Dance with me von sissyphos (Naruto & Sasuke) ================================================================================ Kapitel 11: Fieberwahn ---------------------- Inzwischen war es schon später Nachmittag. Es war jetzt fast eine Stunde vergangen, seit ich Sasuke im Bad eingeschlossen hatte. Also stand ich nun, endlich angezogen, vor der Tür, drehte den Schlüssel herum und klopfte sogar vorher noch an. "Bist du fertig?" Ich wartete einen Moment, doch es folgte keine Antwort. "Ich will wissen, ob du fertig bist", wiederholte ich, nun etwas lauter. Wieder dauerte es geschätzte Ewigkeiten, aber dieses Mal kam ein leises "Ja" aus dem stickigen, kleinen Raum. Also drückte ich die Türklinke herunter und trat in den weißen Schleier aus Wasserdampf. Alles duftete nach Vanille. Ich liebe diesen Geruch! "Bist du das, Naruto?" Verdutzt sah ich in seine glasigen Augen. Ich stand direkt vor ihm. "Ähm, ja. Ich bin's. Warte, zieh' erstmal den hier über", meinte ich und reichte ihm meinen blauen Bademantel, der wie immer ungefaltet auf der Wäschetruhe lag - aber immerhin frisch gewaschen. Er nickte und schlüpfte hinein, ließ ihn aber noch offen. Ich starrte wie gebannt auf seinen fast nackten Körper. Würde er jetzt zuerst das Handtuch abnehmen, das seine Hüften bedeckte und dann erst den Bademantel schließen? Ich drückte mir selbst die Daumen. Wie in Zeitlupe legte Sasuke seine Finger an das Handtuch - komm schon, komm schon, komm schon! Vor Spannung kippte ich beinah aus den Latschen. Doch dann wandt er mir auch schon den Rücken zu, reichte mir kurz darauf das Handtuch und stand binnen weniger Sekunden zugeschnürt vor mir. Beleidigt glotzte ich ihn an, nahm das Handtuch entgegen und schmiss es einfach zur Seite, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. Er sah aus, als hätte er fünf Tage dauergekifft, aber selbst das half nicht! Mir war zum Heulen zumute. Dann begutachtete ich sein Gesicht jedoch genauer. Einzig und allein sein Blick sah zugedröhnt aus. Ansonsten waren seine Wangen von der Hitze leicht gerötet und sein nasses Haar hing ihm strähnig ins Gesicht. Eigentlich sah er so ganz süß aus. Ein süßes Arschloch eben! Wenigstens einen einzigen, winzig kleinen Blick zwischen seine Beine hätte er mir schon gönnen können, wo ich mich doch so aufopfernd um ihn kümmere. Beziehungen leben von Geben und Nehmen. Tja, ich gebe und er nimmt - toll. Bei dem Wort "Beziehung" musste ich laut aufseufzen - schön wär's. "Komm' mit, du Wrack", murmelte ich, von meinen Gedanken etwas angepisst, packte ihn am Handgelenk und zog ihn einfach hinter mir her. Kläglich versuchte er mit mir Schritt zu halten, holperte und stolperte aber nur meinen Weg entlang. Aber das war mir gerade echt egal. Ich zog ihn ins Schlafzimmer, hielt vor meinem Schrank an, ließ ihn los und kramte ein paar Klamotten raus. Meine Augen huschten über das Scherzgeschenk, das ich von Kiba zu meinem 18. Geburtstag bekommen hatte - ein Stringtanga für Männer. Echt wiederlich, sowas würde ich nie anziehen, aber irgendwie konnte ich auch nichts wegschmeißen. Eine Angewohnheit, die man sich wohl nur aneignet, wenn man sowieso nicht viel besitzt. Plötzlich besserte sich meine Laune wieder. Vielleicht würde Sasuke darin ja ganz gut aussehen? Ich schielte zu ihm herüber - er stützte sich mit einer Hand am Schrank ab, sein Atem ging schwer und seine Haare waren fast völlig zerzaust. Nachdenklich schaute ich wieder auf das weinrote Ding. Na ja, später vielleicht. Momentan war die Gefahr einfach zu groß, dass er einen Kollaps erlitt und tot umfiel. Also entschied ich mich für die graue Boxershorts, eine schwarze Jogginghose - sowas