Crimson Nights von Squish (Für Knuddelkeks-Schoki - und Vampirfans! ;D) ================================================================================ Kapitel 4: Nightflight ---------------------- Es war gegen 17 Uhr in der Mitte der Woche, als es unerwartet an Kais Tür klingelte und Megan davor stand – Deans 16jährige Schwester. Sie war bepackt mit einer Schultasche, an der viel zu viele Schlüsselanhänger herabhingen und einer Zeichenmappe. Ihre üppigen rotbraunen gewellten Haare hatte sie zu einem seitlichen tiefen Pferdeschwanz zusammen gebunden. Unter ihrer braunen Jacke, die sie sorgfältig an die Garderobe hängte, kamen ein grüner Pulli und ein dunkelbraunes Röckchen zum Vorschein. „Hey Kai, ich mag dir was zeigen!“, platzte es während einer Begrüßungsumarmung aus ihr heraus und schon streifte sie im Flur die Schuhe von den Füßen und lief ins Wohnzimmer. Kai folgte ihr, neugierig auf den Grund ihres Überraschungsbesuchs. „Ist dir so nicht zu kalt, Meg?“ „Ach Quatsch, ich hab doch ne Strumpfhose an. Awwww… hallo Minx. So eine Süße.“ Kais Katze schmiegte sich um Megans Beine und ließ sich streicheln, wohl in der Hoffnung auf eine zusätzliche Zwischenmahlzeit. Alle Zweibeiner waren schließlich bewandert in der Kunst des Büchsenöffnens. Das Fellknäuel fuhr das Niedlichkeits-Komplett-Programm und Kai reichte geschlagen eine Tüte mit Leckereien an Deans Schwester weiter, die hier und da etwas davon durch das Zimmer schmiss und vor Freude kicherte wenn sich das Tier darauf stürzte. „Magst du was trinken?“ „Oh ja, warte, ich habe Rosentee mitgebracht.“ Wie selbstverständlich lief sie in die Küche und brühte für sie beide Tee auf. Nach einer Weile Smalltalk rückte Megan mit dem eigentlichen Grund ihres Besuches heraus. Sie hatte ein bisschen gezeichnet und legte Wert auf Kais Meinung. Mit strahlendem Gesicht hielt sie ihm die erste Zeichnung aus ihrer Mappe vor die Nase. Fast hätte er sich am Tee verschluckt. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, denn das Mädchen sah ihn erwartungsvoll an, wusste jedoch nicht wie er anfangen sollte und schloss ihn wieder. „Du machst dieses komische Karpfengesicht wie Leute, denen nix einfällt. Du magst es nicht.“, stellte Megan enttäuscht fest und ließ das Blatt auf ihren Schoß sinken. „Nein, nein, das ist es nicht… es ist nur etwas… extrem? Ich meine, wie alt bist du?“ Nun war sie sichtlich empört und stemmte ihre linke Hand auf die Hüfte. „16 und viel zu alt um wie ein kleines Kind behandelt zu werden.“ „Da hast du wohl Recht.“ Kai schenkte ihr ein schiefes Grinsen, wuschelte durch ihr Haar, dem er seit vier Jahren beim Wachsen zugesehen hatte und nahm ihr die Zeichnung aus der Hand, um sich damit eingehender beschäftigen zu können. Sie hatte zwei Jungs in eindeutig intimen Posen gezeichnet und coloriert. „Ich will ja nicht indiskret sein, aber hast du schon mal einen Mann mit… so einem Ding gesehn? Das ist ein Kinderarm.“ Sie sahen sich ernst in die Augen und prusteten kurz danach los vor Lachen. „Ok, vielleicht hab ich ein wenig übertrieben.“ „Naja, in der Theorie macht das vielleicht einiges her, aber in der Praxis… wer bringt so was unter?“ „Ein Elefant?“ „Waaah, musst du mir diese Bilder liefern? Los, raus aus meinem Kopf!“ Mit leicht schief gelegtem Kopf klopfte er sich auf das rechte Ohr. Megan griff lachend nach der asiatisch gemusterten Teekanne, um sich noch etwas Tee einzuschenken. „Oh, der Tee ist leer.“ „Ich mach uns neuen.“ „Was für einen? Den leckeren Jasmintee?“ „Wenn du magst?