Verdammt in alle Ewigkeit von Mismar (Und wenn sie erst gestorben sind) ================================================================================ Kapitel 7: So nah und doch so fern ---------------------------------- Er konnte dem Himmel danken, dass Senjuro seinen Posten einem anderen übergeben hatte, bevor es zu diesem tragischen Ereignis gekommen war. „Es tut mir leid, ich wollte sie nicht verärgern…“ „Wenigstens weißt du jetzt, dass es keine harmlose, sondern eine ernstzunehmende Krankheit ist.“ Yaichi kam zögernd an seine Seite. „Jetzt wird sie ganz viel Ruhe brauchen, Takeda.“ Nickend legte er sie auf den weichen Futon nieder und betrachtete dabei ihr wunderschönes, aber zurzeit von Sorgen gekennzeichnetes Gesicht. Er hatte ihr mit dieser Unterstellung viel Leid angetan, wie konnte er das je wieder gutmachen? Zumal er sie nicht zum Feind haben wollte, weil er sich sonst auf furchtbare Folter einstellen müsste. Verzweifelt warf er einen Blick zu Yaichi: „Senjuro wird mich töten… ich sollte mich auf das Schlimmste gefasst machen.“ „Prinzessin Chizu ist nicht nachtragend. Da sie von Grund auf ein neugieriger Mensch ist, wird sie dir verzeihen, wenn du ihr im Gegenzug mehr Vertrauen entgegenbringst und auch ein bisschen über dich erzählst.“ Mit den Schultern zuckend wandte sich Yaichi der Tür zu, er wollte das Zimmer verlassen. „Ich werde die anderen Samurai ablenken, solange wirst du warten, bis sie wieder aufwacht. Das kann vielleicht einige Stunden dauern.“ Fragend blickte er ihm nach. Bevor er aber etwas hinterherrufen konnte, war der schwerttragende Krieger verschwunden. Woher nahm er das Vertrauen, dass er in seiner Abwesenheit der Prinzessin keinen Schaden zufügte? Kaum hatte er diesen Gedanken im Kopf gehabt, fiel sein starrer Blick auf Chizus Gesicht. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, verführerisch, als würden sie um einen Kuss bitten. Er schluckte schwer, er musste diesem Drang widerstehen. Hektisch richtete er sich auf und trat an die geöffnete Tür. Ein Blick nach draußen offenbarte ihm den Innenhof der Burg. Da er geduldig auf das Erwachen der Dunkelhaarigen warten musste, beobachtete er stillschweigend die Aussicht. Vielleicht würde sich etwas Interessantes dort ergeben. Nach Stunden des Wartens – seltsamerweise hatte Yaichi die Burg nicht verlassen – zeigte ihr Körper kleine Regungen, ihre Wimpern flatterten. „Wo bin ich?“, fragte sie verträumt, während sie sich zu erinnern versuchte. „Herr Takeda?“ „Ich bin hier.“ Am liebsten wäre er zu ihr hingegangen, um sie sanft in die Arme zu schließen. Die gerade aus der Bewusstlosigkeit erwachte Prinzessin richtete sich sitzend auf. Ihr Gesicht nahm beim Anblick des Arztes eine für ihn unerwartende fröhliche Mimik an. „Es tut mir leid, wie ich Euch behandelt habe. Bitte seid mir nicht böse, ich könnte es in diesem Zustand nicht ertragen.“ Ihre Stimme klang so wehleidig, dass sein Herz an diesem Kummer am liebsten zerbrochen wäre. Noch nie im Leben hatte er ein solches Mitleid für eine Patientin empfunden, obwohl das Leiden vieler Menschen das ihre überstieg. Aber die Tatsache, dass Chizu genauso lieblos durchs Leben gehen musste, erinnerte Takeda an sich selbst, der in diesem Bereich schlechte Erfahrung gesammelt hatte. Manchmal wünschte er sich, sein Vater hätte mehr Einfluss auf seine Menschlichkeit gehabt. Zaghaft klopfte es an der Tür, es konnte keiner der Samurai sein. „Bitte?“ fragte die Dunkelhaarige etwas überfordert und schaute auf die sich öffnende Schiebetür. Ein Dienstmädchen verbeugte sich im Rahmen. „Möchtet Ihr jetzt das Mittagessen serviert bekommen?“ „Ja, bitte!“ Sie ließ Takeda ein verlegenes Lächeln gelten. „Leistet Ihr mir Gesellschaft? Bitte! Ich esse sonst immer allein…“ „Natürlich, ich schulde Euch wegen meiner heutigen Grobheit noch etwas. Außerdem kann ich beobachten, ob sich Eure Speisen bezüglich der Krankheit aufbessern lassen können.“ Sie klatschte erfreut in die Hände. „Ich danke Euch, Herr Takeda!“ Nur kurz lächelnd setzte er sich an den für ihn gedachten Platz. Schweigend warteten sie beide auf das erste Wort des jeweils anderen, sogar solange, bis das Essen gebracht wurde. Skeptisch beäugte Takeda die fremdartige, aber wohlduftende Suppe. Um das peinliche Schweigen zu durchbrechen, fragte er interessiert: „Was ist das für eine Suppe, Lady Chizu?“ Ihre Augen blitzten erfreut auf. „Suy yeung choy tong.“ Sie kicherte vergnügt, als er fragend eine Augenbraue hob. „Brunnenkressensuppe.“ Die Schüssel in beide Hände nehmend schlürfte er vorsichtig das Gericht. Die Gewürze explodierten auf seiner Zunge, es schmeckte genauso fantastisch wie das Frühstück von heute Morgen. „Es scheint Euch zu schmecken.“ Elegant legte sie die Porzellanschüssel an ihre Lippen und trank geräuschlos. „Meine Mutter ist früh gestorben, ich habe keinerlei Erinnerungen an sie. Da mein Vater mich auch nicht verlieren wollte, wurde ich aus Sicherheit in dieser Burg eingesperrt. Ich habe das Gebäude nie verlassen.“ Takeda war darüber verwundert, dass sie ohne Aufforderung zu sprechen begonnen hatte. Schweigend hörte er ihr zu. „Im Alter von 16 Jahren nahm er mich in seine Arme. Seltsamerweise bin ich ohnmächtig geworden… und das immer wieder.“ „Zum ersten Mal? Hat er Euch nie umarmt, wenn Ihr Euch als kleines Kind verletzt habt?“ „Nein…“ Traurig senkte sie den Blick. „Sicherlich habt Ihr seine Eigenart bereits bemerkt.“ „Leider...“ Er seufzte schwer. „Das tut mir leid. Da die Dienerschaft für Euch gesorgt hat, ist Euer Körper an diesen Kontakt bereits gewöhnt, während Fremdartiges ihn wiederum überfordert… Ihr habt doch noch die gleichen Betreuer, nicht wahr?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, seit mein Kindermädchen gestorben ist, wasche ich meinen Körper allein. Aber genug davon! Jetzt seid Ihr dran!“ Takeda schmunzelte, deswegen hatte sie so eifrig von sich gesprochen. „Ihr seid sehr neugierig. Aber versprochen ist versprochen. Ursprünglich stamme ich aus Falena. Als ich ein Kleinkind war, sind meine Eltern nach Nagarea gezogen.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, legte Chizu nachdenklich einen Finger auf ihre vollen Lippen. „Gibt es ein Problem, Prinzessin?“ „Jetzt weiß ich, warum mir der Klang Eueres Namens so bekannt vorgekommen ist. In einem Geschichtsbuch wurde über eine falenische Attentäterorganisation berichtet, deren zwei Anführer nach Nagarea geflüchtet waren, nachdem die neue Königin die Bande gewaltsam aufgelöst hatte. Ich glaube der Name des Kommandanten war… Take… Takefute!“ Er musste einen Schrei unterdrücken, nachdem er sich schmerzhaft auf die Zunge gebissen hatte. „Oh, Herr Takeda! Habe ich was Falsches gesagt?“ „Nein, nein! Alles in Ordnung, ich habe mir nur auf die Zunge gebissen.“ Er schämte sich für dieses peinliche Verhalten, aber ihre Aussage hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. War das vielleicht eine Anspielung gewesen? Er musste diese Burg so schnell wie möglich verlassen. Wenn die Samurai in Erfahrung brächten, dass der Arzt in Wirklichkeit der Sohn des gefürchteten Kommandanten des Dunklen Tores war, würden sie ihn zu Tode foltern. Chizu musste schnell gesunden, und dafür würde er alles tun! „Ich werde Euch wieder einen Trank brauen, Lady Chizu. Die Unterhaltung hat mich sehr gefreut.“ Kurz danach stand er auf und stürmte aus dem Zimmer, eine verwirrte junge Frau zurücklassend. Er schalt sich innerlich, diesen scheinbar seltenen Namen in aller Öffentlichkeit zu tragen. Wofür hatte er eigentlich einen Zweitnamen? Anderseits war er zu jung gewesen, um in irgendwelchen Geschichtsbüchern erwähnt zu werden. Vielleicht war das alles nur Zufall, aber er wollte es nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Die Tür krachte beim Öffnen gegen die Wand, seine sonst so gut beherrschten Gefühle hatte er momentan nicht im Griff. Wütend stellte er fest, dass er sich mit seinem Verhalten verdächtig gemacht hatte, am liebsten würde er sich weinend im Bett herumwälzen. Nachdem er den Trank gemischt und ein Dienstmädchen aufgefordert hatte, ihn der Prinzessin zu bringen, beschäftigte er sich bis zum Abend mit einem anderen Gemisch aus Kräutern. Er zermalmte die nahezu geruchs- und geschmacklose Arznei zu einem Pulver und verstaute sie in einem kleinen Inrō, das er in der Innentasche seines Yukatas aufbewahrte. Takeda fing das Dienstmädchen, das das Abendessen brachte, auf der Treppe ab. „Ich nehme das Tablett, es riecht köstlich!“ Die Wangen des Mädchens glühten. „Nein, ich mach das schon… sonst denken alle, ich würde nicht arbeiten.“ Während er nach dem Tablett griff, glitten seine Hände über die ihre. Er konnte sehen, wie verlegen sie den Kopf in eine andere Richtung neigte. Vielleicht sollte er sich bei Gelegenheit bei seinem Vater für das attraktive Äußere bedanken, das er von ihm geerbt hatte – anderseits hatte ihm das aber auch oft genug Nachteile eingehandelt, besonders wenn er an die Missgönner und Perversen dachte. „Wir brauchen mehr Reiswein, bitte seid doch so freundlich, uns noch eine Flasche zu bringen.“ Nachdem er einige Male über ihre zittrigen Hände gestrichen hatte, unterlag sie seinem Charme und nickte schweigend. Sie machte auf den Stufen der Treppe kehrt und ging zurück in die untere Etage. Takeda balancierte triumphierend das Tablett auf einem Arm, während er mit der freien Hand das Essen mit Pulver bestreute. Schmunzelnd betrachtete er sein Werk, das sich in der dampfenden Hitze in Nichts auflöste. Mit langsamen Schritten eilte er in das Esszimmer der Samurai, hielt aber kurz vor der offenen Türe inne. „Das war eine wirklich gute Idee, Yaichi! Soviel Intelligenz hätte ich dir nicht zugetraut.“, hörte er die vergnügte Stimme von Senjuro sagen. „Schade, ich dachte, er würde unter deiner geheimen Beobachtung einen Fehler begehen.“ Takedas Mimik verfinsterte sich kurz, doch schnell wurde ihm bewusst, dass Senjuros Geständnis nur zur Provokation gedacht war. Er war nicht gerade schleichend den Flur entlang gelaufen, außerdem glaubte er nicht an solche Zufälle. Es war geplant gewesen, das in der Gegenwart des Arztes zu erwähnen. Der Schwarzhaarige glitt mit einem nonchalanten Gesichtsausdruck ins Zimmer. „Ich habe nicht die Absicht, Euch den Gefallen zu tun, Senjuro.“ Er stellte das wohlriechende Essen auf dem Tatami-Tisch ab und setzte sich dem verärgerten Samurai gegenüber. „Spioniert Ihr uns etwa nach, Herr Takeda?“, fragte Senjuro wutentbrannt, obwohl er mit voller Absicht über den Arzt gelästert hatte. „Darüber könnt Ihr sicherlich ein Liedchen singen.“ Lässig füllte er Reis in eine Schüssel, während sich die beiden anderen Samurai verzweifelte Blicke zuwarfen. Senjuros Gesicht wurde rot vor Wut, er griff sogar nach seinem Kurzschwert. Kaum hatte er das Heft seines Wakizashi gestreift, berührten Takedas Essstäbchen die Kehle des exzentrischen Mannes. Sein Adamsapfel hüpfte vor Aufregung und Angst. „Ich kann Euch damit töten, wenn ich es wollen würde. Ihr bringt mir kein Vertrauen entgegen, verlangt aber, dass ich die Prinzessin gesund pflegen soll. Das eine geht nicht ohne das andere, bislang habe ich keinen Fehler gemacht und auch nicht dann, als man mich so hinterlistig beschatten ließ. Ich helfe Lady Chizu, weil sie im Gegensatz zu Euch eine gutmütige Frau ist, die das Leben verdient hat.“ Er zog das Besteck zurück, um die Portion Reis zu vertilgen. „Ich möchte in Ruhe meiner Arbeit nachgehen. Vorsicht ist besser als Nachsicht, aber bitte lasst diese armseligen Provokationen sein, damit lauft Ihr ohnehin nur gegen die Wand.“ Schweißperlen hatten sich auf der Stirn des Schönlings gebildet, seine Wut war verflogen. „Gut, dieser Punkt geht an Euch, Takeda.“ Die Samurai fingen schweigend an, ihre Schüsseln ebenfalls mit Reis und Fisch zu füllen. Erleichtert seufzten Yaichi und Zanji auf, da sie mit einem Gefecht gerechnet hätten. Erst, als Reiswein an die vier verteilt wurde, lockerte sich die Stimmung, bis sie am Ende sogar fröhlich irgendwelche Lieder trällerten. Takeda gähnte schwer. „Ich falle gleich um, ich muss unbedingt ins Bett.“ „Du hast scheinbar zuviel getrunken.“, meinte Yaichi gutgelaunt, aber das Gähnen des anderen schien ansteckend zu sein. Müde rieb er sich die Augen und auch die Gemüter der anderen Samurai waren ermattet vom Alkohol. „Gut, gehen wir ins Bett. Bis morgen.“ Erschöpft und mit schwankenden Beinen verließ Senjuro das Zimmer und die anderen drei folgten seinem Beispiel. Takeda ließ sich bäuchlings auf den Futon fallen, als er endlich sein Zimmer erreicht hatte. Mit einem siegessicheren Grinsen rollte er sich auf den Rücken. „Selbst der stärkste Krieger unterliegt der Wirkung einer Droge.“ Das hierfür passende Gegenmittel hatte er noch vor dem ersten Bissen zu sich genommen. Außerdem war sein Körper gegen einen Großteil von Drogen immun, zumal er sie am eigenen Leib getestet hatte. Das Dunkle Tor war sogar für seine Drogenabteilung bekannt, die einst von dem Anführer Tsuranami geleitet worden war, der auch Takedas Lehrer im medizinischen Wissen gewesen war. Aber aus persönlichen Gründen hatte er die anderen beiden Attentäter nicht bei der Flucht begleitet, sondern war noch einigen Versprechen nachgekommen. Takeda starrte ausdruckslos an die Decke. Hatte sein Vater ihn auch dafür gehasst, dass er sich so zu einem Verräter hingezogen gefühlt hatte und lieber dessen Wissen weiterführen wollte? Sicherlich auch, aber an erster Stelle stand wohl oder übel seine Mutter, da Takefute von Grund auf ein besitzergreifender Mensch gewesen war und diese Frau einfach mit niemanden hatte teilen wollen – nicht einmal mit seinen Kindern. Nachdem Takeda sich sicher war, dass die drei Samurai für die nächsten Stunden eingeschlafen waren, richtete er sich auf und machte sich schleichend auf den Weg in Chizus Waschzimmer. Nur ein kleines Fenster erhellte das edel möblierte Bad der Prinzessin und ließ ihn die Gegenstände unklar erkennen. Er suchte nach der frisch gewaschenen Bettwäsche, die vermutlich morgen neu bezogen werden würde. Kaum hatte er sie in einem großen Korb gefunden, erklangen Schritte im Flur, die sich dem Raum näherten. Sein Herz raste, das würde sein Todesurteil werden! Das Fenster konnte ihm keine Fluchtmöglichkeit bieten, selbst mit dem Körper einer Frau hätte er nicht durchgepasst. Die Tür konnte er unmöglich nutzen, die Schritte stoppten soeben davor. Innerlich fluchend versteckte er sich im Korb, der durch seine geflochtene Konstruktion eine gute Sicht auf die plötzlich auftauchende Person bot: Chizu betrat mit einer Laterne in der Hand das Bad, das natürliche und von der Lampe ausgehende Licht ließen ihre Haut durchsichtig wie die eines Geistes erscheinen. Ein langes, weiß-durchsichtiges Nachtgewand verstärkte den Eindruck, betonte aber gleichzeitig ihre makellose Schönheit. Leise singend zündete sie einige Kerzen an, während die Schritte mehrerer Personen auf dem Flur zu hören waren. Die Dienerschaft trug dampfende Schüsseln in den Raum und füllte das Becken mit heißem Wasser. „Danke.“, flötete sie leise und wartete, bis auch der letzte den Raum verlassen hatte. Seufzend streifte sie das schulterlose Kleid vom Körper, das leise raschelnd zu Boden glitt. Takedas Mund öffnete sich vor Entsetzen, als er den noch vor kurzem verborgenen Körper in all seiner Ganzheit betrachten konnte. Er wollte sich ohrfeigen, besonders weil er die Augen nicht von ihren Brüsten ließ, deren dunklen Spitzen noch von keinem Mann berührt worden waren. Erst, als sein Blick bei ihrer jungfräulichen Scham hängenblieb, rief er sich zur Besinnung. Der Arzt wollte die von ihm selbst verursachte Situation nicht schamlos ausnutzen, um die begehrenswerte Chizu beim Baden zu beobachten. Zumal dieser Anblick nicht spurlos an seinem Körper vorbeigegangen war. Er seufzte schwer. Wieso musste ihn das Leben so bestrafen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)