Mythna II von Jeanne-Kamikaze- (Das Erbeben der Dimensionen) ================================================================================ Kapitel 2: Schmerzliche Gewissheit ---------------------------------- 2. Kapitel: Melanie Verzweifelte Erkenntnis Ein lautes Grollen ließ die Erde das Heiligtum des Donners erzittern. Gleißende Blitze erhellten in Sekundentakt den Himmel und ließen den Wald der Donnerebene in einem gespenstischen Licht erscheinen. Die einzelnen Bäume wirkten wie dürre Leiche, welche in dem Sturm ächzten und wehklagten. Eiskalte Regentropfen, so groß wie ein Vogelei, prasselten unablässig auf den bereits schlammigen Boden und der starke Wind trieb sie auch noch in den besten Unterschlupf. So war auch Melanie in ihrem Versteck dem tobenden Sturm hilflos ausgeliefert. Bibbernd schlang sie ihren Mantel noch fester um ihren Körper, doch es half nichts gegen die eisige Kälte. Ihre Klamotten waren bereits vollkommen durchnässt und klebten an ihren schlanken Körper, welcher von Gänsehaut übersät war. Melanie presste sich soweit es ihr möglich unter einen Felsvorsprung, welcher über eine kleine Senke ragte. Noch immer hämmerte ihr Herz wie wild gegen die Brust und die Shurana jappste nach Luft. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen den Felsen. Verzweifelt kniff Melanie die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen, doch der schnell prasselnde Regen und der tiefschwarze Himmel machten es ihr gänzlich unmöglich mehr als Schatten auszumachen. Zwar sorgten die Blitze für genug Licht, doch sie blendeten das Mädchen, sodass auch sie keine Hilfe waren. Kurz schloss Melanie die Augen. Noch immer erschien ihr das, was in der letzte Stunde passiert war, unbegreiflich. Sie war so eine Idiotin gewesen. Ihre Sehnsucht hatte ihren Verstand vernebelt und in eine Falle laufen lassen. Nun war sie auf der Flucht vor ihrem Verfolger und lauschte verzweifelt in die aufkeimende Nacht. Doch das Trommeln der Wassertropfen war so laut, dass alle anderen Geräusche übertönt wurden. Angestrengt versuchte Melanie ihre Atmung zu kontrollieren. Wie hatte sie nur glauben können, dass dieses Wesen wirklich Axel gewesen war? Wie hatte sie nur so blöd sein können? Wütend schlug die Shurana auf den schlammigen Boden und musste sich sehr beherrschen um nicht laut zu zischen. Ihr Körper zitterte- nicht nur vor Kälte, sondern auch aus unterdrücktem Zorn. Der Wunsch in ihrer Brust ihren Geliebten endlich wieder zu sehen war einfach zu groß gewesen. Stumm liefen Tränen ihrer Wangen hinunter. Sie wünschte es sich doch so sehr. Noch nicht einmal so eine offensichtliche Falle hatte sie als Shurana durchschaut. Schöne Bescherung... Wie sollte sie dann Axel aus Dragos Festung retten? Eine scharfe Windböe ließ Melanie erneut erzittern und hastig rieb sie sich über ihre Arme, welche bereits ganz taub geworden waren. In eben jenen Moment, wo Melanie auf den harten Waldboden aufgeschlagen war, da wurde ihr bewusst, dass das hier keine Realität war, sondern bloß eine Einbildung ihres Herzens- ausgenutzt von irgendeinem Wesen. Wie hätte Axel denn auch aus der Gefangenschaft von Dragos fliehen können und sich auf eine Ebene vorkämpfen können, die in der Luft schwebte? Dieses Szenario war völlig unmöglich und doch hatte Melanie es geglaubt. Ihr Geist war noch von dem Streit mit Canzor und den Strapazen der letzten Monate so durcheinander gewesen, dass sie nicht mehr rational hatte denken können. Doch in dem Moment, wo sie die Zunge des Wesens an ihrem Hals spürte, war es der Shurana wie Schuppen von den Augen gefallen, dass sie blindlings in eine Falle getappt war. Melanie blickte zum schwarzen Himmel hinauf. Ein Schwarm Donnerkrähen flatterte krächzend