Rubina von Rose-de-Noire (Piraten unter sich.) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- IV Silver hat wie immer recht behalten: Dank seiner herausragenden Fähigkeiten als Navigator, seiner Erfahrung mit diesen Gewässern – nicht das meine Erfahrung kleiner wäre – und nicht zu Letzt durch die Schnelligkeit der Rubina, haben wir das Handelsschiff gestellt. Und jetzt liegen wir gerade längsseits und verstauen deren Ladung in unserem Laderaum. Unser Ruf ist uns mal wieder vorausgeeilt und der Kapitän der „Dublone“ – was hab ich gelacht als Silver mir kundtat wie das Schiff heisst – liess, sobald unsere Segel am Horizont erschienen und unsere Flagge am Mast wehte beidrehen und sich widerstandslos entern. Manchmal ist es wirklich gut, dass wir unseren Prinzipien treu sind und unsere ausgeraubten Seemannskameraden immer am Leben lassen und so wenig Blut vergiessen als möglich. Immer vorausgesetzt man gibt uns freiwillig was wir wollen. Kommt es allerdings zum Kampf, sind wir gnadenlos. Wie sind schliesslich anständige Piraten. „... drei Ballen Seide, zwei Brokat und eine Truhe voll mit Damenkleidung aus Paris...“ ich werfe einen Blick auf Silver hinunter der da laut und deutlich die Ladeliste der Dublone vorliest und Sorge dafür trägt, dass auch wirklich alles umgeladen wird, „... eine kleine Truhe Silber, vier Fässer Rum...“ unsere Mannschaft bricht in spontanen Jubel aus und Silver wirft einen fragenden, strahlenden Blick zu mir hoch; ich lächle und nicke, er erklärt: „Die bleiben an Deck, bringt sie nach achtern!“ Diesmal ist der Jubel noch lauter und es mischen sich auch einige „Hoch Kapitän Red“ und „Hoch Kapitän Silver“ darunter. Nun gut, wir werden feiern wenn wir einige Seemeilen zwischen uns und die Dublone gebracht haben. Unten an der Planke die die Schiffe verbindet, liest mein Vize weiter: „Ein Satz Silberbesteck, drei Fässer Wein, zwei Kochtöpfe und ein Sack Zwiebeln...“ Kochtöpfe, Zwiebeln? Also wirklich, nur John kann auf die Idee kommen Kochtöpfe und Zwiebeln zu rauben... Der nächste Posten lässt mich jedoch aufhorchen: „Zehn Fässchen Schiesspulver.“ Nun, wir können 's gebrauchen, aber wozu brauchte die Dublone welches? Ich springe von der Brücke und lande mit einem Überschlag neben Silver und Irina, wobei ich die letztere ansehe: „Komm mit, wir gehen mal die Bewaffnung der Dublone sichten.“ Ich hatte heute Mittag recht. Die Dublone hatte eine Feldschlange an Bord. Nun, die ist vorübergehend unbrauchbar, so ganz ohne Lunten und Schiesspulver. Eigentlich weiss ich gar nicht, weshalb ich denen die Kanone gelassen hab... Die Gewehre allerdings befinden sich nun in unserer Pulverkammer, zusammen mit dem Schwarzpulver. Wir machen gute Fahrt und ich geniesse den frischen Wind der mir um die Ohren weht und unsere Segel füllt. Und Knoten für Knoten, Seemeile für Seemeile bringen wir beinahe fliegend Abstand zwischen uns und die Dublone, die wir am frühen Morgen aufgebracht haben. Das Ruder in meinen Händen fühlt sich gut und richtig an, ebenso richtig wie der grosse, warme, starke Mann hinter mir, dessen Hände neben den meinen das Ruder lenken. Wir stehen nicht anders als sonst auch, nur ein wenig dichter beieinander, und ab und an verirrt sich eine von Silvers Händen auf meine. Ich bemerke erst das ich vor mich hin summe als John hinter mir los singt; und bald darauf singt so ziemlich jeder an Bord „Fünfzehn Mann“. Die Sonnenuntergänge gehören uns. Uns ganz alleine. Ich weiss nicht wie wir beide das seit dem Abend als ich feststellte wieder zu Hause zu sein, zustande bringen, aber es funktioniert irgendwie. Immer wenn die Sonne in der blutig leuchtenden See versinkt, sind wir zusammen und sehen ihr dabei zu. Mal in meiner Kajüte, gerade noch über Seekarten gebeugt; mal bei der Inspektion der Kanonen durch eine der Luken; mal auf der Treppe zur Brücke stehend, wenn unsere Wege sich zufällig kreuzen; mal im Aufgang der Kombüse; aber doch meistens so wie heute: John Silver hoch aufgerichtet auf der Reling stehend und ich neben ihm sitzend, an ihn gelehnt, meinen Arm um sein gesundes Bein gelegt. „Wunderschön...“ Ich blicke zu ihm auf und grinse: „Ich denke, du magst keine Sonnenuntergänge mehr, weil die untergehende Sonne doch eine Betrügerin ist und uns allein im Dunkel zurücklässt?“ John blickt mich an, zieht eine Augenbraue nach oben und streicht mir lächelnd über die Wange: „Ich mag sie wieder, denn ich bin ja nicht allein...“ Ich fürchte ich schmelze... „Brrr,“ ich schüttle mich gespielt, „John, du hörst dich an wie Casanova...“ ich nehme meinen Worten den Stachel in dem ich meinen Kopf soweit drehe, dass ich einen Kuss in die Handfläche setzen kann. Einen langen Augenblick tauschen wir nur einen dieser innigen Blicke, die zweifellos jedem der genauer hinsieht, zeigt wie es um uns steht und dann klettere ich von der Reling: „Gib den Rum aus, ich geh mich umziehen...“ Ich brauche wirklich eine kurze Pause. Und frische Kleider. Nur weil ich ein Pirat bin, muss ich noch lange nicht riechen wie einer... Das Fass abgekochtes Regenwasser, dass immer in meiner Toilettenecke steht ist zwar schon halb leer... Ich verhindere mit knapper Mühe, dass ich über die Truhe stolpere, die gleich hinter meiner Kajütentür steht und fluche einmal herzlich auf alles was da so kreucht und fleucht bei uns an Bord, aber ganz besonders auf John. Ich kenn die Truhe nämlich, obwohl die erst heute früh an Bord gekommen ist. Also, mein lieber Vize, was soll ich mit einer Truhe voller Damenkleider aus Paris? Ich mache einen Bogen um die Truhe, meine Kleidung landet in einer Ecke und ich fülle meine Waschschüssel – hm, mein Fass ist wieder voll, dazu also das eine geraubte Trinkwasserfass und eine frische Seife liegt auch da. Danke! Und als ich meine frisch gewaschenen Haare kämme sticht mich der Hafer. Ich weiss, dass Silver diese Truhe nur als einen Scherz auf meine Kosten hier rein stellen liess. Aber wenn der Herr Vize eine Dame haben will, soll er eine haben. Ich stöbere also einmal gründlich darin herum und die Ausbeute ist gar nicht so übel, passt sogar wie angegossen. Ein weitschwingender, knöchellanger, Rock aus schwarzem Seidenbrokat, mit aufgestickten roten Rosen, der passende seidene Unterrock, eine weisse Seidenbluse mit auslaufenden, gerüschten Ärmeln und ein blutrotes Schnürmieder. Mein Waffengurt, mitsamt dem Säbel, locker auf der Hüfte, meine Stiefel und mein roter Kapitänshut vervollständigen das Bild. Ich spaziere langsam über Deck, streiche hier über die Reling, da über ein Tau und bedanke mich ausführlich bei meinem Mädchen für ihre Treue und Kraft. Vom Vorderdeck her klingt ein lustiges Lied und Musik. Ich bleibe in einiger Entfernung stehen, betrachte mir meine Mannschaft, die da so ausgelassen um ein Feuerbecken versammelt feiert und irgendwann fällt mir auf, das sich mein Blick an Silver festgesaugt hat. Er lehnt stehend am Mast, seinen neuen Hut ein wenig nach hinten geschoben, sein im Feuerschein wieder hellbraun erscheinendes Haar weht sachte im Wind und in der Hand einen Becher, zweifelsohne voll mit Rum. Ich schlucke einmal leer, trete noch ein paar Schritte näher und da dreht er den Kopf, sieht genau in meine Richtung. Silvers Augen werden gross, sein Blick wandert so intensiv über meinen Körper, dass ich ihn beinahe fühlen kann. Ich weiss mein Gesichtsausdruck schwankt zwischen einem verlegenen Grinsen und einem geschmeichelten Lächeln. Ganz besonders als John sich auch noch vom Mast abstösst, vor mich hin tritt, mir einen Becher mit Rum hinstreckt und dann laut verkündet: „Ein dreifaches Hip Hip Hurra auf den besten und schönsten Käpten den die Rubina je hatte!“ Ich grinse verlegen, als kurzzeitig wieder Ruhe einkehrt, hebe meinen Becher und verkünde: „Und ein vielfaches Hurra auf die verrücktesten Höllenhunde die je über die Meere segelten, sauft bis ihr nicht mehr stehen könnt Freunde!“ Wieder grölen alle wild durcheinander und nur kurze Zeit später ist das Fest wieder in vollem Gange. Ich stehe wieder etwas abseits, lehne an der Reling, Silver neben mir, sein Arm um meine Taille. „Ist das nun deine neue Uniform, Kitten?“ „Und wenn es so wäre?“ frage ich erschauernd zurück und starre angelegentlich in die goldbraune Flüssigkeit in meinem Becher. Plötzlich steht er vor mir, die Hand unter meinem Kinn, „zwingt“ mich ihn anzusehen und raunt dunkel: „Weil mich das doch ein wenig zu sehr ablenken würde...“ und er presst sich regelrecht gegen mich. „Pirat...“ murmle ich als mir der Becher aus der Hand fällt weil ich mich an ihm festkralle und in einem leidenschaftlichen Kuss ertrinke. Wenn das die Belohnung ist, sollte ich mich wohl öfters so ausstaffieren... Und das ist so ziemlich der letzte klare Gedanke für diese Nacht, denn eben hat seine grosse Hand den Weg unter den Rock gefunden... Ein leises, zufriedenes Schnarchen, die breite warme Brust hinter mir und ein starker Arm der mich umschlingt, das sachte Schaukeln der Rubina und dieser allgegenwärtige Geruch. Ich liebe diese ganz spezielle Mischung aus Seeluft, Rum, Schweiss und einigen ganz anderen himmlischen Dingen, wie zum Beispiel Silver. Das hier ist meine Koje... Und mir ist es ein Rätsel wie wir es am Ende doch noch bis hierher geschafft haben... Ich ersticke ein leises Kichern, platziere stattdessen einen leichten Kuss auf Johns Arm der mir als Kissen dient und drifte zurück zu der Feier von gestern Nacht. Zuerst hatten wir alle zusammen getrunken und gefeiert, gesungen und gewürfelt – wobei ich meinen Blick nicht einen Moment von meinem Vize nehmen konnte – bis ich mich mit einem Apfel und einem halben Becher Rum an die Reling zurückzog und John irgendwann neben mir stand. Und irgendwie, sind wir dann richtiggehend übereinander hergefallen. Nicht das ich was dagegen hatte, immerhin hab ich nur darauf gewartet, seit dem Kuss in der Kombüse. Aber wie es nun mal auf einem Schiff so ist: Uns fehlte schlicht die Zeit. Mit knapper Not und jeder Menge Beherrschung haben wir es bis in den Gang vor unseren Quartieren geschafft ohne uns gleich alle Kleider von Leib zu reissen... Durch die Tür kamen wir auch noch, doch bis in die Koje haben wir es beim ersten Mal wirklich nicht... Na dafür, darf ich heute irgendwann sämtliche Seekarten neu ordnen; und ich weiss auch schon wer mir dabei helfen wird. „John Silver...“ ich flüstere leise in die Dunkelheit und hinter mir ertönt ein verschlafenes: „Käp'n?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)