirbel und eine neue Umgebung tauchte vor Dragos auf, wenn auch noch immer von einem Graustich überzogen. Was war hier los? Die Zeit stand still. Dragos befand sich nun auf einer Wiese direkt vor einem Waldstück. Es schien stürmisch zu sein, so sehr wie sich die Baumkronen verbogen. Doch was war das? Er konnte sich nicht erinnern, wie er hiergekommen war. Nun lag er hier auf dem Boden und vor ihm stand...Dragos weitete die Augen. Salia! Ihr schwarzes Haar peitschte im Wind und ihre Körperhaltung war verkrampft, so als würde sie gleich zusammenbrechen. Was war hier verdammt noch mal los? Er wollte es wissen, wollte sich umdrehen, doch noch immer war er wie gelähmt und dann sah er etwas, was ihm den Atem nahm. Salias Körper wurde von einer Lanze durchbohrt. Geschockt wollte Dragos zurückweichen, schreien, irgendetwas, doch noch immer war sein Körper gelähmt. Aber er wollte es und da brach auf einmal das Grau auf und die Farben drangen wieder durch. „I...ihr werdet Dragos nicht...“ Blut quoll aus Salias Mund, während sie die Lanze des Wächters umklammert hielt, welche sie durchbohrt hatte. „wieder mitnehmen...er wird nicht...leiden.“ „Geh aus dem Weg, du dummes Menschenkind.“, knurrte der Lichtelf in seiner silbernen Rüstung, den Dragos nun als Leibgarde seiner Mutter erkannte. Da wurde es auf einmal klar. Er musste mit Salia geflohen sein und sie hatten ihn verfolgt und gestellt. Wollte ich zurück zu seiner Mutter bringen und...und...Salia hatte sich geopfert um ihn zu retten. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag und ließ ihn nun wirklich zurücktaumeln. „Sa...Salia.“, stotterte er den Tränen nah. Langsam, zitternd drehte die Schwarzhaarige ihren Kopf zu ihm um und sah ihn traurig an. „Tut mir leid, Dragos.“ Sie Kämpfte gegen sich selbst, jedes einzelnes Wort schien ihr stake Schmerzen zu bereiten. „...ich werde deine Revolution wohl nicht mehr erleben...ich...liebe dich...“ Mit diesen letzten Worten sackte die junge Frau zusammen. Dragos sprang auf um sie aufzufangen und zog sie an sich. Kalte, leere Augen sahen zu ihm auf, eine einzelne Träne rann aus ihren Augenwinkeln. Blut strömte aus ihrer Wunde wie ein kleiner Bach auf den Boden. Zitternd sah Dragos auf sie hinab, konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Tränen rollten aus seinem Augen und sein Innerstes, was vor wenigen Augenblicken noch vor Freude gejubelt hatte, war nun stumpf und leer. Sie war tot, gestorben um ihn vor den Wachen seiner Mutter zu schützen. Schluchzend zog er sie an sich ran und zitterte, als stünde er unter Strom. Sein Herz war gebrochen und seine Welt zerstört. Seine Liebe war tot, das Einzige, was ihm neben Piräus halt gewährt hatte, war für immer von ihm gegangen. Je länger er auf den leblosen, kalten Körper hinab sah, desto mehr wandelte sich der Schock und die Trauer in unablässige Wut. Er schrie, schrie vor Wut, schrie vor Trauer, schrie vor Schmerz. All die Angst, Sorge, all seine Wut und Zorn seines Lebens sammelte sich in diesem einen letzten Schrei, der den Namen seiner großen Liebe annahm. Schweißgebadet fuhr Dragos aus dem Schlaf. Sein Körper war völlig durchnässt und die dünne Decke klebte an seinen Oberkörper. Geistesabwesend fuhr er sich durch sein schwarzes Haar um die Strähnen im Gesicht loszuwerden. „Uuuuh...“ Erschöpft legte er das Hand ins Gesicht und schloss die Augen. Sein muskulöser Körper hob und senkte sich schnell. Wie real die Bilder gewesen waren. Er hatte sie verdrängt- sie waren so lange her, doch nun brannte der Schmerz wieder in seinem Herzen. All die Jahre hatte er ihn begraben, die Bilder versteckt, damit er sich auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Wann war der Zeitpunkt gekommen an dem er sich, obwohl er das Richtige tat, so gebrochen fühlte? Dieser Abend nach diesem wundervollen Tag, hatte alles zerstört. Die Wächter hatten ihn zurück zu seiner