The one I love von -HyukJae- (YeMin) ================================================================================ Kapitel 1: han -------------- Ich sitze im Zug. Ratternd rollt er über die Schienen. Rüttelt mich sanft. Schnell fliegt die Landschaft an mir vorbei. Die Bäume. Die Sträucher. Die Dörfer. Die Äcker. Die Wiesen. Die Menschen. Die Zeit. Ruhig sitze ich da. Sehe alles und registriere doch nichts. Meine Gedanken sind nur bei ihr. Meiner Großmutter. Wie oft bin ich auf dem Weg zu ihr so im Zug gesessen. Voller Vorfreude konnte ich es kaum erwarten endlich in Anseong anzukommen. Jedes Jahr in den Ferien habe ich sie besucht. Jedes Jahr hab ich mich auf diese Zeit gefreut. Jedes Jahr durfte ich sie sehen. Doch jetzt wird es meine letzte Reise in ihr kleines Dorf werden. Eine letzte Reise um ihr Auf Wiedersehen zu sagen. Ein letzte Reise um Abschied zu nehmen. Auch wenn ich sie sonst das ganze Jahr nicht gesehen habe, war da doch immer der Gedanke an sie. Und jetzt? Ich vermisse sie. Das Wissen nie mehr ihr Lachen zu sehen. Das Wissen nie mehr ihr Ratschläge zu Rate ziehen zu können. Das Wissen nie mehr dieses Gefühl der Geborgenheit erfahren zu können, das alles frisst mich auf. Lässt mein Inneres leer zurück und macht sich davon. Wieder sehe ich aus dem Fenster. Die Zeit fliegt vorbei, viel zu schnell ist sie auch für sie vorbei gegangen. Viel zu schnell lässt sie mich allein zurück. Allein im großen Seoul. Einer Stadt voller Leben in der niemand Zeit hat. Nicht für sich, nicht für andere. Einer Stadt, die Tag und Nacht am Leben ist. Die keinen Stillstand kennt, die nie leer und einsam ist. Einsam sind nur die Menschen. Menschen wie ich, die vom Land kommen, denen es schwer fällt sich zu integrieren, denen es schwer fällt auf Anhieb Kontakte zu knüpfen, denen es schwer fällt dem Rausch und der Hektik zu folgen. Menschen, die die Ruhe mögen. Der Zug hält an. Osan lese ich auf einem der Schilder. Bald ist meine Reise zu Ende. Menschen die zusteigen suchen einen Platz. Es herrscht Unruhe, doch ich bemerke das alles nicht. Viel zu sehr hänge ich meinen eigenen Gedanken nach. Starre aus dem Fenster. Spüre die Schwere in meinem Herzen. „Entschuldigung..?“ Warum nur durfte ich sie nicht noch einmal sehen. Ein letztes Mal ihre Wärme spüren. Ein letztes Mal ihr Lachen sehen. Ein letztes Mal ihre Stimme hören. „Entschuldigung..!“, ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Drehe den Kopf und blicke in das Gesicht eines Jungen. Er lächelt mich freundlich an. „Na endlich. Ist der Platz hier noch frei?“, fragt er mich. Ich nickte. Wende meinen Kopf wieder gen Fenster. Kümmere mich nicht weiter um ihn. Laut verstaut er sein Gepäck oben auf der Gepäckablage. Dann lässt er sich schwer ausatmend neben mir auf den Sitz fallen. Der Zug fährt an. Rüttelnd setzt er seine Fahrt fort. Beschleunigt und bringt mich weiter Richtung Anseong. „Ich bin Sungmin.“, plappert der Junge neben mir. Ich gehe nicht darauf ein. Möchte mich nicht unterhalten. „Und du?“, hakt er nach. Ich schweige. „Wo fährst du hin?“, warum kann er nicht einfach still sein? Nichts sagen? „Ich bin auf dem Weg nach Anseong.“ Ich wende mich ihm zu. Anseong. Er strahlt mich an. Legt den Kopf leicht schief. „Du also auch. Was machst du dort?“ ich wende mich wieder ab. Der Gedanke daran lässt mein Herz schwer werden. „Ich werde dort Ferien machen. Meine Tante lebt in Anseong und da ich sie so selten sehe, habe ich beschlossen sie zu besuchen.“ Ich spüre, dass er mich ansieht. Ich spüre, dass er mit mir reden möchte, sich mit mir unterhalten möchte. „Von wo kommst du? Hast du schon eine lange Reise hinter dir? Du wirkst müde.“ Wie ist noch sein Name? Sungmin? Warum merkt er nicht, dass ich das nicht möchte? Ich möchte das nicht. „Mhh…du möchtest also nicht mit mir reden. Schon ok. Ich wollte dich nicht stören.“ Endlich. Ich schaue weiter aus dem Fenster. Die Landschaft rast an uns vorbei. Ich spüre wie ich immer unruhiger werde je näher wir an das Dorf kommen. Ich rutsche hin und her. Weiß nicht wie ich sitzen soll. Versuche mich zu beruhigen, doch ich kann meine Emotionen nicht beherrschen. Nicht kontrollieren. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen. Die Gedanken an die….die….die Beerdigung. Die Gedanken an sie, das alles überkommt mich mit einem Schlag. Als mein Onkel mich anrief um mir mitzuteilen was passiert ist, habe ich nicht geweint. Keine einzige Träne habe ich vergossen. Doch jetzt… Ich blinzle, versuche sie zurück zu halten. Blinzle erneut. Hebe meine Hand vor den Mund um ein Schluchzen zu unterdrücken, doch zu spät. Ich schließe meine Augen und die Tränen wandern langsam über meine Wangen. „Hey…hey….alles ok?“ Eine Hand auf meinen Schultern. Eine besorgte Stimme. Diese Wärme. Großmutter ? Ich sehe auf. Mein Blick verschleiert durch das Nass. „Großmutter….? Großmutter…“ das Schluchzen schüttelt meinen Körper. Ich lehne mich an, wie ich es immer getan habe wenn ich Sorgen hatte. Ich lehne mich an und werde einfach nur im Arm gehalten. Ich fühle mich wohl. Die Wärme. Die Nähe. Die Geborgenheit. Wie sehr ich sie vermisst habe. „Großmutter…“, meine Stimme bricht weg und es bleibt nichts als ein heiseres Hauchen. „…bitte lass mich nicht allein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)