aus dem Wald heraus und über Melanie hinweg. Diese fuhr erschrocken zusammen und ihr Herz schien für einige Momente auszusetzen, doch als sie erkannte, dass es sich dabei nur um Vögel handelte, atmete sie erleichtert auf. Ihre Nerven lagen definitiv blank. Das schwarzhaarige Mädchen wusste nicht, ob das Wesen, was sich als Axel ausgab, sie verfolgte, nachdem sie ihm ihr Bein in den Schritt gerannt und davon gerannt war. Die ersten Minuten ihrer Flucht hatte er es noch getan, doch seitdem sie hier unter diesem Felsen hockte, hatte sie nichts Verdächtiges mehr wahrgenommen. Aber genau das beunruhigte Melanie auch. Wenn sich jemand schon so eine raffinierte Falle ausdachte, dann würde er doch nicht so einfach aufgeben, oder? Melanie biss sich auf die Unterlippe und begann unkontrolliert zu zittern. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so war es ihr doch klar: Sie hatte große Angst. Momentan wünschte sie sich nichts so sehr, wie das Brüllen von Canzor am Himmel zu hören, der ihr zur Rettung eilte. Den scharfen Wind zu spüren, den seine Flügel entfachten und die feurig glühende Schuppen zu sehen. Doch der Drache würde sie nicht retten kommen, wie er sonst immer getan hatte. Schließlich war sie wutentbrannt davon gestapft und hatte ihn stehen lassen. Wie sollte er also wissen, dass Melanie nun seine Hilfe brauchte? Sie war schließlich selbst schuld. Mittlerweile hatte auch die Shurana eingesehen wie kindisch und störrisch sie sich verhalten hatte, doch ließ es sich nicht mehr rückgängig machen auch wenn sie es sich sehr wünschte. Bei den Gedanken an den Elementdrachen wurde ihr Herz ungewohnt schwer- fast so, als würde es sich verkrampfen- und salzige Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr tat es leid Canzor so angefahren zu haben. Der Regen begann allmählich nachzulassen und die dichte Wolkendecke lichtete sich. Ein schwacher Lichtschein durchdrang nun den dunklen Himmel und ließ die grobe Konturen einer Gestalt erkennen. Melanie blinzelte als sie bemerkte, dass der Sturm vorüber zog und schirmte ihre Augen mit einer Hand ab. Allerdings ließ sich nicht sagen, was genau das war, dem selbst das fahle Licht der langsam aufgehenden Morgensonne war so stark im Vergleich zu der vorherigen Finsternis, dass es die Shurana blendete. Angestrengt starrte Melanie das Wesen vor ihr an. Das Mädchen wusste nicht, ob sie bereits entdeckt worden war oder die Gestalt nur zufällig da stand. Allerdings bewegte es sich nicht. Sie konnte es echt nicht sagen, was das zu bedeuten hatte. Melanie beschlich ein ungutes Gefühl und ein Schauer jagte ihren Rücken hinab. Es sah sie an, oder? Ja, ziemlich sicher, es starrte sie an. Sie schluckte und presste sich so leise wie möglich an die Felswand hinter ihr. Ihr Herz begann zu rasen und Adrenalin schoss durch ihre Blutbahnen. Angst griff wie eine kalte Hand nach ihren Eingeweiden und presste sie zusammen. Dann brach ein Loch in die Wolkendecke und das Licht von Starfire schien direkt auf die Gestalt vor ihr. Das Blut gefror in Melanies Adern, als sie erkannte was da vor ihr stand. Erschrocken schnappte sie nach Luft, da ihr der Atem wegzubleiben drohte. Nur gut drei Meter von ihrem Versteck entfernt stand Axel und blickte sie an. Sein Haar war dunkelbraun vom Regen und hing bis zu seinen Schultern hinab. Auch sein schwarzer Mantel war klitschnass und spannte sich um seinen muskulösen Oberkörper. Mit traurig, verletztem Blick sah er auf das zusammengekauerte Mädchen hinab, doch ansonsten regte er sich nicht. Er stand einfach da und durchdrang sie mit diesem herzzerreißenden Blick in seinen smaragdgrünen Augen. Auch Melanie war nicht in der Lage sich zu regen. Sein Blick nahm sie gefangen und