Unsterblich von Flordelis (My Immortal ~ Eternal Chronicles) ================================================================================ Kapitel 33: Ein Funken Hoffnung ------------------------------- Wie Leana gehofft hatte, waren alle inzwischen wach. Ylva schien noch immer reichlich müde, sie gähnte immer wieder, hielt sich aber tapfer wach. Fuu und Tokimi unterhielten sich leise, verstummten aber sofort, als sie sahen, wie Leana auf die Lichtung trat. Sie setzte sich zu Ylva und schloss diese wortlos in eine Umarmung, gegen die sich das Mädchen nicht einmal wehrte, sondern sich sogar an die Eternal schmiegte. Offenbar spürte sie, dass Leana Trost durchaus gut gebrauchen konnte, selbst wenn er nur zu der stillen Sorte gehörte. „Wie fühlst du dich heute?“, fragte Tokimi fürsorglich, Fuu lächelte darauf lediglich. Leana antwortete darauf nicht, es schien ihr viel zu schwer, darauf eine richtige Antwort zu finden und sie wollte erst gar nicht darüber nachdenken, wenn es nicht sein musste. Also lenkte sie das Gespräch auf ein anderes Thema: „Fuu, Tokimi, es gibt etwas, das mich interessiert.“ „Worum geht es?“, hakte Fuu nach. „Nachdem Nanashi nun tot ist, besteht da überhaupt noch die Möglichkeit, dass Zetsu jemals zurückkommen kann?“ Schweigen breitete sich nach dieser Frage aus. Fuu und Tokimi tauschten einen Blick miteinander, keiner, der danach aussah, als ob sie die Antwort wüssten und sich nur fragten, ob und wie sie ihr diese mitteilen sollten, sondern eher, als ob sie sich selbst nicht sicher waren und nun von dem jeweils anderen mehr zu erfahren hofften. Die Sekunden, in denen sie stumm miteinander kommunizierten, vergingen nur träge, zogen sich zäh dahin und wurden für Leana zu Stunden. Als Tokimi ihr erneut den Blick zuwandte, war das Gesicht der Eternal finster. „Ich kann es dir nicht sagen. Wie du vielleicht selbst weißt, ist so etwas noch nie geschehen.“ Mit einer solchen Antwort hatte Leana gerechnet, aber sie wollte dennoch nicht einfach lockerlassen. „Kannst du mir nicht einfach irgendetwas sagen? Auch wenn du es nicht in der Zukunft sehen kannst, müsste es dir doch möglich sein, zumindest eine Annahme zu machen.“ Tokimi kam ihr jedenfalls nicht wie jemand vor, der mit Mutmaßungen hinter dem Berg hielt, sofern sie explizit darum gebeten wurde. Sie hoffte, sich nicht zu täuschen, aber der verschlossene Geschichtsausdruck der anderen gab ihr nicht viel, was sie daran glauben ließ. „Man kann es wirklich nicht sagen“, beharrte Tokimi. „Wir haben noch nie einen solchen Fall erlebt, das hier wird ein richtiger Präzedenzfall. Rushiima wird sicher seine Freude daran haben.“ Leana fragte lieber gar nicht nach, wer das sein sollte, es interessierte sie immerhin auch nicht. Ihr Interesse galt immer noch einzig der Frage, wie es mit Zetsu weitergehen würde. „Ich will dir keine Hoffnungen machen, die vollkommen haltlos sind“, sagte Tokimi ernst. „Es ist mir lieber, wenn wir hier auf einer Ebene miteinander kommunizieren.“ Normalerweise hätte Leana ihr da durchaus zugestimmt. Aber gerade in diesem Moment, bei dieser Frage, wollte sie eine definitive Antwort. Eine tröstliche Lüge, die kalte Wahrheit, alles wäre ihr lieber gewesen als eine derart feige Ausflucht. Aber sie konnte nicht auf Tokimi zählen. Unwillkürlich wandte sie ihre Aufmerksamkeit Fuu zu, dem anderen Verantwortlichen für diese Situation, in der Hoffnung, dass er ihr etwas anderes sagen würde. Sein sanftes Lächeln, das einfach jeden beruhigen musste, der es sah, erzielte diese Wirkung auch bei ihr. „Ich bin mir sicher, dass du Zetsu wiederbegegnen wirst.“ Seine Stimme klang nicht danach, als würde er lügen, um sie zu trösten und seine Worte verrieten, dass er auch nicht einfach vermutete. Nein, Fuu war davon überzeugt, dass sie Zetsu wiedersehen würde und so wirkte er auch. Leana entging zwar Tokimis tadelnder Blick in seine Richtung nicht, aber diesen blendete sie vorerst geschickt aus. Sie wollte sich an den hoffnungsvollen Worten des Magiers laben und damit wieder an Kraft gewinnen, um die Zeit bis zu ihrem Wiedersehen zu überbrücken. „Glaubst du das wirklich?