Dance with me von sissyphos (Naruto & Sasuke) ================================================================================ Kapitel 8: Der erste Kuss ------------------------- "Lass das!!", schrie Sasuke. Im nächsten Moment hatte ich nicht seine Faust im Gesicht, sondern bekam eine schallende Ohrfeige. "Was ist nur los mit dir, Naruto?" Meine Wange pochte schmerzlich. Ich sah in sein errötetes Gesicht. "Du hast voll die Komplexe. Ich wollte nur wissen, ob du wirklich so harte Muskeln hast, wie du sagst." In meiner Stimme lag keinerlei Unsicherheit, innerlich zitterte ich jedoch. "Zieh Leine, du Perverser! Und wenn du noch mit zur Party willst, dann zieh dir gefälligst was anderes an. Aber komm mir bloß nicht mehr zu nahe!" Er war knallrot, doch die Ader an seiner Schläfe pochte bedrohlich vor sich hin - er war stinksauer. "Du hast Komplexe!", rief ich ihm noch einmal nach, als ich das Bad verließ. "Schnauze!", bekam ich als Antwort. Herzklopfend schlurfte ich in mein Schlafzimmer und ließ mich rücklings auf mein Bett fallen. Meine Hand umklammerte fest den bläulichen Anhänger, der meinen Hals zierte. Ich hatte mir zu viel darauf eingebildet und mal wieder kopflos gehandelt. Nachdenklich drehte ich mich auf die Seite. Du bist wie ein zweiter Bruder für mich. Ich kniff die Augen zusammen. Mein Herz drückte schmerzlich gegen meine Brust. Eigentlich sollte ich mich doch freuen, dass ich ihm so wichtig war. Aber es fiel mir schwer. Weil ich doch so viel mehr, als das für ihn sein wollte. Nur mit der Aktion gerade, hatte ich mir vermutlich auch die letzte Chance verbaut. Sasuke reagierte nahezu allergisch auf solch offensive Annäherungsversuche. Vielleicht nicht nur aus dem Grund, weil ich ein Mann bin. Ich dachte an unsere intensive Umarmung. Stand er etwa auf die Mitleidsnummer? Nein, eher nicht. Damit hatte sein Verhalten sicherlich nichts zu tun. Das, was er tat, war echt. Seine Berührungen und seine Worte. Es gab keinen Grund mir etwas vorzumachen. Und er hatte angefangen, sich mir zu öffnen. Auch wenn es nur zwei Sätze über seinen Vater waren. Aber er sprach mit mir darüber. Also musste ich mir dringend eine gute Ausrede einfallen lassen, um sein Vertrauen zurückzuerlangen. Verdammt, ich sollte anfangen, vorher darüber nachzudenken, anstatt mir immer im Nachhinein etwas aus den Fingern zu saugen. Dabei wollte ich doch nur ein wenig zärtlich zu ihm sein! Dieser blöde, ignorante Sasuke! "Du willst also nicht mitkommen?", erklang Sasukes gedämpfte Stimme hinter mir. Ich drehte mich zu ihm. "Wohin denn überhaupt?" Meine Augen schweiften über seinen Körper. Die Klamotten standen ihm deutlich besser, als dieser hautenge Fummel. Eine schlichte, schwarze Jogginghose und ein dunkelblauer Kapuzenpullover. Er nahm neben mir auf dem Bett Platz, aber mit einem beachtlichen Sicherheitsabstand. "Na zu Shikamarus Party. Er hat mich per SMS eingeladen und eigentlich wollte ich dich mitnehmen. Aber wenn du keine Lust hast, ist mir das auch egal." Ich setzte mich auf und er ging direkt in eine Abwehrhaltung. "Was ist, Sasuke? Hast du Angst vor mir?", grinste ich. "Spinn nicht rum, Naruto!", keifte er. Ich grinste. Er war wirklich süß. "Ich bin auf jeden Fall dabei. Ich zieh mir nur schnell was anderes an." "Besser ist das!", brummelte er daraufhin. Seufzend ging ich an ihm vorbei, während sein Blick auf mir ruhte und kramte in meinem Schrank herum. Ich fand eine ebenfalls schwarze Jogginghose und einen weißen, gewöhnlichen Pullover. Betont langsam streifte ich mir die alten Klamotten ab und zog die neuen an. Er sollte sehen, dass meine Muskulatur sehr wohl mit seiner konkurrieren konnte. "Du, Naruto?" "Hm?", machte ich, während ich in meinen Pullover schlüpfte. "Was sollte das eben?" "Keine Ahnung." Kurze Stille. "Wann hast du denn das letzte Mal mit einer Frau geschlafen?" Die Frage kam unerwartet. "Ist schon länger her." "Vielleicht solltest du dir dann mal wieder eine Freundin suchen." Ich strich meinen Pulli glatt und schlurfte über den Boden, der unter mir knackte, wieder zurück zum Bett. Mit einem matten Lächeln auf den Lippen setzte ich mich wieder neben Sasuke. "Kann sein. Und wie sieht's bei dir so aus?" Unsere Blicke trafen sich. "Was meinst du?" "Na dein Liebesleben", grinste ich, während mein Herz wieder wie wild gegen meine Brust hämmerte. Ich wollte nicht so erfahren, dass er bereits eine Freundin hatte. Aber seinen besten Freund unterrichtete man doch zeitig über sowas, oder nicht? Also hatte er keine - hoffentlich. Sasuke funkelte mich währenddessen böse an. "Das geht dich gar