ließ einen brennenden Schmerz von Schuldgefühlen in ihr auflodern. Ihr Herz schlug schnell und unregelmäßig, doch nicht vor Angst, sondern vor Sehnsucht. Der Zauber der Illusion ergriff wieder von ihrem Verstand Besitz und auch wenn Melanie wusste, dass es nur ein schöner Schein war, dem sie sich dort hingab, so konnte sie sich nicht dagegen wehren. Der Gedanke sich in ihrer Wunschvorstellung zu verlieren war für das verzweifelte, überforderte Mädchen durchaus verlockend. Warum sollte sie sich nicht in diese Lüge fliehen, wenn sie doch dort viel glücklicher war? Wenn sie dort all ihre Sorgen und Ängste vergessen konnte? Der Mensch war nun mal ein egoistisches Wesen und für Melanie selbst war es so wesentlich einfacher und vor allem erträglicher. Ihr mentaler Widerstand schwand mit jeder Sekunde indem Melanie in die traurigen Augen von Axel sah. Langsam erhob sich die junge Frau aus ihrem Versteck und schritt über den schlammigen Untergrund auf den zweiten Shurana zu. Vorsichtig, beinahe tranceähnlich, ging sie auf den Jungem mit den feuerroten Haaren zu- ohne den Blickkontakt abzubrechen. Auch Axel regte sich langsam. Sein Kopf hob sich und er streckte seine Hand nach Melanie aus, während sich ein zufriedenes Lächeln auf seine vollen Lippen legte. Mit diesem schönen, sanften Lächeln verlor sich auch der letzte Rest von Melanies Widerstand gegen die Illusion. Obwohl ihr Unterbewusstsein sich im Klaren war, dass das nicht die Realität war, so war ihr Bewusstsein wunderbar ruhig. All ihre Sorgen und Zukunftsängste waren wie vom Regen weggewaschen. Plötzlich fühlte sie sich wunderbar leicht und schwerelos an, beinahe als würde sie schweben. Schließlich war sie hier mit ihrem Geliebten und das war alles was zählte. Oder etwa nich? Kurz blinzelte Melanie verwirrt und blieb stehen. Die Anziehungskraft Axels schwand für einen kurzen Augenblick. Melanie zögerte und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Irgendetwas hatte sie doch vergessen...nur was? Nachdenklich senkte sie die Augenbrauen und verzog den Mund. Angestrengt versuchte Melanie ihre trägen Gedanken wieder anzukurbeln und herauszubekommen, woran sie noch denken sollte. Rot...diese Farbe glühte vor ihrem inneren Auge auf, als wäre es ein Hinweis darauf, was sie vergessen hatte. Angestrengt dachte sie weiter nach und das Rot in ihren Gedanken entwand sich und nahm allmählich Formen an. Aus dem blutroten Fluss formten sich große Hornschuppen. All das half Melanie allerdings auch nicht weiter auch wenn sie das Gefühl nicht loswurde, dass es da noch Jemanden gab, der auf sie wartete, den sie nicht im Stich lassen durfte. Ein lautes Brüllen schien ihre Seele zu erschüttern- fast so als wolle es sie aufwecken, doch ihre Erinnerungen schliefen weiter. Ein beklemmendes Gefühl ergriff Melanie und ließ sie innehalten. Dieses Wesen mit den roten Schuppen...wer war das? Bedeutete er ihr so viel, dass sie dafür ihre Glückseligkeit aufgeben würde? Der Shurana bekam darauf keine Antwort. Sie wusste nicht, wer aud sie warten würde und doch schmeckte sie den bitteren Beigeschmack von Galle in ihrem Mund. Axel war die plötzliche Regung in Melanies Geist natürlich nicht entgangen. Er trat auf sie zu, stand nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Eine sanfte Brise, ein Nachzügler des Sturmes, ließ Axels Haar leicht im Wind wehen. Ein zärtlicher Ausdruck legte sich auf sein schönes Gesicht, während er seine Hand an ihre Wange legte. Melanie sah auf und blinzelte fragend. „Melanie...“, flüsterte Axel und seine Stimme kam einer sanfter Frühlingsbriese gleich. „Was ist los? Ich dachte wir wollten für immer zusammen sein.