Luftbahn von abgemeldet (schwerelos...) ================================================================================ Kapitel 1: du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen, denn ich hab dich an die Hand genommen... -------------------------------------------------------------------------------------------- …wir werden immer baroque bleiben… Ein Versprechen, das wir nicht halten konnten und doch nicht zu brechen in der Lage sind. Ein fatales Versprechen… ein Segen, ein Fluch… außer unserer Macht, ihm zu entkommen. Niemand entkommt der Vergangenheit. Niemand kann sie einfach so in eine Schneekugel sperren und weiter ihre Schönheit bewundern. Sie ist der Boden, auf dem wir gehen, die Schwerkraft, die uns fesselt, die Wurzeln, die uns halten, aber auch daran hindern, zu fliegen… Sie ist das Sprungbrett, mit dem wir nach der Zukunft streben… aber was, wenn sie mehr ist, als wir je wieder erreichen können? Manchmal muss etwas sterben, damit Neues geboren werden kann. Aber was, wenn man Unsterbliches hinter sich lassen muss? Wenn man nichts Neues schaffen kann, seinen Traum gelebt hat… …wir werden immer die coolste Band bleiben… Ein Versprechen, das wir zu gut gehalten haben. Zu gut, für dich… Unsere Musik war unsterblich. Drei Jahre. Drei verdammte Jahre, in denen baroque wie ein Feuerwerk nach oben schoss und ebenso schnell verglühte, einer Sternschnuppe gleich. Und dennoch verblasst unser Licht nicht genug, um dich erneut strahlen zu lassen. Gesucht, gefunden… und verloren. Es war nicht Bansakus Schuld. Menschen entwickeln sich, Menschen verändern sich, Musik verändert sich, manchmal läuft man in eine falsche Richtung und manchmal muss etwas sterben, damit Neues geboren werden kann… damit man findet, was man sucht… „Ihr klingt ein bisschen wie wir am Anfang, weißt du das?“ Du hast mich gehört. Vor einer halben Stunde schon. Solange stehe ich hier, sehe dich nur an, wie du aus dem Fenster starrst. Es ist eine klare Nacht. Eine milde… Anfang März… unsere letzte… Aber alles ist wie sonst. Das Fenster, du, ich… wie in so vielen Nächten, in denen du schon nicht schlafen konntest… Das einzige, was sich bewegt, ist der Rauch deiner Zigarette und auch jetzt drehst du dich nicht um, murmelst vor dir her. Und ich weiß, dass es dir zu schaffen macht, dass es der Grund ist, warum du nicht schlafen kannst, aber… „Ihr klingt verdammt nach uns… am Ende…“ Du kannst es nicht sterben lassen. Du kannst baroque nicht ruhen lassen, das Gefühl, die Musik, den Erflog. „Nein. Wir klingen nicht wie baroque. Überhaupt nicht. Schon gar nicht live, wir haben gar nichts.“ Du willst baroque immer noch weiter leben lassen. In Kannivalism. Aber es geht nicht. Es geht nicht und das, nach was du strebst, ist unerreichbar. Eine Zukunft, die es einmal gab, aber jetzt nicht mehr. Baroque war für dich perfekt, aber du wirst nie wieder Perfektion finden, wenn du sie in baroque suchst. Du zerbrichst daran. Jeden Tag ein Stück mehr. „Wir sind nicht gut genug. Nicht gut genug, verstehst du das nicht? Das ist nicht unser Bestes, es ist einfach… es ist nichts! Garnichts! Wir sind nicht gut genug, überhaupt nicht, wir sind schlecht. Wir sind nicht baroque!