Mutter geschleift, den Körper hatten sie respektlos irgendwo verscharrt. Dragos wusste noch nicht einmal mehr wo. An diesem Abend hatte er beschlossen sich mit Oranum zu verbünden. Es hatte sich alles geändert. Seitdem hatte sich seine Wut in Hass verwandelt. Er hatte geschrien, gestrampelt und gekämpft, wollte bei ihr bleiben, sie nicht im Regen lassen, doch die Wachen waren stärker gewesen und hatten ihn zu seiner tobenden Mutter gebracht. Vorsichtig rutschte Dragos an den Rand seines großen Bettes und starrte auf den Boden. Noch immer hörte er ihr sanftes Flüstern, ihr Liebesgeständnis und es brach ihm das Herz. Schnell vergrub er den Kopf in den Händen und eine einzige, einzelne Träne fiel auf den kalten Stein zu seinen Füßen. War das, was er hier tat wirklich noch das, was er Salia versprochen hatte? Die Erinnerungen ließen ihn Zweifeln. Sein Traum war rein und ehrlich gewesen, doch die Mitteln zu denen er nun Griff waren das genau Gegenteil. Gab es noch ein zurück? Wäre Salia stolz auf ihn? Langsam stand der Herr der Finsternis auf und sah auf sein Schlachtfeld des Todes. Alles war schwarz, vernichtet, zerstört und er herrschte über dieses Reich. Aber war es das wert? Diese plötzlich wieder aufkommenden Fragen schmerzten in seiner Seele. Nein, das war es nicht... Dragos sah sich selbst im Fenster an- sah in seine schwefelgelben Augen. Ein Blitz schien seine Seele plötzlich zu durchzucken und ein flammender Schmerz durchfuhr ihn wie ein Schwert. Stöhnend sank Dragos zusammen, klammerte sich an den Fenstersims. Der Schmerz würde immer stärker und er hatte das Gefühl sich gleich übergeben zu müssen. All die Bilder zuckten in verkehrter Reihenfolge an ihm vorbei. Er wollte wieder schreien, dieses Feuer irgendwie kompensieren, doch nur ein Krächzen drang aus seiner trockenen Kehle. „Es ist richtig so, Dragos. Unser Weg ist der Richtige.“, hallte eine Stimme durch sein Innerstes- lockte ihn, streichelte seine verletzte Seele. „Nein...nein, das ist er nicht.“, keuchte er, die Schmerzen des inneren Kampfes kaum noch ertragend. „Salia hätte das nicht...“ „Salia ist tot.“, fuhr ihm Oranum harsch ins Wort und drängte seine Seele nieder. Dragos Seele schrie, und kämpfte. Er wollte nicht mehr im Dunklen verschwinden, gefangen in der Trauer des Verlustes, indem Oranum ihn ließ, doch der Druck, der gegen seinen Geist war schier unerträglich. Er wimmerte, flehte Oranum an, ihn nicht noch einmal zu zerbrechen, doch das Säuseln in seinem Ohr hörte nicht auf. „Dragos...du tust all das für Salia. Die Menschen werden uns feiern...“ „Nein...nein...werden sie nicht. Lass mich gehen, Oranum, ich kann das nicht...“ Sein Körper sank an der Balustrade hinab und krümmte sich von den Schmerzen, den der ehemalige Herrscher ihm bereitete. Zu dem Brennen seines Körpers kam nun das Pochen in seinem Kopf, welches jeglichen geistigen Widerstand seinerseits unterband. „Es wird deine Rache sein, Dragos. Du hast sie doch geliebt, oder?“ „Ja...das habe ich.“, flüsterte er. Dragos sah an die Decke und sah das durchsichtige Bild von Salia, wie sie auf ihn herablächelte. Für kurze Zeit verschwand das Bedrängen seitens Oranum und Dragos genoss den Moment in dem er sich im Auge des Taifuns befand. Diese Kampf trugen sie nicht zum ersten Mal aus. „Dann wird das deine Rache sein. Deine Mutter, dieses arrogante Miststück, hat sie umgebracht.“ Das Bild von dem toten Körper flammte vor Dragos Augen auf und brachte mit einem Ruck die seelischen Wunden zurück, die schlimmer waren, als alles, was Oranum ihn hätte antun können. Wieder krümmte sich Dragos und wimmerte. „Sie es dir an!“, schrie die Stimme voller Wut in seinem Kopf. „Soll ihr Opfer umsonst gewesen sein?“ „Nein...nein...nein...nein...