“ Vorsichtig, fragend strich er über ihre Wange und sah sie flehend an. Das schwarzhaarige Mädchen schloss die Augen und seufzte sehnsüchtig. Ihr Bewusstsein wollte nichts lieber als sich diesen Verlangen bei Axel zu sein, nachzugeben, doch ihr Unterbewusstsein kämpfte noch immer verbissen dagegen an. „Natürlich möchte ich das, Axel...“, flüsterte Melanie ebenfalls. Axel strahlte glücklich und zog sie an sich heran. Die Shurana wurde rot, als sie den muskulösen Oberkörper an ihrer Haut spürte und die Hitze, die sein Körper abstrahlte. Die angenehme Körperwärme nahm Melanie gefangen und dennoch fühlte sich das Mädchen sicher. Hier gehörte sie hin, daran bestand für Melanie kein Zweifel mehr. In diesen Armen war ihr Platz und Niemand könnte sie von Axels Seite reißen. Axel lächelte und umarmte sie zärtlich. Sanft streichelte der rothaarige Junge über ihren Rücken. Melanie seufzte zufrieden. Sie war wunschlos glücklich. Der Junge strich unter ihr Kinn. Sie erschauderte, als sie seine sanfte Hand unter ihrem Kinn spürte. Zärtlich hob ihre große Liebe ihren Kopf an und küsste sie. In Melanies Bauch schien ein Schwarm Schmetterlinge umherzuflattern und alles begann in ihrem Körper zu kribbeln. Die Welt um sie herum verschwamm. Raum und Zeit schienen nicht mehr zu existieren oder zumindest still zu stehen. Nur noch Axels weiche Lippen auf den ihren waren für Melanie noch von Relevanz. Ihr Herz klopfte rasend schnell gegen ihre Brust, wohlige Wärme breitete sich in ihrem vor Kälte halb tauben Körper aus und ihr Gefühl in den Armen kehrte langsam wieder. Das Kribbeln in ihrem Körper wurde mit jedem Moment des Kusses intensiver. Axel... Endlich war er wieder da, endlich war er wieder bei ihr. Nun würde alles gut werden. Zusammen würden sie das schon schaffen. Melanie runzelte die Stirn und löste sich ein wenig aus dem langen Kuss. Was? Was würden sie zusammen schaffen? Von was hatte sie da gerade gedacht? So sehr Melanie auch darüber nachdachte, ihr wollte es partout nicht einfallen. Ihre „normalen“ Gedanken liefen schnell und flüssig wie ein Gebirgsbach, doch sobald Melanie versuchte den flüchtigen Gedanken zu erfassen so wurden sie zäh und dickflüssig wie ein Sumpf. Als hätte ihr Bewusstsein eine mentale Mauer darum gebaut. Nach einigen Augenblicken jedoch gab die Shurana es auf, sie durchbrechen zu wollen. Dafür war der Moment viel zu schön. Axel öffnete die Augen, als er bemerkte, dass Melanie sich löste und trat einen Schritt zurück. Fragend hob er seine schlanken Augenbrauen. In seinen grünen Augen schimmerte Verwunderung und vorsichtig legte er seine Hände an ihre Schulter, als wolle er sie festhalten und verhindern, dass sie floh. Aber warum sollte sie das tun? Allmählich schlich sich das unangenehme Gefühl wieder an, was sie doch eben erst erfolgreich verdrängt hatte. Der rothaarige Junge öffnete Mund, wollte etwas sagen, doch sollte er nicht mehr dazu kommen. Eben in jenem Moment ertönten laute Flügelschläge über ihren Köpfen. Die umher stehenden Bäume erzitterten auf Grund des entfachten Luftzuges. Melanie sah überrascht drein und warf den Kopf in den Nacken. Doch konnte sie nichts weiter als die Konturen der Gestalt über ihnen ausmachen, denn sie stand genau vor der mittlerweile kräftigen Starfire, sodass nicht mehr erkennbar war als dunkle Umrisse. Melanie schirmte instinktiv ihre Augen ab und musste stark blinzeln, doch noch immer konnte sie nicht mehr Details ausmachen. Mit ruhigen Flügelschlägen hielt sich die große Gestalt in der Luft. Melanie war durchaus beeindruckt von ihrer erhabenen Ausstrahlung- wenn gleich sie nicht wusste, ob sie gut oder böse war. Axel hingegen zischte zornig. Offensichtlich hatte er die Gestalt erkannt. Vielleicht war sie eine von Dragos Gefährten, der ihn verfolgte? Melanie