“ Sie verbrachten zwei Stunden miteinander, in der Megan ihr Herz über Jungs und Schule ausschüttete. Was sie nach dem Abitur machen wollte wusste sie nicht, doch jeder aus ihrer Familie schien zu erwarten, dass sie schon jetzt eine Antwort fand. Danach klingelte ihr Handy und ihre Mutter wollte wissen, wann sie gedachte zum Abendessen zu erscheinen. Nachdem Kai das Mädchen verabschiedet hatte und die Tassen in die Küche zurückbrachte, um sie in der Spüle zu vergessen – so nannte er den Vorgang des Sich-um-den-Abwasch-Drückens – fiel sein Blick wieder auf den gefundenen Flyer, den er sich an die überfüllte Pinnwand geheftet hatte. Er fragte Dean via SMS ob er Lust und Zeit hätte ihn am Samstag zu begleiten und bekam kurze Zeit später eine Zusage. Dean hatte seine Schicht mit jemandem getauscht, der ihm noch etwas schuldig war. In der Nacht von Freitag auf Samstag träumte Kai seltsames Zeug, Fragmente tauchten aus seinem Unterbewusstsein auf wie Puzzelteile, die er nicht zusammen bekam. Schließlich gab er es auf sich darüber weiter den Kopf zu zerbrechen, als er seine Post öffnete und darin die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch entdeckte. Beflügelt und mit heiterem Gemüt schritt er durch den Tag und brachte schließlich fertig angezogen seine Haare in Form, als es an der Tür klingelte. Dean trug eine schwarze Bondagehose und ein rotes Shirt mit der Aufschrift „Hell-o“. Kai hatte sich für eine ähnliche Hose entschieden, trug jedoch ein schwarzes Tribal-Netzshirt dazu. „Wow, es geschehen noch Zeichen und Wunder! Das ich noch den Tag erleben darf, an dem ich nicht auf dich warten muss! Du scheinst es ja nicht abwarten zu können.“ „Wie soll ich’s sagen, das ist einfach mein Tag.“ Kai wedelte mit der Zusage zum Gespräch vor Deans Nase herum. „Cool, Glückwunsch!“ „Ist zwar ein Empfangsjob und ich werde vermutlich den Laufburschen spielen müssen, aber Kohle ist Kohle, richtig?“ „Klar, ist doch fürs Erste ganz passabel.“ Der Brief landete auf der Ablage im Flur und Kai zupfte an seinem Haar. „Passt das so, was meinst du?“ „Mann bist du eitel!“ „Jetzt sag schon!“ „Du bist ein vom Himmel gefallener Gott, was bist du überhaupt so nervös?“ „Keine Ahnung. Und roll nicht so mit den Augen.“ Dean bedachte seinen Kumpel mit einem skeptischen Blick. „Nein ernsthaft, ich hab keine Ahnung. Keine Ahnung…“ Verwundert über sich selbst, schüttelte er seinen Kopf. „Lass uns gehen, wir sind spät dran.“ „Langsam wirst du mir echt unheimlich.“ Gegen 21:30 Uhr standen die beiden Freunde vor dem Crimson Delight, eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung. Problemlos wurde ihnen die Tür geöffnet und an der Kasse zeigte Kai seinen Flyer vor, der ihm und seiner Begleitung freien Eintritt ermöglichte. Zu ihrer Verwunderung bekamen sie rote Bändchen verpasst, die man um ihre Handgelenke anbrachte. Als Kai mit fragendem Blick das Wort an die Frau an der Kasse richten wollte, erklärte sie ihm rasch: „Für unsere VIP-Gäste.“ Ehe Kai noch etwas erwidern konnte, wurde er von Dean mit dem Ellbogen in die Seite geboxt und weiter gezogen. „Coole Sache, Mann. Vielleicht bekommen wir Freigetränke.“ „Die Möglichkeit nachzufragen hast du ja nicht wahrgenommen. Denkst du es liegt ein Irrtum vor?“ „Wer weiß, wenn man was geschenkt bekommt sollte man einfach nicht so’n Wirbel drum machen. Wir werden schon erfahren, was wir mit diesen Babies machen können.“ Er zwinkerte Kai zu und zupfte an seinem Band. „Apropos Babies, hast du die Dinger von diesem Babe gesehn?“ „Waren ja nicht zu übersehen in dem eng geschnürten Teil. Ich hoffe nur, du hast ihr im Vorbeigehen nicht in den Ausschnitt gesabbert.“ „Tehe. Das weibliche Geschlecht ist doch ne schöne Erfindung. Und Lackcorsagen.“ „Oh Mann, wenn ich dich heute aus jedem Ausschnitt rausziehen muss, lass ich dich links liegen und leugne dich zu kennen.