Never Been Kissed von abgemeldet (Reita X Ruki, die Highschool & die verdammten Hormone.) ================================================================================ Kapitel 8: Sorry seems to be the hardest word --------------------------------------------- BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH. Ich bin so schlecht. Wirklich. Sorry. Der Stress. Ich. Oh Gott, dieses dämliche Abitur sollte schon vorbei sein! X___X Danke, danke, danke, danke, danke, danke für die Kommis & die Favos und ich find euch alle sehr toll. Q___Q Eventuelle Klammern sind wie immer kein Autorenkommentar. LOL. ____________________________________________________ Kapitel 8 - Sorry seems to be the hardest word Ein pinker Zettel. Pink. PINK! – Ich buchstabier das noch mal, damit auch jeder kapiert, was das für ne Farbe ist, die mir da entgegenspringt: P I N K! „Oh, schau mal, Ruki!“ Kai zeigt auf das Etwas, das an meinen Spint geheftet wurde. Ich stehe ganz geschockt davor und habe irgendwie Angst, mir diesen Zettel genauer anzusehen. „Ich will das nicht anfassen!“, sage ich dann bestimmt. Kai seufzt, tut es aber selbst für mich: Er reißt den Zettel weg und entfaltet ihn. Dann fängt er an, zu lachen. „Rukiiii, du hast eine Verehrerin!“ „Nein!“, rufe ich aus und werfe die Arme in die Luft, als würde ich mich ergeben. Das kann nicht sein, JEDER weiß, dass ich schwul bin! Wirklich! JEDER! Ausnahmslos! Kai meint „Doch!“ und dreht den Zettel um. Ich sehe mich selber, als Bleistiftzeichnung und drüber steht in Schnörkelschrift „Dreaming of You.“ – Oh Gott, darf ich mal schnell kotzen gehen?! „Steht ein Name drauf?“, frage ich matt und vergesse, dass ich eigentlich nur schnell mein Mathebuch holen wollte. Jesus, hab doch Erbarmen mit mir! Ah shit, das war die falsche Religion… „Ne, gar nichts. Aber ist doch süß!“ „Ja, in etwa so süß wie meine Mutter, wenn sie wieder ihre Wechseljahr-bedingten Anfälle hat!“ „Ach Gott, jetzt stell dich nicht so an!“ Ich ziehe mein Mathebuch aus dem Spint und danach gehe ich mit Kai zum Mitagessen. Doch, ich stelle mich an! „Kai, du musst schauen, ob irgendeine Tussi starrt! Dann kann ich dieses große Missverständnis aus dem Weg räumen!“, sage ich dann, als wir mit unserem Essen auf unserem Stammplatz sitzen, während Kai immer noch die Zeichnung mit meinem realen Ich vergleicht. „Also, dein Haar hat sie so wunderschön hingekriegt!“ „Ja, toll“, sage ich und stopfe mir Reis in den Mund. „Das kommt bestimmt, weil du jetzt ein Rockstar bist. Die ganze Stufe redet von dir und Reita und der Band und wie gut ihr seid.“ „Nennst du ihn jetzt auch schon beim Spitznamen?!“ „Ja, wieso auch nicht?“ „Weil er bescheuert ist!“ Kai antwortet nicht, sondern zuckt nur die Schultern und hält die Zeichnung gegens Licht. „Die hat bestimmt gute Noten in Kunst!“ „Woar, ist doch egal!“ „Willst du denn nicht wissen, wer dahinter steckt?“ „Nur, um der zu sagen, dass ich nicht auf Weiber stehe!“ „Sei nicht so herzlos!“ „Doch!“ Noch mehr Reis, der seinen Weg in meinen Magen findet und Kai hat sein Bento immer noch nicht angerührt. Die Zeichnung scheint gerade all seine Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Gerade will ich fragen „Sag mal, isst du das noch?“, aber da wird plötzlich ein kiloschwerer Ordner neben mir auf den Tisch geknallt und ich schrecke hoch. „Gut, dass ich dich hier finde!“ Akira setzt sich ohne Umschweife neben mich und ich meine nur: „Ja, ich freu mich auch total, dich zu sehen.“ Natürlich sarkastisch. Ist ja klar. Akira nickt Kai zu, der lächelnd zurücknickt, bevor er sich wieder dem pinken Zettel widmet und genauestens auf verräterische Spuren untersucht. „Was genau hast du vor?“, frage ich den Blonden dann rundheraus. „Ich muss mit dir Shoppen gehen.“ „BITTE?!“ Akira zieht sein Handy hervor und zeigt mir eine SMS von Aoi: Hey, geh von dem Geld neues Equipment kaufen und bring’s zur Probe mit. Danke! „Und was hat das mit mir zu tun?“, frage ich blöd, bevor ich mir die nächste Portion Reis und Bohnen (ja, unglaublich nahrhaft und lecker mal wieder!) zu Gemüte führe. „Glaubst du etwa, ich schlepp das Zeug alleine?“ „Aber wieso ich?“ „Weil du gerade in mein Sichtfeld gelatscht bist und ich sicher keine SMS an Yune oder Uruha verschwenden werde.“ „Soll ich mich jetzt geehrt fühlen?“ „Nö, davon hab ich nicht geredet.“ Ich stoße die Luft genervt aus und plötzlich meint Akira: „Was ist das pinke Ding da eigentlich?“ Kai schreckt hoch, dann meint er strahlend: „Ruki-chan hat eine Verehrerin!“ Bevor ich ihm den Wisch aus der Hand reißen kann, hat ihn Kai an Akira weitergegeben. Der begutachtet die Zeichnung mit eiserner Miene, dann kann er sich aber nicht mehr halten und bricht in Gelächter aus. „Komm schon, wie blöd ist die?! Bei dir sieht man doch aus zehn Metern Entfernung, dass du auf dem anderen Ufer Party machst!“ „Danke?!“, keife ich, aber das tut Akiras guter Laune keinen Abbruch. „Ich finde, die hat deine Wangen nicht getroffen!“ Und damit wagt er es, meine Wangen zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen und zu sagen: „Da hat sie die Wirklichkeit ein bisschen arg verzerrt!“ „Du Arsch!“ Ich schlage seine Hand weg und reibe mir über die Stelle, die er gerade in seinem Klammergriff hatte. „Jaja, ich dich auch.“ Damit steht er auf und gibt mir eine Uhrzeit und die U-Bahnstation, an der ich mich zu befinden habe. „Ich hab nicht mal gesagt, ob ich will!“ „Ich hab dich ja auch nicht gefragt, ob du willst.“ Mir klappt wieder vor Empörung die Kinnlade runter. „Also, Ladies. Ich geh dann. Man sieht sich“ Und damit verschwindet er wieder. „KAI!“, rufe ich empört, aber mein bester Freund kann nichts anderes tun, als dumm zu grinsen. „Ihr führt euch auf wie ein altes Ehepaar, weißt du das?“ „Du sollst mich eigentlich unterstützen, du Idiot!“ „Okay, mach ich dann nächstes Mal!“ „Ach, vergiss es, machst du doch eh nicht!“ Frustriert kreuze ich die Arme vor der Brust und wäge meine Überlebenschancen ab, wenn ich NICHT am von Akira festgelegten Treffpunkt stehe. Aber eine kurze Überschlagsrechnung macht klar, dass die sehr gering ist und sich kontinuierlich nahe Null bewegt. Sauber! Genervt greife ich zur Cola, und plötzlich sagt Kai: „Was, wenn das gar kein Mädchen ist?“ „Wie meinen?“ „Na. Wenn das hier“, damit wedelt er mit diesem widerlichen Zettel vor meiner Nase herum, „nicht von einem Mädchen, sondern einem Jungen kommt?“ „Der ist PINK! Das schließt einen Jungen aus!“ „Takeru würde dir bestimmt pinke Liebesbriefe schreiben!“ Ich will was erwidern, aber irgendwie würde alles, was ich jetzt sage, auf eine Beleidigung Takerus rauslaufen. Lassen wir das lieber, so böse bin ich nicht. Ich mag ihn ja schließlich doch. „Siehst du, da hab ich dich!“ „Aber es ist nicht Takeru, es sei denn, er hat sich zwischen der ersten Stunde und der Mittagspause in unsre Schule gebeamt!“ „Naja, von Takeru hab ich ja auch nicht geredet…“ Damit lehnt er sich zurück und legt die Fingerspitzen aneinander, wie Burnes von den Simpsons es immer tut. Ich ziehe die Augenbraue hoch und kann seinem wohl total genialen Gedankengang nicht folgen. „Du musst dich jetzt mal kurz gaanz unauffällig drehen.“ Zweifelnd, ob die Idee jetzt gut ist, drehe ich mich um und der erste, der meinen Blick kreuzt ist Akira, der bei seinen Klassenkameraden sitzt und wohl hochspannende Themen bespricht. „Willst du, dass ich dich heute wirklich noch umbringe, oder was?!“, zische ich dann, sobald ich wieder zurückgeschnellt bin. „Wenn ich mit meiner Theorie recht behalte…“ „… was du sicher nicht tust…“, werfe ich ein und schmolle. „Wenn ich recht behalte, dann ist DIESE Theorie auch nicht gerade abwegig!“ Und damit landet mein Bleistift-Ich auf dem pinken Untergrund auf meinem Mathebuch. „Okay, egal, was du für Drogen nimmst, NIMM WENIGER!“ „Ts, ts, ts!“ Kai schnalzt mit der Zunge, dann sagt er: „Aber du musst schon zugeben, sein Verhalten ist HÖCHST VERDÄCHTIG!“ „Sag ich ja, aber keiner will mir glauben, dass der nur nett tut und mich dann bei Gelegenheit töten wird!“ „Das glaube ich nicht, es sei denn, er tötet dich aus Liebe.“ Bevor mein Kopf schmerzhaft auf dem Tisch landet, beginnt Kai wieder, seine Theorie, die er damals im Starbucks aufgestellt hat, zu vertiefen, aufgrund der Sachen, die ich ihm alle heute Morgen erzählt habe: „Er bringt dich nach Hause, obwohl er in einer anderen Richtung wohnt. Hinter der Bühne geht er mit dir eine Rauchen und erzählt dir irgendwelche Stories, um dich zu beruhigen. Und, was du wohl nicht mitgekriegt hast, auf der Bühne klebt sein Blick auf dir und sobald Takeru auch nur einen Millimeter zu nah an dir dran war, habe ich Anzeichen der Eifersucht bei ihm entdeckt. Also, wenn DAS nicht ein Beweis ist, dann weiß ich auch nicht mehr!“ „Er bringt mich nur nach Hause, um mich über den Heimweg über fertig zu machen und mich blöd dastehen zu lassen. Und er meinte selber, dass er nur sichergehen will, dass ich nicht ins Publikum kotze. Soviel dazu! Und das mit Takeru hast du falsch interpretiert, weil er mir gesagt hat, dass er mich neben Takeru nur männlicher als sonst fand – also nix mit Eifersucht oder so nem Scheiß – HALLO, hörst du mir zu?“ „Er guckt rüüüber!“ „KAI!“ Kai zuckt ertappt zusammen, aber er ist multitaskingfähig, was bedeutet, dass er mir natürlich zugehört hat. Daher antwortet er: „Aber Schätzelchen, das ist doch alles nur Tarnung!“ „Ich geb dir gleich Tarnung!“ „Er versteckt sich doch nur hinter dieser Fassade, das musst du einsehen. Nicht jeder kann problemlos akzeptieren, schwul zu sein!“ „Ach, sei ruhig! Du nervst!“ Für einen Moment herrscht Stille, dann sage ich: „UND ÜBERHAUPT! Akira und malen – ja, sicher! Der benutzt nen Bleistift höchstens, um ne Parabel in ein Koordinatensystem zu zeichnen!“ „Stille Wasser sind tief – hätten wir erwartet, dass er dich jemals KÜSSEN wüde?“ „Hätte ich erwartet, dass du so ein Trottel bist, hätt ich mich nie mit dir angefreundet!“ „Ich geb’s auf…“ „Na endlich!“ Kai beäugt mich für ein paar Sekunden, dann sagt er: „Naja, du hast ja Takeru!“ Und damit duckt er sich vor der Zeichnung, die ich zerknüllt habe und nach ihm geworfen habe. „Ich hasse dich!