trägt er ja so gerne - und ein weißes Shirt. Das gebündelte Paket drückte ich ihm schließlich in die Hand und drehte ihm meinen Rücken zu, um ihm zu signalisieren, dass er sich nun umziehen konnte, während er mühselig in Richtung Bett torkelte. Nicht hinsehen - nicht hinsehen - nicht hinsehen. Ich bin nicht pervers. Und auch kein Spanner. Meine Finger kribbelten. Der Gedanke daran, dass er gerade nackt war, machte mich wahnsinnig. Und schließlich drehte ich mich doch um. Verflucht seist du, elender Sexualtrieb! Ich hatte definitiv zu lange mit meinem überflüssigen Gewissen gekämpft, denn Sasuke zog sich gerade das T-Shirt über den Kopf und drehte sich dann zu mir. Das war nun schon das zweite Mal! Und das an einem einzigen Tag. Das Pech verfolgte mich wie ein geprägtes Küken. Am Rande eines Nervenzusammenbruchs, steuerte ich erneut auf ihn zu, packte ihn wieder am Handgelenk und zog ihn mit mir. "Komm' mit!", rief ich. Sasuke sagte nichts. Er versuchte nur wie zuvor, mit mir Schritt zu halten. Hatte seine Krankheit denn gar nichts Positives an sich? Während ich ihn auf den Küchenstuhl drückte, grübelte ich angestrengt nach. "Kann ich ein Glas Wasser haben?", keuchte Sasuke nun, etwas heiser. "Ja ja", murmelte ich, ging in Gedanken vertieft zum Wasserhahn, füllte ein Glas und stellte es vor ihn auf den Tisch. Ich hörte seine Schluckgeräusche. Und während ich über seine Krankheitssymptome nachdachte und wie man eben diese behandelte, kam mir die Idee. Übereifrig legte ich eine Hand an seine Stirn - wie erwartet, glühte sie. Ich räusperte mich. "Sasuke", begann ich besorgt. "Wir sollten mal Fieber messen." Sein glasiger Blick erwiderte meinen durchdringenden. Dann nickte er. Mit großen Schritten stürmte ich aus dem Zimmer, wühlte alle Badezimmerschränke nach diesem gottverdammten Thermometer durch und wurde schließlich fündig. Hämisch grinsend hielt ich den Stab der tausend Freuden in meinen Händen - Zeit für Doktorspielchen. Jeder weiß, wo man am besten Fieber misst! Ich ging, nein, ich hüpfte beinah zurück in die Küche und blieb vor Sasuke stehen, der sein Gesicht in eine Hand gestemmt hatte. Immer noch grinsend hielt ich ihm das Ding vor die Nase und wies demonstrativ mit dem freien Zeigefinger darauf. Er betrachtete es, sah mich dann fragend an. "Ja, dann mal runter mit der Hose, was?", lachte ich. Totenstille. Anscheinend klang ich nicht besonders überzeugend. Die Zustimmung blieb aus. Stattdessen erntete ich den altbekannten Todesblick. Den hatte er also selbst in diesem Zustand noch astrein drauf. "Du kannst mich mal", folgte nach kurzer Stille. Dann riss er mir das Thermometer aus der Hand und klemmte es sich unter den Arm. Verärgert zog ich einen Schmollmund. "Ich meinte das nur gut! Die Angabe ist viel genauer, wenn man im Popo misst!" Interessierte ihn wohl nicht wirklich. Denn er wandt den Blick zur Seite und speiste mich mit einem abgenervten "Tze" ab. Sekunden später piepte dann das kleine Gerät. "Und?", fragte ich, während Sasuke die Zahl betrachtete. "38,9°C", murmelte er und seufzte. "Wow, das ist ganz schön hoch." Er drückte mir das Teil wieder in die Hand. Ich legte es einfach auf den Küchentisch und nahm ihm gegenüber Platz. "Sollen wir dir kalte Umschläge machen?" Er schüttelte nur mit dem Kopf. "Geht schon. Lass' uns lieber anfangen zu lernen." Verwundert weiteten sich meine Augen. "Blödsinn. Du bist überhaupt nicht in der Verfassung, um zu-" "Ich muss ja auch nicht lernen, sondern du! Also hol' endlich das verdammte Buch", unterbrach er mich erregt und hustete gleich darauf laut auf. Dieser Idiot. "Na fein", meinte ich, erhob mich etwas zu laut von meinem Stuhl