“ Mit einem leichten Schlag auf Deans Hinterkopf, lief er an ihm vorbei in Richtung Bar, doch als es ums Bestellen ging war Dean schneller. „Zwei Heavens Burst!“ Mit einem freundlichen Nicken machte sich der Barkeeper daran etwas zusammenzumixen. „Was hast du bestellt?“ „Lass dich überraschen, das Zeug ist der Hammer!“ Kai war skeptisch, als er auf die beiden Gläser sah, die kurz darauf vor ihnen abgestellt wurden. Irgendwie hatte er ein Déjà-vu. „Wie läuft das mit der Bezahlung, wir haben keine Chip-Karten erhalten.“, wollte Kai wissen, doch der Barkeeper schüttelte lächelnd den Kopf und wandte sich anderen Gästen zu. „Siehst du, ist umsonst.“ „Nix ist umsonst, höchstens der Tod.“ „Mann, was ist los? Das du den Flyer gefunden hast war dein Lucky Day, jetzt hör auf jeden Scheiß zu hinterfragen, sonst suche ich mir das tiefste Dekolletee und stürze mich in den Tod. Cheers!“ Dean trank die Hälfte seines Glases und wartete bis Kai auch etwas getrunken hatte. „Und?“ „Ist gut.“ „Na fein. Und jetzt lass uns tanzen, bevor die Musik abgestellt wird und die Bands beginnen, wer weiß was die drauf haben.“ Dean leerte den Rest in einem Zug, stellte schwungvoll das Glas auf den Tresen und hopste auf die Tanzfläche, die schon recht voll war. Kai sah sich gezwungen sein Glas mitzunehmen und schritt seinem Kumpel nach, der dabei war sich mit schwungvollen Bewegungen mehr Platz zum Tanzen zu verschaffen. Sie tanzten zusammen und doch jeder für sich; Dean ausgelassen mit angeschaltetem Bräute-Radar – Kai vorsichtig, da er das Glas in der Hand hielt. Dadurch ließ er sich von der Musik nicht vollständig einnehmen und blieb aufmerksam für sein Umfeld. So ließ er seinen Blick zum Rand der Tanzfläche schweifen. DODOM… Wie elektrisiert erstarrte sein Körper. Er schaute in ein bekanntes Gesicht, das ihn fixierte, ihn festhielt. Elias. Der Name tauchte in seinen Gedanken auf, wie eine verdrängte Wahrheit, die Gestalt annahm. Jemand rempelte Kai an und erlöste ihn aus seiner Starre. Nass lief der Inhalt seines Glases an seiner Brust herab. Halbherzig wischte er über sich, sah auf seine feuchte Hand und dann wieder gerade aus. Das ihm bekannte Gesicht war verschwunden. Hinter ihm tanzte Dean nun wie in Trance. Kai verließ die Tanzfläche, stellte das Glas an die Bar und lief die Treppe nach oben zu den WCs. Er sah einen Moment lang in den Spiegel, während er sich mit den Händen rechts und links am Keramikwaschbecken abstützte. Er suchte in sich selbst nach Antworten, doch er war gerade völlig durch den Wind und hatte leichte Kopfschmerzen. Wie automatisch drehte seine rechte Hand den Wasserhahn auf, füllte seine Handinnenfläche mit Wasser und fuhr sich damit über das Gesicht. Mit grünen Papiertüchern tupfte er die Wassertropfen ab und reinigte seine Hose so gut es ging. Danach zog er sich das Shirt über den Kopf, wusch die Vorderseite aus und spritzte sich etwas Wasser auf den Oberkörper. Er wollte nicht für den restlichen Abend riechen wie eine Alk-Leiche. Manche, die hereinkamen, bedachten ihn mit einem irritierten Blick, als er versuchte sein Oberteil unter dem Handtrockner soweit von der Nässe zu befreien, das er es wieder anziehen konnte. Es war ihm gleichgültig. Wie ihm das Display seines Handys verriet, würde in wenigen Minuten die erst Band zu spielen beginnen und vielleicht wunderte sich Dean bereits über seinen Verbleib. Rasch zog er sich das noch leicht feuchte Shirt an und verließ die Toilette. Als er das Ende der Treppe erreichte, lehnte Elias lässig mit verschränkten Armen am Geländer und sah ihn abwartend an. Seine Miene verriet keine Regung. Eine Aneinanderreihung von Bildern erschien vor Kais innerem Auge, so schnell wie Stroboskoplicht. Er war es, mit dem er getanzt hatte, es fiel ihm wieder ein, und dann… konnten Träume wirklich sein? „Elias.