We Will Be Fine von Jessa_ (Adventskalender '10 / Tag 03) ================================================================================ Kapitel 1: We Will Be Fine -------------------------- We Will Be Fine Es war der Tag vor dem zweiten Advent, als Sakura Haruno ihn das erste Mal sah. Sie war in Eile gewesen, hatte Fußspuren hektischer Schritte im knöchelhohen Schnee hinterlassen und den geschmückten Schaufenstern der großen Shops und kleinen Läden keinerlei Beachtung geschenkt. Die Zeit schien ihr davon zu laufen. Das Café, in dem sie jobbte, hatte heute erst für Samstags ungewöhnlich weit nach der Mittagszeit geschlossen und die Reinigung nur noch wenige Minuten geöffnet. Sie musste das Kleid noch abholen. Unbedingt. Das hübsche Kleid für das Abendessen am morgigen Sonntag bei Narutos Eltern. In dem großen Haus, das sie noch nie betreten hat, zu Narutos wohlhabenden Eltern, denen sie noch nie begegnet war. Seinem Vater, einem hochrangigen Politiker, der momentan für den Posten des Bürgermeisters kandidierte. Seiner Mutter, die in jungen Jahren Model gewesen war und seit knapp einem Jahr in einer der quotenreichen Sendungen auf The CW mitspielte. Während sie weiterhin durch die Stadt eilte, schossen ihr Horrorszenarien des morgigen Tages durch den Kopf, die sie nicht in Worte fassen konnte. Es würde eine Katastrophe werden. Aber sie konnte auch Naruto verstehen. Sie waren seit über sechs Monaten zusammen, sie planten eine gemeinsame Zukunft und da konnte sie das erste Treffen mit seinen Eltern nicht weiter vor sich herschieben. Irgendwann musste sie ihnen entgegen treten. Den Mut finden, sich trauen. Das war sie ihrem Freund schuldig. Deswegen musste sie jetzt unbedingt dieses verschissene Kleid aus der Reinigung holen. Es war das Einzige, das sie besaß und es war gar nicht mal so hässlich, wie sie es gerne in Gedanken schimpfte. Vielleicht war es sogar ganz schön. Naruto sagte, es stand ihr. Es war knielang, aus feinem Stoff, Seide oder so, sie wusste es nicht. An den Armen reichte es bis zu den Ellbogen, es zeigte viel Haut am Hals, den Schultern und sogar ein wenig Dekolleté. Es wirkte nicht aufreizend, nicht zu sexy für einen Elternbesuch am Advent, es sah schlicht hübsch an ihr aus. Sakura schaffte es, die Reinigung zu erreichen, bevor sie schloss. Kurz streifte sie den Schnee von ihren Schuhen, ehe sie in den kleinen Raum trat. Hinter dem Tresen stand eine junge Frau mit plastikblonden Haaren. Zu viel Make-up pappte auf ihrem Gesicht. Ihre Nägel waren sehr lang, sie sprach desinteressiert, blickte nicht Sakura an, sondern die fast abgebrannte Zigarette im überquellenden Aschenbecher, als sie angesprochen wurde. Doch anscheinend hörte sie zu, denn sie machte sich träge auf den Weg in den Hinterraum und kam mit dem Kleid in der Schutzhülle zurück. Sie legte es auf dem Tresen ab, verlangte ihr Geld, zündete eine neue Zigarette an und ließ die Kundin ohne einen Abschiedsgruß von dannen ziehen. Vor dem Laden blieb Sakura seufzend stehen. Die Schutzhülle lag über ihrem Arm und sie wusste, sie musste noch zum Friseur, auch wenn sie nicht wollte. Sie mochte ihre rosa gefärbten Haare. Sie trug es seit mehr als drei Jahren so, aber Narutos Eltern konnte sie so nicht unter die Augen treten. Also wandte sie sich ab, überquerte die Straße und entschied die Abkürzung über den Weihnachtsmarkt zu nehmen. Es roch nach gebrannten Mandeln, nach Tannennadeln und nach Zimt. Sie merkte, wie sie langsamer wurde, verträumter, ruhiger. Der Friseur schien weit fort zu sein, ein paar Minuten konnte sie sich doch ruhig Zeit nehmen. Vielleicht einen Glühwein trinken, oder ein paar Kekse essen, der Musik lauschen, aber… Nein. Sie musste weiter. Sie musste perfekt sein für morgen. Sie musste Narutos Eltern gefallen. Sakura wollte ihre Schritte wieder beschleunigen, als sie eine quirlige Stimme ansprach. „Hallo, möchtest du nicht ein paar Zimtsterne oder Vanillekipfel? Komm schon. Die sind wirklich lecker!“ Sie wandte ihren Kopf zur Seite. Unter der Überdachung eines Standes standen zwei junge Männer, die allerlei Kekse zum Verkauf anboten. Beide hatten schwarze Haare und dunkle Augen, das fiel ihr sofort auf, aber sonst waren sie komplett unterschiedlich. Der Linke lehnte weit nach vorne, sein Grinsen war breit, er blickte sie offen an. Er trug eine dicke, grüne Jacke und einen orangefarbenen Schal. Der Anderer stand etwas abseits, die Arme hatte er vor der Brust verschränkt. Sakura fragte sich, ob er in seinem blauen Pullover, so ganz ohne Jacke, bei den Minusgraden nicht fror. Nicht mal ein Halstuch hatte er sich umgebunden, geschweige denn einen Schal. Aber er sah schön aus. Er hatte ganz blasse Haut und eine raue Stimme. „Schrei nicht so rum, Lee.“ „Hallo“, machte Sakura geistreich, als sie näher kam. Sie hatte was Kluges sagen wollen, was Nettes, schließlich hatte dieser Lee sie ja auch nett angesprochen, aber sie wusste nicht was. „Na, was ist nun? Magst du paar Kekse? Die gehen aufs Haus, äh auf den Stand… du verstehst schon?“, kicherte der junge Mann und wurde rot um die Nase. „Gerne.“ Sie hätte Nein sagen sollen, sie wusste das. Wegen ihres Friseurtermins und überhaupt. Sie sollte nicht einen Tag vor dem Treffen mit Narutos Eltern mit fremden Männern sprechen. Sie sollte einfach nicht. Aber sie tat es. „Okay, hier probier die. Sind super“, grinste der Grüne und hielt ihr einen großen Keks mit Serviette hin. „Danke.“ Sie nahm ihn umständlich, da sie immer noch die Schutzhülle mit dem Kleid auf dem Arm trug, und biss eine Ecke ab. Das Plätzchen schmeckte wirklich gut. Ob es selbst gebacken war? Von den jungen Männern hier? Sie blickte erstaunt auf die Hand, die ihr einen weiteren Keks entgegen hielt. „Den musst du auch probieren, ja? Sie sind doch toll, oder? Sag was, mach schon. Sind sie gut?“ „Klar“, antwortete sie perplex, nahm das zweite Gebäckstück in die Hand und biss auch davon ab. Er war mindestens genauso gut. Etwas süßer noch, aber wirklich lecker. „TenTen wird nicht begeistert sein, wenn du alle verschenkst, statt sie zu verkaufen“, hörte sie die Stimme des anderen jungen Mannes, als Lee ihr einen weiteren Keks geben wollte. „Oh.“ Die Miene des Grünen verlor das Strahlen, mit dem er sie angesehen hatte. „Tut mir Leid, Sasuke“, sagte er leise und lies seine Hände sinken. Ungeschickt fischte Sakura in ihrer Umhängetasche herum und zog einen Fünfeuroschein heraus, den sie Lee entgegen hielt. „Stimmt so“, sagte sie, bedankte sich noch einmal, lächelte leicht und wandte sich ab. Noch bevor sie ihre Schritte beschleunigen konnte, hörte sie noch einmal die Stimme des Grünen. „Sie war cool, oder? War sie doch, stimmt’ s Sasuke? Hast du schon mal so ein Mädchen gesehen? Sie sieht toll aus und sie ist nett. Ihre Haare sind cool. Sasuke?“ Erneut musste Sakura leicht lächeln, wandte sich noch einmal um, winkte Lee zu und eilte dann davon. Sie durfte ihren Termin wirklich nicht verpassen. And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Tell the devil that he can go back from where he came. His fiery arrows drew their bead in vain. And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. Lay your body down. Next to mine. Sakuras Blick schweifte über das riesige Anwesen der Namikazes. Heller Backstein, hohe Fenster, eine lange Einfahrt hinter den Sicherheitstoren und ein pompöser Brunnen auf dem Innenhof. All das schüchterte sie ein. Sie schob eine Strähne ihres zuvor zu Recht gemachten und nun rotblonden Haares hinter ihr Ohr, stich über ihr schwarzes Kleid, das ein wenig unter dem dicken Wintermantel hervor trat. Die warme Hand Narutos spürte sie ermutigend auf ihrem Rücken. Sie wandte ihm den Blick zu und stellte erneut fest, dass er heute wirklich gut aussah. Eine schicke und unheimlich teure Jeans, ein dunkles Hemd und ein helles Sakko. Es stand ihm. Sie kannte ihn ja kaum anders. Die wenigen Momente in denen er legere Kleidung trug, konnte sie an einer Hand abzählen, obwohl sie noch so jung waren und es genug Gelegenheiten gab. „Alles in Ordnung?“, drang Narutos sanft gestellte Frage an ihr Ohr. Sie atmete noch einmal tief durch, strich den Mantel glatt und nickte ihm zu, woraufhin er die Klingel neben der dunklen Flügeltüre betätigte. Kurz darauf öffnete sich die breite Eingangstür und der Butler des Hauses grüßte höflich, ehe er sie beide bat einzutreten. Zuerst nahm er ihr, der Dame, den Mantel ab, hängte ihn an den edlen Herrendiener und geleitete das Pärchen durch einen langen Flur. An den Wänden hingen sowohl Kunstwerke wie auch Familienporträts, die sie flüchtig im Vorbeigehen betrachtete. Naruto und seine Eltern. Er hatte ihr einige Bilder gezeigt, Bilder, die er selbst geschossen hatte, doch die waren nicht mit diesen zu vergleichen. Sie konnte wetten, keinen Schönheitsmakel an der gesamten Familie zu erhaschen. Seine Eltern waren genauso wie Naruto mit einem guten Aussehen gesegnet. Und sie wirkten glücklich auf den Bildern. Sie waren glücklich, das wusste sie von Naruto und es erfreute sie. Jeher wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als der Butler darum bat, ihm nun in den Speisesaal zu folgen, wo die Herrschaften schon warteten. Sakura musste schlucken. Sie war sichtlich nervös vor dem ersten Treffen mit Narutos Eltern, doch sie versuchte ruhig zu bleiben, schaute ein letztes Mal in Narutos sanft lächelndes Gesicht, spürte seinen Arm um ihre Hüfte und trat ebenfalls lächelnd in den großen Saal. Am großen Esstisch waren zwei Plätze unbesetzt aber dennoch gedeckt. Dort würden wohl sie und Naruto sitzen. Er an zu Rechten seines Vaters, der sie beide nun musterte. Der sie musterte. Zunächst erschienen ihr seine Augen hart, aber als er sich erhob, zu ihnen schritt, seinem Sohn zunickte, eine Hand auf dessen Schulter legte und ihr diese Hand daraufhin reichte, wurde die Aura um ihn herum wärmer. „Guten Tag, Herr Namikaze. Es ist mir eine Ehre sie kennen zu lernen.“ Er hatte einen angenehmen Händedruck, während sie glaubte, ihre Hand sei schweißnass. „Ganz meinerseits, Sakura. Darf ich Sie bekannt machen?“ Sein Ton war nicht wirklich fragend, dennoch nickte sie leicht und schaute wieder zu dem Tisch, während Narutos Vater mit offener Handfläche auf die einzelnen Personen wies. „Meine Gattin Kushina, Kakashi Hatake, ein Freund der Familie sowie TenTen Ama, Lee Rock und Sasuke Uchiha.“ Ihre Augen weiteten sich, als sie die Namen der letzten drei Personen hörte und zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, schaute sie aufmerksam auf die anderen anwesenden Personen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass die beiden jungen Männer vom Weihnachtsmarkt am Tisch saßen. Warum? Freunde der Familie? Sie war wirklich verwirrt, bemühte sich jedoch, sich durch Hand Narutos auf ihrer Hüfte zu beruhigen und der Gruppe freundlich zuzunicken. „Guten Tag“, hängte sie leise an und bekam einige freundliche Grüße zurück, ehe Narutos Vater sie beide bat Platz zu nehmen. Sakura schielte zu ihrer Linken, wo Lee Rock saß. Sie achtete auf die Sitzordnung. Sasuke Uchiha saß Lee Gegenüber, ihr Gegenüber war Kakashi Hatake, zu dessen Linken TenTen Ama und gegenüber ihrem Gatten die Dame des Hauses. Was für eine wirre Situation. Es war der Tag des Advents, als sich ihre Blicke zum ersten Mal wirklich kreuzten. Auf dem Weihnachtsmarkt hatte sie seine dunklen Augen zwar wahrgenommen, aber nicht wie schön sie waren. Sie waren wirklich warm, obwohl sie so verschlossen waren. Sie wirken gut. Von Grund auf gut. Oft hatte Sakura an sich selbst die Fähigkeit festgestellt, erkennen zu können, auf den ersten Blick, ob ein Mensch in Ordnung war. Und dieser Mensch hier, Sasuke, war mehr als das. Sie lächelte leicht und zwang sich, ihren Gedanken zu entfliehen und dem Gespräch am Tisch folge zu leisten. Alle waren beteiligt, außer sie selbst und Sasuke. Wieder Sasuke. Er ließ sie nicht los, obwohl sie einander nicht kannten, obwohl sie noch kein Wort miteinander gewechselt hatten. Sie kannte seine Stimme, sie würde gerne mit ihm reden, denn sie glaubte zu wissen, dass er genauso wenig in dieses Haus gehörte, wie sie. Er sah anders aus. Selbst anders als TenTen Ama, Lee und Kakashi Hatake. Sie waren zweifelsohne nicht so wohlhabend gekleidet wie die Namikazes, aber es wirkte schick. Lees dunkle Anzughose und das grüne Hemd, Kakashis schwarze Jeans und das weiße Hemd, TenTen im Wollkleid mit Seidenstrumpfhose und hübscher Kette. Sasuke jedoch passte hier nicht her. Genauso wenig wie sie, auch wenn ihre Hülle optimal war. Zaghaft lächelte sie Sasuke zu und glaubte, er merkte in diesem Moment, dass sie auf einer Stufe mit ihm war. Ohne ein Wort gewechselt zu haben, nur durch einen Blick und durch ein schwaches Hochziehen der Mundwinkel, waren sie von einer Sekunde auf die nächste zu einer Art Verbündeter geworden. Sakura schluckte. Was dachte sie da? Wieso nahm sie diese Nervosität nur so mit? „Was machen Sie beruflich, Sakura?“, ertönte die Stimme des Hausherrn. Sie riss sich von Sasuke, seinem schwarzen Pullover und dessen dunklen Augen los, wandte Herr Namikaze den Blick. „Ich kellnere in einem kleinen Café, Sir“, antwortete sie höflich und hörte, wie Naruto eilig anfügte: „Sie überlegt jedoch im Sommer ein Studium zu beginnen.“ Nein, überlegte sie nicht. Naruto hatte es ihr mehrmals angeboten. Er wolle es ihr finanzieren, hatte darauf bestanden, dass sie aufgrund des fehlenden hohen Schulabschlusses einen dem, amerikanischen ähnlichen, GED-Test machte, denn sie überaus erfolgreich abgeschlossen hatte. Nun hatte sie die Zulassung, aber sie wollte nicht. Wollte nicht auf seine Kosten studieren. Wollte vielleicht sogar überhaupt nicht studieren. „Haben Sie schon eine Richtung im Blick?“, hakte sich Narutos Mutter in das Gespräch ein. „Nein, Ma’ am. Ich bin noch unschlüssig.“ Die halbe Wahrheit erschien ihr am Besten. Am Höflichsten. „Sie haben ja noch ein wenig Zeit.“ Narutos Mutter lächelte herzlich, während Sakura erleichtert war, als das Gespräch wieder Bezug auf andere Themen nahm. Im Mittelpunkt hatte sie sich noch nie besonders wohl gefühlt. Überhaupt gab es viele Situationen in denen sich die neunzehnjährige Sakura Haruno nicht besonders wohl fühlte. Dennoch war es wohl ein gelungener Abend gewesen. Sie hatten feine Dinge gegessen, guten Wein getrunken, der ihr nicht schmeckte, weil sie keinen Alkohol mochte. Sie hatten zusammengesessen und Gespräche geführt, an denen sie kaum beteiligt gewesen war. Zu sehr war sie damit beschäftigt, stillschweigend ihren Gedanken nachzuhängen. Dennoch waren Narutos Eltern unheimlich freundlich zu ihr gewesen, leicht distanziert, weil sie einander siezten, aber sie hatten sich ja auch gerade erst kennengelernt. Sie hatten ihr Aufmerksamkeit geschenkt, oftmals betont, wie schick sie doch aussah und was für eine tolle junge Frau sie war. Dennoch fühlte Sakura sich in dem pompösen Anwesen nicht wohl. Das war kein Ort, an den sie gehörte. Selbst die große Eigentumswohnung, die sie mit Naruto bewohnte, war ihr zu viel. Der Abschied war recht herzlich ausgefallen. Naruto wurde von beiden Eltern gedrückt, seine Mutter hatte Sakura noch mal versichert, dass sie sehr zufrieden mit der Auswahl ihres Sohnes war; Sakura sei eine sehr schöne Frau. Am selben Abend noch, als Naruto und Sakura im Bett lagen, sprach er mit ihr über die anwesenden Gäste. Über Kakashi Hatake, der als Mädchen für alles seit Naruto denken konnte, in deren Haus arbeitete und mit der Zeit zu einem sehr engen Vertrauten der Familie geworden war und somit oftmals an den Adventessen teilnahm. Über Lee Rock und TenTen Ama, die von seiner Familie nun auch schon im dritten Jahr eingeladen wurden, da sie so was wie Kakashis nicht vorhandene Familie darstellten. Sie lebten bei diesem zur Untermiete und teilten sich dort den Dachboden. Naruto glaubte zu wissen, die beiden seien wie Geschwister aufgewachsen, so machte es ihnen nichts aus einen Raum zum Schlafen zu teilen, selbst wenn sie kein Paar waren. Soweit er wusste, verweilte TenTen Ama neuerdings sowieso häufiger im Haus der Hyugas, wessen Hausherr ebenfalls für den Posten des Bürgermeisters kandidierte. Das Mädchen war wohl seit einigen Monaten mit dem Neffen des Hauses liiert. Sein Vater hatte mal so was erwähnt, meinte Naruto, bevor er sie in den Arm nahm und drückte. „Den anderen kenne ich selber nicht. Er muss neu bei Kakashi sein. Vielleicht hat er auch das freie Bett übernommen.“ „Du meinst TenTens?“ „Schon möglich.“ Er gab ihr einen Kuss, den sie sanft erwiderte. Den Kopf bettete sie auf seiner Schulter. Sie schwiegen einige Zeit, biss Naruto sich leise zu Wort meldete: „Ich versteh überhaupt eh nicht, warum Kakashi so welche immer wieder aufnimmt.“ Sakuras Augen weiteten sich. Sie schüttelte zaghaft den Kopf. Es war doch genau dasselbe, was Naruto bei ihr getan hatte, vor nicht ganz sechs Monaten. Sie in seine Wohnung geholt, ihr einen besseren Platz zum Schlafen gegeben, ihren Körper gerettet. Er spürte die schwache Bewegung auf seiner Schulter nicht und sprach weiter: „Er füttert die durch und alles und die haben noch nicht mal einen Job.“ „Naruto.“ Sie rutschte ein Stück von ihm fort, richtete sich im Bett auf und schaute ihn aus verletzten Augen an. „Was redest du da?“ So hatte sie ihn noch nie sprechen gehört. Er wollte erneut ansetzten, verstummte dann aber und blickte seiner Freundin ins Gesicht. „Entschuldige, Sakura“, sagte er dann schnell und strich ihr über die blondierten Haare. „Aber der Kerl hat mich einfach nur aufgeregt!“ Er setzte sich nun ebenfalls im Schneidersitz auf und legte seine Hand auf ihr nacktes Knie. „Aber warum, Naruto?“, wisperte sie und schaute ihn durchdringend an. „Der… der Bastard! Der hat doch versucht, dich mit seinen Augen auszuziehen. Sag mir nicht, dass du…“ Er verstummte kurz, blickte in ihr verwirrtes Gesicht und fuhr seufzend fort: „Du hast es nicht bemerkt.“ „Naruto.“ Ihre Stimme war leise. Sie hatte es nicht bemerkt. Nicht bemerkt, weil es nicht so gewesen war. Denn ihre Blicke hatten die meiste Zeit des Abends ebenfalls auf ihm gelegen. Sie hätte es gesehen, aber es gab in diese Richtung nichts, was hätte gesehen werden können. Doch sie fand keine Worte, Naruto dies begreiflich zu machen, weswegen sie sich einfach vorlehnte und ihn sanft auf die Lippen küsste. And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Tell the devil that he can go back from where he came. His fiery arrows drew their bead in vain. And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. Lay your body down. Next to mine. Der dritte Adventssonntag stand schon vor der Tür, Naruto hatte ihr ein neues Kleid gekauft, obwohl sie keines haben wollte und wollte sie am kommenden Sonntag in ein schickes Restaurant ausführen. Sie jedoch hatte die ganze Woche, die vergangenen fünf Tage, Sasukes Gesicht, seine Stimme, seine Augen nicht vergessen können. Als sie am Freitagnachmittag nach der Arbeit heim wollte, trugen ihre Füße sie wie aus Geisterhand zum Weihnachtsmarkt. Es waren noch mehr Buden hinzugekommen und die Schlittschuhbahn war eröffnet wurden. Eltern brachten ihrem jungen Nachwuchs das Fahren bei, Pärchen vergnügten sich Hände haltend auf dem kalten Untergrund. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, bevor sie sich abwandte und nach dem Plätzchenstand Ausschau hielt. Die Bude stand immer noch am selben Platz, sie waren noch da. Erneut bewegten Sakuras Füße sich wie von selber auf den Stand zu, doch nur wenige Meter davor blieb sie stehen und wandte sich ab. Sie konnte das nicht tun. Das war dumm. Naruto würde alle andere als begeistert sein. Er war manchmal so eifersüchtig. Klar, sie verstand das, hatte sie schließlich vor ihm schon viele Männer gehabt, auch wenn sie diese alle andere als geliebt hatte. Eine Zeit lang, damals, akzeptierte Naruto auch zähneknirschend, dass er ihren Körper mit anderen Kerlen teilen musste, ehe er sie in seine Wohnung holte. Sie konnte ihm seine Eifersucht also gar nicht vorwerfen, auch wenn sie es gerne am Sonntagabend getan hätte. Sakura seufzte. Dabei wollte sie so gerne mit Sasuke reden. Und mit Lee, den sie unglaublich nett fand. Was war denn dabei? Sie linste zur Seite und bewegte sich auf den Glühweinstand zu. Ein grauhaariger, ziemlich alter Mann hinter dem Holztresen nickte ihr zu und nahm ihre Bestellung auf. Drei große Tassen Glühwein, die sie danach in aller Ruhe, samt Tassenpfand, bezahlte, entgegen nahm und sich damit auf den Weg zum Plätzchenstand machte. Lee verkaufte grade eine große Tüte Vanillekipferl. Wieder war er in seiner dicken Jacke gehüllt, trug seinen Schal und dieses Mal passend dazu Handschuhe und eine Mütze in Orange, während Sasuke, der wieder etwas abseits stand, auf eine Jacke verzichtete. Erleichtert stellte Sakura jedoch fest, dass er wenigstens dünne Handschuhe, sowie einen Schal trug. „Neue Kekse?“, fragte sie zur Begrüßung, stellte die Tassen auf der Holztheke des Standes ab und zeigte auf die dunklen mit Schokoladenüberzug. „Japp“, stimmt Lee erfreut zu. „TenTen hat ihren Freund gezwungen mitzubacken, so haben sie viel mehr hingekriegt. Willst du probieren?“ Er senkte seinen Kopf ein wenig hinab und flüsterte ihr versucht leise zu: „Der geht dann diesmal auch wirklich auf den Stand.“ „Gerne“, nickte sie grinsend und zeigte auf die dampfenden Tassen. „Wenn ihr mit mir Glühwein trinkt.“ Nun noch erfreuter nickte Lee und winkte Sasuke heran. „Schau mal. Sakura hat Glühwein mitgebracht! Komm schon her, Sasuke.“ Sakura musste über Lees einfache Art lächeln. Es gefiel ihr. Schon seit längerer Zeit hatte niemand Fremdes sie einfach so locker mit ihrem Vornamen abgesprochen. Seit sie offiziell Naruto Namikazes Freundin war, behandelten sie viele wie eine Höhergestellte. Das mochte sie nicht. Sakura stellte fest, das Sasuke sich wirklich etwas näherte und sie leise, mit einem schlichten: „Hallo“, grüßte. „Hi.“ Sakura sah, wie Lee mit einem breiten Grinsen nach der Tasse griff und einen kräftigen Schluck nahm. Auch sie griff nach einer, trank flüchtig und lächelte Sasuke zu, der mit den behandschuhten Händen in den Hosentaschen vor ihr stand. Sie waren einander, nur getrennt durch den schmalen Tresen des Standes, so nah, dass sie die weißen kleinen Luftwolken, die er beim Atmen ausstieß, sehen konnte. Erneut lächelte sie leicht, sah wie er nach der Tasse griff und seine trotz Handschuhe kalten Finger an dem heißen Gefäß wärmte. Sie blieb lange, trank Glühwein mit den beiden jungen Männern, lauschte Lees Geplapper, antwortete ihm hin und wieder, genoss die aus den ein Meter entfernten Lautsprechern vor sich her dudelnde Musik und beobachtete die Beiden dabei, wie sie ein paar neue Kunden bedienten, während Lee ihr zwischendurch immer mal wieder ein Keks zusteckte. Naruto lag vollkommen falsch. Das hier waren keine Schmarotzer. Sie waren keine Mücken, die Kakashi das Blut aussaugten. Sie waren nette Menschen, die sich vielleicht nicht anders zu helfen wussten, als zu einer lausigen Untermiete bei jemandem zu wohnen. Sie hatten vielleicht genauso wenig eine Wahl, wie Sakura sie damals gehabt hatte. Auch manchen Situationen kam man eben nicht so leicht heraus und nicht jeder Mensch kam mit dem Glück und der Erleichterung auf die Welt, in eine wohlhabende Familie geboren zu sein. Sie verstand das besser als viele andere. Ohne dass sie es wollte, legte sich ihr Blick zum wahrscheinlich hundertsten Mal in dieser Dreiviertelstunde, die sie am Stand verbracht hatte, auf Sasukes blasses Gesicht, nur um dann danach wieder auf den Schlittschuhstand zu blicken. Wieder zu ihm und einige Momente später, ein paar Worte Lees und ein Kunde später, wieder auf die Eisfläche. In den vergangenen Jahren hatte sie öfter fahren wollen, das war immer die einzige Sportart gewesen, die sie interessiert hatte. Aber sie hatte nie jemanden gehabt, der es ihr hätte zeigen können. Naruto hatte sie erst kennen gelernt, als die Weihnachtsmärkte ihre Zelte im letzten Jahr abgebrochen hatten und vorher gab es einfach niemanden. Ob er jetzt mit ihr fahren würde? Vielleicht morgen oder am Sonntag vor dem Restaurantbesuch, anstatt des Restaurantbesuchs. Wohl kaum. Er hatte seine eigene Vorstellung von einem gelungenen Abend und dazu gehörte wohl kaum ihr Schlittschuh fahren beizubringen. „Kannst du Schlittschuh fahren, Sakura?“, hörte sie dann Lees laute Stimme. Er war wohl ihrem Blick gefolgt. Sie schüttelte sachte den Kopf und lauschte, wie er weiterplapperte. „Sasuke kann es so gut! Im Heim damals hat er immer alle beim Eishockey fertig gemacht!“ „Du spielst Hockey?“, fragte sie mit leiser Stimme. Wollte lieber nach der anderen Information fragen, die Lee in dem Satz gegeben hatte, aber sie wusste, das es nicht richtig wäre, nun, hier nach seiner Vergangenheit zu fragen. „Nein“, antwortete er und Lee erklärte an seiner Stelle: „Wir haben damals immer auf `nem zugefrorenen See gespielt im Winter, mit Stöcken und so, nicht alle von uns hatten Schlittschuhe, aber die Anderen haben sich einfach welche gebastelt. Sasuke und TenTen waren immer die Besten. Vor allem Sasuke. Aber er spielt nicht mehr, obwohl er wirklich, wirklich verdammt gut war. Gut genug für ne Mannschaft bestimmt.“ „Wow“, machte Sakura schlicht. Sie war wirklich beeindruckt. Sasuke jedoch stand mit undurchsichtiger Miene hinter dem Tresen. Die leere Glühweintasse hatte er mittlerweile auf die Holztheke gestellt. Er wandte sich ab, doch noch bevor er ohne ein Wort vom Stand verschwinden konnte, hielt Lees Stimme ihn kurz auf. „Wohin gehst du, Sasuke?“ Sakura schaute auf Sasukes Rücken. Sie mochte ihn, stellte sie in dem Moment fest. Sie mochte Sasuke, ohne ihn wirklich zu kennen. „Pinkeln, Idiot“, brummte dieser und zog von dannen. Sakuras Blick senkte sich zu Boden, ehe sie Lees ungewohnt ernste Stimme hörte. „Nimm ihm das nicht übel.“ „Tu ich nicht“, erwiderte sie, doch der ruhige Ton Lees bei den folgenden Worten, lies sie verstehen, wie wichtig ihm das wirklich sein musste. „Ich mein’ s ernst. Er ist wirklich ein guter Kerl.“ „Ja.“ Sie nickte. Sie glaubte ihm. Sie wusste es. Wusste, dass Sasuke ein guter Kerl war. Es war ganz natürlich das zu wissen. Sie trank das letzte bisschen Glühwein in ihrer Tasse, blieb kurz stumm am Stand stehen, nahm dann die anderen beiden leeren Tassen ebenfalls zu sich und wollte sich gerade von Lee verabschieden, als Sasuke seitlich hinter ihr stand. „Ich bring’ s dir bei.“ Sie wandte sich mit geweiteten Augen zu ihm zu und schaute ihn an. „Wirklich?“ Er nickte und führte mit einem Achselzucken an. „Der See müsste zugefroren sein.“ Doch dann schaute sie auf den Boden. „Ich hab aber keine Schlittschuhe.“ Und sie hatte auch kein Geld welche zu kaufen. Im Cafe verdiente sie kaum etwas, es genügte gerade so für das Wichtigste, das meiste ging für Versicherungen drauf. Wenn sie Naruto nicht hätte, würde sie immer noch… Nein, daran wollte sie nicht denken. Aber sie wusste, dass sie ihn nicht um Schlittschuhe bitten konnte. Er würde wissen wollen wofür und sie müsste von Sasuke erzählen. Das ging einfach nicht. „Ich besorg welche“, hörte sie dann Sasukes Stimme, woraufhin sie nickte und leise wissen wollte: „Wann? – Wann bringst du es mir bei?“ „Sonntag. Morgen kann ich hier nicht weg.“ „Okay. Soll ich Sonntag herkommen? Gegen Mittag?“ „Hn“, brummte er und wandte sich ab, um wieder seinen Platz hinter den Tresen einzunehmen. Mit einem Lächeln und einem kurzen Abschiedsgruß wandte auch sie sich ab, ging einige Schritte, brachte die Tassen zurück, steckte ihr Pfand ein und machte sich auf den Heimweg. Naruto würde sich eh wundern, wo sie so lange blieb und sie musste sich schließlich noch eine Ausrede einfallen lassen, warum sie vor ihrem Restaurantbesuch mit Naruto noch mal weg musste. Sasuke konnte sie einfach nicht erwähnen. Naruto würde das nicht verstehen. Sie verstand ja selbst nicht, was sie so an diesen Unbekannten – und das war Sasuke im Grunde für sie – band. And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Tell the devil that he can go back from where he came. His fiery arrows drew their bead in vain. And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. Lay your body down. Next to mine. Alles mit Sasuke musste sich sicher anfühlen, schoss es ihr durch den Kopf, als sie nach viele Stürzen, unsicheren Worten und einer Menge Bewunderung für diesen jungen Mann, nun Runden auf dem zugefrorenen See drehen konnte. Manchmal traute sie sich ganz nah an ihn heran zu fahren, ein paar Mal hatte er sie sogar vor einem Sturz bewahrt und mit seiner stillen Art und ein paar Worten, hatte er ihr Mut zugesprochen. Es war großartig, dass er es ihr beibrachte, großartig, dass TenTen und ihr Freund ihm die Schlittschuhe geborgt hatten, großartig, dass er da war, bei ihr. „Weißt du, ich bin auch im Heim groß geworden“, erzählte Sakura irgendwann aus dem Nichts heraus, als sie neben ihm herfuhr, und startete damit die sonderbarste und großartigste aller Beziehungen, die sie je in ihrem Leben haben würde. „Wir waren nur Mädchen und wir hätten niemals Hockey spielen dürfen. Wir haben noch nähen gelernt und so was, ganz altmodisch. Wir durften nichts.“ „Es hat sich nie jemand interessiert“, warf er ein. „Man hat tun und lassen können, was man wollte. Wir waren Nichts, nur ein Job.“ „Ich weiß nicht, was besser ist“, sagte sie leise, erhöhte ihr Tempo ein wenig, woraufhin Sasuke es ihr gleich tat. Sie schwiegen einige Zeit. Fuhren, dachten und schwiegen, ehe Sakura erneut sprach. „Ich muss heute Abend mit Naruto essen gehen.“ Er hakte nicht nach, fuhr still neben ihr her, doch sie erzählte weiter. „Ich will eigentlich nicht, aber ich will perfekt für ihn sein. Für ihn und seine Eltern, dabei mag ich das Haus gar nicht. Das ganze Drum herum mag ich nicht.“ Sie verstummte kurz, blickte ihn an, seinen Pullover von vorgestern, seine blasse Haut, die vom neu gefallenen Schnee feuchten Strähnen. „Eigentlich will ich nicht mal Weihnachten da feiern.“ „Dann sind wir schon mal zwei“, antwortete er verbissen. „Du kommst auch?“ Sie war verwundert, wartete darauf, dass er antwortete, doch er schwieg, er schwieg mehrere Runden lang, ehe sie seine raue Stimme wieder hörte. „Kakashi will mich an Heiligabend nicht alleine lassen.“ „Was ist mit Lee und TenTen?“ „Lee ist bei seinem Kampfsporttrainer, TenTen bei den Hyugas.“ „Und Kakashi bei Narutos Eltern?“ „Hn.“ Sie – Sakura und Sasuke – sprachen nicht mehr viel miteinander, auch die Stille zwischen ihnen war ganz schön. Mit Naruto waren die stillen Momente meist die, in denen sie sich nicht verstanden. Es war nicht so, dass sie dann stritten oder sich nicht mehr gern hatten, aber sie konnten in der Stille keine Freunde sein. Sie mussten reden um einander zu verstehen und sie mussten einander verstehen, im kleinsten Detail, weil sie so unterschiedlich waren. Weil sie aus verschiedenen Welten kamen. Bei Sasuke war diese Stille eine gelungene Abwechslung von den ewigen Worten und in jedem Wort was sie sprachen, egal wie unscheinbar es war, lag ein Gewicht, das die Welt bedeuten konnte. Das glaubte Sakura in dem Moment, als Sasuke ihr zum Abschied weder die Hand gab, noch sie drückte oder irgendeine typische Floskel sagte, als er einfach nur Bye sagte und fort ging, glaubte sie es. Naruto lebte ganz nach der Weisheit, dass Worte einen Menschen zwar verletzten konnten, die Stille jedoch konnte seiner Meinung nach Herzen brechen und Leben zerstören. Sie selber aber glaubte, vor allem nach den Minuten mit Sasuke, das die Stille das Wirkliche war. Und sie erinnerte sich an die Worte der Mutter Theresa, die man ihr im Waisenhaus beigebracht hatte. Wenn man Gott finden wollte – oder wie Sakura es lieber formulierte, überhaupt etwas finden wollte – kann man nicht in Lärm suchen. Gott ist ein Freund der Stille. Schau dir die Natur an; Bäume, Blumen, Gras, alles wächst in Stille. Schau die die Sterne an, den Mond und die Sonne, wie sie sich in der Stille bewegen. Man brauchte Ruhe – Stille – um Seelen zu berühren. Sie – Sakura und Naruto – saßen an einem Tisch, in einem der edelsten Restaurants Londons. Von dem sich sacht, kaum spürbar, drehenden Turmes aus hatten sie von ihrem Fensterplatz einen Ausblick über die ganze Stadt. Die Hochhäuser mit lichteren Fenstern, der riesige Tannenbaum, die Themse. Und doch war dieser Abend nicht wundervoll. Er konnte es gar nicht sein, denn sie saß hier in einem weinroten Kleid aus feinem Stoff, mit Seidenstrumpfhose, hohen Schuhen, war geschminkt und hatte die Haare schick hoch gemacht. Sie war nicht mehr die Sakura von heute Mittag, die sich auf dem Eis blaue Flecken geholt hat, die mit Sasuke – dem wunderbaren Sasuke – geschwiegen hat. „Bist du immer noch sauer auf mich?“, hörte sie Narutos ruhiger Stimme. Er trank einen Schluck Wein und blickte sie an. „Nein.“ Sie schüttelte bekräftigend den Kopf. Naruto hatte es einfach nicht besser gewusst. Er hatte keine Ahnung, wie es war arm zu sein. Er konnte nicht über Lee, TenTen und Sasuke urteilen. Er tat es nur, weil er es eben nicht besser wusste. Nicht wusste, dass man über unbekannte Welten, kein Urteil traf. Er schwieg, nur eine kurze Zeit, länger würde es für ihre Beziehung nicht gut sein. „Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten, Liebling?“ Sakura zupfte ihr Trägerkleid an den Schultern zu Recht und lächelte stumm. „Nun sag schon. Du hast doch was im Sinn. Ich kenne dich, Sakura.“ Er grinste. Er war unbefangen heute, das mochte sie an ihm. Sie mochte sein breites Grinsen, seine gebräunte Haut, die blonden Haare und seine blauen Augen, die manches Mal vor sich her glitzerten. Viel zu selten taten sie das. „Erwischt. Ich hab wirklich was im Sinn“, stimmte sie zu und lächelte ihn weiterhin an. Sie mochte ihn in diesem Moment wirklich. Nicht, weil er ihr was kaufen wollte, sondern weil er der freudige Naruto war, denn sie kennen gelernt hatte. Der erste Mann damals, der sie seit langer Zeit wieder wie einen wertvollen Menschen behandelt hat. Der Student Naruto. Der feiernde, besoffene Naruto. So war er heute, wenn auch nur Ansatzweise, ihr lustiger Naruto, der Junge in den sie sich verliebt hat. Heute war er nicht betrunken, nicht so wie im vergangenen Frühjahr, er feierte nicht, aber dieses lustige Funkeln war da. Und deswegen hoffte sie er könnte sich einen Ruck geben. „Ich wünsche mir Schlittschuhe und ich wünsche mir, dass du und ich mehr Zeit damit verbringen… arm zu sein.“ „Wir sind nicht arm, Sakura.“ Das Funkeln verschwand. Ihr Naruto verschwand. Und der Namikaze-Erbe saß ihr gegenüber. „Wie willst du Zeit damit verbringen, arm zu sein? Soll ich mit dir Zelten gehen oder was?“ „Zum Beispiel“, brummte Sakura ironisch. Doch eine bestimmte Ernsthaftigkeit war nicht zu überhören. „Wie kommst du auf so einen Humbug?“, wollte er mit gesenkter Stimme wissen. „Du hast ein zu Hause, wir haben Geld, uns stehen alle Türen offen, du kannst dir alles von mir wünschen, Sakura. Aber so was ist lächerlich.“ „Vergiss es, Naruto. Okay? Vergiss es einfach.“ Ihre Kehle war trocken, sie wollte heulen. Sie wollte es wirklich, weil er sie nicht verstand, aber in solch einem Restaurant würde sie sich nicht die Blöße geben mit verschissener, verschmierter Wimperntusche rum zulaufen. Sakura nahm einen kräftigen Schluck des Weines, den Naruto für sie beide bestellt hatte ohne daran zu denken, dass sie Alkohol nicht besonders mochte. Als sie sah, dass der Kellner sich auf den Weg zu ihnen machte, wandte sie sich mit leiser Stimme an ihren Lebensgefährten. „Ich möchte bitte gehen, Naruto.“ Sie bettelte nicht, sie fragte nicht um Erlaubnis, sie bat lediglich darum, dass er mit ihr zusammen ging, denn sonst würde sie ihn hier sitzen lassen. Sie würde es tun, denn sie wollte nicht bleiben. „In Ordnung“, hörte sie Narutos beherrschte Stimme. So war er immer, wenn er der Namikaze-Erbe war. Wäre er jetzt ihr Naruto, hätte er anders reagiert. Dann wäre er ihr Freund gewesen. Sie sah, wie der Blonde den Kellner zu sich winkte, die Getränke bezahlte, ein großzügiges Trinkgeld gab, sich erhob, mit ihr zur Gardarobe ging, ihr in den Mantel half und neben ihr her zum seinem nagelneuen Jaguar XJ Luxury, denn er erst im Oktober zum Zwanzigsten Geburtstag von seinen Eltern bekommen hatte, ging. Innerlich war Sakura immer der Meinung gewesen, dieses Auto sei unheimlich sinnlos und mit knapp 70.000 Pfund völlig überteuert für einen Wagen, aber sie hielt ihre Klappe, stieg ein, sicherte den Gurt und wartete, dass Naruto den Motor startete. And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. „Ich fahr am Tag vor Heiligabend. Du kannst mitkommen.“ „In Ordnung, Sasuke.“ „Gut.“ And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Sie hatte sich vom ersten Moment an in Kakashis Auto verliebt, als sie es sah. Sasuke lehnte lässig gegen den Kofferraum und schaute sie an. Hinter ihm lag die Themse. Hier hatten sie sich verabredet um Weihnachten zu entfliehen. Nein, nicht Weihnachten sondern dem ganzen Drumherum. Das Jesus geboren wurde, war ja nichts Schlechtes. Tannebäume waren nicht schlecht, Plumpuddig und Truthahn auch nicht. Sie lächelte. Es war ein wundervolles Bild das sich vor ihr auftat. Sasuke, die dunklen Augen, die dunkle Kapuze seines Pullovers auf dem Kopf, der Schnee, der lag und fiel, das Auto, die geschmückten Häuser rundherum, die Lichter des Abends und die Themse. „Hi“, sagte sie leise und blieb vor ihm stehen. Mit dem kleinen Finger ihrer Hand fuhr sie kurz über eine Stelle des schwarzen Autos, wischte den Schnee fort. „Steig ein“, hörte sie Sasukes raue, aber freundliche Stimme, ehe er sich zur Fahrerseite begab, sich setzte, auf sie wartete, den Schlüssel in Schloss steckte und das Auto startete, während sie ihren Rucksack auf die Hinterbank schmiss. Es brummte, ging nicht so geschmeidig wie Narutos, aber sie liebte es. Sie liebte es wirklich. Sie war glücklich in diesem Moment. Sie fuhren über die Brücke der Themse; durch die viel bewohnte Stadt mit all den Reihenhäusern, Hochhäusern und anderen großen Gebäuden; durch Vororte mit schicken Bleiben und gemachten Vorgärten, über Landstraßen, Autobahnen, durch kleine Wohnsiedlungen, bevor sie nach einundeinhalb Stunden in der Hafenstadt Sheerness ankamen. Es war spät. Sie waren spät losgefahren. Die Straßenlaternen mussten schon lange an sein, sie sollten sich ein Zimmer suchen, morgen war Heiligabend. Sie fuhren ein Stück durch die Stadt, Sasuke schien nach etwas Bestimmten zu suchen. „Wo schlafen wir heute?“, stellte sie ihre leise Frage. Sie hatten nicht viel geredet, hatten keine Musik im Auto gehört, wie Naruto es immer tat. Es war schön gewesen. Friedlich. „Keine Sorge, ich hab schon was.“ Sie beobachtete, wie Sasuke durch die Straßen fuhr, er schien sich hier genauso wenig auszukennen wie sie es tat, achtete auf alle möglichen Straßenschilder, aber er hatte ein Ziel. Einen Unterschlupf für die Nacht. Sakura sah schon den Strand hinter den Häusern, als Sasuke endlich in eine Parklücke fuhr und ausstieg. Hier lag weniger Schnee als in London, vielleicht hatte der Regen hier eine Menge fortgespült. Es war irgendwie matschig auf den Straßen aber das war kein Problem. Sasuke holte seinen Rucksack aus dem Kofferraum, gab ihr den ihren vom der Hinterbank und machte sich auf den Weg in ein kleines Gebäude, dass sich als einen Pub herausstellte, der in der oberen Etage über mehrere Zimmer verfügte. Sasuke ging zur Bardame, die wohl gleichzeitig für die Vermietung verantwortlich war und sprach mit ihr, während Sakura etwas Abseits stehen blieb und darauf wartete, dass er zu ihr kam. Er hielt einen Schlüssel in der Hand und ging voran die Treppe hoch. Sie folgte ihm, zuerst in einen langen Flur, ehe er eine der vielen Holztüren aufschloss und in ein Zimmer ging. „Sorry, wegen dem Doppelbett. Ich hab von London aus mit paar Pensionen und Hotels telefoniert, aber die waren entweder voll oder zu teuer. Das war das Einzige, was gerade so ging.“ „Schon okay“, tat sie es ab, stellte ihren Rucksack auf der linken Hälfte des Bettes ab, während Sasuke seinen auf das alte, angeranzte Sofa neben dem Fenster schmiss und sich daran machte, die Heizung höher zu drehen. „Wie teuer war das Zimmer?“, wollte Sakura wissen, während sie ihren Mantel auszog und an einem Haken neben der Tür hängte. „65 Pfund die Nacht.“ „Ich kann dir einen Teil zurück geben“, bot sie an, doch Sasuke schüttelte den Kopf, zog die Handschuhe von den Fingern und fragte nach einiger Zeit leise: „Hast du Hunger?“ „Schon“, antwortete sie. „Dann lass uns gehen.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Flur, schlossen das Zimmer ab und gingen die Treppe hinunter, ehe sie sich an einen Tisch, nicht weit vom Tresen hin setzten. Sasuke fragte Sakura, was sie essen wollte, wartete auf eine Antwort und ging dann zur Theke um die Bestellung aufzugeben, lehnte sich gegen den Tresen und wartete dieses Mal bis die ältere Bardame ihm zwei Teller in die Hand drückte. „Wollt ihr auch was trinken?“ „Cola. Zweimal“, antwortete er schlicht und ging mit den Tellern in der Hand zurück zum Tisch. Sich hinsetzend stellte er auch das Geschirr ab, lehnte sich in Stuhl zurück und beobachtete Sakura eine Weile. Sie griff nach ihrem Besteck, schnitt ein Stück der gebackenen Kartoffel ab, füllte die Gabel damit und mit ein paar Erbsen und begann zu essen. Sie spürte Sasukes Blick auf sich, aber es war ihr nicht unangenehm. Sasuke war einer der Menschen, die ihr das Gefühl gaben, dass sie sich für nichts in der Welt schämen musste. Sie grinste leicht, tunkte das abgeschnittene Stück Roastbeef in die Bratensoße, ehe sie auch dies im Mund verschwinden lies. Sasuke hatte noch nicht mit seiner Mahlzeit begonnen, als die Bardame die beiden Gläser Cola vorbei brachte. Er beachtete sein Getränk nicht weiter, griff nach seinem Besteck, lud ein wenig Gemüse auf seine Gabel und aß gemächlich. Sie schwiegen währenddessen, tranken hin und wieder, schnitten, kauten und schauten sich dann und wann an. Erst als beide das Besteck neben den Teller auf eine Papierserviette legten, lehnten sie sich ein wenig zurück. Sakura lächelte. „Was hast du ihm erzählt?“, wollte Sasuke wissen, trank noch einen Schluck Cola und behielt sein Glas in der Hand. „Ich verbring Weihnachten bei einer Freundin von damals. Sie hat private Probleme und kann Weihnachten unmöglich alleine sein. Sie wohnt in Luton.“ „Und die Freundin gibt es, ja?“ „Mh“, brummte Sakura zustimmend, grinste und fügte an: „Aber ihr geht es prächtig. Hat `nen kleinen Jungen bekommen diesen Winter. Sie ist in Ordnung. Aber sie lebt wirklich in Luton. Ino lügt für mich, falls Naruto anruft. Und was glaubt Kakashi mit wem du unterwegs bist?“ „Alleine. Am Grab meiner Eltern.“ So wie er es sagte, klang es nicht wie eine Lüge. Am Grab seiner Eltern. Wie traurig. Wie unendlich traurig. Sie spürte wie ihre Augen zu brennen begangen. Sie würde nicht weinen, aber sie kannte seinen Schmerz, wenn auch nur ein bisschen. „Ich kann mich kaum mehr an meine Eltern erinnern“, flüsterte sie. „War vier als sie starben.“ „Tut mir Leid“, hörte sie Sasukes raue Stimme. Er stellte sein Glas ab, stand auf und zog sie an der Hand hoch. „Lass uns was spazieren gehen.“ Sie presste die Lippen zusammen, nickte und erhob sich vollends, ehe sie die Kraft in ihrer Stimme wieder fand. „Ich geh schnell bezahlen.“ „In Ordnung. Brauchst du deine Jacke?“ Sie schüttelte sachte den Kopf, ging zum Tresen, gab passendes Geld, verabschiedete sich und trat zu Sasuke, der schon an der Tür auf sie wartete. Gemeinsam gingen sie hinaus. Es war kalt draußen, aber im Moment störte es sie nicht besonders. Es war gar nicht so ein schlechtes Gefühl im Pullover bei Minusgraden neben Sasuke zu sein. Es war völlig in Ordnung. Sie gingen die Straßen entlang, Sakura folgte des Öfteren Sasukes Blicken, die etwas zu suchen schienen, von dem er gar nicht wusste wo es war. „Ich bin hier geboren“, erzählte er irgendwann aus dem Nichts heraus und Sakura wandte sich ihm ein Stück zu, während sie langsam weitergingen. „Wir hatten irgendwo in der Stadt unser Haus.“ „Wie alt…?“, setzte sie an, musste ihre Frage nicht einmal beenden um eine Antwort zu bekommen. „Sieben.“ Schweigend gingen sie weiter nebeneinander her, bis Sakura spürte, wie ihr Körper zu zittern begann, wie die Kälte sie erreichte, doch schon kurz darauf sah sie, dass Sasuke stehen blieb, sich seinen Pullover über den Kopf zog und ihr hinhielt. „Nein“, wehrte sie ab. „Komm schon, Sasuke.“ „Geht schon in Ordnung“, sagte er leise, gab ihr das Kleidungsstück, wartete bis sie es angezogen hatte und ging dann mit ihr weiter. Sakura schielte hinüber zu ihren Begleiter. Ob Naruto so was für sie getan hätte? Bei Frost, in der Nacht, im T-Shirt rumlaufen, nur damit sie nicht fror. Nein, er kannte so was nicht. Wenn er wollte, dass sie nicht fror, sprang er in den nächsten Laden und kaufte einen Mantel. Sasukes selbstlose Art imponierte ihr, obwohl Naruto, der ihren Körper rettete, doch nicht minder selbstlos gewesen war. Nur eben auf eine andere Art, die sie nicht spürte, wenn Sasuke in ihrer Nähe war. And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Tell the devil that he can go back from where he came. His fiery arrows drew their bead in vain. And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. Lay your body down. Next to mine. Sasuke hatte ihr das Bett genauso selbstlos überlassen, wie der Pullover am vorherigen Abend. Er hatte keinen Laut von sich gegeben, obwohl sich seine sonst so blasse Haut schon rötlich gefärbt hatte vor Kälte. Und genauso ohne ein Wort des Unmutes hatte er sich eine der Decken und ein Kissen vom Bett geschnappt und es sich auf der alten Couch gemütlich gemacht. Sie lächelte beim wach werden, dass hatte sie seit langer Zeit nicht mehr getan. Es fühlte sich toll an, die Augen zu öffnen, Sasukes Anwesenheit im Raum zu spüren, seinen Duft zu riechen, mal nicht bei Naruto zu sein, den sie liebte. Sie erhob sich im Bett, die Decke rutschte auf ihren Schoß, sie wandte ihren Blick dem jungen Mann auf dem Sofa zu und plötzlich kam er ihr mehr vor wie ein Junge. Ein gequälter Junge gefangen in seinen Träumen. Sein Gesicht war verbissen, verkrampft, seine Hände krallten sich in den Stoff des Sofas, die Decke war beinahe vom Körper gerutscht. Seine Schultern zitterten. Sakura wisperte seinen Namen, schwang ihre Beine aus dem Bett und lies sich vor dem Sofa auf den dunklen Bodenfließen nieder. „Sasuke“, sagte sie erneut und strich ihm eine Strähne aus der verschwitzten Stirn. Sie wusste wie es war, schlechte Träume zu haben. Sie legte ihren Kopf auf freie Sofafläche ab, sie spürte Sasuke hastigen Herzschlag und legte ihre Hand auf die Decke auf seinem Bauch. „Ich werde raus finden, wie ich dich retten kann“, flüsterte sie ohne zu wissen warum. Aber sie wusste, er brauchte Rettung, wie jeder Mensch manchmal ein festes Seil brauchte. Nur manche eben besonders. Als er die Augen aufschlug, war fast eine Dreiviertelstunde vergangen. Seine Atmung hatte sich beruhigt, sein Gesicht ein wenig entspannt, doch Sakura war am Boden vor dem Sofa geblieben, hatte ihre Hand zurückgezogen, ihren Kopf erhoben und blickte ihn an, als er wach wurde. Er sah schön aus, sie fand Menschen beim wach werden generell schöner, als in vielen Situationen des Tages. Auch bei Naruto war es so. Wenn er die Augen am Morgen aufschlug war er voll und ganz ihr Naruto. Den Mann, denn sie von allen Männern auf dieser Welt als erstes geliebt hat. „Morgen“, flüsterte sie und lächelte leicht. Er brummte nur, erhob sich auf dem Sofa, strich sich mit der Hand den Schlaf aus dem Gesicht, bevor er die Decke zurückschlug und aufstand. An ihr vorbei ging er mit müden Schritten und einem zuvor gegriffenen Stapel Klamotten, ins zimmereigene Badezimmer. Schon gestern Abend hatte Sakura dort warm geduscht. Es war wirklich nicht modern, kein bisschen, es war auch nicht schön, aber es hatte ne Dusche, ein Waschbecken und ein Klo. Das genügte. Ihr genügte es, auch wenn sie durch Naruto in den letzten Monaten so manch schickes Hotelzimmer kennen gelernt hatte. Sakura erhob sich, öffnete ihren Rucksack, holte frische Unterwäsche und ein Oberteil heraus, schlüpfte in die Jeans, zog das Top über den Kopf, Socken über die Füße und band sich dann locker die rotblonden Haare zum Zopf, bevor sie sich auf das Bett niederließ. Sie griff nach ihrem Portmonee. Ein Zwanzig Pfund Schein, einen Fünfer, drei Einpfundmünzen, einmal fünf Penny. Sie hatte nur zwei Zwanziger mitgehabt und nach dem Essen gestern Abend blieb nicht mehr viel übrig. Es reichte nicht mal dafür, dass sie die zweite Übernachtung bezahlte. Vielleicht hätte sie nicht zu stolz sein sollen, das Geld anzunehmen, was Naruto ihr hatte zustecken wollen, aber es war ihr auch falsch vorgekommen, ihn anzulügen, mit Sasuke fortzufahren und dann noch Narutos Geld zu nehmen. Das ging nicht. Sasuke trat zurück ins Zimmer, trug verwaschene Jeans und ein dunklen enges Shirt. Er fuhr sich noch mal über die Augen, wünschte ihr nun weniger brummend einen guten Morgen, griff nach seinem Pulli, zog ihn über den Kopf und steckte sein Portmonee ein. Sakura spürte seinen Blick auf sich. „Sorgst du dich ums Geld?“ „Nein. Es gibt Wichtigeres.“ „Ja“, murmelte er, ging auf die Tür zu und drehte seinen Kopf zurück. „Bezahl das Frühstück, ich sorg dafür, dass wir einen Platz zum Schlafen haben, Sakura.“ „Uh… okay.“ Ihre Stimme war zögerlich. Sie erhob sich, trat zu ihm, ging mit ihm hinunter, frühstücke, schwieg, sprach mit ihm, lächelte und bezahlte. Den Tag über gingen sie viel spazieren am Vormittag, teilten sich die Kosten bei einem kleinen Lokal, was wie einer dieser nordamerikanischen Diner aussah, wo sie zu Mittag aßen. Sie holten ihre Rucksäcke im Gasthaus und verabschiedeten sich. Danach gingen sie durch die Innenstadt, hören Straßenmusikanten zu, die Weihnachtsmusik machten, saßen lange in einem kleinen Cafe, tranken Tee und aßen einige Plätzchen, Sasuke kaufte eine dicke Wolldecke für wenig Geld und ein paar Lebensmittel. „Wir schlafen heute Nacht im Auto“, erklärte er und sie nickte. „Okay.“ „Du musst nicht. Wir können auch zurück.“ „Wohin?“, wollte sie wissen und blieb stehen. Auf ihren Stiefeln lag Schnee, aber sie ließen kein Wasser durch, waren teuer gewesen. Naruto hatte sie ihr im November gekauft. „Nach London. Dann bist du noch rechtzeitig zum Essen bei seinen Eltern da.“ „Ich will aber nicht dorthin. Willst du?“ Er schüttelte den Kopf, sie lächelte, sie spazierten weiter, die Straßenlaternen gingen an, sie tranken Tee in einem Pub, saßen eine Weile im Warmen, gingen dann hinaus, die Nacht war dunkel, der heilige Abend war schon lange angebrochen. Sie gingen zum Auto. Fuhren zum Strand. Sie hatte noch nie einen Strand gesehen, auf dem Schnee lag. Es sah besonders aus. Dieser Mensch neben ihr war besonders. Sie blickte zu Sasuke und sah wie er am CD-Player des Autos herumfummelte. Als er sich zurücklehnte, ertönten leise Gitarrenklänge aus den Lautsprechern, ehe die melodische Stimme eines Sängers einsetzte, sie einlullte, vom ersten Moment an. Sie schwieg, genauso wie Sasukes es tat. Das Kinn vergrub sie nach einiger Zeit in den Kragen ihrer Winterjacke, drückte sich gegen den gemütlichen Sitz, blickte den jungen Mann auf dem Fahrersitz an. Sie war glücklich in dieser Zeit. Glücklich dort zu sein, am verschneiten Strand, am heiligen Abend, kurz vor Mitternacht, in einem Auto. Sie froh noch nicht, wusste dass sie irgendwann frieren würde diese Nacht, aber es war ihr so egal. Das Lied wechselte, ein ebenso Ruhiges ertönte. Sie lauschte dem Text, bei dem es um die Überzeugung ging, dass man zu einer Silhouette wurde, wenn man seinen Körper schlussendlich verlässt um zu sterben. Sie lächelte leicht, stellte sich plötzlich für drei Minuten und zweiundvierzig Sekunden des Songs die Frage, was nach dem Tod war, aber dann stellte sie, wie schon so oft davor, fest, dass es darauf keine Antwort gab. Sie würde erst eine finden, wenn sie tot war. Sakura schaute zu Sasuke, blickte in sein blasses Gesicht, stellte erfreut fest, dass er nun endlich mal eine Jacke trug, die zuvor im Kofferraum des Autos gelegen hatte. Sie stand ihm, sie schützte ihn. Das war gut, auch wenn Sakura nicht genau wusste, wovor er geschützt werden musste. Als das nächste Lied, ein etwas Lauteres von einer etwas härteren Rockband, einsetzte, merkte sie plötzlich, dass sie diese Musik liebte, obwohl sie keines der drei, die gelaufen waren, je zuvor gehört hat. Sie liebte sie, denn in diesem Moment, in dem sie die Musik hörte, wurde diese Melodie, dieser Text, die Stimme zu etwas anderem. All das wurde zu Sasuke. Sie stellte fest, dass sie Sasuke auf eine sonderbare Art und Weise liebte. Eine Liebe, die sie nie zuvor in diesem Ausmaß, in diesem Sinne gespürt hat, obwohl Naruto – den sie unheimlich gern hat, den sie liebt – der Mann für ihr Leben ist. Der Mann, mit dem sie ihr restliches Leben verbringen möchte, auch wenn sie sich wünschte, dass dieser Abend niemals enden würde. Sakura hatte ihren Blick nicht von ihrem Sitznachbar abgewandt, sie saß immer noch so da, wie vorher, schaute ihn an, lächelte leicht und öffnete dann den Mund um mit ruhiger Stimme, die Wahrheit ihrer Vergangenheit auszusprechen. Es war der richtige Moment dafür. „Ich war eine Nutte, Sasuke.“ Sie sah, wie sich seine Augen kurz, nur ganz minimal, weiteten. Sie wusste, dass er zusammen zuckte, auch wenn sie es nicht wirklich sah. Dann aber, ganz schnell, viel schneller als sie gedacht hatte, entspannte er sich wieder vollends und lauschte ihren Worten, die nicht kamen, ehe das sechste Lied anfing. Das erste das sie kannte. Eines von der größten irischen Band, eines über Dinge, die man selbst dann noch nicht gefunden hatte, als man über die höchsten Berge geklettert war, die süßesten Lippen geküsst hat und über tausende Felder gewandert war. Dann sprach sie, erzählt von ihrer Vergangenheit. Von Dingen, die nur Naruto wusste. „Ich war sechzehn als ich aus dem Heim abgehauen bin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mir gerade die Haare rosa gefärbt und hatte nur noch Stress mit den Leuten da. Ich wollte Freiheit und die glaubte ich irgendwo anders zu finden. Doch dort wo ich hinging, fand ich sie nicht. Doch mich fand eine Gruppe Mädchen, die schon länger in dem Business waren. Sie versprachen mir das große Geld und nahmen mich mit. Ich schlief mit irgendwelchen Kerlen, aber ich hab nie einen von denen geliebt. Doch dann… dann kam eines Abends eine Gruppe junger, besoffener, feiernde Kerle in den Puff. Unverkennbar waren sie reich, suchten sich alle ein Mädchen und der Blonde mit den blausten, glitzernden Augen nahm mich mit auf eines der Zimmer.“ Sie verstummte wieder, erinnerte sich daran, wie sie diesen Blonden mit den glitzernden Augen ausgezogen hatte. Die hübschen, gut riechenden, jungen Kerlen waren meist die umgänglichsten Kunden, doch dieses Mann schien völlig anders zu sein. Er war völlig anders. „Auf dem Zimmer dann wurde er aber plötzlich völlig nüchtern, er schien zu kapieren, was er grad tun wollte, was wir tun wollte, er mit mir und ich mit ihm. Da hat er seine Sachen geschnappt, sich unheimlich schnell fertig gemacht und wollte zur Tür rennen, ehe ihn irgendwas dazu brachte, umzukehren und sich bei mir zu entschuldigen.“ Sie war perplex gewesen. Noch nie zuvor hatte sich einer der Kerle bei ihr entschuldigt, für die Dinge, die er mit ihr angestellt hatte, aber dieser Mann hatte sich für Dinge entschuldigt, die keiner Entschuldigung benötigt hätten. „Er hat mich gefragt, wie er das wieder gut machen kann. Ich wusste keine Antwort, ich war überrumpelt, verstehst du? Dann ging er, versprach aber, dass er seine Schuld begleichen würde. Ich meine, er stand in keiner Schuld, aber er wollte das nicht wissen und kam ein paar Tage später wieder, kaufte mir Klamotten, führte mich zum Essen aus, verwöhnte mich. Ich fühlte mich wie Cinderella, aber irgendwann dann verliebte ich mich richtig in ihn und dann… na ja… ist ja auch egal.“ Den Rest konnte Sasuke sich sowieso vorstellen, schließlich war sie heute mit Naruto zusammen und sie war unverkennbar nicht mehr in diesem Milieu beschäftigt. Sie schwiegen, sie schwiegen unheimlich lange. Es bedarf alles keiner Wörter. Ihre Vergangenheit war nieder geschrieben, auf Blättern im Himmel, in die sie keine Einsicht hatten. Nichts war mehr veränderbar, sie musste es hinnehmen, Naruto musste das und Sasuke auch. Sie alle taten es. Sie nahmen es hin. Mehr oder weniger, ohne Worte. Die CD lief schon zum zweiten Mal, war bei einem der Lieder, die sie am tollsten gefunden hatte, als das Schweigen erneut ein Ende fand. „Mein Bruder“, war das Einzige was Sasuke zunächst sagte. Sakura glaubte schon, es sich eingebildet zu haben, weil er so lange danach nichts mehr sagte. Sie blickte auf die Uhr im Auto. Sie zeigte an, dass es schon knapp nach ein Uhr in der Nacht war. Der heilige Abend war vorüber, der erste Weihnachtstag war gekommen, vor vielen tausenden Jahren, hatte Jesus diese erste Nacht seines Leben in einer Krippe in einer Scheune verbracht. Doch irgendwann sprach Sasuke dann weiter, war kaum mehr zu stoppen, sprach schnell, sprach, als würde er das alles zum ersten Mal erzählen. „Er hat meine Eltern umgebracht. Ich war beim Hockeytraining gewesen, keiner kam mich abholen an diesem Abend, deswegen fuhr mich unser Trainer nach Hause. Als ich klingelte, machte keiner auf, ich klingelt noch mal, aber wieder nichts, deswegen nahm ich unseren Ersatzschlüssel unter der Blumenvase, schloss auf und ging in den Wintergarten. Dort lagen dann meine Eltern. Mein Vater hatte… Mutter beschützen wollen, er lag auf ihr. Ich wusste nicht, dass sie tot waren, ich schrie nach ihnen. Dann kam…. er aus dem Garten rein. Mit Blutspritzern auf seinem Pullover und erst da sah ich auch das Blut auf dem Boden und das an den Körpern meiner Eltern. Ich hatte Angst, hörte seine Worte, lief, lief hinaus, weit, weit weg. Irgendwann stand ich auf einer Landstraße, außerhalb der Stadt, es war kalt, es regnete.“ Und er war einsam, traurig, verlassen, verwirrt. Sakura fand nicht genug Wörter für diese Dinge. Dinge, die Sasuke im zarten Alter von sieben – sieben beschissenen, verfickten Jahren – hatte erleben müssen. Ihre Augen brannten, sie brannten als seien sie aus Feuer, sie schmerzten und entließen salziges Wasser, dass ihre Wangen hinunterfloss. Sie blickte zu Sasuke, auf sein blasses Gesicht, seinen Mund, der nun stumm war. Erneut beschloss Sakura, Sasuke zu retten. Ihn wirklich zu retten, auch wenn es vielleicht keine Rettung für die Ewigkeit gab. Sie vergaß Naruto in diesem Moment, sie vergaß London, vergaß sogar Sheerness, die Gaststädte, sie vergaß alles. Nicht war mehr wichtig außer dieser Strand, dieses Auto, die Musik und sie beide. Nichts anderes existierte mehr. In dieser Nacht lehnte sie sich vor und küsste ihn. Sie küsste ihn, weil sie traurig war, weil der heilige Abend vergangen war, weil in diesem Moment nichts anderes mehr existierte. Weil nichts anderes mehr eine Bedeutung hatte. Sie küsste ihn, weil sie eine Nutte gewesen war, weil sein Bruder seine Eltern getötet hatte, sie küsste ihn, weil sie ihn in diesem Moment mehr liebte, als ihr eigenes Leben. Hätte sie in da jemand gefragt, ob sie für ihn sterben würde, hätte sie keine einzige Sekunde nachdenken müssen. Sie hätte es ohne jeden Zweifel getan. Beim ersten Kuss küsste er nicht zurück; vielleicht war er sich da noch nicht ganz im Klaren gewesen, dass es nicht anderes gab, als die Dinge die grade waren, nichts anderes als sie und ihn. Den Strand, die Musik und dieses Auto. Doch beim Zweiten schien er es begriffen zu haben; er küsste sie zurück, zog sie näher an sich, küsste sie mit Leidenschaft, umschlang sie mit seinem Armen, störte sich nicht daran, dass die Gangschaltung schmerzhaft gegen seine Hüfte drückte. Dieser Schmerz musste nichts sein, im Vergleich zu dem, den er spürte, wenn er über seinen Bruder sprach. Sie küssten sich lange, hielten sich lange und gingen dann auf die Rückbank, da konnten sie sich besser halten. Sie flüsterten sich Dinge zu, liebe Dinge, Dinge die die Welt bedeuteten, so wie alles unheimlich wertvoll war, was sie miteinander sprachen. Sasuke strich ihre Tränen fort, Sakura küsste seine Wangen. Sie zogen sich aus, Stück für Stück und in dieser Nacht, schliefen zu miteinander auf der Rückbank von Kakashis Wagen auf einem verschneiten Strand, in einer Stadt, die Steilheit hieß. Als sie am Ende neben ihm lag, den Kopf auf seiner Brust, die Arme um seinen Bauch geschlungen, während sich ihre Zehen unter der Wolldecke berührten, sah sie Tränen auf seinen Wangen. Er hatte die Augen geöffnet, sah sie an und weinte ein bisschen. „Ich fürchte…“, sagt Sasuke irgendwann, als seine Tränen versiegt waren, und sprach Worte aus, die er in ihrer gemeinsamen Geschichte nur einmal gesagt hatte, obwohl er es die ganze Zeit über getan hat. „Ich liebe dich.“ „Ja“, wisperte sie, drückte sich enger gegen ihn, spürte diese Liebe, liebte die Nacht, die nur ihnen gehörte, in denen nur sie existierten, sagte diese Worte, sagte ihm ganz oft, dass sie ihn unwahrscheinlich liebte, dass sie ihn so sehr, so so so so sehr, liebte, dass sie ihn retten würde. Und im gleichen Atemzug wusste sie, dass sie einem Menschen unheimlich unglücklich gemacht hatte. Einem Menschen, den sie liebte, wenn nicht nur Sasuke und sie existierten. Warum, warum nur, konnten sie – Sasuke und sie – nicht Adam und Eva sein? And were caught up within the crossfire of heaven and hell. And we’re searchin’ for shelter. Lay your body down. Tell the devil that he can go back from where he came. His fiery arrows drew their bead in vain. And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. Lay your body down. Next to mine. Am nächsten Morgen waren sie halb erfroren, hatten sich eilig angezogen, kaum ein Wort miteinander gewechselt, sie hatten so getan, als hätte es diese Nacht nie gegeben, auch wenn sie nackt nebeneinander wach geworden waren. Sie hatten vom letzten Geld Blumen gekauft und waren zum Grab Sasukes Eltern gegangen, damit es keine Lüge war, dann waren sie zurück nach London gefahren. Er setzte sie an dem Parkplatz vor der Themse ab, da wo sie sich vorgestern getroffen hatten. Vorgestern – was für eine irre lange Zeit. Was nur alles geschehen war. Sie hatte ihn zum Abschied umarmt, ganz fest, als würde sie wissen, was in den folgenden Monaten geschah, hatte ihm über die feuchten Haare gestrichen und über die Wangen, wo gestern seine Tränen gewesen waren. Dann war sie gegangen, hatte den Bus genommen, ohne ein Ticket zu lösen, hatte die Wohnungstür aufgeschlossen. Naruto stand in der hochmodernen Küche, machte sich ein spätes Frühstück, als sie auf ihn zuging, ihn an sich drückte, die Arme um seine Hüfte schlang und ein wenig an seiner Brust weinte. Er hielt sie, er schütze sie, er hatte sie damals gerettet und nun war er wieder da. Für sie. Heute entdeckte sie eine neue Seite an ihm, eine Seite die ihr gefiel. Eine Seite, die sie dazu brachte, sich schuldig zu fühlen, für die Nacht in der es nur Sasuke und sie, den Strand, das Auto und die Musik gegeben hatte, obwohl sie es nicht bereute. Man konnte keine Dinge bereuen, die aus Traurigkeit entstanden und sich so richtig angefühlt hatten. „Shh.“ Naruto machte beruhigende Laute, strich über ihren Rücken, drückte sie fest. Gott, wie sehr er sie lieben musste. Wie sehr sie ihm wehgetan hatte, ohne dass er davon wusste. „Du bist ja wieder zu Hause, shh.“ „Ja… ja“, schluchzte sie, küsste seinen Mundwinkel. „Ich liebe dich. Ich liebe dich, Naruto.“ Er drückte seine Lippen gegen ihren Haarschopf, hielt sie lange, setzte sich irgendwann, sie auf seinem Schoß, auf einen der teuren Lederstühle, drückte sie, versuchte sie zu retten, mit allem was er hatte, mit allem was er fühlte. Irgendwann, als sein Speck schon lange nicht mehr warm war, der Kaffee schon längst durchgelaufen und das Toast aus dem Toaster gesprungen, lockerte sich ihre Umklammerung. Sie blieb auf seinem Schoß, lehnte den Kopf gegen seine Brust, lauschte seinem Herzschlag und flüsterte dann: „Ich bin in Ordnung. Wir sind in Ordnung, okay, Naruto? Wir werden für immer in Ordnung sein.“ Januar Februar März April Den restlichen Winter über und fast das komplette Frühjahr sahen sie sich nicht. Sakura mied den Weihnachtsmarkt, sie mied den gefrorenen See, Sasuke begleitete Kakashi zu keinen Besuchen im Hause der Namikaze, er mied das Cafe, in dem Sakura jobbte. Sie hatte sich auf Narutos Drängen, Wünschen und guten Worten hin, an der Uni eingeschrieben und würde im Sommer ihr erstes Semester beginnen. Sie hatte versucht, nicht an Sasuke zu denken, doch je mehr sie dies tun wollte, desto weniger funktionierte es. Sie wollte ihn sehen. Unbedingt. Sie musste ihn sehen, sie musste ihn fühlen. Seinen Körper und viel mehr noch seine Seele. Und als sie ihn dann sah, aus Zufall in der Mitte des Wonnemonats im Park bei den Kirschblüten, musste sie ihn ansprechen. Sie durfte ihn nicht einfach so gehen lassen. Sie sprach, er sprach und sofort hatten die Worte wieder die Wichtigkeit der Welt und im Stummen versprachen sie sich, am nächsten Tag wieder hier zu sein. Und den Tag danach. Einige Wochen lang. Bis zum Sommer hin, immer nur ein paar Minuten, auf ein paar Worte, vielleicht mal etwas länger. Doch dann, kurz nachdem ihr erstes Semester begonnen hat und sie nicht mehr jeden Tag kommen konnte, verabredeten die beiden ihre Treffen. Mal in einem Cafe, mal im Park, mal in der Stadt, an der Themse, am großen See, mal im Zoo und dann, Mitte September trafen sie sich das erste Mal bei Sasuke Zuhause. TenTen war im Frühjahr mit ihrem Lebensgefährten zusammen gezogen, sodass Lee den Dachboden nun alleine bewohnte. „Kakashi hat mir hier ein Zimmer gegeben“, sagte Sasuke beim ersten Treffen dort und zeigte auf die erste Zimmertür im Flur. „War ursprünglich eine Abstellkammer.“ Das sah man von der Größe des Raumes auch, fiel Sakura sofort auf. Mehr als ein Bett, ein klobiger Holzschrank, ein kleines, voll gestopftes Bücherregal und ein winziger Tisch mit einem kleinen, alten Fernseher passte nicht rein, aber es wirkte heimisch, fand sie. Sofort, ohne zu fragen, setzte sie sich af das Bett, fuhr über die Decke und lächelte ihm zu. Sie hatten viel geredet an diesem Tag, ihnen gingen nie die Gespräche aus. Wenn sie nichts über ihren Alltag zu sagen hatten, sprachen sie über die Anderen, die Freunde und Bekannten, erzählten von deren Leben, manchmal sprachen sie über Gott und Glauben oder über Wissenschaft. Sasuke war ein kluger Kerl, stellte sie häufig fest. Obwohl sie, durch den nachgemachten Test, einen großartigen Abschluss mit einem Schnitt von 1,2 hatte, wusste er oft eine Menge mehr als sie. Und manchmal war es egal, wie viel sie wussten, denn dann redeten sie über Emotionen, über Ängste und über die Vergangenheit. „Nächstes Jahr kommt er aus dem Knast“, sprach er Anfang Oktober über seinen Bruder, als sie sich zum gefühlt hundertsten Mal bei ihm trafen. Immer dann war Kakashi arbeiten und er arbeitete oft, so trafen sie sich auch oft dort. Doch schon zwei Tage später, als die Beiden in der Küche der Wohnung standen und Nudeln kochten, kam Kakashi früher nach Hause, als sie geglaubt hatten. „Ms. Haruno?“, fragte er. Er war höflich, wie sie ihn in Erinnerung hatte, aber seine Stimme war verwundert. Wer sollte es ihm auch verdenken? „Sagen sie `s bitte nicht Naruto.“ Das waren genau die falschen Worte gewesen. Worte, als würden sie sich etwas zu Schulden kommen lassen und das taten sie doch gar nicht. Seit dieser einen Nacht am Strand war nichts zwischen ihnen geschehen, obwohl Sakura diesen Mann mehr liebte als ihr eigenes Leben. „Ich verstehe nicht“, gab Kakashi zu, ließ sich auf einem Stuhl am hölzernen Küchentisch sinken und blickte die beiden an. „Was soll ich nicht Naruto erzählen?“ „Weiß nicht“, murmelte Sakura und setzte sich ebenfalls an den Tisch, während Sasuke die Nudeln abstellte und sich dann an einem Stuhl abstützte. „Er würde nicht wollen, dass sie hier ist“, half er Sakura und schaute Kakashi an. „Warum ist sie dann hier?“ Nun sprach der Ältere mit Sasuke, überging sie, aber das war in Ordnung. Es war für keinen von ihnen eine leichte Situation. „Damit wir zusammen sein können“, sagte Sasuke frei heraus. Kakashi musste nicht nachhaken, da Sasuke schon leichthin erklärte: „Wir sind Freunde. Nicht mehr.“ Halbe Lüge. In der Nacht waren sie mehr gewesen und seit kurzem fühlte es sich für Sakura wie mehr an. Sie glaubte, dass sie mit ihm leben könnte. „Ihr solltet es ihm sagen.“ Kakashi faltete die Hände auf dem Tisch und seufzte. Sie schüttelte den Kopf und bat schon fast flehend: „Bitte sagen sie ihm nichts. Sonst… er wird nicht zulassen, dass ich Sasuke sehen.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen“, gab Kakashi zu. Sakura nickte zögerlich. Natürlich konnte er sich das vorstellen. Er war seit vielen Jahren im Hause der Namikazes und kannte Naruto von klein auf an. Wenn der Blonde jemanden liebte, ließ er ihn nicht gehen. Und er war eifersüchtig. Oh, wie er das war! Ihre Miene nahm einen traurigen Ton an, ehe sie zu Sasuke blickte, der neben ihr zusammen zuckte, aufstand, ihre Hand nahm, sie mit sich zur Küchentür zog und über die Schulter hinweg sagte: „Tu mir das nicht an, Kakashi. Sag’ s ihm nicht.“ Am selben Abend waren sie spazieren gegangen und Sasuke erzählte eine Menge Dinge. Er sprach über seinen Bruder, wie er gewesen war, als sie sich noch lieb gehabt hatten. Über seine Mutter und seinen Vater, die auf ihre Art die besten waren. Und er sprach über Kakashi, der sich selbst in Sasukes Schuld gestellt hatte, obwohl Sasuke sich als den Schuldigen sah. „Also Obito, sein bester Freund starb, glaube Kakashi, er allein sei dafür verantwortlich.“ Sasuke wusste nicht genau wie dieser umgekommen war, aber er wusste, dass Obito Uchiha ein Onkel von ihm gewesen war. Der jüngere Bruder seiner Mutter und wäre er damals nicht gestorben, hätte Sasuke jemanden gehabt, der ihn aufnahm. Das hatte er nicht. Es hat nie jemanden gegeben, der ihn zu sich geholt hat und als lediger Mann stand es nicht in Kakashis Möglichkeiten. Erst nach Vollendung seines Achtzehnten Lebensjahres und dem Rausschmiss aus dem Heim, meldete Kakashi sich bei ihm und bot ihm eine Unterkunft an. „Ohne ihn säße ich auf der Straße oder sonst wo. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen, aber er fühlt sich trotzdem schuldig, deswegen wird er nichts sagen.“ Deswegen die Worte. Tu mir das nicht an. Na logisch. Kakashi würde Sasuke niemals etwas Böses antun. Nicht die Verantwortung dafür tragen, dass dieser tolle Mann, den Zorn des Löwen auf sich zog. Doch zu dem Zeitpunkt, als Sakura Sasukes Hand drückte an diesem Abend, konnte sie noch nicht wissen, dass Sasuke sich selber in die Höhle des Löwen bringen würde. And I will try to fix you. Es war der erste November, als Sakura die gemeinsame Wohnung betrat und Sasuke dort sah. Er putzte. Allen ernstes putzte er bei ihnen. „Was tust du hier?“, wisperte sie und kam näher. Sich aus der Hocke erhebend, sprach er sie so förmlich an, wie nie zuvor. „Guten Tag, Ms. Haruno.“ Sie wollte schon ansetzten, seinen Namen sagen, ihn anbrüllen, aber sie kam nicht dazu, den just in dem Moment trat Naruto durch die Wohnzimmertür und grinste. „Was tut er hier?“, wandte sie sich an ihren Lebensgefährten, der auf sie zutrat und ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. Er nahm ihr die Tasche ab, stellte sie auf die Kommode, half ihr aus dem Mantel küsste ihren Nacken und hängte das Kleidungsstück an die Gardarobe. „Er putzt“, antwortete er leichthin, griff ihre Hand und wollte sie ins Wohnzimmer ziehen, als sie sich entgegen stemmte und mit kräftiger Stimme sagte: „Das sehe ich! Aber warum? Warum putzt er hier?“ „Weil ich ihn dafür bezahle.“ Das hast du jetzt nicht gesagt, wollte sie ihn anbrüllen. Sie wollte ihm diesen Gesichtsausdruck rausprügeln. Dieses ganze Getue ekelte sie an. Ja, er war, zum Teufel, immer noch eifersüchtig und so konnte er Sasuke, ihren Sasuke, klein machen. So konnte er der Stärkere sein. Aber was war nur in ihn gefahren, in Sasuke. Warum war er hier? Warum ließ er sich von Naruto bezahlen? Warum ging er nicht einfach irgendwo anders putzten? Warum, verdammt, warum tat er sich das an? Sie fand keine Antwort darauf. Zunächst, weil sie sich ein paar Wochen nicht mehr miteinander trafen, dann weil er, wenn sie es taten – sich treffen – nicht über dieses Thema sprach. Er hatte seine Gründe, das wusste sie. Sasuke tat nichts ohne Grund. Doch nur weil er diese Dinge tat, hörte sie nicht auf ihn zu lieben. All das verstärkte sich nur noch, weil sie langsam auch etwas anderes entwickelte. Ein neues Gefühl. Ein anderes Gefühl für Naruto. Es war Hass. Jedes Mal, wenn Sasuke bei ihnen war und putzte, hasste sie Naruto ein bisschen mehr. Für seine Attitüde. Dafür, dass er Geld hatte, ein Leben, das er liebte und für Sasukes verlorene Träume hasste sie ihn noch ein Stück mehr. Und deswegen wollte sie Naruto in manchen Momenten etwas wegnehmen. Dann küsste sie Sasuke. Aber sie küsste ihn auch, einfach wenn sie es wollte, oder wenn sie traurig war. Ein paar Mal schliefen sie auch miteinander und sie genoss es, liebte es, weil sie ihn liebte. Weil er in diesem Momenten alles für sie war. Alles, was je wichtig sein könnte. I was just guessing at numbers and figures. Pulling the puzzles apart. Questions of science. Science and progress. Do not speak as loud as my heart. Oh tell me you love me. Come back and haunt me. Oh and I rush to the start. Running in circles. Chasing our tails. Coming back as we are. Nobody said it was easy. Es war am zweiten Dezember, als Sakura die Türe der Wohnung aufschloss, die sie gemeinsam mit Naruto bewohnte. Schon im Flur af der Kommode standen vereinzelt ein paar Teelichter und auf dem Boden lag einer Rose, die in Richtung Wohnzimmer zeigte. Bitte nur das nicht, bitte nicht, bitte, bitte, bitte, flehte sie im Stillen, legte ihre Tasche am Boden ab, hängte ihren Mantel fort und folgte der Richtung der Rose. Im Wohnzimmer waren auch Kerzen. Ein paar große runde, ein paar kleine, dort ein paar die dufteten und dann wieder Teelichter. Naruto war nicht hier, aber eine weitere Rose zeigte in Richtung des riesigen Balkons, auf den sie schon bald trat. Dort saß ihr Lebensgefährte, dort saß Naruto. Auf einem Stuhl, am wunderschön gedeckten Tisch. Er wirkte abwesend. