Freundschaft und Liebe von 4FIVE ([Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]) ================================================================================ Kapitel 20: Cut And Crab Cake ----------------------------- . . Sasuke traute seinen Ohren kaum. Und er traute seinen Augen kaum. Sein Bruder, sein dummer Bruder! Er hätte schwören können, dass Itachi ihn angelogen hatte, damals vor drei Wochen, als er gemeint hatte, sie würden zusammen mit den Harunos und den Naras an einem Tisch sitzen bei dieser vermaledeiten Gala, zu der er sich gezwungen sah, hinzugehen. Ohne Karin. Wenigstens das. "Du kannst sie nicht leiden", bemerkte Itachi mit Blick auf die Straße. Er hatte Sasuke mit dem Auto abgeholt, damit er auch ganz sicher zu dieser Gala kam, auf der er ihn nicht alleine lassen durfte. "Wen meinst du?" "Dieses rothaarige Ungetüm, das sich was auf sich einbildet. Du bist nicht verliebt in sie." "Ich hab's ihr noch nie gesagt, aber ich bin trotzdem mit ihr zusammen." "Weil du keine Ahnung hast, Brüderchen." Sasuke verschränkte desinteressiert die Arme vor der Brust. "Ich werde Nara heute fragen, ob ich meinen Bruder wegen Einmischung und Verleumdung verklagen kann. Du sprichst mir Gefühle ab, die ich eindeutig haben muss, wenn ich in einer Beziehung bin." "Ich sag's ja nur ungern, aber du hast keine Gefühle. Seltsam, dass gerade jemand wie sie welche in dir wecken sollte. Ich glaube dir kein Wort. Du bist nur mit ihr zusammen, weil du keine Ahnung hast. Du könntest es genauso gut sein lassen, nicht wahr?" Sasuke antwortete nicht. Er mochte nicht mit seinem ach so perfekten Bruder über eine Beziehung reden, die er selbst nicht verstand. "Ich habe recht, das sehe ich dir an. Karin ist nicht dein Typ. Sie ist herrisch, autoritär, autark und ein Mannsweib. Auf sowas steht kein Uchiha. Also muss der Sex sehr gut sein." "Wir haben noch nicht miteinander geschlafen." Itachi schwieg einen Moment, dann schüttelte er mitleidig den Kopf. "Dann verstehe ich nicht, warum du mit ihr zusammen bist. Ehrlich nicht. Noch nicht miteinander geschlafen—pf! Ihr seid nun schon fast drei Monate zusammen. Schande über dich." "Halt den Rand, sonst verreiß ich dir das Lenkrad und wir stürzen zusammen in den Straßengraben." "Das würdest du nicht tun. Ich wette mit dir um eine Essensschlacht." Sasuke wandte den Blick aus dem Fenster. Seine Gedanken schweiften ab. Warum eigentlich? Sie war hübsch, klug, freundlich…warum zum Teufel war er dann mit Karin zusammen? Er versuchte immer wieder an sie zu denken, an ihr rotes Haar, an ihr Lächeln, aber er hatte sie nie ehrlich lachen sehen. Sie hatte stets gespielt unschuldig oder süßlich gelächelt, niemals herzhaft einfach um des Lachens willen. Im Gegensatz zu ihr. Dieses verdammte Mädchen! Was hatte Haruno Sakura ihm nicht alles an den Kopf geworfen. Es stimmte ihn nachdenklich. Und es gefiel ihm nicht. Doch als Sakuras Gesicht vor ihm auftauchte, wandte er sich wieder seinem Bruder zu. Das war doch verrückt…er konnte nicht—nein. Er war mit Karin zusammen. Solche Gedanken wollte er sich gar nicht erst einreißen lassen! ɣ Sakura war bereits am Vortag zusammen mit Sayuri nach Tokio gefahren, um den nächsten Tag in Ruhe beginnen zu können. Außerdem wollte sie endlich ihren Plan umsetzen und sich die Haare schneiden lassen. Diese Aufgabe traute sie nur ihrem Stammfrisör zu. Sie hätte ihn nicht vor den Kopf stoßen können. Seit Jahren predigte er ihr, dass kurze Haare ihr Gesicht betonen würden und das war nun einmal