nichts an", brummelte er und wandt den Blick von mir ab. "Aber immerhin nicht so schlecht, dass ich meinen besten Freund angrabbeln muss!", fügte er hinzu. Ich verzog das Gesicht. "So war das nicht! Ich wollte wirklich nur wissen, wie hart deine Muskeln sind!" Mehr oder weniger entsprach das sogar der Wahrheit. "Wenigstens hast du nicht so eklige Wurstfinger wie der Kerl von heute Mittag", schauderte Sasuke unmittelbar und umklammerte dabei seinen Oberkörper. Ich stockte und starrte ihn verdutzt an. "Hat dich einer angefasst?!", schrie ich impulsiv. Verwirrt sah er aus seinen plötzlich so großen, schwarzen Augen zu mir. Im nächsten Moment verengten sie sich wieder. "Das fragst gerade du?", murmelte er und zog dabei seine Augenbrauen zusammen. Ich antwortete mit einem Schmollmund. "Aber nein, hat er nicht. Ich bin nicht so schwach, wie du glaubst, Naruto. Ich kann mich sehr wohl wehren - denk an mein Messer", grinste er, aber ein gewisser Vorwurf schwang in seiner Stimme mit. "Darum geht's doch überhaupt nicht." Seufzend - das tat ich wirklich oft in seiner Gegenwart - ließ ich meinen Körper wieder aufs Bett sinken und vergrub mein Gesicht in meinem großen Kissen. "Tut mir leid wegen vorhin, okay? Ich wollte das wirklich nicht!", beteuerte ich. Auch wenn ich die Hoffnung, dass er alsbald aufhören würde, darauf rumzuhacken, eigentlich aufgegeben hatte. "Solange es bei diesem einen Mal bleibt", murrte seine rauhe Stimme und ich sah augenblicklich zu ihm auf. Direkt in sein angespanntes Gesicht. Es fiel ihm sichtlich schwer, diese Worte auszusprechen. "Das heißt, du verzeihst mir?" Ein glückliches, hoffnungsvolles Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. "Ja", brummte er nach einiger Zeit des Überlegens. In diesem Moment war ich, glaube ich, der glücklichste Mann der Welt. "BLEIB - WO - DU - BIST!", schrie Sasuke, anscheinend bereit sein Messer zu ziehen, noch bevor ich ihm um den Hals fallen konnte. Sasukes Atem ging schwer, während ich vor Schreck erstarrte. "Weißt du, was du bist? Ein Usuratonkachi!", schimpfte er. Ich blinzelte und rang nach Luft. So atemlos, wie wir uns gerade gegenüber saßen, konnte man meinen, wir hätten eine ziemlich heiße Nacht hinter uns. "Und das heißt was?" "Tja, streng mal dein bisschen Hirn an oder googles einfach!", grinste er hämisch und stützte sich mit den Händen auf dem Bett ab. Irgendwie war diese Situation total absurd. Wir kamen von Stöckchen auf Hölzchen. Ich prustete plötzlich los und Sasuke musste kurz darauf in mein Gelächter einstimmen. Auch wenn sein Gelächter mehr einem kurzen "haha" entsprach. "Nah, Sasuke?", setzte ich an, nachdem ich mich annährend wieder beruhigt hatte. Er sah mich nur erwartungsvoll an. "Was ich dich vorhin schon fragen wollte: Wie hast du dich nach dem Auftritt gefühlt?" "Klar, Themenwechsel - das ist so typisch für dich, Naruto. Na ja, ich hab mich eigentlich ziemlich gut gefühlt. Schließlich wollte ich schon immer vor einem so großen Publikum breakdancen." Ich sah ihn an und dachte an meinen Plan. "Das könntest du demnächst öfter!", grinste ich ihm entgegen. "Wieso?" "Erzähl' ich dir später, wenn ich alles geklärt habe." "Du und was klären?", fragte er skeptisch, "Da kann ja nichts Gutes bei rumkommen." "Nah, du wirst schon sehen, Sasuke!" Mit einem penetranten Lächeln auf den Lippen meinte er: "Ich lass mich überraschen. Aber wir sollten uns langsam auf den Weg machen, sonst können wir auch gleich hierbleiben." "Alles klar!", stimmte ich vorfreudig zu und so verließen wir schnurstracks gemeinsam die Wohnung. Während wir durch die finsteren Gassen schritten, wechselten wir kaum ein Wort miteinander. Neben uns hörte ich das Geräusch von betrunkenen Männern, die wild herumalberten. Mir gefiel die Tatsache, dass hier solche Gestalten ihr Unwesen trieben, überhaupt nicht, weshalb ich Sasuke beunruhigt am Ärmel packte und drängte, schneller zu gehen. Ich wollte niemandem begegnen. Denn ich wusste, was hier hinter Schloss und Riegel vor sich ging. Jeder wusste das. Und doch nutzte man diese Gassen häufiger, da sie oft erhebliche Abkürzungen boten. Sasuke schien sich nicht zu fürchten. Er war völlig gelassen. Ich hingegen erschrak bei jeder Katze und jeder Ratte, die im Müll herumwühlte und hatte dabei das Gefühl, dass mich Sasuke belächelte. Dabei war ich nur vorsichtig. Schließlich sah ich wieder die Straßenlaternen der Hauptstraße und nur wenige Meter weiter, konnte ich auch schon die Umrisse von Shikamarus Haus erkennen. Erleichtert atmete ich aus und bemerkte schließlich, dass ich schwitzte. "Lass uns