wandte sich zu ihrem Freund um, um zu sehen was für einen Blick er hatte, doch dann verlief alles viel zu schnell. Ihr Gefährte sprang mit einem kräftigen Satz wie ein Raubtier auf seine Beute zu und packte sie grob an den Schulter. Melanie schrie entsetzt auf, taumelte rückwärts von der Wucht und wäre beinahe hingefallen, wenn Axel sie nicht so krampfhaft festgehalten hätte. Der zweite Shurana zog sie herum, wollte gerade mit ihr losrennen, doch Melanie wehrte sich. Sie wollte nicht fliehen. Etwas stimmte hier nicht und sie wollte erst herausfinden, was es war. Aber der Neuankömmling ließ Axel gar nicht erst mit Melanie entkommen. Ein Zischen durchschnitt die Luft. Axel warf einen Blick zurück, weitete entsetzt die Augen, doch für ihn gab es kein Entkommen mehr. Ein goldener Pfeil mit weißem Federschaft durchbohrte ihn genau durch die Brust. Mitten in einer letzten, verzweifelten Fluchtbewegung erstarrte der Junge und röchelte. Ein Schwall Blut ergoss sich aus seinem Mund, doch es war nicht rot, sondern silbrig schimmernd und vor allem dickflüssiger. Melanie schrie erneut und wich entsetzt zurück. Der Pfeil hatte sie nur um Haaresbreite verfehlt. Ihr Körper zitterte unkontrolliert, als sie mit ansehen musste, wie ihre große Liebe vor ihren Füßen zusammenbrach. Der schwarze Umhang begann sich aufzublähen und Blasen zu werfen. Ungläubig, fassungslos schüttelte das Mädchen den Kopf und wich immer weiter zurück, bis sie schließlich über eine Wurzel stolperte und zu Boden fiel. Ihre Gedanken waren vor Schock wie gelähmt, sie konnte nicht realisieren, was vor ihr geschah. „A...Axel!!!“, rief sie entsetzt nach ihrem Freund. Der Körper ihres Geliebten wand sich qualvoll aus den Boden, als würde er innerlich verbrennen. Sein Blick zitterte, als er sie mit flehenden, tiefen Blick ansah und die Hand hoffnungsvoll nach ihr ausstreckte. Sie musste ihm helfen! Irgendwie! Doch wie? Melanie wimmerte. Blankes Entsetzen hatte sie gepackt und so zur Hilflosigkeit verdammt. Tränen schimmerten durch das sanfte Sonnenlicht in ihren Augen. Die Wunde in Axels Brustkorb begann sich zu weiten und begann ein Loch zu bilden, so groß wie eine menschliche Faust. Ein markerschütternder Schrei entfuhr dem Shurana, während er, einem Anfall nahe, den Kopf in den Nacken warf und sein Schrei verging sich in einem irren Lachen. Seine tiefen, seelenvollen Augen traten aus ihren Höhlen und wurden immer stumpfer. Sein Körper bebte. Der Todesschrei ihrer großen Liebe schlug in Melanie ein wie ein Blitz und ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Mit jedem Augenblick wurde das Loch in seiner Brust größer und mit einem letzten, qualvollen Stöhnen, löste Axel sich in Luft auf. Er war fort. Nichts blieb von ihm, fast als hätte er nie wirklich existiert. Für die Shurana zerbrach die Welt. Die Person, die ihr immer Kraft gespendet hatte, egal wie schlecht es ihr ging, war nun fort- für immer. Melanie saß wie versteinert auf dem Boden und starrte auf die silbrige Pfütze, die als einziges von Axel geblieben war. Das durfte nicht wahr sein. Es konnte nicht...! Nein, Axel durfte nicht tot sein! Ihr Herzschlag setzte einige Sekunden lang aus. Auf einmal...erschien er die ganze Welt grau. Sämtliche Farben schienen aus dem Raishi Gebiet zu verschwinden und alles war sinnlos geworden. Ihr Geliebter lebte nun nicht mehr und auf einmal war auch sämtlicher Lebenswillen aus ihrem Körper gewichen. Was hatte das Leben denn noch für einen Sinn, wenn das entschwunden war, was dieser gewaltigen Aufgabe doch noch eine Überwindbarkeit verlieh? Melanie wusste es nicht und so erschien es ihr am besten, wenn sie nun einfach einschlafen und nie mehr Erwachen würde. Mit Axel Tod wurde die sonst so