Freundschaft und Liebe von 4FIVE ([Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]) ================================================================================ Kapitel 22: Night Calls And More Doom ------------------------------------- . . Sakura verbrachte die nächsten Tage in dieser fortwährend andauernden Hochstimmung, die all ihren Freunden ein Dorn im Auge war. Zu gerne hätte jeder den Titel des glücklichsten Menschen in Miya-So für sich beansprucht; das Recht dazu hatten sie allesamt. Hinata war noch immer auf Wolke Sieben, auf der auch Naruto den Großteil seiner Freizeit verbrachte, wenn er nicht von irgendjemandem zum Lernen getreten wurde. Ino hatte in Sai einen guten Zuhörer gefunden, der sich ihren Fängen kaum mehr entziehen konnte, was ihrem Ego und damit ihr selbst mehr als nur Balsam auftrug. Sai konnte sich im Gegenzug damit rühmen, das heißeste Mädchen des Internats an seiner Seite zu haben, was an und für sich keine ausreichende Entschädigung für diesen Typ Frau darstellte, mit dem seine stille Art nur mäßig konform ging. Ihm war es letzten Endes egal, womit auch er glückselig seine Tage fristete. Shikamaru war endlich aus den Fäden dieser vermaledeiten Liebesgeschichte mit Sakura freigekommen, ohne großen Schaden zu nehmen und Gaara—nun ja, Gaara war sein eigenes Buch mit vielen Kapitel auf Althochchinesisch geschrieben, das kein Mensch auch nur annähernd verstand. Er und Sayuri verbrachten neuerdings mehr Zeit miteinander, als es sich gehörte, aber die Allgemeinheit störte sich kaum daran. Im Gegenteil vermutete sie sogar ein neuerliches Aufkeimen alter Gefühle, was Sakura und Temari von vornherein klar gewesen war. Ach ja, Temari…sie sonnte sich einfach in den Glücksgefühlen ihrer Mitmenschen und genoss es, Sakura womöglich irgendwann als Schwägerin begrüßen zu dürfen. Ehe man sich versah, waren die Zimmer des Wohnheims leer, die Weihnachtsferien angebrochen und ehe man sich ein zweites Mal versah, war alles auch schon wieder vorbei. Nur mehr die Weihnachtsdekoration und ein Foto auf Sakuras Mobiltelefon, erinnerte sie an die harmonische Zeit, die ihre Mutter mit so viel Hingebung und Liebe ausgestattet hatte, dass alle Eheprobleme und Familienkrisen für wenige Tage beiseitegeschoben worden waren. Dieses Foto sah sie seit über einer halbe Stunde an. Sie hatte zu Weihnachten eines dieser überteuerten Touchscreen Handys mit weiß der Teufel wie vielen Farben und unmenschlich guter Auflösung geschenkt bekommen. Ein Geschenk, auf das sie gerne verzichtet hätte, denn es diente dem Zweck der Videotelefonie mit ihren Eltern, was sie als wenig wünschenswert erachtete und mehr noch als überhaupt gar nicht erst erstrebenswert. Einen Vorteil hatte das edle—und unnötige—Teil wenigstens: Sie konnte die Fotos, die sie zuvor geschossen hatte, stundenlang anstarren. Das Foto, dem nun gerade ihre Aufmerksamkeit gehörte, war ein Gruppenfoto, dass die Sabakunos und die Harunos zeigte, wie sie friedlich um einen reich gedeckten Frühstückstisch saßen. Gaara, der das Foto nicht mitbekommen hatte, saß an Sayuris Seite und bedachte sie mit einem dieser Blicke, was gleichzeitig auch der Grund für Sakuras Starrorgie war. Sie konnte sich nicht recht entscheiden, ob sie es gut finden sollte. Sayuri jedenfalls machte ein großes Geheimnis aus allem, was während des Aufenthalts im Ferienhaus passiert war. Dass etwas geschehen war, war klar ersichtlich. Was, war hier die einzige Frage. Sayuri würde schon wissen, was sie tat und Gaara war kein schlechter Kerl. Sakura vertrieb die ins Nichts