Unsterblich von Flordelis (My Immortal ~ Eternal Chronicles) ================================================================================ Kapitel 24: Wieder unter den Lebenden ------------------------------------- Als sie dieses Mal erwachte, wusste sie sofort, dass sie sich wieder dort befand, wo sie zum ersten Mal bewusstlos geworden war. Der Geruch der Rosen war fort, aber statt des Gestanks des Sumpfes, nahm sie einen angenehmen Duft von Zimt wahr. Sie öffnete die Augen und erblickte über sich eine helle, freundliche Holzdecke, die ihr nicht im Mindesten bekannt vorkam. Ein Rascheln folgte als Reaktion auf ihre geöffnete Augen und im nächsten Moment spürte sie, wie jemand neben das Bett trat. Sie wandte den Kopf, um die Person zu betrachten und war nicht sonderlich überrascht, dass es sich dabei um Ayumu und Ylva handelte. Das Mädchen wedelte aufgeregt mit dem Schwanz, die Ohren stellten sich auf. „Leana, du bist wieder wach~!“ Sie nickte schwach zur Antwort, Worte zu formen fiel ihr unsäglich schwer, sie fühlte sich als würde ein schweres Gewicht auf ihrer Brust liegen und gleichzeitig ihre Stimmbänder lähmen. „Du solltest dich nicht zu sehr anstrengen“, mahnte Ayumu mit überraschend ernster Stimme. „Lilly hat zwar deinen Körper von dem Gift reinigen und die Verletzungen heilen können, aber du bist trotzdem geschwächt.“ Diese Aussage gefiel ihr nicht im Mindesten. Schwach zu sein passte einfach nicht zu ihr. Also biss sie die Zähne zusammen, als ein scharfer Schmerz durch ihren Körper fuhr, während sie sich aufzurichten versuchte. Es kostete sie einiges an Mühe und Beherrschung, aber schließlich saß sie tatsächlich aufrecht im Bett, was ihr einen bewundernden Blick von Ylva und einen anerkennenden Pfiff von Ayumu einbrachte. Um zu verbergen, wie viel Anstrengung sie diese Bewegung gekostet hatte, blickte sie sich im Zimmer um. Das Fenster stand offen, so dass sich die weißen Gardinen in einem angenehmen Windhauch bauschten, die goldene Farbe des Lichts verriet, dass die Sonne gerade unterzugehen begann und sich bald rot färben würde – oder dass der Tag gerade erst angebrochen war. Ein runder Tisch mit mehreren Stühlen darum herum, der aus demselben Holz gefertigt schien wie die Decke, wartete mitten im Raum darauf, dass sich jemand setzte, um die gelben Blumen zu bestaunen, die er stolz in einer pastellfarbenen Vase auf sich trug. Der Schrank an der entfernten Zimmerwand stand offen und zeigte, dass er vollkommen leer war. Ihr fragender Blick genügte, um Ayumu wissen zu lassen, was sie beschäftigte und er darauf antworten konnte: „Wir haben dich aus dem Wasser gerettet und dich wiederbelebt. Danach haben wir dich so schnell wie möglich in ein Gasthaus gebracht, damit du dich erholen kannst.“ Seine Augen schimmerten seltsam freudig, als er von ihrer Wiederbelebung sprach. Unwillkürlich ruckte ihre Hand nach oben und berührte ihre Lippen, denen das Gefühl eines Kusses anhaftete. Zuerst hatte sie geglaubt, es wäre noch eine verblassende Erinnerung ihres Traumes, aber nun hatte sie hiermit eine ganz neue Erklärung und die wollte ihr nicht gefallen. Die Kraft der Empörung ließ sie endlich die Ketten um ihre Stimmbänder sprengen: „Was hast du getan!?“ Er lächelte entschuldigend und gleichzeitig versuchte er unschuldig auszusehen. „Ich habe dich nur wiederbelebt, sonst nichts. Hätte ich dich lieber sterben lassen sollen?“ „Hätte das nicht jemand anderes machen können?“, fauchte sie. Ayumu blickte auf Ylva hinab, die bereits wieder die Ohren sinken ließ und das Schwanzwedeln eingestellt hatte. „Das ging nicht“, erklärte sie bedrückt. „Ich weiß nicht, wie das geht, Lilly war damit beschäftigt, das Gift zu neutralisieren und Tokimi hat gegen die Wurzel gekämpft.