friedlich, harmonische Welt von Mythna, die so rein war blutbefleckt und düster. Alles war verschluckt von einem matten Schwarz und ein Loch zerriss ihre Ansicht von dem Planeten, verschlang sie und gab sie nicht mehr frei. Die warme Morgensonne kam der Shurana merkwürdig fehl am Platz vor. Da wäre ihr momentan der Sturm von vor einer Stunde doch wesentlich lieber, denn das strahlendschöne Wetter ließ in ihr die Galle hochkommen. Es kam ihr so böswillig ironisch vor. So, als würde die Starfire das extra machen, nur um ihre seelische Qualen weiter zu vergrößern. Bilder von glücklichen Zeiten mit Axel, all die schönen Erlebnisse sprudelten aus Melanies Unterbewusstsein hervor, überrollten sie wie eine gigantische Flutwelle und zogen sie weg. Ließen sie in ihrer Trauer versinken. Der Mörder ihres Freundes glitt elegant nach unten und setzte neben ihr auf. Wütend funkelten Melanies hellgrüne Augen auf und sie fuhr herum. Als sie jedoch erkannte, wer da neben ihr gelandet war, weitete sie überrascht die Augen. Es handelte sich um Parsath, den Himmelspaladin. Daran bestand kein Zweifel. Rappen waren unter den Zentaur relativ selten- die meisten von ihnen waren Füchse mit heller Mähne, doch einen komplett schwarzen Zentaur gab es so gut wie kaum. Was allerdings den Zentaur als Parsath identifizierte waren die schneeweißen Schwingen, die aus seinen muskulösen Schultern wuchsen. Aber warum sollte der Paladin Axel töten? Seine Flügel hatte er schließlich von den Ursprungsgöttinen bekommen verliehen bekommen, da er sich in dem Krieg gegen Oranum profiliert und als überragender Streiter für die Sache des Lichts bewährt hatte. Warum sollte eben dieser einen Shurana töten? Schließlich waren sie die Einzigen, die verhindern konnten, dass sich die Tragödie von damals wiederholte. Verwirrt legte das schwarzhaarige Mädchen ihre Stirn in Falten und strich sich eine Strähne hinter die Ohren. Ihr Blick schweifte von Parsath zu der silbrigen Pfütze, die als einzige von Axel geblieben war. Das alles ergab doch keinen Sinn... „Du weißt es doch schon längst, oder Melanie? Dass das hier nur eine Lüge war.“, sagte Parsath ruhig und verschränkte seine Arme locker vor der Brust. Seine samtige, ruhige Stimme umwehte sie wie ein zärtlicher Wind und ließ Melanie endlich erwachen. Sie war so rein und klar, dass sie alle Zweifel von Melanie davon wehte. Man konnte ihr einfach nur glauben. Es war für sie, als würde sie aus einem tiefen Schlaf erwachen. Endlich sah Melanie wieder klar und die vorher verschlossenen Erinnerungen kehrten zurück. Es war, als wäre sie in einer Blase tief unter dem Meer gefangen gewesen und nun tauchte sie endlich wieder an die langersehnte Oberfläche auf. Und dennoch, ließ ihr das Geschehene keine Ruhe. Melanie fühlte sich schrecklich, denn sie hatte sich wieder von ihrer Sehnsucht verleiten lassen, dabei war sie doch die Auserwählte und hätte vernünftiger seien müssen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Axel wirklich entkommen sein könnte? Äußerst gering. Canzor würde so sauer auf sie sein. Wie oft hatte er sie vor so etwas gewarnt? Zich mal und doch...hatte sie sich herein legen lassen. Traurig schloss die Shurana die Augen und wandte sich dann wieder dem Zentaur zu. Dessen schwarzes Haar umspielte friedlich dessen Schultern und die weißen Schwingen zogen sich zurück. So schwer es Melanie auch fiel es sich einzugestehen, so hatte Parsath recht. Ein wenig zögerlich nickte die junge Frau. „Ja...tief in mir schon...