führenden Gedanken mit einem resignierenden Seufzer. Wieso dachte sie darüber nach? Ach ja, richtig. Wenn sie sich nicht damit ablenkte, müsste sie über etwas anderes nachdenken und das wäre zweifelsohne Sasuke—ein für sie längst leidig gewordenes Thema. Ob er gerade mit Karin in Tokio die Ferien verbrachte? Sakura bildete sich ein, beiderlei Elternhäuser in der Hauptstadt zu wissen. Natürlich, immerhin wohnte fast jeder hier. Nun, nicht gerade aus ihrem Freundeskreis—das waren nämlich nur die Sabakunos, Shikamaru und sie selbst—aber einen Uchiha konnte sie sich nirgends anders vorstellen, als im nobelsten Viertel des teuersten Stadtteils der kostenintensivsten Stadt Japans. "Ah!", grummelte sie missmutig und drehte sich auf ihrem Himmelbett zur Seite. Genau das hatte sie gemeint! Nun sinnierte sie schon, wo Sasuke wohl leben mochte. Als wäre ihr das nicht sowas von egal! Mit sich selbst schimpfend, zog Sakura sich ihr Nachthemd an, warf sich in das breite Bett zurück und verbarrikadierte sich unter ihren beiden Decken vor der Außenwelt. Unter dem Schutz des Stoffpanzers, spürte sie ihren warmen Atem auf ihrem Handrücken, mit dem einhergehend auch die gesamte Temperatur um sie herum anstieg. Ihre Augen geschlossen haltend, genoss sie die wohlige Wärme, als ihre Gedanken erneut abschweiften—diesmal in eine andere Richtung, die sie später nicht mehr rekonstruieren konnte. Eingeschlafen war sie schlussendlich gegen neun Uhr. Eine sehr frühe Zeit mochte manch einer meinen, aber wer sogar in den Ferien für eine schier nicht zu schaffende Prüfung lernte, der durfte sich diese Freiheit herausnehmen. Viel mehr Glück als das, war ihr ohnedies nicht vergönnt. Ein Klingeln bahnte sich seinen Weg durch sämtliche Decken und Kissen, die Sakura über sich gelegt hatte. Es drang schleichend an ihr Ohr, wo der bekannte Klingelton, den sie bereits seit Jahren hatte, im satten Klang ihres neuen Telefons ihre wohlverdiente REM-Phase unterbrach und sie sanft aus dem Traumland lockte. Sie warf kraftlos allen Stoff über sich zur Seite, um zu eruieren, woher das Klingeln kam. War es denn schon Morgen? Hatte sie sich einen Wecker gestellt? Nein. Es war dunkel, stockfinster mochte man sagen. Erschöpft von dem schweißtreibenden Unterfangen der Deckenbeseitigung, gab sie selbiges schnell wieder auf und ließ sich stöhnend zurück auf die Matratze fallen, die sie sanft auffing und in neuen Schlaf führte. Das Klingeln hörte nicht auf. War sie überhaupt wach? Erst dachte sie, es würde einer wirren Träumerei entspringen, doch die Vibration konnte sie sich nicht einbilden. Es dauerte acht Töne lang, bis sie schlaftrunken nach dem Mobiltelefon langte, das friedlich surrend auf dem Nachttisch neben ihrem Bett lag. Die ersten beiden Greifversuche schlugen fehl; sie war es einfach nicht gewöhnt, Zuhause aufzuwachen. Der dritte Versuch war ein Erfolg. Mit kaum geöffneten Augen, erhaschte sie eine verschwommene Sicht auf eine ihr unbekannte Nummer. "H-Hallooo?", murmelte sie gähnend in den Lautsprecher. Sie hatte das Gerät falsch herum zum Ohr geführt, was sie nicht bemerkte. Erst kam keine Antwort, sondern nur ein seltsames Brummen vor Straßenlärm. "Hallo-o?", nuschelte sie erneut. So richtig wach war sie immer noch nicht. Wenigstens bekam sie endlich eine Antwort. "Sakuraaa?" Es war eindeutig Sasukes Stimme. Ohne groß zu überlegen legte Sakura auf. Das war doch ein schlechter Scherz! Wieso rief er sie bitte um—ihr Blick huschte zum Wecker—zwei Uhr morgens an? Der konnte was erleben, sobald sie morgen früh wieder zurechnungsfähig war! Ihr einfach so den Schlaf zu rauben—der hatte ja Nerven! Wenn er jemanden verarschen wollte, dann bitte jemand anderes! Es vergingen drei Minuten, in denen Sakura keinen Schlaf fand; im Gegenteil: Sie wurde immer wacher und langsam beschlichen sie Sorgen. Wieso hatte er angerufen? Warum hatte er so komisch geklungen? Sasuke war nicht der Typ, der Menschen auf die Schippe nahm. Er besaß so gut wie keinen Humor. Wenn er sie um zwei Uhr früh anrief, musste etwas dahinterstecken. Die Verwirrung wurde immer größer, bis sie keine vier Minuten später nach dem Telefon langte und die Wiederwahl drückte. Es ertönten fünf Freizeichen, ehe jemand abhob, ohne sich zu melden. Statt seinen Namen zu sagen, ließ Sasuke scheinbar sein Handy fallen, denn Sakura hörte nur ein Scheppern und einen laute Fluch am anderen Ende der Leitung. "Sasuke, bist du das?" "Mnm …" "Sasuke?" "Ja?" Er nuschelte und lallte und murmelte und das alles zugleich. "Saaakura-chan?" "Spar's dir. Was willst du? Bist du etwa betrunken?" Er gab keine Antwort. "Jetzt hör mir mal zu, du sagst mir jetzt sofort, was du willst, sonst hau ich dir eine rein, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Wer mich grundlos aus dem Schlaf klingelt, sollte mich nicht auch noch zum Narren halten!" Auf der anderen Seite war es kurz ruhig, dann ertönten beinahe zeitgleich ein Knallen und wieder ein Fluch, diesmal aus Schmerz. Dann fiel eine Tür zu. War er etwa gegen eine Tür gelaufen? Das Handy hatte er jedenfalls noch, denn sie konnte seinen schweren Atem hören. "Sagst du mir jetzt bitte, was los ist?" "Hol—Hol mich bitte ab." Sasukes Stimme klang ein wenig klarer, beherrschter, aber er musste sich scheinbar stark konzentrieren, denn er sprach langsam. "Bitte." "Wo bist du?" "Vor einer Bar." Ein leichtes Lallen war trotzdem noch zu hören. Außerdem hörte er sich an, als müsse er sich gleich übergeben. "Vor welcher?" "Tokio." "Ha-ha." Sakura war drauf und dran, wieder aufzulegen, aber sie konnte ihn doch jetzt nicht einfach im Stich lassen. "Tokio ist groß. Wo ist Karin? Warum rufst du sie nicht an?" Darauf gab er keine Antwort. "Klasse. Deine Freundin lässt du schlafen, aber ich bin dir ja nicht wichtig genug, dass du mir meinen Schlaf gönnst. Herzlichen Dank. Wie heißt die Bar? Nein, vergiss es, ich kenne mich mit Bars sowieso nicht aus. In welchem Stadtteil bist du?" Sasuke schien zu überlegen; sehr lange. Es dauerte beinahe eine Minute, ehe er einer Antwort fähig war. "Shinjuku. Glaub ich." "Welcher Bezirk?" "Shinjuku." Ihr Griff um das Telefon verfestigte sich. "Willst du mich verarschen oder meinst du direkt den Bezirk Shinjuku Stadt?" "Stadt." "Gut." Sie atmete tief ein, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. "Bist du vor einer Bar?" Keine Antwort. "Sasuke, wenn du nickst oder den Kopf schüttelst, dann sehe ich das nicht durch das Handy." "Ja. Ich wollte reingehen, aber es ging nicht." Also war er doch gegen eine Tür gelaufen. Herrlich, einfach herrlich. Und sowas um zwei Uhr früh! "Was siehst du auf der Straße? Sag mir einen markanten Punkt. Ist da ein großes Gebäude, das du kennst, oder ein Straßenschild?", fragte sie ungeduldig. Shinjuku war groß. Auf gut Glück loszugehen, wäre sinnlos. "Da ist ein…ein…großes Haus." Nun bekam er auch noch Schluckauf. "An einer Ecke. Es ist grau und hat Fahnen oben drauf." "Sasuke, alles ist bei Nacht grau." Sie unterdrückte erneut den Drang, einfach aufzulegen. Da fiel ihr etwas ein. "Meinst du das Kaufhaus von Isetan im dritten Viertel?" "Möglich." "Okay. Versuch wieder in diese Bar