zauberhaft. Er hatte recht. Das kaum mehr schulterlange Haar umrahmte in kecken Stufen geschnitten ihre Züge. "Das wird eine Überraschung für ihn werden, diesen eingebildeten Hammel", murmelte Sakura zufrieden mit dem Ergebnis, das sie stolz ihrer Schwester in deren Zimmer vorführte. Ihren Eltern war es gar nicht aufgefallen, was sie nicht störte. "Damit dürfte bewiesen sein, dass ich nicht mehr an Sasuke interessiert bin." "Wer's glaubt. Du reagierst auf seine Aussagen, das ist Zeugnis deines Interesses. Vielleicht kein romantisches, aber immerhin zeigst du ihm damit vor allem eines: Dass du ihm zuhörst. Die kurzen Haare stehen dir trotzdem." "Danke, das wollte ich hören." Sakura fuhr sich erneut über ihr neues Haar. Sie fand es klasse. Es war in leichten Wellen nach außen geföhnt, sodass die teure Diamantkette schön zur Geltung kam. "Welches Kleid ziehst du an?", fragte sie "Das gelbe vielleicht. Ich weiß nicht. Kann ich deine Perlohrringe dafür haben?" "Wenn du mir deine roten Schuhe leihst. Die satinbespannten mit den Steinen." "Sag bloß du willst—" "Ganz recht." Sakura drehte sich schwungvoll um. "Ich zieh das Rote an." "Tu das nicht. Je hübscher du aussiehst, desto mehr wird Uchiha denken, dass du es seinetwegen machst, wenn er wirklich so eingebildet ist wie du immer sagst, woran ich keinen Zweifel habe." Sayuri schritt zu ihrer Schwester und drehte sie wieder dem Spiegel zu. "Du bist so schön. Er hat dich nicht verdient. Du solltest ihn nicht länger zu einem Teil deines Lebens machen. Selbst wenn er heute mit uns an einem Tisch sitzt." Sakuras Miene gefror zu Eis. "Bitte? Die Uchihas sitzen mit uns und den Naras an einem Tisch? Wieso hat mir das keiner gesagt?" Sayuri zuckte die Schultern und ihre Schwester seufzte ergeben. "Natürlich. Es wäre ja auch lächerlich einfach gewesen, einfach nur an ihm vorbeilaufen zu können und ihm zu zeigen, was er verpasst hat. Verdammt." "Du machst das schon." Sakura war sich gar nicht so sicher. "Er hat mich mit seiner Freundlichkeit ganz schön durcheinandergebracht. Wenn es vorgetäuscht war, was ich annehme, hat er sicherlich irgendwelche Hintergedanken. Vielleicht macht es ihm Spaß, mich zu quälen. Das wäre eine Möglichkeit. Irgendwas stimmt mit ihm nicht." "Das wussten wir von Anfang an", scherzte Sayuri lächelnd. "Die Erklärung liegt auf der Hand. Er hat eingesehen, was er hätte haben können. Und ganz ehrlich, neben Karin sieht jeder wie die perfekte Freundin aus, du ganz besonders." "Hm." Das konnte Sakura guten Gewissens negieren. Sasuke und sie mögen—also ehrlich! Er würde nicht einmal ansatzweise an sie denken, wenn es um sein Leben ginge! Nein, es musste eine andere Erklärung geben. ɣ Der Saal, in dem die Gala stattfand, war reichlich dekoriert. Überall wanden sich Rosengirlanden und goldene Akzente vermischt mit zurückhaltender Eleganz, die zusammen einen angenehmen Charme vermittelten. Mittelpunkt des Raumes war ein Rednerpult an dessen Kopf, das geschmückt war mit teurer Dekoration. Mittelpunkt der Gala selbst war niemand anderer als die hochwohlgeborene Familie Uchiha, die sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zog, sobald sie den Saal betrat. Bei den Mädchen brach Getuschel aus, denn es schickte sich nicht, offenkundig jemanden anzuhimmeln. Sie besaßen Stil und das machte es Sasuke angenehm. Er spürte Blick auf sich ruhen, bedeckte Finger auf sich zeigen, aber man ließ ihn zu seiner großen Überraschung in Ruhe. Vielleicht hatte sich ja rumgesprochen, dass er eine Freundin hatte. Ihm