und holte das Geschichtsbuch aus meinem Zimmer. Das war zwar überhaupt nicht hilfreich, wenn es darum ging schnellstmöglich wieder zu genesen, aber er wollte es anscheinend nicht anders. Sollte mir ja egal sein. Wenn er sich umbedingt kaputt machen wollte - bitteschön. Auf mich hört er ja sowieso nicht. "Ah, Geschichte. Na, dann lass' mal sehen", sagte er, als ich ihm das Buch reichte. Er nippte an seinem Glas Wasser und überflog nochmal ein paar Seiten. "Weißt du wenigstens welches Thema wir haben?" Seine Stimme wurde immer leiser und krächziger. Da bahnte sich eine ganz schöne Grippe an. Eigentlich sollte er zu seinem eigenen Wohl schlafen. Aber wie gesagt: nicht mein Problem. "Willst du mich verarschen? Natürlich weiß ich das: Französische Revolution. Ich bin ja nicht blöd. Ich höre sehr wohl zu!" Verblüfft sah er mich an. "Hm, deine Noten sagen da aber was ganz anderes. Wo liegt dein Schnitt? Bei D oder schon bei E?" Ich biss mir auf die Unterlippe und raufte mir verlegen die Haare. "Eher bei E", gestand ich geknickt. Das war wirklich alles andere, als lobenswert. Sasuke sollte mir ja nicht umsonst Nachhilfe geben. "Na ja, vielleicht hast du ja auch in jeder Klausur einen Blackout", meinte er. "Aha, zum blöde Scherze ablassen bist du also noch in der Lage, oder wie?", pampte ich ihn an. Sasuke grinste nur und nahm wieder einen Schluck Wasser. "Na gut. Wa..." Er hustete. "Sorry. Also nochmal: Wann war die Französische Revolution?" Ich starrte ihn an, als habe er soeben gefragt, wie viele Ameisen in einem Ameisenhaufen leben. Grübelnd kratzte ich mich am Kopf. Aber das ganze Nachdenken half nichts: Ich wusste die Antwort nicht. "Äh, 1939?", grinste ich. Sasuke blinzelte. "Oh Mann, Naruto. Da verwechselst du aber was ganz gewaltig...Die richtige Antwort wäre: 1789." "Na ja, war ich doch nah dran", lachte ich. Seine Augen verengten sich. "Ich find' das überhaupt nicht lustig. Wir schreiben in wenigen Wochen die Klausur über das Thema und du weißt noch nicht einmal die Basics. So kann ich dir echt nicht helfen. Eigne dir erstmal die Grundkenntnisse an, dann sehen wir weiter." Ich schluckte. "Ja, macht Sinn", schnaubte ich. Sasuke räusperte sich daraufhin. "Dann mal gleich noch 'n Crashkurs in Deutsch: 'Macht Sinn' gibt's nicht. Dieser Irrglaube kommt aus dem Englischen von 'it make sense'. Im Deutschen kann man nur 'hat' und 'ergibt' Sinn verwenden", grinste er spöttisch. Selbst wenn er halbtot ist, ist er noch ein verdammter Klugscheißer. Diese Eigenschaft an ihm war echt zum Kotzen. "Ja, das macht Sinn", wiederholte ich ebenso grinsend. Er wollte lachen - das Ergebnis war aber nur ein Husten. "Oh Mann, mein Schädel brummt ganz schön", seufzte er. Mitleidig betrachtete ich seine verschwitzte Haut. Auch wenn er ein nerviger Besserwisser war, so wollte ich ihn doch unheimlich gerne jetzt, ja genau jetzt, in den Arm nehmen. Am liebsten vor dem Fernseher. Er liegt vor mir, eine warme Decke über uns und ich streichle und küsse ihn gesund. Aber von Deratigem waren wir beide wohl noch weit entfernt. Zumindest im nüchternen Zustand. Das erinnerte mich wieder daran, dass ich ihn noch nicht einmal rumbekam, wenn er sturzbetrunken war. Das war doch echt zum Haare ausraufen. Einfach nur ätzend. "Du solltest dich etwas hinlegen, Sasuke. Vielleicht geht's dir danach besser", murmelte ich nebenbei, noch immer in bekümmernden Gedanken versunken, die nichts anderes, als die grausame, bittere Realität waren. Ein wehleidiges Seufzen entfloh meinem Mund. "Würde ich ja gerne, aber ich muss langsam nach Hause." Verdutzt sah ich auf. "Nicht dein Ernst? Du kannst doch kaum geradeaus laufen! Bis zu dir sind