“ Du erschrickst über dich selbst und im nächsten Moment bist du wieder still. Du bist nicht mehr du. Nicht mehr der Ryo, der du einmal warst, aber das ist okay. Nur im Moment… in Momenten wie diesen… bist du nicht mal mehr du selbst. Du bist die Zweifel, die sich in dir breit gemacht haben, die in dir gewachsen sind und dich auffressen. Und es zerbricht mir das Herz, jeden Tag ein Stück mehr. Wir liegen jede Nacht im selben Bett, sitzen am selben Tisch und essen das selbe Essen, baden in der selben Wanne… und doch bist du mir ferner denn je. Wie von einer anderen Welt, hinter einer Glaswand und seit du von eurer Tour zurück bist, bist du nur noch eine leere Hülle. Eine leere Hülle, in der Tag ein, Tag aus ein unerbittlicher Sturm tobt. „Ihr… seid echt gut… ich… freu mich für euch. Das war irgendwie echt Glück, dass Kagerou sich getrennt haben, oder? Yuana passt so gut zu euch und Banchan ist so glücklich damit.“ Ja, es hat lange gedauert, bis wir etwas Neues gefunden haben, Bansaku und ich. Boogieman… eine neue Band aus Überresten von anderen, keine Wiederbelebung wie bei Kannivalism, ein Neuanfang. Ein weiterer Schlag für dich. Auch wenn wir das alles eigentlich dir zu verdanken haben, denn du hast uns zusammen geführt. „Diesen Monat hätte unser Album rauskommen sollen…wir sind so erbärmlich, Akira, nicht mal so was schaffen wir. Nur wegen mir, das ist alles meine Schuld. Wir haben sie enttäuscht, alle, ich hab sie enttäuscht ich-“ Es war die richtige Entscheidung. Ich muss dich hergeben, um dich nicht komplett zu verlieren, du musst so vieles aufgeben, um wieder leben zu können. Leben, nicht immer nur zweifeln, du musst sie enttäuschen, obwohl das deine größte Angst ist. Deine Sachen sind gepackt, stehen bereit. „Ich will nicht gehen, Akira…“ Ich will nicht, dass du gehst… dass du diese schwere Zeit durchmachen musst, aber es wird dir besser gehen danach… „Wir müssen ein Album machen, die nächste Tour planen, wir müssen weitermachen, Akira, wenn wir jetzt gehen, dann sind wir weg, für immer, wir… wenn ich nur die Tabletten hab, dann geht das schon irgendwie, das muss gehen, wir werden alle verlieren, weil wir sie enttäuschen und wir werden nie wie baroque sein wir-“ Wieder unterbrichst du dich selbst. Es hat weh getan, als ich das erste Mal festgestellt habe, dass es so oft nur noch diesen einen Gedanken in dir gibt. Dass da sonst fast nichts mehr ist, kein Platz mehr für mich. Es tut immer noch weh. Nur noch Zweifel, die dir den Schlaf rauben und Tabletten, um zur Ruhe zu kommen, immer wieder nur dieser eine Gedanke, du seiest nicht gut genug, der dich vergiftet hat, langsam aber sicher, es weiter tut und dich von mir fort treibt, von dir fort, von der Welt… „Es tut mir leid… Akira, es tut mir leid …so leid…“ Du drehst dich um und ich sehe die Tränen, die über deine Wangen laufen. Ich gehe auf dich zu und meine Arme halten dich. Deinen zierlichen Körper… du bist so zerbrechlich geworden… „Shhh… es ist okay…“, flüstere ich in dein Haar, während du weinst, dich an mich klammerst. Aber meine Stimme erreicht dich nicht. Zu weit bist du weg, als dass ich dich zurück holen könnte… „Ich hab Angst, Aki… solche Angst und …und es tut mir so leid, alles… so leid, Kira…“ „Es ist okay… alles ist gut…“ Ich will dich nur noch einmal für mich haben, bei mir, heute Nacht, vielleicht… „Wein nicht mehr…“, sanft streiche ich die Tränen von deinen Wangen, ergreife deine Hand und führe dich fort von hier. Aus diesem Zimmer, vorbei an deinen Taschen. Es hat dich so unendlich viel Kraft gekostet, sie zu packen. Du warst so erschöpft danach und dennoch kannst du nicht schlafen. Vorsichtig lege ich deine Jacke über deine Schultern, verbinde deine Augen, hole eine Decke aus dem Schlafzimmer. Nach draußen… diese Wohnung ist zu klein für dich, heute Nacht. Nach oben, zum Himmel, der Freiheit… Auf dem Dach, über den Menschen, weit weg… Vielleicht geht es schief, furchtbar schief. Vielleicht wird es nur noch schlimmer, vielleicht verliere ich dich hier, an die Sterne, das Universum, vielleicht wirst du für immer hier oben bleiben und vielleicht bleibst du dann für immer kalt. Aber vielleicht treffen wir uns hier, heute Nacht, noch einmal und dann werde ich dich wärmen. Bis ans Ende meines Lebens werde ich nicht aufgeben, wieder Wärme in dich zu bringen, Leben, Hoffnung… Schmerzhaft, die Erkenntnis, dass ich das nicht kann, dass andere Menschen das tun müssen… aber vielleicht kann ich dir heute Nacht noch einmal nah sein. „Sieh nur nach oben… nur nach oben, sonst nirgends hin, ja?“, du nickst leicht und ich löse deine Augenbinde, lege mich zu dir und ergreife deine Hand, halte sie fest. „Ryo…es ist alles in Ordnung. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, gar keine… es ist alles egal, es zählt nur das Hier und Jetzt… lass dich fallen, Ryo… einfach fallen, lass los… lass los… hab keine Angst… ich bin bei dir, ich bleibe bei dir… vergiss alles… genieß einfach und lass los… lass alles von dir ab fallen… lass dich treiben…lass es zu…“ Du entspannst dich… ich kann es spüren und es lässt mein Herz höher schlagen. Auch ich sehe einfach in den Himmel, sehe das selbe, was du siehst. Unendlichkeit… „Unendlichkeit…“, hauchst du leise, nach einer schieren Ewigkeit. „Spürst du… wie alles verschwindet?“ Deine Stimme ist nicht mehr als ein Hauchen. Und dennoch hast du dich schon lange nicht mehr so klar und gefasst ausgedrückt… „Akira… spürst du die Unendlichkeit?“ Ich weiß nicht, wie viel Zeit zwischen deinen Worten liegt, aber es ist auch egal. Wir sind zusammen hier… „Alles ist leicht… schwerelos…“ Das einzige, was noch existiert, sind wir beide… und unendlich viele Sterne um uns. Wenn wir es einfach zulassen… „Wenn wir es zulassen… bleiben unsere Körper hier… und wir fliegen durch die Nacht… einfach so… nur du und ich… komm mit mir…“ Alles bleibt zurück… und wir treiben durch die Nacht… nur wir beide… Ich kann dich spüren, bei mir, neben mir, so nah. Alles andere ist unendlich weit weg, nur die Nacht und wir… In die Unendlichkeit und zurück, bis am Horizont das erste Morgenlicht zu uns stößt, sie uns nimmt, unsere Unendlichkeit, jeden Stern, einen nach dem anderen und wir in unsere Körper zurückkehren, in diese Welt… „Aki… ich liebe dich…“, ein leises Hauchen, bevor auch der letzte Stern verschwindet, der harte Boden zurückkehrt und ich dich wieder mit zurück nehme nach unten, in die Wohnung, in dein Gefängnis, das doch nur aus dir selbst besteht. Du bist ruhig. Fast zu ruhig… „Aki… Aki geh nicht… ich hab Angst, bitte… es tut mir so leid…“, ein leises Flüstern, als du dich an mich klammerst, aber es ist nicht das selbe wie heute Nacht… „Es geht schon irgendwie, wir schaffen das auch so, wir machen ein neues Album, wir werden besser als je zuvor und ihr auch und ich geh weiter zu meinem Therapeuten, dann müssen wir keine Pause machen wir-“ Ich lege einen Finger auf deine Lippen. Du weißt es doch selbst, es geht nicht mehr anders. „Ich komm dich besuchen, sobald ich darf… ich lass dich nicht alleine…“ Leicht nickst du, weißt es selbst und ich hauche dir einen letzten, unerwiderten Kuss auf die Lippen, ehe ich gehe. Dich zurück lasse in deinem kleinen, weißen Zimmer, in der Klinik, bei den Menschen, die dir helfen können, die dich zu mir zurück bringen werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)