war es egal, warum, wieso oder weshalb. Sein eigener Blick schweifte unwillkürlich zu dem Tisch, an dem er bald sitzen würde. Zusammen mit den Harunos und den Naras. Sie waren alle schon da und unterhielten sich. Fünf Minuten vor der Ankunft der Uchihas waren die Naras gekommen. Haruno Mebuki hatte sich von ihrem Mann vorstellen lassen und war sofort mit Nara Yoshino in ein angeregtes Gespräch verfallen, das sich um dies und das drehte. Es gab viel zu bereden, da die Kinder irgendwie verbandelt waren. Shikamaru stieß Sakura unsanft in die Rippen. Sie hatte ihm das alles eingebrockt, also musste sie es auch wieder gradebiegen. "Mach jetzt", forderte er ungeduldig. "Schon gut, reg' dich ab", giftete Sakura zurück. "Mama, kann ich kurz deine Aufmerksamkeit haben und die aller anderen hier Anwesenden?" Schlagartig wanderten alle Köpfe zur ältesten Harunotocher. "Wir wollten es eigentlich nicht unbedingt am Anfang des Abends machen, aber uns bleibt wohl keine andere Wahl." Sie holte tief Luft. "Shikamaru und ich sind kein Paar." Sekunden des Schweigens umhüllten den Tisch. Dann seufzte Mebuki erleichtert. "Ein Glück! Wir dachten schon, ihr meint es ernst mit der Verlobung und machten uns schon Sorgen, ob du vielleicht schwanger seist." "Wir dachten dasselbe!", gestand Yoshino. Sie umfasste die Hand ihres Gatten. "Nicht, dass wir euch nicht alles Glück dieser Welt wünschen würden, aber es war schon sehr seltsam. Ihr seid doch noch so jung." "Wir sind kein Paar", wiederholte Sakura ernst. "Hört ihr? Wir waren nie zusammen. Das war alles nur eine Phase, bis wir bemerkten, dass es nicht funktionieren würde. Es war ein Experiment, nichts weiter. Wir wollten es wissen und dann hat es sich zu einem Gerücht entwickelt. Wir konnten nicht mehr aus!" "Es ist okay, Schatz." Mebuki langte über Sayuri zu ihrer Tochter und tätschelte ihr die Hand. "Wir verstehen das. Aber warum hast du es nicht schon früher gesagt?" "Wollte ich ja!", rief Sakura aufgebracht mit Empörung in der Stimme. "Ich habe es versucht, aber ihr habt mich nie zu Wort kommen lassen und wenn, dann habt ihr euch zurechtgebogen was ihr es hören wolltet! Die einzigen, die daran schuld tragen—" Sakura verstummte augenblicklich. Vor den Uchihas musste das nicht breitgetreten werden und gerade diese waren eben an den Tisch getreten und wurden den Naras vorgestellt. Sasuke machte einen ordentlichen Eindruck. Sein natürlich maßgeschneiderter Anzug saß perfekt, die Fliege stramm und sein Blick wie der eines Königs. Er grüßte die Naras mit gelassener Zurückhaltung, schenkte den anderen einen nicht minder höflichen Gruß und als Sakura an die Reihe kam, hellte er sich merklich auf. Zumindest für Itachi merklich, der schlagartig in seiner eleganten Vorstellung innehielt, mit der er die Anwesenden bedacht hatte. Im Gegensatz zu seinem Bruder wirkte er wie ein Lebemann schlechthin. Er besah selbigen skeptisch, sagte aber schlussendlich doch nichts mehr. Sasuke musste selbst wissen, was er tat. Und das tat er nicht. Wie die Selbstverständlichkeit selbst nahm Sasuke Sakura gegenüber Platz. Sie hatte kurze Haare, was ihr sehr gut stand. Und er hasste sich für diese Gedanken. Wieso hatte sie sich die Haare geschnitten? Aus Provokation, weil er die Länge von Karins Mähne erwähnt hatte? Wollte sie ihn etwa auf die Palme treiben? Ein Zeichen setzen? Das funktionierte sowas von gar nicht, denn seine Aufmerksamkeit lag mehr auf ihr denn je. Er war scheinbar verrückt geworden. Sasuke konnte nicht umhin, sie noch eine Weile anzusehen, ehe er den Blick Itachi zuwandte, der schwungvoll auf dem Nebensessel landete. "Starr sie nicht so an", zischte er mahnend. "Sonst merkt sie es noch." "Was soll sie den merken?", brummte Sasuke missmutig. Sakura hatte sich Shikamaru zugewandt. "Dass du sie anstarrst zum Beispiel, Brüderchen. Was auch immer du an Karin findest, Sakura scheint mehr davon zu haben. Ich habe diesen Blick noch nie an dir gesehen. Außerdem hast du sie sehr höflich begrüßt. Das ist sehr ungewöhnlich." "Sie hat mir eine Standpauke erteilt, aufgrund derer habe ich mir vorgenommen habe, netter gegen andere zu sein. Ein wenig zumindest. Schaden kann's ja kaum." Itachi starrte ihn fassungslos an, dann nahm er Sasukes Arm und schüttelte ihn mit flehendem Blick. "Was hast du mit meinem Bruder gemacht? Wieso? Wieso musstest du ihn töten und dich als er ausgeben? Mein armer Bruder!" Sasuke entriss ihm den Arm ruppig und fauchte: "Lass den Scheiß! Und hör auch mit dem ganzen anderen Blödsinn auf! Karin ist meine Freundin—Gott weiß wieso, aber sie ist es. Damit basta, kapiert?" Sein Bruder hob abwehrend die Arme. War ja auch nicht sein Problem. Aber dass die Sandpauke eines Mädchens den jüngsten Uchiha so maßregeln konnte, damit gar Erfolg hatte? Beim besten Willen mochte er das nicht glauben. Dass Sasuke es nur als Vorwand vorgeschoben hatte, um sein plötzlich entfachtes Interesse an Sakura zu vertuschen, entging ihm wie geplant. Selbige beobachtete die Szene mit Skepsis. So kindisch kannte sie Sasuke gar nicht. "Hey, Shikamaru, weißt du, was mit ihm los ist? Er verhält sich so eigenartig." "Vor allem starrt er dich an", ergänzte Shikamaru mit einem Kopfnicken in Sasukes Richtung, der eben von seinem Bruder gepackt wurde. Sakura sah provokant weg. Von ihr aus konnte er starren bis er schwarz wurde! "Ich habe sein Ego verletzt", erklärte sie leise. "Ich dachte, damit sei die Sache gegessen, aber seit dem verhält er sich mir gegenüber irgendwie…freundlich, möchte man sagen. Jedenfalls ist es gruselig." "Womöglich mag er dich wirklich." "Blödsinn", versetzte Sakura. "Sasuke ist kein Mensch, der blitzartige Kehrwendungen hinlegt. Er ist stur, arrogant, besserwisserisch und egoistisch. Ich möchte nicht die Anerkennung eines solchen Menschen haben." Damit wandte sie sich den kleinen Menükärtchen zu, die liebevoll die Gänge des heutigen Abends anpriesen. "Schon wieder amerikanisch! Wo bleibt bloß die traditionelle Küche in diesem Land?" Die Väter sprachen über Aktien, die Frauen über den neuesten Tratsch und die Stereotype frönten sich ihrer Anwesenheit in höchstem Maße. Es war so klischeehaft, so vorhersehbar, so typisch. Jeder mochte es. Das war der Grund, wieso sich hier jeder verstand. Alle hatten dieselben Themen, die sie immer und immer wieder durchkauten. Bis man dann auf die Kinder zu sprechen kam. "Shikamaru wird natürlich als Juniorpartner in unsere Kanzlei einsteigen, nicht wahr, Schatz?", sagte Nara Yoshino stolz in die Runde. "Er wollte schon immer Staatsanwalt werden, schon als kleines Kind, aber erst wird er sich in unserer Rechtskanzlei einen Namen machen. Staatsanwalt kann er ja dann noch immer werden. Und Sasuke-kun wird ins Familienunternehmen einsteigen?" Uchiha Fugaku nickte weniger stolz. "Mein Ältester wird die Firma übernehmen. Für Sasuke wird ein Platz im Aufsichtsrat sein, aus dessen Position er maßgeblich über unsere Geschicke bestimmen wird. Er überlegt auch, zu studieren, um sich mehr Fachwissen anzueignen. Wir erwarten Großes." Sakura sah Sasuke zischen. Sie hätte seinem Vater seine Worte abgekauft, hätte sie nicht die eigentliche Version von Betroffenem selbst gehört. "Er kann sich mit Sakura zusammentun", warf Haruno Kizashi ein. Ein subtil strafender Blick ereilte seine Tochter, abgeschottet vom Aufmerksamkeitsradius der anderen Anwesenden. Sie verstand die Mahnung. "Sie ist so übereifrig. Ihr Problem ist, dass sie in so vielen Dingen begabt ist. Sie kann sich gar nicht entscheiden, was sie werden möchte. Ihr steht ja so viel offen! Entscheidungsfreude ist eine ihrer wenigen Schwächen", sprach er scheinbare Ziellosigkeit schön. Sakura verstand die Warnung, die darin mitschwang. Es schickte sich nicht, planlos durchs Leben zu stolpern oder zu versagen. Es war gleichschlimm in dieser Welt. Die hochlobenden Reden ihrer Väter waren eine vielschichte Farce. "Ja, ja, unsere Sakura weiß einfach nicht wohin mit ihren vielen Talenten! Nicht wahr, Sakura?" Aus den Augenwinkeln konnte sie beobachten, wie Sasuke aufsah. Sie selbst hatte sich ihrem Teller zugewandt. "Ja, Vater", flüsterte sie gescholten. "Sayuri ist da ganz anders. Sie ist auch so ein kluges Kind. Sie strengt sich wirklich sehr an. In unseren Zeite ist Fleiß sehr viel wichtiger als gute Noten. Der Weg ist das Ziel, pflege ich immer zu sagen." Sayuri wurde es langsam peinlich. Sie nahm Sakuras Hand, doch diese entzog sie ihr schnell wieder und stand mit gesenktem Haupt auf. "Entschuldigt mich bitte, ich muss kurz an die frische Luft." Alle Blicke folgten ihren Schritten, auch Sasukes. Zum ersten Mal fiel ihm ihre schmale Gestalt auf. Das rote Kleid schmiegte sich elegant um ihren schlanken Körper, ihre kurzen Haare wippten bei jedem Schritt. All das konnte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie deprimiert war. Ohne zu überlegten, legte Sasuke seine Besteck beiseite. "Würdet ihr mich auch kurz entschuldigen? Ich muss mir die Hände waschen." "Mitten unterm Essen?", fragte Mikoto vorwurfsvoll. Sein Vater sagte etwas, aber Sasuke hörte achtete nicht darauf. Er ging schnellen Schrittes aus dem großen Saal, steppte eilig die Steintreppen herab und lief, ohne zu wissen, wohin sie gegangen war, durch die vergoldete Flügeltüre nach draußen. Die Kälte der Dezembernacht kroch klirrend unter seine Kleidung, woraufhin er sein Sakko enger anzog. Bereits jetzt klapperten seine Zähne. Sakura konnte unmöglich hinausgelaufen sein. Es war beißend kalt, das würde sie in dem schulterfreien Kleid nicht lange ertragen. Trotzdem ging er ein paar Schritte geradeaus. Er sah sich um, konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Es war bereits acht Uhr abends. Gerade, als er wieder Kehrt machen wollte, erhaschte er auf der anderen Straßenseite einen Blick auf eine regungslos dasitzende Gestalt. Es war eine Frau mit kurzen Haaren. Das musste sie sein. Sakura hatte die Hände in den Schoß gelegt. Sie spürte die Kälte nicht, nur die Nachwehen des Stichs, der mitten in ihr Herz getroffen hatte. Wie Sasuke sie angesehen hatte. So fragend, so verständnislos. Wenigstens hatte er dicht gehalten. Eine Diskussion vor all diesen Leuten hätte sie um keinen Preis gewollt. Es war doch alles zum Kotzen. Und doch wurde ihr plötzlich warm. Sakuras Augen weiteten sich irritiert. Sie starrte noch immer deprimiert auf ihre Knie, aber auf ihren Schultern spürte sie ganz deutlich leichten Stoff. Er schmiegte sich an ihren Rücken, spendete Wärme. Keine Sekunde später saß Sasuke neben ihr. Sie brauchte nicht aufzuschauen, um ihn zu erkennen. "Warum hast du es ihnen nicht gesagt?", wollte er wissen. Sein Atem verging an der kalten Luft zu Rauch. "Danke, dass du ggeschwiegen hast." "Das ist keine Antwort." "Ich weiß." Sakura seufzte schwer. Sasuke kapierte schnell, dass er keine richtige Antwort zu erwarten hatte, also ließ er das Thema fallen. Sie saßen einige Minuten schweigend nebeneinander, dann sagte Sakura: "Du musst das nicht tun." "Hm?" "Nett sein." Ihre Stimme zitterte leicht vor Kälte. Sie hatte einen bitteren Beigeschmack, vermengt mit ehrlicher Dankbarkeit. "Ich hab dir ja gesagt, dass es okay ist, wenn du mich einfach in Ruhe lässt." Sasuke zischte zynisch. Als ob er das könnte. Sie in Ruhe lassen. "Das ist es nicht. Nicht nur." Sie sah überrascht auf. "Versteh mich nicht falsch, ich laufe dir nicht hinterher oder so. Ich will ein paar Dinge wiedergutmachen. Meine Art war nicht korrekt, das habe ich eingesehen. Ich kann das nicht so stehen lassen. Ich hatte nicht das Recht, dich so geringschätzig zu behandeln. Es tut mir leid." "Entschuldigung angenommen. Wenigstens hast du einen Anhaltspunkt, wie man sich Mitschülern gegenüber zu verhalten hat, was dir das soziale Leben auf der Universität erheblich erleichtern wird. Und ich kann den Erfolg für mich verbuchen, was meinem Ego sehr schmeichelt. Wir profitieren beide davon." Sie lächelte ihn freundlich an, wandte dann aber wieder den Blick geradeaus. "Seltsam bleibt es trotzdem." "Was genau meinst du?" "Na, dich!" Sakura schnalzte tadelnd mit der Zunge. Sie zog die Anzugjacke fester um sich. Langsam spürte sie die eisige Nachtluft auf ihren taubwerdenden Gliedern. "Jemand wie du ändert sich doch nicht binnen einer Sekunde. Ich hab dich zusammengestaucht und—bumm! Plötzlich bist du nett zu mir." "Tz", machte Sasuke nur. Ganz so rasant war es ja doch nicht gegangen. Immerhin waren seit ihrer Neutralitätserklärung fünf Wochen vergangen. Sakura schien sich daran nicht zu stören und ihren Triumph auch nicht wegen solch Nichtigkeiten schmälern zu wollen. "Du solltest ihnen trotzdem sagen, dass du Medizin studieren willst." Sakura verdrehte genervt die Augen. "Klar doch. Noch so hochtrabend intelligente Vorschläge, Superschlau-sama? Wenn du weiterhin deine kostbare Zeit damit zubringen willst, mir dumme Ratschläge zu erteilen, dann beleidige mich lieber wieder. Das ist nämlich weniger nervenaufreibend." "Natürlich", meinte er in alter Manie—ein wenig selbstgefällig. "All meine Beleidigungen prallen an dir ab, weil du ja nicht mehr in mich verliebt bist, was du mir eindringlich klar gemacht hast. Aber die Ratschläge ärgern dich, weil du weißt, dass ich recht habe." "Halt einfach deine Klappe." "Gerne." "Warum redest du dann noch?" "Hn." "Auch 'hn' ist ein Wort." "Ist es nicht." "Wohl! Es ist ein Neologismus, den ich soeben eingeführt habe. Spiel Scrabbel mit mir, dann beweise ich es dir." "Weißt du, dass du echt nerven kannst, Sakura?" "Musst du gerade sagen…" Sie verstummten jäh ohne Grund. Vielleicht konnte sie doch noch eine vernünftige Basis erreichen? "Was ist mit Karin?", erkundigte Sakura sich nach einer Weile. Sie sahen noch immer geradeaus, sich nicht an. "Was soll mit ihr sein?" Sasuke rümpfte missmutig die Nase. Als sie ihm keine Antwort gab, wollte er ihr selbige ebenfalls enthalten, doch seine Zunge machte sich selbstständig. "Karin ist…eine gute Alternative zu allen anderen Optionen. Dank ihr lässt mich die Mädchenschaft Misos in Ruhe. Sie ist nicht aufdringlich und lässt mir Raum. Aber sie ist da, wenn ich—" Er brach