heute Nacht einen anderen Weg gehen", murmelte ich. "Du bist ein Angsthase, Naruto. Denk an mein-" "Ja, ja, dein blödes Messer, ich weiß. Das bringt uns aber auch nichts, wenn uns fünf Typen überfallen", murrte ich. Mein Handy und mein Portemonnaie wollte ich eigentlich noch behalten. "Warum sollten es fünf Männer sein? Meist lungern die doch nur zu zweit oder dritt rum." "Du als Besserwisser müsstest doch wissen, dass Ausnahmen die Regeln bestätigen." Er funkelte mich an, als habe ich soeben behauptet, er sei blöd. "Wir gehen heute Nacht genau den gleichen Weg! Und wenn du nicht mitkommen willst, dann geh' ich eben alleine, du Angsthase!" Seine blöden Trotzreaktionen hingen mir zum Hals heraus. Die hatte ich in der Vergangenheit schon oft genug ertragen müssen. Er musste einfach immer seinen verdammten Dickschädel durchsetzen. Eigentlich sollte ich ihn alleine gehen lassen. Aber das konnte ich nun auch wieder nicht. Auch wenn ich es wollte. Wenn ihm etwas zustieß, könnte ich mir das niemals verzeihen. Wir klingelten an Shikamarus Haustür, der nur Sekunden später öffnete. Wie immer sah er aus, als langweile ihn schlichtweg alles. "Ihr seid spät", stellte er fest. Den Satz hatte ich heute schon mal gehört und verdrehte deshalb genervt die Augen. "Wir wären normalerweise noch später, wenn wir den Angsthasenweg über die Hauptstraße genommen hätten, so wie Naruto es wollte." Shikamaru und Sasuke warfen sich ein erheitertes Grinsen zu. Ich zog aufgrund dessen ein beleidigtes Gesicht. "Besser wäre das. Ihr könntet schließlich von Akatsuki gefangen und zu Tode gefoltert werden", grinste Shikamaru. "Eben", murmelte mein schwarzhaariger Freund daraufhin. Anscheinend hatten sie großen Spaß daran, mich für blöd zu verkaufen. Und sowas schimpft sich Freunde. Außerdem war mit Mafia-Organisationen nun weiß Gott nicht zu spaßen. "Können wir rein? Mir wird kalt", klagte ich, um endlich das Thema zu wechseln. Shikamaru hielt uns die Tür auf, wir traten daraufhin ein und hingen unsere Jacken an der Garderobe auf. Hier drin war es angenehm warm. Vielleicht würde es ja doch noch ein schöner Abend werden. Mehr oder weniger zumindest. "Saaaaasukeeee", ertönten sofort mehrere Stimmen gleichzeitig und meine Hoffnung zerplatzte abrupt wie eine Seifenblase. Als ich mich zu der Geräuschquelle umdrehte, sah ich Sakura, Temari und Ino in kurzgehaltenen Klamotten nebeneinander stehen. Schwärmend starrten sie Sasuke an. Shikamaru sagte nichts, obwohl er doch angeblich in Temari verliebt sein sollte. Vielleicht war es eben doch nichts weiter, als ein Gerücht. Oder er hoffte, Temari nach einer sicheren Abfuhr von Sasuke trösten zu dürfen. Und dann ging das Geplapper los. "Hinreißend siehst du wieder aus." "Ich mag deine schwarze Hose." Sie kicherten. "Ich bin so froh, dass du gekommen bist!" "Vielleicht können wir ja nach der Party noch was anderes unternehmen, Sasuke." Mir fiel auf, dass alle drei ziemlich stark geschminkt waren: Rote Lippen, ziemlich viel Puder und Wimperntusche klebten in ihren Gesichtern. "He, Shikamaru!", rief Sasuke Besagtem hinterher, der gerade dabei war, die Treppe zum Keller hinunter zu gehen und daraufhin inne hielt. "Wo hast du den Alkohol versteckt?" Unser Gastgeber lachte uns entgegen. "Kommt mit, ihr zwei. Die Party steigt sowieso hier unten." Und wir folgten ihm. Unten angekommen spielte ein wenig Musik, aber das waren weder Partysongs, noch hatten sie Partylautstärke. Die anderen Gäste saßen auf dem Boden, einige spielten Karten, andere unterhielten sich. Das Gesamtpaket war ganz schön langweilig. Auf einem kleinen Tisch standen Knabbereien, wie Chips und Kekse, daneben Wasser, Limonade und Bier. Ich blinzelte verblüfft. Wo war ich denn hier gelandet? Auf 'nem Kindergeburtstag? Doch Sasuke schien das Ganze nicht sonderlich zu stören, er nahm sich lieber ein Bier, anstatt sich zu beschweren und drückte mir ebenfalls eins in die Hand. Wir standen wie Außenseiter vom Rest der Gruppe isoliert, als wir einander zuprosteten. Schnell waren drei Flaschen geleert und ich bemerkte sichtlich, wie Sasuke ruhiger und entspannter wurde. Der Alkohol war sowas wie seine Freikarte zur Normalität - sofern er es nicht übertrieb. Kichernd wie immer, kamen nun auch Ino, Sakura und Temari die Treppe hinunter und gesellten sich direkt zu den anderen Mädchen, darunter auch Hinata, um mit ihnen über irgendetwas Unwichtiges zu tratschen. Ich gähnte und schaute bereits gelangweilt auf meine Armbanduhr: Kurz nach 21 Uhr. Am liebsten hätte ich Sasuke geschnappt und ihn gleich wieder mit nach Hause