“ Gegen fünf stehe ich dann also an der Station und warte missgelaunt auf Akira. Dank dem Deppen hatte ich daheim nicht mal Zeit, mich nach der Schule halbwegs annehmbar für die Außenwelt zu machen. Ich bin erstaunt, dass ich überhaupt Zeit hatte, meine Uniform gegen Zivilklamotten zu wechseln. Ungeduldig puste ich mir eine Strähne, die nicht sitzt, aus dem Gesicht. Wehe ihm, er kommt nicht. Wehe! „Du siehst so herrlich verloren aus!“ Akira steht ganz plötzlich neben mir – woar, der hat Ninjaskills! Ganz klar, sonst würde der nicht immer plötzlich und lautlos auftauchen! „Könntest du mich einmal normal begrüßen, mit einem ‚Hallo‘ oder so?“ „Normal ist doch langweilig.“ „Ja stimmt, normal wäre, dass du mal das hässliche Ding aus deinem Gesicht nimmst!“ Damit deute ich auf sein Nasenband und er schickt mir nur einen Todesblick rüber. „Lass uns gehen.“ Ich folge ihm raus auf die Straße in einen Laden, der alles hergibt, was das Musikerherz begehrt. „Warum hat Aoi dich eigentlich geschickt?“, frage ich, als Akira mir eine Packung Plektren in die Hand drückt. „Weil ich das Geld habe.“ „Bist du für die Finanzen verantwortlich?“ „So in etwa.“ Ich unterdrücke mein „Oh je“, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass er jemals sorgsam mit Dingen wie Geld umgeht, gerade noch so und folge in einen Raum, indem man nur Gitarren finden kann. Einen Gang weiter befinden wir uns in der Abteilung mit den Tretpedalen. „Aois ist kaputt…“, murmelt Akira und kratzt sich nachdenklich am Kopf, weil er wohl überlegt, welches von den vielen Dingern der Gitarrist braucht. Irgendwann schnappt er sich eins und belädt mich wieder damit. „Okay, ich verstehe ja, dass du nicht alles allein schleppen willst, aber ich bin nicht dein Packesel!“ „Pscht, ich muss mich konzentrieren!“ Bitte? Auf was muss er sich denn konzentrieren?! „Schon mal was von nem Einkaufszettel gehört?“ „Brauch ich nicht.“ Achja. Das merke ich. „Ruf mich, wenn du nen Sklaven brauchst!“, sage ich und entferne mich. Dann setze ich mich auf einen Verstärker von Marshall und starre Löcher in die Luft. Pff. Wie der mich heut wieder behandelt, unfassbar! Langsam glaube ich, dass der Kerl eine bipolare Störung hat. Anders kann ich mir das alles nicht erklären – erst behandelt er mich wie ein Stück Dreck, dann rettet er mich quasi, dann wird er wieder fies, im nächsten Moment ist er nett und dann, kaum schaut man für einen Moment weg, ist er wieder scheiße zu mir. Oh Gott, das bereitet mir Kopfschmerzen! Frustriert stütze ich meinen Kopf mit einer Hand und betrachte die Plektren, die mit unglaublich kitschigen Pandabärchen und Kätzchen verziert sind. Die sind bestimmt für Uruha. „Sooo!“ Akiras Stimme durchreist die Stille (wir scheinen die einzigen hier) und ich sehe unbeeindruckt auf. „Nimm das mal.“ Zack – neue Gitarrensaiten in verschiedenen Stärken und ein Packen von billigen Drumsticks landen auf meinem Schoß. „Geh nicht weg!“ „Nene. Keine Angst“, antworte ich und beobachte Akira, wie er von Raum zu Raum tigert und geschätzte hundert Päckchen mitgehen lässt. Und ich habe schon eine Ahnung, wer das tragen wird… Eine halbe Stunde später gehen wir zur Kasse und lassen ganz schön viel Geld liegen, aber anscheinend hat Akira das schon erwartet und als alles in Tüten verpackt ist, geht es darum, das Zeug heil in den Proberaum zu bringen. „Nimm du das.“ Ich bekomme die Tüte mit dem vielen Kleinzeug in die Hand gedrückt und er selber nimmt die mit den ganzen technischen Geräten. Ich bin irgendwie froh, dass ich das Leichte bekommen habe. Auch wenn mich das als Pussy dastehen lässt. Die dritte Tüte nehmen wir zusammen und wir schleppen uns zur U-Bahnstation. „Siehst du ein, warum ich dich mitgenommen habe?