“ Sie fragte nicht nach dem Magier, denn ihr war durchaus bewusst, dass er als kleiner Junge kaum eine Hilfe für irgendwen hatte sein können. Sogesehen war Ayumu die beste Wahl gewesen, aber es störte sie dennoch. Niemand außer Zetsu durfte ihren Lippen zu nahe kommen, nicht einmal ein Fragment von ihm! Aber sie war zu erschöpft, um wütend etwas zu erwidern, deswegen ließ sie die Schultern wieder sinken und wechselte das Thema, merkte sich das aber, um später noch einmal darauf zu sprechen zu kommen. „Wo sind Fuu und Tokimi?“ Lillys Namen und dieses kleine Mädchen ließ sie aus, sie waren kein Teil der Gruppe, der Magier und die Eternal aber irgendwie schon – immerhin hatten sie dieses Chaos zu verantworten. Ayumu deutete über seine Schulter. „Sie sind im Nebenraum und besprechen irgendetwas, scheint wirklich wichtig zu sein. Tokimi schaut reichlich ernst.“ Leanas Blick ging zwischen Ayumu und Ylva hin und her, dann trommelte sie ihre Kraft zusammen und stieg aus dem Bett. Augenblicklich schossen scharfe Schmerzen durch ihren Körper, brandeten in heißen Wellen durch ihre Brust, kamen aber nur dumpf an den tauben Beinen an, die sie mehr schlecht als recht aufrecht hielten – aber immerhin stand sie, wenn auch auf Ylva gestützt. Sie erinnerte sich wieder daran, von den Dornen durchbohrt worden zu sein, spürte aber keinerlei Blut, Verletzungen oder Verbände, offenbar hatte Lillys Heilmagie etwas bewirkt. Sie durfte nicht vergessen, sich bei ihr dafür zu bedanken. „Geht es?“, fragte das Mädchen besorgt. Leana nickte. Sie ignorierte Ayumus Blick, da er gehofft hatte, er dürfte sie stützen und ließ sich von Ylva zur Tür bringen. Als sie in den Nebenraum traten – der ein Zwilling des Zimmers, in dem Leana erwacht war, hätte sein können – verstummten die Gespräche sofort. Sie bemerkte auf einen Blick, dass Fuu ganz der Alte war, sogar seinen Zylinder trug er wieder, was sie ein wenig bedauerte, sie hatte den kleinen Zauberer gemocht, mehr jedenfalls als sein erwachsenes Ich. Sie alle saßen um einen Tisch herum, blickten auf Leana und zeigten sich ähnlich überrascht, dass sie es bereits aus dem Bett geschafft hatte. „Das ist aber auch ein Vorteil“, merkte Tokimi an, als Leana sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte. „So können wir die Reise schneller vorantreiben.“ „Wieso Reise?“, fragte Leana verwirrt. „Ich dachte, euch geht es darum, die Fragmente zu vernichten?“ Auch wenn sie mit diesem Ziel ganz und gar nicht einverstanden war. Lieber würde sie warten, bis die Personen, die aus Zetsus Splittern geworden waren, an einer natürlichen Ursache starben. Sie war ein Eternal, für sie war das lediglich ein Augenzwinkern in der Ewigkeit. Tokimi deutete ein Nicken an und legte die Hand auf ihr Herz. „Das ist nach wie vor unser Ziel und wir haben beschlossen, mit Eos anzufangen. Sie ist die einzige, die uns wirklich gefährlich werden könnte.“ „Und wie soll das aussehen?“, fragte Leana weiter und überlegte, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, weiterzuträumen. Zu ihrer Überraschung deutete Tokimi auf Ayumu, der sich mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt hatte. „Er ist ebenfalls ein Splitter. Wenn wir die anderen beiden zerstören, werden sie zu ihm zurückkehren und dann wieder zu Zetsu werden.“ Ihr Herz flatterte für einen kurzen Moment, als sie sich das vorstellte, aber dann kehrten ihre Gedanken wieder zu der Tatsache zurück, dass Ayumu nicht einfach eine Zeichnung war, die man ausradieren könnte, um Platz für Zetsu zu schaffen. Er war ein Lebewesen und musste auch unter allen Umständen vor solch einer Willkür beschützt werden – genau wie diese Eos und auch Hyperion. „Das könnt ihr nicht tun“, sagte sie deshalb, worauf alle sie wieder so überrascht wie zuvor ansahen. Lediglich Tokimi behielt ihren ernsten Blick bei, ihre Brauen zogen sich sogar noch ein wenig mehr zusammen, sie war eindeutig verärgert. „Wieso nicht? Eigentlich dürften sie nicht einmal existieren, genau wie Lakaien. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen.“ Da Ayumu nicht wusste, was Lakaien waren, trafen ihn diese Worte nicht, Leana wurde von ihnen umso stärker erwischt, für einen kurzen Moment drehte sich vor ihren Augen alles. „Wie kannst du das nur sagen?“, knurrte Leana. „Wie kannst du Lakaien mit diesen drei vergleichen? Sie sind vollkommen unterschiedlich! Lakaien sind künstlich geschaffene Wesen, die nur aus einem Instinkt heraus handeln, die keine Vergangenheit und keine Zukunft haben – ganz anders als diese drei! Sie sind Menschen!“ Mit jedem Wort war ihr Ärger auf die Eternal größer geworden und ihre Stimme damit fester, die Atmosphäre im Raum drückender. Während die anderen Anwesenden schwiegen, starrten Leana und Tokimi sich über den Tisch hinweg an. Keine von beiden war bereit, als erstes wegzusehen oder auch nur den Blick zu senken, auch wenn es sie beide viel Kraft kostete. Schließlich – Leana war davon überzeugt, dass mindestens eine Stunde vergangen war, in Wahrheit mochte es aber höchstens eine Minute gewesen sein – schloss Tokimi lächelnd die Augen. Sie seufzte theatralisch. „Gut, du hast gewonnen, wir werden sie nicht töten.“ Leana atmete kaum merklich auf und spürte erst in diesem Moment in dem die Anspannung von ihr abfiel, wie ihr Körper vor Anstrengung zu zittern begonnen. „Ich werde mir etwas anderes einfallen lassen“, versprach Tokimi. „Etwas, wodurch niemand zu Schaden kommt. Und wenn es die ganze Nacht dauert.“ Ihr Blick huschte zu dem Fächer, den sie in ihrer Hand hielt und Leana wusste genau, woran die Schreinmaid gerade dachte. „Es ist in Ordnung. Dir muss nicht schon heute Nacht etwas einfallen. Statt die Zeit so lange zurückzudrehen, bis du eine Idee hast, sollten wir uns heute alle ausruhen und dann morgen gemeinsam über das weitere Vorgehen sprechen.“ Schamesröte stieg Tokimi ins Gesicht, hastig steckte sie den Fächer wieder ein. Offenbar war sie es nicht gewohnt, dass man sie derart durchschaute. „Ja, das sollten wir“, stimmte sie zu. Die anderen waren ebenfalls damit einverstanden, lediglich Lilly erhob sich. „Ich werde dann besser wieder gehen. Jemand muss Mey auch wieder zurückbringen.“ Mit diesen Worten hob sie das Mädchen, das Leana gar nicht aufgefallen war, vom Boden auf. Sie war noch immer gefesselt, ein Pflaster klebte über ihrem Mund, die Stirn war zornig gerunzelt, aber sie schien bei bester Gesundheit zu sein. Leana versuchte ebenfalls aufzustehen, scheiterte aber an ihrem zitternden Körper. „Warte! Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, dass du mich geheilt hast.“ Lilly schüttelte den Kopf. „Das ist schon in Ordnung. Es war das Mindeste, was ich tun konnte.“ „Ich habe dir ebenfalls noch nicht gedankt“, fiel Fuu in diesem Moment ein, worauf er zu lächeln begann. „Vielen Dank, Lilly.“ Sie warf einen kurzen Blick zu ihm und in diesem Moment glaubte Leana, sehen zu können, wie sie errötete, doch als Lilly die Augen niederschlug, war es wieder fort. „Schon gut. Es war immerhin die Schuld meiner Schwester, dass das überhaupt geschehen konnte.“ Ohne sich auf eine Diskussion einzulassen – und Fuu schien definitiv bereit dazu, da er bereits wieder den Mund öffnete – ging sie hastig mit Mey davon. Doch bevor sie ging, tauschte sie noch einen letzten Blick mit Tokimi und Leana war davon überzeugt, einem Moment der Verschwörung beizuwohnen, den sie nicht verstehen konnte. Im nächsten Augenblick war Lilly fort und das Gefühl, dass ein Komplott im Gange war, verschwand mit ihr. Bleierne Müdigkeit legte sich auf Leanas Lider, sie bemerkte, dass sie viel zu viel von sich abverlangt hatte nach dem Aufwachen und stellte sich vor, wie Zetsu sie dafür tadeln würde. Das brachte sie zum Lächeln und ließ sie die Augen schließen, damit sie auch sein besorgtes Gesicht vor sich sehen konnte. Und bevor sie sich versah, war sie bereits wieder eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)