gezerrt. Die Glotze war bedeutend interessanter, als...das hier. "Sasuke, mein Hasilein! Komm' doch mal 'rüber, wir wollen ein Spiel spielen!", rief ihm Sakura mit winkender Handbewegung zu, als müsse sie über ein ganzes Fußballfeld oder entgegen einer Fußballmannschaft brüllen, obwohl sie in Wirklichkeit nur wenige Meter neben uns saß. Hämisch grinsend packte mich Sasuke am Handgelenk und zerrte mich mit zu der Meute. Wir setzten uns und schlossen somit den Kreis. Ino saß rechts neben ihm und schmiegte sich auch direkt schnurrend an seine Schulter, doch mein Freund ließ sich davon nicht ablenken und betrachtete, wie ich kurz darauf bemerkte, die ganze Zeit nur Hinata. Ich konnte an seinen Augen nicht ablesen, was das zu bedeuten hatte, aber es erzeugte ein gehöriges Unwohlsein in meiner Magengegend. War tanzen etwa nicht das Einzige, was sie miteinander taten? Mein Herzschlag wurde schneller. Auch wenn es so war, dann wollte ich es ganz einfach nicht wissen. Lieber würde ich in Unwissenheit, als mit einem gebrochenen Herzen irgendwann sterben. "Ihr seid bestimmt schon total gespannt, was wir nun machen!", klatschte Sakura aufgeregt in die Hände und ich sah, dass ihre Haut glitzerte. Eigentlich war ich nicht wirklich gespannt. Dann schlich ihr ein breites, verheißungsvolles Grinsen auf die Lippen, das nun doch unweigerlich meine Aufmerksamkeit erregte. Was hatten sich diese verrückten Frauen bloß ausgedacht? "Flaschendrehen!", rief sie, während sie hinter sich eine Glasflasche hervorzog und die Mädchen untereinander wild zu tratschen begannen, mit Ausnahme von Hinata, die nun ebenfalls Sasuke betrachtete. Plötzlich und völlig ungeahnt wurde ich wütend auf das schwarzhaarige Mädchen. Eigentlich war sie ganz süß und ungemein schüchtern, so dass man ihr überhaupt nicht böse sein konnte, aber jetzt wollte ich, dass sie verschwand und nie wieder kam. Sie mit ihm zu sehen, das würde ich nicht etragen - niemals. Die Jungs murrten währenddessen rum und Choji griff noch tiefer in seine Chipstüte hinein, so dass es neben mir laut raschelte. Dann erblickten meine verwirrten Augen plötzlich auch Sai, der mit seinem gefühllosen Blick einen Fleck an der Wand anstarrte. Er lebte also doch noch - die Mädchen enttäuschten mich. "Zu den Regeln: Wenn man seinen Auftrag nicht erfüllt, dann muss man demnächst eine Runde ausgeben. Wir notieren uns das und wer sich nicht daran hält, der wird gemeuchelt, dass das klar ist." Sie sah einmal bedeutsam in die Runde. "Also, ich werde dann beginnen! Auf wen die Flasche zeigt, muss...einen Lap Dance hinlegen", grinste sie, während sie Sasuke aus ihren großen Kulleraugen und mit klimpernden Wimpern betrachtete. Dann küsste sie einmal die Flasche und drehte sie. Die Mädchen konnten kaum hinsehen, als das Glas unaufhörlich zu rotieren begann - es war wie bei russisch Roulette, nur mit dem Unterschied, dass Sasuke die Kugel war, die man unbedingt erwischen und nicht vermeiden wollte. Auch mein schwarzhaariger Freund betrachtete nun die kreisende Flasche des Schicksals. Es erleichterte mich, dass er nicht mehr Hinata ansah. Dann stoppte plötzlich die Flasche und wies auf - Choji. Ich stockte. Für einen Moment musste ich verarbeiten, was mir nun bevorstand. O Gott - Kopfkino! Vor Schreck kippte ich beinahe um, so wie der Rest unserer gemütlichen Runde. "Nicht der Fe-", begann Sai, doch Shikamaru hielt ihm rechtzeitig den Mund zu, bevor er das verbotene Wort aussprechen konnte. Niemand, der überleben wollte, nannte Choji fett. Wirklich niemand. "Ach, nä, ich hab' echt keine Lust! Aber einen ausgeben will ich auch nicht", klagte Choji, während er Anstalten machte, sich zu erheben - bereit uns alle zu Tode zu schockieren. "Ist nicht so schlimm. Das passt schon", lachte Sakura und winkte ab. Sie versuchte kläglich sich selbst und uns alle vor der drohenden Verdammnis zu retten. Doch Choji nahm das persönlich. "Warum nicht? Wollt ihr das etwa nicht sehen, oder wie?" "Doch." "Klar!" "Äh, sicher." Das kam sofort von allen Seiten. Jeder hatte einen hochroten Kopf. Wie konnten sie auch so einen dämlichen Auftrag stellen? Grinsend und rumpelnd erhob sich das Monster auf zwei Beinen von der Erde und ging zur Musikanlage. Die drehte er dann erstmal richtig auf und begann zu - na ja, tanzen kann man das nun wirklich nicht nennen. Es war viel mehr ein mitwippen. Und dann zog er sich tatsächlich und zu allem Überfluss auch noch das T-Shirt aus. Mein Gesicht schrumpelte vor Ekel zusammen. Jeder musste sich ein "IGITT" oder "BÄH" sichtlich verkneifen. Angewidert sah ich zu Sasuke, der nur den Kopf geneigt hielt und den Boden anstarrte. Das war eigentlich eine gute Idee. Also tat ich es ihm gleich. Minuten später rumpelte der Boden erneut und als ich aufsah, stellte ich fest, dass Choji wieder Platz genommen und zum Glück auch wieder sein Oberteil angezogen hatte. Diese Bilder würden mich in meinen Alpträumen verfolgen, so viel stand schon mal fest. Alles war still. Die Stimmung befand sich beinah auf dem Gefrierpunkt. So hatte sich das wohl keiner vorgestellt. "Bin ich jetzt dran?", keuchte Choji atemlos und starrte Sakura fragend an, die daraufhin mit hochrotem Kopf stumm nickte. "Gut, dann: Auf wen die Flasche zeigt, der muss...