“, fragt Akira, als wir uns durch die Menschenmassen schlängeln. „Ja, irgendwie schon…“ Allein wäre ich wohl arg verloren gewesen. Und selbst Akira, der ja sonst alles kann (seiner Meinung nach natürlich, die meiner selbstverständlich NICHT entspricht) hätte damit auch Probleme gehabt. „Uruha hätte nur rumgejammert, wie schwer die Sachen wären“, erklärt Akira dann. Gut, das kann ich sogar irgendwie nachvollziehen, dass man Uruha lieber nicht für solche Aufgaben bestimmt. „Und Yune?“ „Der geht mir grad auf den Sack.“ „Und was ist der Grund?“ „Musst du immer alles wissen?“ „Dann musst du eben nicht davon anfangen!“ Akira setzt die Tüte in seiner linken Hand ab, als wir am Gleis stehen und auf die nächste Bahn warten. „Ist egal. Manchmal gehen mir Menschen einfach auf die Nerven, ohne einen bestimmten Grund.“ „Das weiß ich!“ Mein Kommentar war ganz klar auf seine Schikanen, die noch bis vor ein paar Wochen Teil meines Alltags waren, abgezielt. Akira bleibt ruhig und starrt wie ein Irrer auf die Anzeigetafel, als hätte er noch nie was Schöneres gesehen. Klar. Bei sowas wird er wieder kleinlaut. Vollidiot! Es ist eigentlich komplett paradox. Ich stehe hier mit dem Jungen, der mir mein Leben regelmäßig zur Hölle gemacht hat, und warte auf die Bahn, die uns dort hin bringt, wo wir nachher noch zwei Stunden zusammen proben werden. Was zur Hölle?! Wenn ich mir das jetzt mal so durch den Kopf gehen lasse, ist das fast wie aus einem schlechten Film. Bevor ich noch weiterdenken kann, fährt die Bahn ein und wir schieben uns in einen Wagon. Natürlich kriegen wir keine Sitzplätze mehr und wir quetschen uns mit der Menge einfach irgendwie rein. Ich stehe mit dem Rücken zu den anderen Fahrgästen, Akira mir gegenüber lehnt an der Wand des Wagons. Die Tüten haben wir zwischen uns gestellt. Für zwei Minuten sagen wir nichts und ich hänge wieder meinen Gedanken nach. „Was eigentlich, wenn wir das falsche Zeug gekauft haben?“, frage ich dann, eingekeilt zwischen Geschäftsmännern und anderen komischen Leuten. „Dann darf Aoi mit dem Zeug zurückgehen und umtauschen“, kommt es trocken von Akira. „Läuft das immer so bei euch?“ „Ja schon. Ich mein, wem nicht passt, was ich kaufe, der geht dann eben selber und fertig!“ Ich will gerade fragen, warum man dann nicht gleich jeder selber losgeht, aber mir bleiben die Worte im Hals stecken. Der Grund dafür liegt buchstäblich klar auf der Hand. Oder zumindest bei einer Hand, die mir gerade definitiv zu nah kommt und weder mir noch Akira gehört! Ich hab ja schon oft von diesen Kerlen gehört, die in der U-Bahn lauern und die Enge der oft überfüllten Wagons nutzen, um Hand an arme hilflose Schüler zu legen – aber äh… HALLO? Solche widerwärtigen Kerle gibt es tatsächlich?! Da ich nicht weiß, was ich jetzt genau tun soll und wie ich mich aus dieser äußerst unangenehmen Situation befreien kann, drücke ich mich so weit wie es geht weg, aber keine Chance – noch ein Schritt weiter und ich liege in Akiras Armen. Nach rechts und links sind die Fluchtwege versperrt. Kurzum, ich bin in einer echten Scheißsituation. „Ist was?