schlagartig ab. Wenn ich sie brauche, hätte er fast gesagt. Das sagte man in den Filmen. Aber brauchte er sie? Eigentlich…Sakura interpretierte sein Schweigen jedenfalls auf ihre Art. "Wenn du körperliche Bedürfnisse hast", ergänzte sie leichthin. "So hab ich das nicht gemeint. Sie ist da, wenn sie eben da ist. Ich bin nicht der Beziehungsmensch, also passt es zwischen uns ganz gut." "Das sollte so nicht sein", bemerkte sie wehmütig. "Liebe ist verbunden mit Leidenschaft, mit Verliebtheit, mit Harmonie und auch mit Streit. Jemand aus Bequemlichkeit als seine Freundin zu bezeichnen ist nicht sehr klug. Ich werde dich mit dem Manipulatorengefasel in Ruhe lassen, zumal du mir sowieso nicht glauben wirst. Dass Karin eine falsche Schlange ist, steht nicht zur Debatte. Sie hat es nie lange mit jemandem ausgehalten und an dir scheint ihr wirklich etwas zu liegen, also gönne ich euch das Glück. Zudem lässt sie mich deswegen in Ruhe, was sehr angenehm ist, da ich größere Probleme habe, als ihre ständigen Attacken." Sasuke spitzte die Ohren. Ihr schien wirklich nicht mehr viel an ihm zu liegen, wenn sie so freimütig über seine Beziehung zu Karin sprach. "Danke." Sakura hob ihre Augenbrauen und wandte sich ihm fragend zu. Sasuke sah sie ebenfalls an, sagte jedoch nichts. Seine Augen funkelten, aber nicht boshaft, sondern erwartungsvoll. Hinter ihnen spielte sich unsichtbar für die Außenwelt große Verwirrung ab. Er dachte an Karin, an Sakura, an die Worte seines Bruder, an Karin, an Sakura und schlussendlich konnte er nicht sagen, wie ihre beiden Gesichter so nah zueinander gefunden hatten. Er hatte den meisten Weg zurückgelegt, sie starrte ihn ungläubig an, fast versteinert. Sasuke konnte ihren Atem spüren, beinahe ihren Herzschlag hören. Er hatte die Augen bereits halb geschlossen, während ihre weit aufgerissen waren. Sie kamen sich noch näher. Zwischen ihre Lippen passte maximal ein Blatt. Ein Klingeln zerriss den Moment. Es schellte durch die nächtliche Stille, wie ein Warnsignal. Sasuke fuhr zurück, Sakura saß weiterhin wie auf Nadeln in ihrer Paralyse fest. An ihrer Seite vibrierte es unangenehm. Wortlos beobachtete sie, wie Sasuke mit einer gemurmelten Entschuldigung an ihrer Hüfte vorbei ins Innere seiner Jacke griff, sein Telefon herausfischte und den Anruf annahm. Während Sakuras Herz vor Aufregung pochte, ihr Gesicht kalkweiß war und sie keiner Worte fähig war, lehnte Sasuke sich zurück, als wäre nichts gewesen. "Hallo, Karin." Sakura konnte nur eine verzerrte Stimme vernehmen, die kaum hörbar aus dem Lautsprecher des Telefons kam. Sie beobachtete Sasuke weiterhin mit aufgerissenen Augen. "Mhm, ja. Nein, ich bin noch auf der Party…Frischluft schnappen…mhm…Sonnabend… wenn du willst…okay. Gute Nacht." Er legte auf. Sakuras Kopf war die ganze Zeit leer gewesen. So leer wie er eben sein konnte, wenn jemand wie Uchiha Sasuke drauf und dran war, jemanden zu küssen. Erst jetzt brachen Gefühle über sie herein. Gefühle, die sie nur schwerlich im Zaum halten konnte. Wortlos stand Sakura auf. Ihre mechanischen Bewegungen verhießen große Selbstbeherrschung, ohne die sie ihn längst verprügelt hätte—Uchiha hin oder her! Wie gerne hätte sie ihm ihre Faust ins Gesicht gerammt. Doch sie wusste sich zu beherrschen. Nicht minder wortlos zog Sakura seine Jacke von ihren Schultern, warf sie ihm in einer beinahe beiläufigen Geste entgegen und ging. "Du bist ein Idiot, Sasuke." Und das meinte sie so, wie sie es sagte. . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)