“ Während Melanie diese Worte flüsterte, legte sie ihre Hände vor die Brust und schloss die Augen. Ein zarter Wind strich durch Melanies rabenschwarzes Haar und ließ es tanzen. Diese Böe war so sanft, dass sie dem Mädchen vorkam wie eine fürsorgliche Mutter, die versuchte ihr Kind zu trösten, doch es half nichts. Melanie kam sich so dumm vor. Kleine Zweige zerbrachen, als der Himmelspaladin langsam auf sie zu schritt. Seine hellblauen Augen sahen sie ruhig und unverwandt an. Sie besaßen eine unglaubliche Tiefe, in der man sich leicht verlor. Wie viel mochten diese Augen wohl schon gesehen haben? „Was war das?“, fragte sie ihren Retter. Dieser schloss kurz die Augen und seufzte schwer. „Ein Kitsune.“ War die knappe Erklärung. Kitsune waren Fuchsgeister, welche entweder in Mooren oder dichten Wälder lebten. Die Anzahl ihrer Schwänze nahm mit zunehmendem Alter zu- maximal konnten es bis zu neun Stück werde. Je mehr Schwäze ein Kitsune besaß, desto machtvoller wurde ihre Magie. Mit Hilfe ihres Fuchsfeuers umhüllten sie den Verstand ihres Gefangenen und manipulierten dessen Verstand. Sie waren Meister der Illusionen. Häufig nutzten Kitsune diese allerdings nur um Reisende kleinen Streiche zu spielen, waren aber meist friedfertig und scheu. „Ein Kitsune? Das ist ungewöhnlich.“, murmelte die Shurana nachdenklich und sah zum Himmel hinauf. Die Spuren des Sturms hatte der Wind mit sich fortgezogen. Nur vereinzelte Schäfchenwolken trieben gemächlich über den blauen Himmel hinweg. „Es geschehen viele merkwürdige Dinge auf diesem Planeten.“, erwidert der Parsath mit merkwürdig monotoner, abwesender Stimme und folgte ihrem Blick. Seine intelligenten Augen betrachteten den Fluss der Wolken und verloren sich in den Weiten des Horizonts. Melanie nickte nur und obwohl Parsath dies nicht sehen konnte, wusste Melanie, dass er spürte, dass sie ihm zustimmte. Lange betrachtete sie den Himmel. Ein Gefühl der Leere hatte sich über ihren Geist gelegt. Sie dachte nicht nach, sah einfach nur die Wolken. Alles schien plötzlich weit entfernt und Melanie konnte das Vergangene mit einem gewissen Abstand reflektieren. Sie hatte viele Fehler in der Vergangenheit begangen, doch nun wollte sie sich bessern. Dieser Vorfall hatte ihr ihre eigenen Schwächen aufgezeigt. „Ich war eine verdammte Närrin...“, flüsterte die Shurana deshalb nach einiger Zeit. Das Gesagte verflog direkt, verging mit den Sommerbriesen. Parsath wandte langsam den Kopf und blickte sie mit seinen weisen Augen an, doch dann schüttelte er kurz den Kopf. „Das ist nicht wahr. Du hast dich von deiner Sehnsucht leiten lassen. Ich kann verstehen, dass du dir vom ganzen Herzen wünschst, dass dein Freund wieder bei dir ist.“ „Ich hätte es dennoch bemerken sollen.“ „Jeder möchte das sehen und an das glauben, was er sich wünscht. Davon ist Niemand befreit. Weder der imposanteste König noch der ärmste Bettler. Ein jedes Wesen würde alles tun um seinen Wunsch erfüllt zu sehen und wenn es dafür eine Lüge leben müsste.“, sprach der Himmelspaladin mit sanfter Stimme, die auch dieses Mal keinen Zweifel zuließ. Er bückte sich und hob den goldenen Pfeil auf, der den Kitsune durchbohrt hatte und steckte ihn in seinen Köcher zurück. Dankbar lächelte Melanie den Zentauren an. Es war Balsam für ihre geschundene Seele. Doch dann glitten ihre Gedanken wieder zu Canzor, der sicher von ihr enttäuscht sein würde und eine erstickende Traurigkeit legte sich wieder über sie. Doch Melanie wollte zurück. Der Streit tat ihr unglaublich leid und nun wollte sie das Gespräch mit dem Elementdrachen suchen und sich bei ihm entschuldigen. Dies hatte für sie nun oberste Priorität. „Parsath...ich habe eine Bitte an Euch.“, wandte sie sich deshalb an den Himmelspaladin. Dieser strich sich eine entflohene Haarsträhne hinter die Ohren und blickte sie fragend an. „Und welche?