ähh...", er stockte und kratzte sich grübelnd am Kopf. Ich verdrehte genervt die Augen. Der Abend war echt gelaufen. "Ähh...", kam es wieder. Alle starrten ihn an. "Ähhh..." Mein Augenlid zuckte vor Erregung. Hätte er noch einmal "ähh" gesagt, wäre er von mir höchstpersönlich rausgetreten worden. "Der muss sich auf den Kopf stellen und versuchen, was zu trinken!", grinste er zufrieden. Neben mir hörte ich Sasuke und ein paar andere laut aufstöhnen. "Tolle Party", flüsterte ich ihm spöttisch zu. "Halt die Klappe", murmelte Sasuke. "Seit wann trägst du eigentlich Schmuck, Naruto?", ertönte Shikamarus Stimme neben mir. Ich stockte und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. "Äh, na ja", brabbelte ich, während meine Hand verlegen über meinen Hinterkopf rieb. "Und von wem ist die?", wandt nun auch Ino ein, beugte sich dabei über Sasuke herüber, um Hand an meine Halskette anzulegen. "Von mir." Ino sah verwundert zu Sasuke auf, auch meine und Shikamarus Augen weiteten sich. "Du hast ihm die Kette geschenkt?", fragte Ino misstrauisch nach. Keine Antwort. Die Blonde starrte mich verachtend an. "Die ist ganz schön hübsch, Naruto. Du passt besser gut auf sie auf." Ihr wahnsinniger Blick machte mir Angst. Ich versuchte es mit Lachen zu überspielen. Sie setzte sich wieder anständig hin und noch Minuten später spürte ich, wie sie mich anstarrte. Mir wurde zunehmend unwohler in ihrer Gegenwart. Dann verfolgten uns weiterhin solche absolut schwachsinnigen und langweiligen Aufgaben, bis schließlich die verrückte Ino am Zug war. Sie wollte etwas sagen, doch bei dem bloßen Gedanken, blieben ihr die Worte im Hals stecken und sie fing wieder an zu schwärmen. Also hatte es irgendwas mit Sasuke zu tun. Lernten die denn nicht aus ihren Fehlern? Sie holte tief Luft. "Auf wen die Flasche zeigt, der muss..." "Der muss...!" Erneut verdrehte ich genervt die Augen. Die konnten doch nicht alle schon völlig betrunken sein. "Der muss Sasuke küssen!", quietschte sie und alle Mädchen schrien auf. "Du bist genial, Ino!" "Hoffentlich zeigt die Flasche auf mich!" "Moment, Moment!", unterbrach sie und wedelte sich mit der Hand Luft zu. Sasuke beschmiss sie währenddessen mit gelangweilten Blicken und ich war einfach nur angepisst. "Aber nicht nur so'n normaler Kuss, sondern mit Zunge und mindestens 30 Sekunden!" Ohrenbetäubendes Gekreische war die Antwort darauf. Oh Mann, ich war hier im Zoo gelandet. Das waren doch keine erwachsenen Frauen. Wieder drehte sich die Flasche des Schicksals im Kreis. Und was dann kam, schockierte mich. Mein Atem setzte aus. Mein Herz schlug höher und wilder, während meine Augen die Person betrachteten, auf die die Flasche wies: Hinata. In diesem Moment hätte ich alles kurz und klein schlagen können. Das konnte doch nicht wahr sein. Ausgerechnet sie! Das einzige Mädchen, dem Sasuke wenigstens den Hauch von Beachtung zukommen ließ. Aber ich konnte es nicht verhindern. Was hätte ich schon tun sollen? Einen plötzlichen Anfall vortäuschen? Nein, es kam alles, wie es kommen musste. Und dem hatte ich mich wohl oder übel zu beugen. Während ich darüber nachdachte, saßen sich Hinata und Sasuke bereits gegenüber. Er würde sie also tatsächlich und widerspruchslos küssen. Doch bevor er genau das tat, neigte er sich zu ihr und flüsterte ihr viel zu lange etwas ins Ohr, bei dem Hinata errötete. Ich ballte eine Faust. Auch die anderen Mädchen wurden unruhiger, da sie ebenfalls den Braten rochen. Und dann war es soweit: Ihre Münder kamen sich näher, bis sich ihre Lippen schließlich berührten. Ich starrte fassungslos drein, während ihre Zungen begannen miteinander zu tanzen. Dann sah Hinata plötzlich zu mir. Was sollte das? Auch Sasuke schaute herüber. Wollten sie mich verhöhnen, weil sie es wussten? Hatte er mir nicht verziehen, sondern wusste von meinen Gefühlen für ihn? War das seine Rache, mit der er mich quälen wollte? Ich wurde wütend. Dann schlossen erneut beide die Augen. "Diese Hexe!", rief Sakura und warf somit den ersten Stein. Alle anderen begannen sich daraufhin an der Hetze zu beteiligen. Meine Wut nahm zu. "Miststück!" "Luder!" "Ich könnte sie-!" "Ich auch!", rief ich zähneknirschend, völlig von der Masse mitgerissen, woraufhin mich die anderen Mädchen augenblicklich fassungslos anstarrten. "Wie war das?", brummelte Sakura und schlug sich in die eigene Handfläche. Ich erschauderte und vergaß für einen Moment, warum und vor allem auf wen ich so sauer war. "Nah...weil ich...ähh...gerne Hinata küssen würde", stammelte ich und versuchte verzweifelt ihren mordlustigen Blicken standzuhalten. Widerspenstig wandten sie synchron den Blick von mir ab und begannen erneut, Hinata zu verfluchen. Ich atmete erleichtert aus - gerade noch die Kurve gekriegt. Dann saß Sasuke auch schon wieder neben mir und schwieg. Die Mädchen umzingelten sogleich Hinata und versuchten auf sie einzureden. Für mich sah es allerdings mehr danach aus, als würden sie versuchen, sie einzuschüchtern. Alles was ich wollte, war, nach Hause zu gehen. Jetzt sofort. "Äh", begann Hinata leise und mit zittriger Miene. "Na los!", drohte Ino. "Auf wen die Flasche zeigt, der muss Sasuke küssen", murmelte sie. "Und weiter?", wandt nun auch Temari ein. Ich hörte Kiba neben mir schnaufen. "Dieser Sasuke-Scheiß geht mir langsam echt auf'n Piss, Leute. Als wäre er der einzig attraktive Kerl auf diesem Planeten." Shikamaru nickte ihm zu. Sasuke schwieg. "Mit Zunge und mindestens 30 Sekunden", wisperte sie, aber alle verstanden es. Wieder wurde die Flasche gedreht. Ich sah nicht mehr hin. Mir reichte das, was ich bis jetzt ertragen musste. Und auf einmal kreischten wieder alle Mädchen laut auf. Na wundervoll: Hatte es endlich Sakura erwischt? Doch als ich die Augen öffnete, wurde mir schlagartig bewusst, dass sie nicht vor Freude kreischten. Denn die Flasche wies geradewegs auf - mich. Ungläubig betrachtete ich das Glas, drehte dann hastig meinen Kopf zu Sasuke, woraufhin wir uns gegenseitig in die Augen starrten. "NIEMALS!", schrien wir gleichzeitig. Ich glaube, ich hörte Sakura plötzlich schluchzen, während Kiba neben uns lautstark anfing zu lachen. Mein Herz pochte wie wild gegen meine Brust. Würde ich ihn gleich küssen können? Aber doch nicht hier vor allen Leuten! So sollte unser erster Kuss eigentlich nicht aussehen. Und doch war das immer noch besser, als gar nichts. Und besser, als ihn mit noch einem Mädchen zu sehen. Auf einmal war die Party nicht mehr ganz so fürchterlich. Zumindest nicht für mich, denn ich bemerkte durchaus, wie mein Gegenüber zitterte und hart schluckte. "Muss das sein?", würgte Sasuke hervor. "Muss sein!", wandt Kiba sogleich ein, bevor die Mädchen widersprechen konnten. Meine Augen wurden größer, als ich sah wie seine Lippen sich meinen langsam annäherten. Für mich blieb plötzlich die Zeit stehen. Ich spürte seinen Atem - Dann waren seine Lippen auf meinen. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er sich ruckartig wieder von mir löste. "ICH KANN DAS NICHT", schrie er und ich sah wie verzerrt sein Gesicht war - vor Ekel? Ich umfasste mit den Händen meinen Hals und begann wie auf Abruf zu röcheln. Niemand sollte etwas merken. "Ich geb' dann einen aus", murmelte Sasuke völlig atemlos und erhob sich von der Erde. "Und ich geh zur Toilette - kotzen", erwiderte ich und sprang auf. So schnell ich nur konnte stürmte ich die Treppe hinauf und flüchtete ins Badezimmer. Die wenigen Schritte kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Ich hörte nichts mehr. Ich sah nichts mehr. Ich lief einfach nur. Endlich an meinem Ziel angekommen, die Tür hinter mir verriegelt, sank ich völlig verwirrt auf den Boden nieder und umfasste meine Knie. Ich zitterte. Dass es derart ekelhaft für ihn sein würde, hatte ich nicht erwartet. Oder zumindest nicht gehofft. Hinata hatte er doch so leidenschaftlich geküsst, aber bei mir - Resigniert zog ich meine Beine näher heran und verbarg mein Gesicht. Was für ein schrecklicher Abend. Es konnte wirklich nicht mehr schlimmer werden. Ich hatte jetzt echt keinen Bock mehr. Entschlossen, die Party nun zu verlassen, stand ich bereits nach wenigen Minuten des Selbstmitleids wieder auf und verließ zuerst einmal die Toilette, ohne sie überhaupt benutzt zu haben. Als ich die Tür schließlich hinter mir zuzog und den Blick hob, erstarrte ich augenblicklich. Da stand Sasuke, mit verschränkten Armen, gegen die Wand mir gegenüber gelehnt und mit einem atemberaubenden Grinsen auf den Lippen. Ich war komplett verwirrt. Es musste sich um eine Fata Morgana handeln - ein Trugbild, das sich mein gestörtes, gekränktes Inneres zusammenbrodelte. Doch dieses Wesen, das genauso aussah wie Sasuke, kam plötzlich, immer noch grinsend, auf mich zu und drückte mich noch viel plötzlicher und überraschender gegen die geschlossene Tür hinter mir. Meine Augen weiteten sich. Er war mir so nah und doch tat ich nichts weiter, als blöd und wie eingefroren herumzustehen und zu glotzen. Sein Grinsen verwandelte sich nun in ein Lächeln und ich meine, der Ausdruck in seinen Augen wurde ungeahnt ein wenig sanfter. Dann näherten sich seine Lippen meinem Ohr und er flüsterte: "Willst du jetzt einen richtigen Kuss, Naruto?" Mein Herz setzte beinah aus bei diesen Worten. In meinem Magen breitete sich ein Gefühl aus, als würde ich Achterbahn fahren. Wenn das ein Traum war, dann wollte ich um Himmels willen nicht aufwachen! Meine Antwort war ein Schlucken. "Dann schließ die Augen." Und ich tat, was er sagte. Gleichzeitig war ich bereit und darauf gefasst, dass es nicht mehr, als ein blöder Scherz sein konnte und gleich die gesamte, versammelte Truppe vor mir stehen und mich auslachen würde. Dass ich dann der Depp wäre. Und davor fürchtete ich mich zugegeben auch ein Stück weit. Aber dennoch konnte ich mir diese einmalige Chance einfach nicht entgehen lassen. Und dann, während ich völlig in meinen Gedanken versunken war, legten sich plötzlich zwei warme, feuchte Lippen auf meine. Mein Herz explodierte - er küsste mich. Wahrhaftig. Seine Zunge leckte zuerst sanft, beinah vorsichtig über meinen Mund. Anscheind war Sasuke mehr der schüchterne Typ. Ganz entgegen dem, was ich erwartet hatte. Aber das war völlig irrelevant. Das, was er da tat, war trotzdem verdammt gut und an einem leidenschaftlichen Kuss könnten wir später noch genug üben, wenn wir bei mir Zuhause waren. Bei mir Zuhause. Bei mir Zuhause! Heute Nacht würde ich mein erstes Mal mit ihm haben. Mit einem süßen, schüchternen Sasuke, den ich schützend in meinen Armen halten und mit Samthandschuhen anfassen musste. Fast wie ein kleines Kätzchen. Bei diesem Vergleich musste ich schmunzeln. Gierig fuhren meine Finger sein Gesicht entlang, strichen schließlich durch sein weiches, langes Haar - Moment mal. Sasuke hat überhaupt kein langes Haar. Ich stutzte. Verdutzt riss ich die Augen auf und unmittelbar danach tauchte Hinatas errötetes Gesicht vor mir auf. Vor Schreck glaubte ich einen Kollaps zu erleiden. Mein Blick schweifte umher, durchforstete die Umgebung und dann sah ich endlich wieder Sasuke, der mich doch eigentlich gerade küssen sollte! Doch stattdessen stand er einige Meter von uns entfernt, wieder grinsend und beobachtete uns amüsiert. Auf meiner Stirn bildeten sich Zornesfalten. Noch vor wenigen Sekunden hätte ich beinahe seinen Namen in den Kuss gestöhnt. Dieser elende Bastard. Ich drückte Hinata von mir. "Naruto...", murmelte sie leise und strich mir über die Brust. "Lass das", meinte ich nur. Ich war wirklich wütend und vor allem enttäuscht. Eher zufällig bemerkte ich, wie sie beschämt zu Boden sah. "T-tut mir leid", stammelte sie, "ich dachte, dir würde das auch gefallen." Dann stürmte sie schluchzend davon und Sasuke kam wütend auf mich zugestampft. Dabei war eigentlich ich derjenige, der einen Grund hatte, wütend zu sein. "Hey, was sollte das?", schrie er mir ins Gesicht und packte mich am Kragen. "Das könnte ich dich genauso fragen", war meine schroffe Antwort darauf. "Du hast sie verletzt, merkst du das nicht?" Das mochte sein. Aber du hast mich genauso verletzt, Sasuke. Und das jetzt schon zum wiederholten Mal. In diesem Moment hoffte ich von ganzem Herzen, nur ein enziges Mal tröstend und schützend von ihm umarmt zu werden. Gleichzeitig verspürte ich jedoch auch das dringende Bedürfnis, ihm einfach nur eine runterzuhauen. Für all das, was er mir gab und was er mir eben nicht gab. Aber ich tat nichts dergleichen. "Dann geh' doch und tröste sie", spottete ich. Mit großen Augen sah er mich an. "Red' keinen Müll! Weißt du was, du kotzt mich an, Naruto! Ich wollte dir einen Gefallen tun oder meinst du, ich hätte deine eifersüchtigen Blicke nicht bemerkt, als ich sie geküsst habe? Und anfangs sahst du auch noch so aus, als würde es dir gefallen!" Er rüttelte an mir, was sonst eigentlich nicht seine Art war. "Vergiss doch endlich Sakura!", fügte er hinten an. Obwohl ich kurz davor stand zu explodieren, musste ich bei diesen Worten unweigerlich schmunzeln. Seit wann war Sasuke so unglaublich naiv? Er war blind für meine Gefühle. Weil es ihn nicht