“, murmelte Dragos immer wieder völlig apathisch, während er seinen Körper vor uns zurück schaukelte. Sein geistiger Widerstand brach in diesem Moment und ein letzter flammender Hieb zerstörte all das, was Dragos durch diesen Traum wieder gewonnen hatte. Als der Herr der Finsternis sich wieder aufrichtete und in das matte Glas des Fenster sah, blickten glühend rote Augen voller Zufriedenheit zurück. „Niemand nimmt mir meine Marionette...“, sagte Oranum noch, bevor er sich dann in die Seele zurückzog. Niemand sollte sein Versteck entdecken. Bloß Dragos Hass blieb zurück und machte wieder zu dem, was er all die letzten Jahre gewesen war. Der Herr des Todes war in voller Stärke zurückgekehrt, doch ein dumpfer Nachhall blieb. Sichtlich davon überrumpelt beschloss die dunkle Seite des Wesens frische Luft zu schnappen und schritt aus dem Zimmer. „Meister Dragos...ist alles in Ordnung?“, flüsterte eine sanfte Stimme, die ihn aber zusammenfuhren ließ, als er aus der Tür schritt. Sie klang so vertraut. Müde blickte er in den langen, kargen Steingang, welcher nur vom flackernden Licht von Fackeln notdürftig erleuchtet wurden. In ein schlichtes, weißes Nachthemd gekleidet stand Iria vor dem Nachbarzimmer. Ihr langes, welliges Haar floss wie ein Bach aus Gold um ihre Schultern und ihre klaren azurblauen Augen betrachteten Dragos ehrlich besorgt. Dieser fuhr sich durch sein verwuschelten Haar und sah sich an. Ihre schlanke Figur, ihre reine, weiße Haut, die feine Nase und die vollen, blutroten Lippen. „Natürlich ist alles in Ordnung. Wer hat dir überhaupt erlaubt hier zu sein?“, fuhr er sie an- seine roten Augen glühend vor Zorn. Dieses seltsame Gefühl in ihm machte ihn unsicher und eben jenes Gefühl der Schwäche ließ ihn wütend werden. „Sie sagten doch, dass ich bleiben solle.“ Irias Stimme hatte einen melodischen Klang wie perfekt um ihr Opfer zu verführen und auch bei Dragos war sie nicht gänzlich ohne Wirkung. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre perfekten Lippen, während sie lautlos auf ihn zu glitt, wobei das Nachthemd ihren Körper genau richtig betonte. Da fiel es Dragos wieder ein. Nach dem Kriegsrat hatte er die Lamienkönigin rufen lassen und ihr angeboten fürs erste in seinem Schloss zu leben. Iria blieb vor ihm stehen und strich mit ihren sanften Fingern eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, während die andere Hand über seine nackte Brust streichelte. „Sie wollten mich doch persönlich sprechen.“ Ein aufrührerisches Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn kurz küsste. „Ich dachte, ich hätte seltsame Geräusche aus Ihrem Gemach gehört und wollte nachsehen. Sie sehen erschöpft aus. Ich könnte dabei eventuell helfen.“ Langsam ging sie um ihn herum und begann seine breiten Schultern zu massieren. „So?“, fragte Dragos nun auch mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. „Man sagte mir, ich seie ziemlich gut darin.“ Iria legte ihre Hand an seine Wange und drehte sanft sein Gesicht zu sich herum. Erneut küsste sie ihn leidenschaftlich, zog den Kopf des Fürsten näher zu sich heran. Dragos wurde kurz schwindelig von dem Kuss. Er wusste, dass Iria seine Verwirrung nutzte um ihre Lebensenergie wieder aufzufrischen, aber sie würde es nicht wagen ihn komplett auszusaugen. Schließlich gewährte er ihrem Volk Schutz. Warum also sollte er nicht auch etwas Spaß haben? „Nun...das offensichtlich.“, sprach seine bereits raue Stimme. Das Spiel, was sie gespielten, gefiel ihm. „Kommen Sie mit.“, flüsterte die Königin verrucht. Sie nahm seine Hände und zog ihn mit sich in ihre Gemach- eines der gemütlicheren dieses Schlosses. Dragos folgte ihr willig und voller Vorfreude. Iria war wunderschön und Dragos musste zugeben, dass sie es ihm angetan hatte, dass ihre Art ihm gefiel. Seine Hand strich über ihre Hüften, während sie mit ihrem Po die Tür schloss und mit zum Bett zog. Es würde eine lange Nacht werden. Den Jungen, der in seiner Seele vor Schmerzen schrie, hörte er längst nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)