“ Sein Lächeln wandelte sich um keine einzige Nuance, es blieb so selbstsicher wie zuvor, als er nickte. „Ich bin davon überzeugt. Natürlich wissen wir nichts über diese Situation, weil wir noch nie in einer solchen waren. Aber ich weiß, dass wir mit genug Glauben und Beharrlichkeit alles zum Guten wenden können. Außerdem habt ihr einen Eternal Oath abgelegt. Zetsu wird wiederkehren, das garantiere ich dir.“ Leana blickte auf ihren Arm hinab und fragte sich, woher Fuu von dem Oath wusste. Es war nicht das erste Mal, dass er solche Dinge einfach wusste, aber dennoch stellte sie sich immer wieder diese Frage, ohne je eine Antwort darauf zu erhalten – was auch so gewesen wäre, hätte sie diese laut ausgesprochen. Er würde nur wissend lächeln und ihr jede Erklärung schuldig bleiben. „Aber sein Shinjuu...“ Eine Handbewegung von Fuu brachte sie zum Schweigen. „Es gibt kein Problem, das sich nicht lösen lässt“, sagte er. „Sobald du ihm begegnest, wirst du sehen, dass es auch dafür eine Lösung gegeben hat.“ Seine Worte erschienen ihr mehr wie eine Prophezeiung, als eine Vermutung, so als wüsste er etwas, das in der Zukunft lag und sogar Tokimi verborgen blieb. Aber was auch immer sie im Endeffekt waren, sie war dankbar, dass er sie ausgesprochen hatte, denn diese Worte ließen sie neue Hoffnung schöpfen – und sie auch ein wenig neugierig werden, worin diese Lösung am Ende bestehen würde. „Danke, Fuu.“ Diesmal änderte sich sein Lächeln tatsächlich, er schien glücklich darüber zu sein, dass er sie ein wenig hatte aufmuntern können. Tokimi dagegen wandte den Blick ab, vermutlich um diese gelöste Stimmung nicht weiter zu belasten und Fuu auch nicht direkt mit Fragen zu löchern, die ihr verraten sollten, woher er dieses Wissen zu nehmen glaubte, wenn es sogar ihr vorenthalten wurde. Während Leana nun wesentlich leichter atmen konnte, strich sie über Ylvas Kopf, was die Inugami sichtlich genoss – jedenfalls bis sie plötzlich alarmiert die Ohren aufstellte und sich hektisch umsah. „Was ist los?“, fragte Tokimi irritiert, als sie das Mädchen ansah. Ylvas Ohren zuckten nervös, während sie nach wie vor in eine bestimmte Richtung starrte. „Ich glaube, Ayumu und Hyperion sind zusammen unterwegs zurück zur Burg!“ Der grauende Morgen tauchte den Wald in ein düsteres Licht, das exakt zu seiner Stimmung passte. Dennoch vermied er es, den Kopf in den Nacken zu legen und die finsteren Blätterdächer zu betrachten, die aussahen, als würden sie nach Menschen zu greifen versuchen, um sie in die Dunkelheit zu ziehen. Stattdessen sah er auf seine Füße hinab, mit dem rechten zeichnete er Kreise in die Erde, die keinerlei Bedeutung besaßen und versuchte dabei, klare Gedanken zu fassen, während er sich gegen einen mächtigen Baumstamm lehnte. Leana lehnte ihn ab, zog diesen Zetsu ihm vor und das, obwohl er wirklich alles tat, um ihre Aufmerksamkeit und ihre Liebe für sich zu gewinnen. Der Blick in ihren Augen, das Schluchzen, als sie an Zetsu gedacht und ihm mitgeteilt hatte, dass sie nur diesen wollte, all das stach in seiner Brust und versuchte gleichzeitig, sein Herz auseinanderzureißen. Sie war der Grund, warum er lebte, warum er den Angriff auf sein Dorf überlebt hatte – und nun war ihm dieser entrissen worden. Leana wollte ihn nicht, er konnte nicht in seine Heimat zurück, es gab für ihn nichts mehr, so glaubte er. In dieser Situation gab es nur eine Sache, die er tun konnte und die ihn vielleicht doch noch an sein Ziel katapultieren würde. Eine Sache, an die sicherlich schon jemand anderes einmal gedacht hatte. Jemand, der in diesem Moment bei ihm war und sich verborgen hielt. „Du hast denselben Gedanken, nicht wahr?“, sprach er in die Stille hinein. Hyperion, der auf der anderen Seite des Stamms lehnte, fast so als müssten sie Rücken an Rücken stehen, um ein Bild zu vervollständigen, antwortete nicht auf diese Frage, aber Ayumu benötigte das auch nicht. Er wusste, was Hyperion sagen würde, wenn er sich entscheiden würde zu sprechen. „Deswegen bist du hier“, fuhr Ayumu fort. „Du willst mich noch nicht töten, aber du willst, dass ich losgehe, um Eos zu töten, in der Hoffnung, dass du dann mit mir eine wesentlich leichtere Zeit haben würdest.“ Obwohl ihm erneut nur Stille antwortete, hörte er klar und deutlich, dass er im Recht war, was ihm ein amüsiertes Lachen entlockte. „Aber du irrst dich, Hyperion. Ich bin kein leichter Gegner und sobald ich Eos getötet habe, wirst du derjenige sein, der meiner Klinge zum Opfer fallen wird.“ Wieder Stille, aber er glaubte, Hyperion lautlos lachen zu hören. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte er sich bereits in Bewegung gesetzt, um von dem anderen fortzukommen und seinen Plan in die Tat umzusetzen. Wenn er Eos und dann Hyperion getötet hatte, würden die einzelnen Bruchstücke wieder zusammenkommen und dann würde er die Gewalt über Zetsus Körper an sich reißen und endlich das bekommen, was er sich erhoffte. Er würde mit Leana zusammensein und sie würden beide glücklich werden. Derart in seine Gedanken vertieft, bemerkte er erst bei Verlassen des Waldes, das Hyperion ihm folgte, offenbar erpicht darauf, zu beobachten, wie es weitergehen würde, um dann selbst im passenden Augenblick zuzuschlagen. Aber im Moment störte sich Ayumu nicht weiter daran, seine Konzentration galt ganz anderen Dingen und zwar ungeteilt. Sollte der andere ihm nur folgen, er würde schon sehen, was er davon hatte und auf diesen Moment freute er sich bereits. „Er ist nicht mehr im Wald“, bestätigte Fuu. Woher er das nun wieder wusste, war Leana wie gewohnt ein Rätsel, aber diesmal war es nicht die Lust, die ihr fehlte, darüber nachzudenken, sondern die Zeit. Wenn Ayumu sich wirklich gemeinsam mit Hyperion auf dem Weg zur Burg befand, war er in Gefahr. Auch wenn sie seinen genauen Plan nicht kannte, so war sie doch in der Lage, sich vorzustellen, was er vorhatte – und es war etwas, das ihr nicht im Mindesten gefallen wollte. „Woher weißt du, dass er auf dem Weg zur Burg ist?“, fragte Tokimi mit gerunzelter Stirn. Offenbar ließen ihre Visionen nach und das missfiel ihr. Jedenfalls konnte Leana sich an keine einzig verlässliche Vorhersage der Eternal erinnern, seit sie dieser begegnet war. Hatte sie seitdem überhaupt irgendetwas vorhergesehen? Ylva deutete in die Richtung, in der die Burg lag. „Ayumus Geruch geht in diese Richtung und der von Hyperion auch. Sie riechen fast gleich, deswegen ist es nicht so leicht, aber ich bin ganz sicher.“ Tokimi legte die Hände vor der Brust aneinander, als bräuchte sie das, um zu überlegen. „Wenn Ayumu und Hyperion zu Eos gehen, kann das nur einen Grund haben. Wie sollen wir vorgehen?“ „Na wie wohl?“, platzte es aus Leana heraus. „Wir müssen sie aufhalten!“ „Bist du dir sicher?“, fragte Tokimi ernst. „Dein Problem könnte sich schnell erledigen, wenn du die drei einfach gegeneinander kämpfen lässt.“ Am Liebsten hätte Leana einen frustrierten Schrei ausgestoßen, um der Eternal zu zeigen, was sie von dieser Art Vorschlag hielt und dass sie es nicht schätzte, dass sie mit so etwas Zeit verschwendeten. Aber sie beließ es bei einem glühenden Blick, der Tokimi wortlos zu überzeugen schien, denn plötzlich nickte sie. „In Ordnung. Wir werden ebenfalls zur Burg zurückgehen.“ Ihre Stimme wirkte, als ob sie nicht sonderlich erpicht darauf wäre – und da kam Leana plötzlich der Gedanke, dass Tokimi doch etwas gesehen hatte und zwar, dass sie auf jeden Fall zu spät kommen oder etwas Schlimmes geschehen würde. Doch sie konnte sich nicht darauf ausruhen, sie musste und wollte selbst eingreifen, in einem Versuch, das Schicksal zu ändern. Immerhin hatte Tokimi ihr bereits gesagt, dass keine Vorhersage hundertprozentig der Wahrheit entspräche. „Dann gehen wir“, sagte Tokimi und setzte sich bereits in Bewegung, worauf Fuu sich ihr rasch anschloss. Ylva warf noch einen Blick auf Leana, dann folgte sie den beiden ebenfalls. Die Zurückgebliebene dagegen atmete noch einmal tief durch, als sie in den langsam blau werdenden Himmel hinaufsah. Er war nicht grau, so wie an jenem Tag, an dem sie Zetsu verloren hatte. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Vielleicht wollte sie auch nur an ein solches glauben. Aber das war immerhin besser als gar nichts. Wenn sie fest genug daran glaubte, würde alles gut werden, zumindest wenn sie Fuus Worten Glauben schenken wollte. Mit diesen Gedanken im Sinn, fuhr sie herum und schloss sich den anderen eilig wieder an, um zur Burg zu gelangen und Ayumu vor sich selbst zu retten. Ein Unterfangen, für das sie hoffentlich noch rechtzeitig kommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)