das doch fast zwei Kilometer. Das ist fahrlässig", entgegnete ich sogleich. Er würde noch jemandem vors Auto taumeln. "Mag sein, aber ich hab' keine Wahl." Sein Blick sank zu Boden und ich wusste ganz genau, warum das so war. Meine Augen verengten sich. "Red' keinen Stuss. Du bleibst hier und wenn ich dich wieder einschließen muss. Ich als dein bester, gutaussehender Freund, will und werde das nicht zulassen!" "Oh Mann, Naruto...", schnaufte Sasuke. "Du weißt gar nicht, was los ist, wenn ich gleich nicht Zuhause bin. Eigentlich sollte ich überhaupt nicht weggehen", murmelte er. "Von wegen. Deine Eltern werden das sicher verstehen, dass du in deinem Zustand hier bleibst." Er lächelte gequält. "Nicht mein Vater." "Wenn der was dagegen hat, dann mach' ich ihm die Hölle heiß. Du brauchst Ruhe und die scheinst du Zuhause nicht zu bekommen. Ein weiterer Grund dich hierzubehalten." Entschlossen verschränkte ich die Arme vor der Brust, während Sasuke keuchend hustete. "Das wird zwar nur noch mehr Probleme geben, aber du hast schon recht. Ich würde vermutlich gar nicht bis zu mir kommen, sondern vorher irgendwo umkippen." "Eben", stimmte ich zu und erhob mich von meinem Stuhl. "Du legst dich jetzt hin und kurierst dich in Ruhe aus. Ich ruf' gleich bei dir an und klär' alles. Kannst ruhig mein Bett nehmen, ich schlaf' dann auf dem Sofa", lächelte ich ihm zu und er erwiderte es sogar. "Danke", murmelte er. "Dafür sind Freunde da. Soll' ich dich stützen?" Lächelnd reichte ich ihm eine Hand. "Ist dein Lächeln gerade echt?", wollte er plötzlich wissen. Kurz war ich verwundert, nickte aber sofort, fast reflexartig. "Sicher." Dann griff er grinsend nach meiner Hand und ich zog ihn zu mir hoch. "Ich hoffe, deins auch." Für einige Sekunden sahen wir uns in die Augen. Sein heißer Atem kitzelte meine Haut entlang, während mich seine tiefschwarzen Augen faszinierten und in ihren Bann zogen. "Sicher", lächelte er schließlich und ich legte einen Arm um seine Schulter, wandt den Blick schließlich wieder zu Boden. Ich spürte, wie mein Herz schneller in meiner Brust schlug. Allein diese winzige Geste, dieser kurze Moment des Blickkontakts, erzielte eine solch heftige Wirkung. Wie würde es erst sein, wenn ich ihn jemals richtig küssen sollte? Wir schlurften über den knarrenden Holzboden. Am Bett angekommen ließ ich ihn behutsam los, damit er sein Gleichgewicht finden konnte. Er legte sich hin und ich wartete ab, bis er sich vollends zugedeckt und eine angenehme Pose eingenommen hatte. "Schlaf gut", meinte ich noch und wollte gehen, doch er hielt mich am Handgelenk fest. "Bleib", murmelte er mit geschlossenen Augen. Mein Herz schlug immer schneller. Vorsichtig und auf seine Bitte hin, nahm ich also auf der Bettkante Platz und sah ihn einfach nur an. Kurz darauf ließ er mein Handgelenk los und ich saß einfach nur stumm da. Eigentlich überflüssig, aber er wollte, dass ich in seiner Nähe war. Und das machte mich unendlich glücklich. Warum er das wollte, war mir egal. Hauptsache er wollte es. Das war der erste Schritt. Er schien mir zu vertrauen, trotz meines offensiven Verhaltens. Minutenlang betrachtete ich einfach nur sein noch immer gerötetes Gesicht, verfolgte seine Atemgeräusche, die zunehmend ruhiger wurden. "Sasuke?", flüsterte ich schließlich. Doch es folgte keine Antwort mehr. Er war eingeschlafen. Lächelnd sah ich ihn noch eine Weile an, dann erhob ich mich leise und beugte mich noch ein letztes Mal zu ihm herab, ehe ich seine Eltern informieren würde. "Ich liebe dich", hauchte ich in sein Ohr und nahm den süßlichen Vanille-Duft in meiner Nase auf. "Ich liebe dich so sehr", wiederholte ich leise und