“ „Könntet...Ihr mich bitte zu Canzor bringen? Ihr habt doch damals gemeinsam gekämpft und kennt euch...ich...habe mich mit ihm gestritten und...möchte mich entschuldigen. Er macht sich sicher auch schon Sorgen um mich.“ Flehenden sahen die schimmernden Smaragde Parsath an. Doch dessen blick wurde seltsam leer und schien sich in der Ferne zu verlieren. Verwundert sah Melanie, wie der Gesegnete der Göttinnen sich in Erinnerungen der Vergangenheit verlor und ein trauriger Schimmer sich in seinen blauen Augen sammelte. Einige Zeit verharrte der Zentaur ohne sich zu Rühren, doch dann nickte er langsam und kehrte zurück ins Hier und Jetzt. „In Ordnung, ich bringe dich hin. Ich weiß...wo er ist.“, seine Stimme stockte immer wieder und er schluckte unauffällig. Trauer schwang in seiner Stimme mit. Ein ungutes Gefühl beschlich Melanie und ihr wurde klar, dass etwas vorgefallen sein musste, dennoch kletterte sie auf Parsaths Rücken. Der Paladin breitete seine Schwingen aus und erhob sich mitsamt Melanie in die Lüfte. Einige Zeit später sank Parsath ruhig durch die Luft in eine Schlucht hinab. Zerklüftete Felswände umrahmten Melanies Blickfeld. Steil fielen sie in die weite Tiefe hinab, als hätte einer mit einem Hammer die Felsen zerteilt. Fragend blickte das junge Mädchen sich um. Warum sollte Canzor hier sein? Sie waren gut 4 Lichtstrahlen von ihrem Lager entfernt und hier war nichts Außergewöhnliches. Bloß zerklüftete Steinwände, welche von der Zeit und Wind zerfressen worden waren. Alles ergab keinen Sinn und genau das steigerte das Unbehagen, was in Melanies Magen rumorte nur noch vergrößerte. Es klackte, als Parsath auf einen Felsvorsprung kurz über dem Boden landete. Hastig kletterte das junge Mädchen von dessen Rücken und sah sich um, doch Canzor war nicht zu entdecken. Sie sah nur Gestein vor ihr. Melanie streckte hre geistigen Fühler aus, suchte die Verbindung zu Canzors Geist, doch eine Reaktion blieb aus. Schließlich trat sie dann doch an den Rand des Vorsprunges und was sie dort sah, raubte ihr den Atem. Unter ihr befanden sich mehrere Meter hohe Felsen, die wie Nägel in die Luft ragten. Sie waren spitz und würden alles mit Leichtigkeit durchbohren, was auf ihnen landete. Genau unter den Füßen der Shurana lag der Körper des Elementdrachen- auf unzähligen Felsnägeln aufgespießt. Dunkelrotes Blut hatte ihre Spitzen verklebt. Melanie schrie entsetzt auf und kletterte ohne zu zägern die steile Felswand herab- rutschte mehr, als das sie kletterte. „Nein, Melanie! Tu das nicht!“, rief Parsath ihr noch nach, doch sie hörte ihn nicht. Er würde nicht zu ihr durchdringen. Sie wollte nur zu Canzor. Ihre Hände krallten sich in die Felswände und bluteten bereits durch die scharfen Kanten, doch sie musste da runter. Bloß Canzors Kopf war die einzige Stelle seines Körpers, der nicht durchbohrt worden war. Schlaff hing er auf einen schmalen, ebenen Bodenstreif, der das Nagelkissen wie einen Rahmen umgab. Sein Maul war zu einem letzten, qualvollen Schrei aufgerissen und seine Zunge war heraus gerollt. Melanie konnte förmlich spüren, welchen Schmerz fühlen, welchen der Drache im letzten Moment seines Lebens gespürt haben musste und es zerriss ihr das Herz. Unendlich Trauer verschluckte ihre Gemüt und sie konnte es nicht glauben. Canzor war tot. Er war wirklich tot, das spürte sie genau und es schmerzte ihr fast noch mehr als Axels Tod in dem Moment, wo sie ihn noch für echt hielt. Ihr Herz schien nun bleiern schwer und sämtliche Kraft wich aus ihren Körper. Melanie sackte auf den kalten Körper von Canzor, ihrem einzigen Verbündeten. Während ein Wasserfall aus silbrig schimmernde Tränen auf die roten Schuppen tropfte, wurde die schattenhafte Vermutung plötzlich zur grausamen Gewissheit. Sie war allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)