interessierte. "Lass uns bitte gehen", murmelte ich mit geneigtem Kopf. Sein Griff löste sich. "Ich versteh' dich nicht." Ich dich auch nicht. Noch einmal sah ich zu ihm auf, mit leicht geöffneten Augen, beinah flehend, er würde es endlich einsehen, endlich begreifen. Aber er wandt den Blick ab. Er sah es nicht. Resigniert schloss ich wieder die Augen, kniff sie zusammen, versuchte stark zu bleiben. Ich lebte in einer Traumwelt. In der Realität würde ich niemals mit ihm zusammen sein. Ihn niemals berühren, niemals küssen, niemals mehr für ihn sein, als ein zweiter Bruder. Tief sog ich die Luft in meine Lungen. Er wartete. Vage erinnerte ich mich an unsere Nacht vor einer Woche. Mir blieb nur noch meine Hoffung. Ich wollte doch nicht aufgeben. Das tat ich niemals und ich würde jetzt nicht damit anfangen. Dafür war er mir zu wichtig. Das hatte ich damals gedacht. Und ich dachte es wieder. Vielleicht war es falsch, aber ich konnte nicht anders, als zu kämpfen. Jeder andere hätte vermutlich eingesehen und akzeptiert wie aussichtslos diese Lage mit Sasuke war. Aber ich war nunmal nicht wie jeder andere. Ich hatte meine eigenen Vorstellungen und Träume. Und die ließ ich mir nicht so einfach nehmen. Weil sie alles waren, was ich hatte. Genauso wie er. Ohne, dass wir uns verabschiedeten, nahmen wir unsere Jacken von der Garderobe und verließen stillschweigend das Haus. Neben mir seine Schritte, die kalte Abendluft in meinem Gesicht. "Ich verstehe dich wirklich nicht." Ein müdes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Das musst du auch gar nicht, Sasuke." Meine Augen huschten in seine Richtung, erkannten seinen starren Blick auf mir, richteten sich wieder geradeaus auf die Straße. Kein Wort davon, dass er mich verstehen wollte. Stattdessen ein: "Wir nehmen die Abkürzung." Innerlich seufzte ich zwar, aber jeglicher Widerstand oder -spruch war ohnehin sinnlos. Deshalb folgte ich ihm und vergrub meine Hände tief in den Jackentaschen, den Blick nun Richtung Boden gewandt. Das Licht wurde immer schwächer, während wir tiefer in die Gassen eintauchten. Dann hörte ich plötzlich Stimmen, Schritte, und sah auf. Als wir die vier großen Gestalten um die Ecke biegen sahen, blieben Sasuke und ich gleichzeitig und augenblicklich stehen. Mein Puls ging schneller. Die Typen schwankten leicht - betrunken. Sie wurden auf uns aufmerksam und blieben ebenfalls stehen. Es war so eine verdammte Scheißidee gewesen diesen Weg zu nehmen. Aber nun war es ohnehin zu spät, sich zu beschweren, wir steckten bereits tief im Schlamassel. "Hey, guck' dia die schwei da mah ann", lallte der eine korpulente Mann und wies in unsere Richtung. "Ich hasse halbe Portionen wie die da", meinte der Größte von ihnen schroff, beinah angewidert und klang dabei noch relativ nüchtern. Ich sah wie sie ganz langsam näher kamen, automatisch schweiften meine Augen zu Sasuke, der noch immer ungerührt und völlig ruhig dastand. Bei mir brach der Schweiß aus. Ich war nervös. Ich wollte weglaufen, konnte mich aber nicht regen. Also starrte ich. "Übsch sinnd sche ja", lachte der Korpulente nun. "Nicht mehr, wenn wir mit denen fertig sind." Der Große schlug sich mit voller Wucht in die eigene Handfläche. "Sasuke...", flüsterte ich und sah zu ihm. Nur kurz, dann fixierte ich wieder unsere potenziellen Angreifer. "Müsstet ihr nicht längst Zuhause bei Mama sein, Jungs?" Eine dreckige Lache hallte durch die Gasse. Die anderen stimmten ein. Ich hörte wie eine Flasche am Boden zerschellte. Sie waren nur noch wenige Meter entfernt. Instinktiv machte ich einen Schritt zurück. Dann war ich wieder wie gelähmt. Ich spürte, wie mir der Angstschweiß das Gesicht hinunterlief. Sasuke dagegen immer noch gelassen. "Hey, ihr Penner. Ihr steht mir im Weg", ertönte nun Sasukes arrogante Stimme in der Dunkelheit. Ich fuhr in mir zusammen, meine Augen machten sein bekanntes, süffisantes Lächeln, sowie seinen nicht minder arroganten Blick aus. War er jetzt komplett wahnsinnig geworden? Wenn er sich nicht ungeahnt als der zweite Bruce Lee entpuppte, dann hatten wir nicht mal im Ansatz eine Chance gegen diese vier bulligen Kerle. Überrascht hielten die Typen inne. "WIE WAR DAS, DU ARSCHLOCH?!", schrie der Nüchterne impulsiv und völlig außer sich. "Hörst du schlecht?", entgegnete mein leichtsinniger Freund. Sasuke! Weißt du, was du tust? "DIR MUSS MAN WOHL MAL DEIN ARROGANTES MAUL POLIEREN, WIE?!", brüllte er in die Nacht und damit stürmte er auf uns zu, dicht gefolgt von den anderen. Hier würde ich also sterben. 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