reinzugehen, ich hole dich von dort ab. Sasuke, hörst du? Geh in diese Bar und warte auf—" Er hatte wortlos aufgelegt. Sakura wollte keine Gedanken daran verschwenden, ihn als unhöflich oder undankbar zu bezeichnen. Shinjuku war zwar eine teure Gegend, aber sie war genauso gefährlich wie jede andere. Ein Betrunkener war leichte Beute für Straßenräuber oder ein herannahendes Taxi. In Windeseile griff sie sich die erstbeste Kleidung, warf sich Schal und Mantel um und rief ein Taxi. Vielleicht hatte sie ja Glück und er lief genau vor ihres … ɣ Die Harunos wohnten in Hibiya, einem schönen Bezirk in Chiyoda, der nahe dem kaiserlichen Garten lag, auf den sie aus ihrem Wohnzimmer direkten Blick hatte. Der nächste Vorteil Chiyodas war, dass es gleich an Shinjuku grenzte, weswegen sie nicht lange brauchte. Das Kaufhaus von Isetan war ein beliebtes Ziel von ihr und ihrer Schwester, wenn sie in den Ferien den Fängen ihrer gluckenhaften Mutter zu entkommen versuchten. In nur einer viertel Stunde war sie endlich angekommen, nachdem schlicht alle Ampeln gegen sie gewesen waren. "Warten Sie bitte hier", wies sie den Fahrer an, der freundlicherweise sogar das Taxameter abstellte, während er warten musste. Sakura deutete eine leichte Verbeugung an, dann suchte sie die Umgebung nach einer Bar ab, die noch geöffnet war. SAsukes war nicht schwer zu finden, denn es war die einzige, vor denen seltsame Abdrücke im Schnee waren. Sakura fasste sich ans Herz. Sie war noch nie um solch eine Uhrzeit in eine Bar gegangen. Was das wohl für einen Eindruck machen musste? Vor allem in ihrem Aufzug. In ihrer Hektik hatte sie blaue Schuhe zu einem braunen Mantel angezogen—ein modischer Fauxpas! Andererseits, wer hier um diese Zeit noch saß, hatte entweder einige Promille oder ganz andere Probleme—oder erstes wegen zweiterem. Daran mochte Sakura gar nicht denken! Sasuke in einer solchen Gesellschaft! Selbst wenn sie ihn nicht leiden konnte. "Hey, ist das deine Freundin, die du anrufen wolltest?" Sasuke hob seinen schweren Kopf, der Minuten zuvor geräuschvoll auf dem Tisch gelandet war. Auf seiner Wange war ein Bierdeckel, der sich mithilfe klebriger Flüssigkeiten mit seiner Haut zu verbinden versuchte. "Ist sie das?", wiederholte der Barkeeper mit Nachdruck. Solche Gäste waren nicht selten. Er wandte den Blick zu der jungen Dame, die suchend den Blick schweifen ließ. "Entschuldigen Sie, Miss! Ist das Ihrer?" Er deutete auf Sasuke. Der jungen Dame schlief schlagartig das Gesicht ein. Ein Ausdruck des Entsetzend huschte darüber, begleitet von Wut und Empörung, die im Gegensatz zu dem Schock präsent blieb. Das war Schema F; genau das, was er jeden Abend mit diesen reichen Kerlen durchmachen musste. Und zwar nicht nur einmal pro Nacht. Was tat man nicht alles, um in einer solch edlen Bar in einem solch noblen Bezirk arbeiten zu dürfen. Sakura wusste nicht genau, wie sie sich fühlen, geschweige denn verhalten sollte. Was tat man mit einem Betrunkenen? Jedenfalls musste sie zu ihm gehen. Sich einfach umzudrehen war keine Lösung, wenn der Barkeeper sie schon bemerkt hatte. "Haben Sie vielen Dank, dass Sie auf ihn aufgepasst haben", meinte sie mit einer seichten Verbeugung, als sie neben Sasuke stand. Er war bereits wieder in sich zusammengesunken und schlief schnarchend. "Hab' ich nicht, Miss. Diese Betrunkenen haben einen eigenen Gott, der sie beschützt. Solchen Leuten passiert nie etwas." Sakura verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln. "Ja, so ist es wohl. Sasuke?" Sie stupste ihn sachte an, doch es half nicht