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und doch musste sein Gegenüber es gehört haben. „Guten Abend, Kai. Ich sehe, du erinnerst dich. Du hast wirklich einen starken Willen. Bemerkenswert.“ Kai trat näher, blieb jedoch zwei Armlängen auf Distanz. „Was hast du mit mir gemacht?“ „Ich habe mich letztes Mal um deine Rechnung gekümmert, hätte ich das lassen sollen?“ „Danke.“ Nach einem Moment fügte er verwirrt „Glaub ich.“ hinzu. „Wie heißt deine Begleitung?“ „Dean. Er ist nur ein Kumpel.“ Irgendwie fühlte er sich genötigt ihm das zu sagen und es ärgerte ihn, sobald es ausgesprochen war. Schließlich war er einer einfachen Diskobekanntschaft keine Rechenschaft schuldig und dennoch schien genau das von ihm erwartet zu werden. „Nun gut. Du musst wissen, dass ich nicht gern teile. Genau genommen teile ich gar nicht. Merk es dir gut.“ Obwohl sein Gesicht neutral wirkte, klangen seine Worte nach einer Warnung, doch sogleich kam Leben hinein. „Ich habe eine Überraschung für dich.“ Elias lächelte geheimnisvoll, drehte sich auf dem Absatz um und ließ Kai stehen. Während er ihm irritiert nachschaute und sich fragte, ob er ihm folgen sollte, wurde er auch schon von der Menge verschluckt. „Wo treibst du dich rum, Mann!“, dröhnte es unerwartet in Kais Ohr, sodass er zusammenzuckte. „Sorry, mir hat jemand den Drink übergekippt.“ Die Musik wurde ausgestellt und die Menschenmasse versammelte sich nun erwartungsvoll vor der errichteten Bühne. Dean packte seinen Freund an der Schulter und schob ihn vor sich her, bis sie gut auf die Bühne sehen konnten. Wie üblich betrat die erste Band, bestehend aus 4 Leuten, die Bühne, machte einen kurzen Soundcheck und legte mit einem Intro los. Sie hatten einiges drauf, das fand sogar Dean der mit seinem Kopf im Takt wippte. „Hey Crimson, hier ist für euch Nightflight!“, stellte der Gitarrist die Band dem Publikum vor. Jubelschreie ertönten und vereinzelt schnellten Arme in die Höhe. „Und wir haben noch eine kleine Überraschung für euch. Komm hoch, Kai!“ Kai traute seinen Ohren nicht. Hatte er gerade seinen Namen gehört? Ermunternd deutete der Gitarrist auf die Bühne, seine Augen auf Kai gerichtet. Zwei muskelbepackte Schränke, gekleidet in Schwarz und Rot, bahnten sich einen Weg durch die Menge und eskortierten den verdutzen jungen Mann zur Bühne, der sich fragend zu Dean drehte, der seinerseits nur mit den Schultern zuckte, sonst aber recht amüsiert wirkte. Eine kräftige Hand zog Kai die letzten Stufen hinauf und schon wurde er von vielen Augenpaaren betrachtet, während man ihm das Mikrofon vor die Nase schob. Derweil hatte die Band einen anderen Song angespielt, der Kai nun völlig aus dem Konzept brachte… Es handelte sich genau um jenen Song, den Dean komponiert und getextet hatte, der Song, den sie erst bei der letzten Bandprobe einstudiert hatten… und doch war er anders… irgendwie ausgereift, perfektioniert. Die Band spielte unbekümmert weiter, wartete auf seinen Einsatz, doch Kai stand einfach nur überrumpelt da und sah ungläubig in die Menge. Es war ihm, als würde die Realität unter seinen Füßen wegbröckeln. Was ging hier vor sich? Wie war das möglich? Er entdeckte Elias, der aus den dunklen Leibern heraus stach, durch seine helle Haut und der Art wie er einfach nur dastand, so bewegungslos, so erhaben. Wieder hatte er diese abwartende Haltung angenommen und sein Blick traf Kai tief. Elias’ Lippen formten ein Wort und obwohl er so weit von ihm entfernt stand, kam es ihm vor, als wäre es in ihm selbst ausgesprochen worden. Ausfüllend, raumgreifend. „Sing!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)