“, fragt Akira und zieht die Augenbraue hoch, als ich mit offenem Mund dastehe und vor lauter Schock gar nicht weiß, was ich tun soll – nö, ich werde hier grad nur von irgendjemandem begrabscht. Sonst alles paletti, danke der Nachfrage! Sobald der Kerl dann anfängt, in meine Hose zu packen, meld ich mich noch mal! Und dann geht alles so schnell, dass ich gar nicht wirklich mitkriege, was eigentlich passiert. Akiras Blick wandert an mir nach unten, dann reißt er die Augen auf und mich an der Hüfte zu sich. Danach schiebt er mich zur Seite und stellt sich vor dem Kerl auf (Mundschutz trägt er – natürlich, von Tarnung hatte ich’s heut ja schon oft), der wohl selber grad nicht mitgekriegt hat, dass seine Grabschaktion aufgeflogen ist und Akira ruft, so laut, dass es auch wirklich jeder mitkriegt: „Sag mal, hast du eigentlich nichts besseres zu tun, als dich an Minderjährigen zu vergreifen, du Wichser?!“ Ich schlage die Hände vors Gesicht und ein undefinierbarer Laut geht durch die Runde. Ich glaube, teils wegen Akiras… sagen wir mal sehr unverblümten Ausdrucksweise und wohl auch teils wegen der Unverschämtheit, die dieser Mundschutzträger besitzt, seine Hände an die Kehrseiten Minderjähriger zu legen. „Krieg ich auch mal ne Antwort?!“ Als der andere immer noch nichts sagt und von den Umstehenden mit bösen Blicken bestraft wird, meint Akira, immer noch kein Phon leiser als vorher: „Gut, dann sag nichts, du Feigling. Aber eins schwör ich dir – leg deine Hände noch einmal an meinen Freund und ich verarbeite dich zu Hackfleisch, ist das KLAR?“ Eine Mutter hält ihrem Sohn die Ohren zu, der ganz bewundernd zu dem Blonden schaut und leuchtende Augen hat. Ja, der findet das cool. Unter den Umständen, dass Akira wirklich mein Freund wäre, fände ich das auch total cool und würde ihm wahrscheinlich danach zu Füßen liegen und Mist schwafeln à la „Wenn du bei mir bist, muss ich nichts fürchten!“ und danach würden wir nach Hause gehen und wilden Sex haben… aber dem ist nicht so, deshalb muss ich meinen Protest unterdrücken und gezwungenermaßen gute Miene zum bösen Spiel machen. Als der Kerl mit dem Mundschutz, ganz eingeschüchtert, minimal nickt, lässt Akira von ihm ab und stellt sich vor mich. Ich muss mich zusammenreißen, nicht loszuschreien was zur Hölle ihm eigentlich einfällt, aber ich glaube, eine Grundsatzdiskussion würde hier nicht viel bringen. Zumal dann diese unglaublich bodenlose und hanebüchene Tarnung als Pärchen auffliegen würde. Als ich gerade was sagen will, dreht Akira sich noch mal zu dem Übeltäter um und sagt: „Nicht mal gucken, Arschloch!“ Ich werfe der Mutter mit dem Sohn einen entschuldigenden Blick zu, die schon wieder ganz empört nach Luft geschnappt hat, dann sage ich: „Ist ok!“ „Nichts ist ok!“ Ich sehe, wie die Umstehenden sich die Hälse nach uns verrenken, also fange ich an, zu flüstern. Muss ja nicht jeder mitkriegen, dass ich jetzt gleich ganz frauentypisch versuche, meinen „vor Beschützerinstinkt rasenden Freund“ (das ich nicht LACHE! Und NEIN, die Sache mit dem Sex reizt mich nicht… nur minimal… aber das zählt nicht!) zu beruhigen. „Ist doch nichts passiert, komm wieder runter!“ Akira, von dem ich eigentlich erwartet hätte, dass er gleich wieder mit „Wäre ICH nicht da gewesen, dann…“ anfängt, wirft nur noch mal einen warnenden Blick über die Schulter, bevor er seufzt und wohl erst jetzt realisiert, was er da eigentlich gerade gesagt hat – er wird leicht rot unter seinem Nasenband und vermeidet es, mich direkt anzusehen. Ja. Ne. So ein Trottel. Hätte er sich doch vorher überlegen sollen, was er da immer anstellt! Der schaltet nie sein Hirn ein! Aber jetzt sind wir hier schon drin in der Nummer und für die nächsten zehn Minuten kommen wir hier auch nicht mehr raus. Ziemlich verfahren, das Ganze. Ha. Der war gut! Verfahren! „Aber Mama, er ist so cool!“, höre ich den kleinen Jungen sagen und ich muss anfangen, zu grinsen. „Du darfst dir deine Haare trotzdem nicht blond färben!“ Kinder können so süß sein! „Ich weiß, dass ich cool bin“, murmelt Akira und unterdrückt selber sein Grinsen. „Du verdirbst nur die Jugend“, entgegne ich und boxe ihm in die Seite. Wenn schon Pärchen, dann richtig. Und mal ehrlich, mein Stolz ist schon längst über Bord gegangen. Ohne Schwimmflügel. Ohne Rettungsring. Und liegt wahrscheinlich schon am Boden des Pazifiks und wird von Haien angenagt. „Oh entschuldige. Ich besser mich.“ „Das tust du doch eh nicht!“ Akira stützt einen Arm neben meinem Kopf ab (gäbe es einen Alarm für klassische Adaptionen aus schlechten Filmen, JETZT würde er losgehen) und sagt: „So viel hältst du also von mir.“ Nein, neiiiin – er nähert sich nicht meinem Gesicht. Das bilde ich mir ein. Das muss eine Fatamorgana sein. „Das weißt du so oder so!“, sage ich gedämpft und hole tief Luft, um meinen rasenden Puls zu unterdrücken. Das war ein Fehler. Mein Puls beruhigt sich überhaupt nicht, weil ich jetzt komplett eingelullt von seinem Duft bin, den ich immer noch keinem Parfum zuordnen konnte (nicht, dass ich danach gesucht hätte oder so – aber ich hab mir schon Gedanken gemacht… um… ehrlich zu sein – oh Gott, ich bin so behindert!). Hör auf, du Arsch! Hör auf, so verdammt gut auszusehen, auch mit diesem Ding im Gesicht! Und hör auf, mich so anzugrinsen! Und… ARGH hör einfach auf zu existieren! „Das verletzt mich, Süßer.“ Bloß nicht schwach werden. Vielleicht könnte ich dadurch noch mal auf Tauchgang gehen und den Rest meines Stolzes zusammenkratzen und bergen und das Schlimmste verhindern. Nur noch zwei Stationen. Dann bin ich gerettet. Das würde dem so passen, dass ich ihm jetzt in die Arme falle und sein Frauchen mime! Das ist nur wieder irgendein Machtspielchen, das er gewinnen will. NICHT MIT MIR! Die Runde geht an mich, aber sowas von! „Tut’s nicht“, antworte ich hart. „Woher willst du das wissen?“ „Ich kenn dich.“ Nicht wirklich, aber ich muss ja im Hinterkopf behalten, dass wir ja ein bescheuertes Pärchen sind, das sich jetzt ganz verliebt turtelnd ärgert um sich nachher nur einen Kuss zur ‚Versöhnung‘ zu geben. -- OH GOTT, ICH MUSS HIER RAUS! Eine Station. Gleich hab ich es geschafft. Wenn ich durch diese Tortur hier nicht die Erleuchtung von Buddha persönlich bekomme, dann weiß ich auch nicht mehr weiter! Akiras Gesicht ist jetzt so nah, dass ein Ruck der U-Bahn ausreichen würde, um die minimale Distanz zwischen unseren Lippen zu überbrücken. Ich muss was tun, um die Sache zu entschärfen! Kurzerhand, ohne wirklich nachzudenken, schiebe ich ihn mit einer Hand an seiner Brust abgelegt weg und meine: „Nicht in der Öffentlichkeit. Nachher verleitest du den Kleinen noch dazu, schwul zu werden!“ Und in diesem Augenblick kommen wir an unserer Station an. Schneller als mein eigener Schatten schnappe ich die Tüte und quetsche mich raus, Akira kommt mir hinterher. Als die Bahn abgefahren ist, bleibt Akira stehen und meint sauer: „Passiert dir sowas öfter?!“ Ich selbst verlangsame meinen Schritt und warte dann darauf, dass er mich einholt. „Nein. Solche Sachen passieren mir nur, wenn du dabei bist!“ Wie ein Fluch – Akira ist mein Fluch! Der Bassist überlegt für eine Sekunde, dann meint er überheblich: „Ist ja klar. Ich bin der Einzige, der dich vor potentiellen Vergewaltigern schützen kann. Die andern haben’s eben nicht drauf!“ „Wieso behandelst du mich ständig wie ein Kleinkind, das nichts hinkriegt?“ Ich nehme den zweiten Henkel von der Tüte, die wir zusammen getragen haben (dummes, schweres Dreckzeug!) und dann stapfen wir die Treppen hoch. Bis zum Proberaum sind es jetzt noch knappe fünfzehn Minuten zu Fuß. „Nichts liegt mir ferner als das!“, beteuert Akira, aber ich nehme ihm das irgendwie nicht wirklich ab. „Ja klar und ich bin Jesus!“ „Eher die Mutter Maria, mein Schöner.“ „Hör auf damit, ich bin kein Mädchen!“ „Aber wirklich männlich bist du ja auch nicht!“ Okay. Das war’s. Wütend schnaubend schicke ich ihm einen Todesblick zu, dann lasse ich den Henkel der Tüte los, die wir zusammentragen und laufe voran. „Hey, was wird das, Missy?!“ „Trag den Scheiß doch allein!“ „Takanori, komm sofort zurück und hilf mir!“ Ich werfe einen Blick zurück über die Schulter. Akira hat sichtlich Schwierigkeiten, beide Tüten, die gefühlte fünfzig Kilo wiegen, zu tragen. „Warum um alles in der Welt sollte ich dir jetzt diesen Gefallen tun, wo du dir schon den ganzen Tag wieder Dinger leistest, die mich nerven?“ Der Blonde verstummt. „Und dass du mir diesen Grabscher vom Hals gehalten hast entschädigt noch lang nicht all das, was du getan hast!“ So. Nämlich. Ich sollte mich mal wieder dran erinnern, was für ein übles Arschloch er war, wie er mich immer fertig gemacht hat und jetzt glaubt, ich wäre sein Held, nur weil er mir einmal nen Grabscher und einmal seine Freunde vom Leib gehalten hat! Pah! So leicht bin ich nicht zu kriegen! Gerade will ich mich umdrehen und weiterlaufen, da meldet sich der Spast mit dem Nasenband wieder: „Willst du ne Entschuldigung?“ „Das wäre das MINDESTE, was man von dir erwarten könnte, du Trottel!“ „Okay. Dann tut’s mir leid.“ Achso und er glaubt, dass das reicht? „Was tut dir leid?“ Ich habe mich wieder umgedreht und schaue ihn auffordernd an. Akira stößt genervt die Luft aus. Das scheint ihm wohl Probleme zu bereiten. „Dass ich ständig neue Sachen finde, um dir auf die Nerven zu gehen.“ „Und?“ „… dass ich dich ständig beleidige.“ „Und?“ Wenn schon, dann richtig! Akira scheint in seinem Gedächtnis zu graben und dann stößt er wohl auf die unangenehmste aller Sachen. Er seufzt und schaut zuerst auf den Boden, bevor er ganz schnell sagt: „… dass ich dich immer Schwuchtel genannt hab… und dass ich dir offensichtlich weh getan habe…“ Oh Gott, diese Genugtuung, die durch meinen Körper fließt! Was für ein Gefühl! SIEG! „Okay, ich hab alles, kannst du mir jetzt… bitte… wieder helfen?“ „Warum denn nicht gleich so, mein Großer?“, frage ich neckisch und grinse breit, als ich wieder meinen Henkel nehme. „Pff.“ „War’s so schwer?“ „Ach. Sei ruhig.“ „Aber das war ein erster großer Schritt! Ich bin sehr stolz auf dich!“ „Hm.“ „Weißt du, das war der erste Schritt in ein besseres Leben, als guter Mensch!“ „Takanori…?“ „Ja, Akira?“ „Ich will mich nicht noch mal bei dir entschuldigen, wenn du gleich Aois neues Pedal an den Kopf kriegst. Also sei ruhig.“ Ich bin ruhig. Aber mein Grinsen will trotzdem nicht weichen. Höhöhö! Der Punkt geht an mich, definitiv! ____________________________________________________ It's your turn! :'D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)