viel. "Hey, Sasuke, wach auf. Komm schon, wir gehen jetzt nach Hause. Sasuke!" Mit mehr Kraft in der Faust schlug sie ihm gegen den Kopf, der sofort hochzuckte. Sasuke sah sie aus trüben, zittrigen Pupillen an. Es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Blick zu fokussieren. "Sa…ku…ra", nuschelte er. "Welch Erkenntnis!", konterte sie erbost. "Steh auf. Kannst du das denn überhaupt?" Ohne eine Antwort abzuwarten, zerrte sie ihn grob am Arm hoch. Sasuke half nur wenig mit, aber immerhin genug, um nicht wieder hinzufallen. "Wohin…gehen wir, Saku…" Der letzte Teil ging in einem Schluckauf unter, der sich hielt, bis Sakura ihn mit einem unsanften Stoß auf die Rückbank des Taxis verfrachtet hatte. "Wir gehen jetzt heim, verstanden? Sag mir deine Adresse." Zu sich konnte sie ihn immerhin nicht lassen. Ihre Eltern würden ausflippen! Sasuke wusste seine Adresse nicht. Er brabbelte irgendwelche Zahlen und Buchstaben, die wenig bis gar keinen Sinn ergaben und in ihrer Gesamtheit nutzlos waren. Verzweifelt wandte sie sich an den Taxilenker. "Wissen Sie, wo die Privatklinik in Chiyoda ist?" "Natürlich", brummte der dickliche Mann mit Bart vom Fahrersitz. "Haben Sie denn genügend Geld dafür dabei? Zehntausend Yen werden es wohl mindestens werden." "Das ist okay. Die Schnapsdrossel in Krawatte zahlt." "Sake", murmelte Sasuke plötzlich im Halbschlaf. "Hab' Sake getrunken." "Ja. Und Sake ist kein Schnaps?" Sakura fuhr sich an die schmerzende Stirn, ohne weiter darauf einzugehen. Was hätte es auch gebracht? Der Taxifahrer dachte sich seinen Teil ohnehin schon und sie selbst gab sich gerade auf. Zumindest für diese Nacht. Uchiha Sasuke zu irgendwas zu bewegen, war eine Schwierigkeit an sich. Doch einen betrunkenen Uchiha Sasuke dazu zu bringen, still auf einer Wartebank im Empfangsbereich der Privatklinik zu sitzen, überstieg ihre Vorstellungskraft bei weitem—zumindest, wenn sie sich jemals eine solche Situation vorgestellt und ihren Schwierigkeitsgrad bemessen hätte. Die einzige Lösung, die ihr auf die Schnelle eingefallen war, war Sasukes Unterbringung in einem unbelegten Krankenbett dieser Klinik. Niemand würde etwas erfahren und die Schwestern hatte sie bereits vor Jahren als zuckersüßes Kind um den Finger gewickelt. Welcher Krankenpfleger konnte einem kleinen Mädchen denn schon widerstehen? "Suzume-san, kannst du mir wohl einen Gefallen tun?", fragte sie die braunhaarige Empfangsdame im Flüsterton. Entschuldigend lächelnd warf Sakura einen Blick zu Sasuke nach hinten. "Mein Bekannter kann nicht zu sich nach Hause und bei uns kann er auch nicht bleiben. Könnte ich ihn wohl hier für eine Nacht unterbringen? Es geht ihm nicht gut und in der Nachtschicht kommen doch ohnehin kaum neue Patienten hinzu." Suzume sah die Bittstellerin überlegend an. "Du weißt, dass ich großen Ärger deswegen bekommen kann. Ich möchte nicht, dass mit fünfundzwanzig meine Karriere endet. Zimmer 312 ist frei. Aber lass dich bloß nicht erwischen, hörst du?" "Danke! Du hast was bei mir gut." Sakura nickte dankend, ehe sie zurück zu Sasuke ging, der drauf und dran war, wieder einzuschlafen. "Hier wird nicht geschlafen. Los, steh auf." Sie zerrte an seinem Unterarm, um ihn aufzuziehen. Sein leblos schunkelnder Kopf fiel knacksend zur Seite und sie dachte schon, sie hätte ihm das Genick gebrochen. Doch der reißende Schmerz schien ihn wachgerüttelt zu haben, denn er sah Sakura aus rot unterlaufenen Augen an. "Ich schwöre dir, Sasuke…", murmelte sie säuerlich. Nach einer schieren Endlosigkeit—gut einer viertel Stunde—lag Sasuke schmatzend in einem frisch bezogenen Krankenbett. Es dauerte keine weitere Minute und er war friedlich eingeschlafen. "Wie ein Kleinkind", stellte Sakura matt fest. Ob sie damit sein Benehmen oder sein unschuldiges Schläfchen meinte, wusste sie selbst nicht. Wenigstens war sie ihn los. Sie konnte endlich ihren wohlverdienten Schlaf fortsetzen. Doch erst musste sie sich in den cremefarbenen Sofasessel an der Wand fallen lassen. Ihre Füße waren schwer wie Blei, ihre Arme lasch wie Gummi und ihre nervliche Stabilität bei null. Wenigstens hatte sie einen hervorragenden Vorgeschmack auf das Arbeiten als Ärztin. Das machte sie innerlich irgendwie stolz. Sie hatte Geistesgegenwart bewiesen, hatte gut reagiert und dabei noch nicht einmal einen Moment lang ans Aufgeben gedacht. Ob das nur an ihrem Wunsch Ärztin zu werden lag? "Natürlich!", mahnte sie sich leise. "Was sollte es denn sonst sein? Dieser betrunkene Vollidiot, dem Spucke aus dem Mundwinkel rennt etwa? Niemals. Und sowas schimpft sich Uchiha. Ich wette, so hat ihn noch nie jemand gesehen." Das brachte sie auf eine Idee. War sie wirklich so gemein? Natürlich. Wer hätte der süßen Versuchung schon widerstanden nach alldem, was sie heute Abend durchgemacht hatte? In Windeseile und schleichend wie ein Ninja—obwohl sie trampeln hätte können wie ein Nilpferd, Sasuke schlief felsenfest—pirschte sie sich an und hörte wenig später selig mit sich und der Welt ein Klickgeräusch. Dieses Foto—neues Handy sei Dank!—würde ihr sicherlich öfters die Tage versüßen. Stöhnend ließ Sakura sich nach vollendeter Missetat in das bequemen Polstermöbel zurückfallen. Sie fasste sich an die Stirn, was nur mäßig gegen das müde Pochen in ihrem Kopf half. Sie war so müde, so erledigt, so kaputt. Alles tat ihr weh und Sasuke beim Schlafen zu beobachten, machte auch sie träge. Nur fünf Minuten. Nein! Das durfte sie nicht! Sie wollte einfach nur nach Hause, bevor sie hier in unbequemer Pose nächtigte. Der Konfrontation mit Sasuke mochte sie lieber aus dem Weg gehen. Schweren Beines erhob sie sich. Dennoch kam sie nicht umhin, Sasuke einen Kontrollblick zu schenken. Er schnarchte schwer vor sich hin, seine alkoholgetränkten Stirnfransen klebten an seiner Stirn und der dünne Speichelfluss benetzte in ekelhafter Kontinuität den weißen Bettüberzug. Jetzt wusste Sakura wenigstens, dass sie lieber Ärztin werden wollte, denn Krankenschwester. "Schlaf gut", hauchte sie zweifelnd, ob man das mit solch einem Alkoholpegel überhaupt konnte. "S…Sakura…" Es war ein leidvoll in die Länge gezogenes Gähnen, viel eher einem Verzweiflungsruf ähnlich, als einem Namen. "Bleib…bitte", nuschelte er in sein Kissen. Sakura wandte den Blick gemeinsam mit ihrem Körper ab. Sie dachte ja gar nicht daran! Aber da hatte Sasuke bereits ihr Handgelenk gepackt—zugegeben, er berührte es leicht. Dass er getroffen hatte, war für sich ein Wunder des Herrn. "Sasuke, lass mich los", forderte Sakura ihn griesgrämig auf. Sasukes Hand blieb. Sie hätte sie mit Leichtigkeit abschütteln können, sein Griff war noch nicht einmal geschlossen. Etwas hielt sie davon ab. Etwas in ihr stieg auf die Bremse. Es war ihr Gewissen und ihre Empathie. Wenn sie in einer solchen Situation wäre, würde sie auch nicht alleine irgendwo aufwachen wollen. Also blieb sie. Sie zog sich den Couchsessel ans Bett und nur wenige Minuten später sackte ihr Kopf auf Sasukes Bett und ihr Bewusstsein ins Land der Träume, ihr Handgelenk haltsuchend von Sasukes kraftlos erschöpften Fingern umfasst. . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)