schlich dann auf Zehenspitzen davon. Mein Herzschlag wurde langsam ruhiger, als ich in der Küche ankam und ich atmete tief durch. Nun also zum schwierigen Teil des Ganzen. Ohne Umwege griff ich nach dem Telefon und tippte sogleich seine Nummer ein. Lieber Gott im Himmel, lass' Mikoto abheben. "Uchiha?" Jackpot. "Ähh, hallo, Herr Uchiha", stammelte ich vor mich hin. "Wo ist Sasuke?" Der Mann war knallhart direkt. Eigentlich gefielen mir solche Menschen, doch der Kerl war bei mir mittlerweile unten durch. Ich durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Ich musste genauso knallhart sein, wie er es war. "Also Sasuke geht's ziemlich schlecht. Er hat Fieber oder so. Jedenfalls kann er so nicht-" "In spätestens zehn Minuten ist der Bengel Zuhause." Seine Stimme klang total entnervt. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Spur von Sorge, um seinen kranken Sohn. Und das machte mich rasend. "Jetzt hören Sie mal zu: Sasuke kommt heute nicht mehr nach Hause. Er bleibt hier. Schließlich ist er erwachsen und kann das selbst entscheiden", meinte ich ernst, aber immer noch ansatzweise höflich. "Für wen hältst du dich eigentlich? Solange er in meinem Haus lebt, bestimme immer noch ich, wann er Zuhause ist und wo er bleiben darf. Und außerdem hab' ich noch was mit ihm zu klären, also bestell' ihm 'nen schönen Gruß von mir, dass er umgehend seinen Arsch hierher bewegen soll', ansonsten kann er was erleben!" Ich biss wütend die Zähne zusammen. Was für ein Drachen! "Tut mir wirklich schrecklich leid, aber er schläft schon tief und fest. Und ich werde einen Teufel tun, ihn zu wecken. Und da Sie leider nicht wissen, wo ich wohne, haben Sie wohl ganz einfach Pech gehabt. Meinetwegen können Sie ja die Polizei anrufen, aber die werden Sie allerhöchstens auslachen und Ihnen das Gleiche erzählen, nämlich, dass Sasuke erwachsen ist! Also kommt er morgen Früh oder gegen Mittag nach Hause. Wann er Lust hat. Schönen Abend noch und schöne Grüße an Ihre Frau!" Und damit legte ich den Hörer auf. Das wäre dann geklärt. Ich atmete einmal ganz tief durch. Bei dem Ekelpaket konnte man ja nur krank werden. Kein Wunder, dass Sasuke so verschlossen war. Mit dem Zeige- und Mittelfinger rieb ich mir über meine angespannte Schläfe. Bei sowas wird man ja rasend vor Wut. Und so eine widerliche Person schimpft sich auch noch Vater. Noch einmal atmete ich tief durch. Ich hatte jetzt andere Probleme. Sich über diesen Kerl aufzuregen, brachte eigentlich auch nichts. Also ließ ich es bleiben und konzentrierte mich wieder auf Relevantes. Nachdenklich lehnte ich mich gegen die Küchentheke. Was konnte ich jetzt tun? Momentan war mit Sasuke ja reichlich wenig anzufangen. Also musste ich mich irgendwie selbst beschäftigen. Mein Blick schweifte durch das Zimmer, machte schließlich das Geschichtsbuch aus, das noch immer auf dem Tisch ruhte. Allein bei dem Anblick entfloh meiner Kehle ein genervtes Seufzen. Aber es half so oder so nichts. Wenn ich mich nicht allmählich auf meinen Hintern setzte, dann würde ich dieses Jahr nicht überstehen. Und ohne Abitur waren meine Chancen auf eine gute Ausbildung auf jeden Fall schlechter. Zumindest meinten das immer alle. Studieren kam nicht nur wegen meines Notenschnitts nicht in Frage, sondern auch ganz einfach deshalb, weil mir die finanziellen Mittel für derartigen Luxus fehlten. Auch wenn Sasuke einen ekelhaften, bekloppten Vater hatte, so finanzierte er ihm wenigstens sein Leben. Er hatte eine Zukunft. Auch wenn sie vorbestimmt wurde. Ich überlegte, welche Situation unangenehmer war. Meine oder seine? Schnell verwarf ich den Gedanken wieder - das konnte man gar nicht vergleichen. Aber vielleicht konnte ich Sasuke ja damit imponieren, wenn ich mich in der Schule besserte und so schlau wie er würde. Wenn ich seiner Nachhilfe letztendlich gut folgen könnte. Plötzlich fest entschlossen ein Streber zu werden, griff ich nach dem Buch und begann darin zu blättern. Geschätzte zwanzig Stunden las ich nun die ganze Geschichte über Absolutismus, die französische Aufklärung, den Sturm auf die Bastille, erfuhr was man unter einer konstitutionellen Monarchie versteht und gelangte schließlich auch zu Napoleon Bonaparte. Mit müden Augen klappte ich das Buch wieder zu. Ganz eindeutig zu viel Input. Mein dröhnender Schädel sank auf das Buch nieder - nutzte es nun gebührend als Kopfkissen. Die Daten schossen erneut durch meinen Kopf. 17 Juni. 1789: Beginn der Französischen Revolution. 20. Juni: Ballhausschwur. 14. Juli: Sturm auf die Bastille. Und so weiter und so weiter. Ich hoffte nur inständig, wenigstens einen kleinen Teil auch morgen noch zu wissen. Sonst wäre ja alles für die Katz'! Allmählich schweiften meine Gedanken von Ludwig XVI genüsslich zu Sasuke ab. Eine Auszeit hatte ich mir redlich verdient. Also stellte ich mir sein hübsches Gesicht mit allen dazugehörigen Ausdrücken vor, die er mir immer wieder zukommen ließ und ich musste schmunzeln. Sein sanftes, sein gehässiges, sein blasiertes, sein selten schüchternes Lächeln, sowie sein Schmunzeln, sein noch viel selteneres Lachen, aber auch sein recht häufiger Todesblick, tanzten fröhlich vor meinem geistigen Auge hin und her. Schläfrig schlug ich wieder meine Augen auf. Draußen war es längst dunkel. Und ich wollte jetzt zu ihm. Einfach nur so nah bei ihm sein, wie irgend möglich. Leise schlich ich also zurück ins Schlafzimmer und setzte mich neben Sasuke aufs Bett. Mitleidig betrachtete ich ihn - er schlief unruhig. Sein Atem ging schwer. Ich dachte an seine häuslichen Verhältnisse. Er hatte es wirklich nicht leicht. Ich hoffte nur, dass ich ihm mit meinem Verhalten seinem Vater gegenüber, keine allzu großen Schwierigkeiten bereitete. Aber jetzt ging es erst einmal darum, dass er wieder gesund wurde. Und das konnte er besser hier, als Zuhause. Und das war selbstredend eine überaus traurige Feststellung. An der Stelle seines Vaters, würde ich mich was schämen. Sasuke begann auf einmal sich im Bett hin und her zu drehen. Verwundert sah ich ihm dabei zu. Ich rutschte ein Stück zurück, aus Sorge, er könne nach mir treten in seinem Fiebertraum. "Nicht...!", keuchte er plötzlich hervor und ich wurde augenblicklich hellhörig. Er sprach im Schlaf? "Itachi...", säuselte er weiter vor sich hin. Ah, er träumte also von seinem Bruder. Und ich hatte schon für einen winzigen Augenblick gehofft, er würde mal von mir träumen. Doch nur was Langweiliges. Sasuke keuchte wieder und drehte sich abermals. Ich verfolgte das Spektakel mit den Augen. "Hah...Nicht so fest!" Wieder drehte er sich. Meine Augen betrachteten ihn. "Itachi...hah...Sei doch vorsichtig!", wimmerte er beinah. Ich schaute zur Decke, während die Worte in meinen Ohren widerhallten. Plötzlich stockte ich, riss die Augen weit auf und wies vor Schreck mit dem Zeigefinger auf den schlafenden Sasuke. Nicht so fest? Sei doch vorsichtig? Mir bleib der Atem weg, meine Hautfarbe wich mir aus dem Gesicht. Und er...er stöhnt? Plötzlich ergab alles einen Sinn. Alles war eindeutig - Kopfkino. O Gott, mein Traummann betreibt Inzest mit seinem Bruder! Dabei bin ich doch so viel heißer, als Itachi! Vor Schreck fiel ich vom Bett und durch Sasukes unentwegtes Keuchen, das weiterhin im Hintergrund erklang, geradewegs in Ohnmacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)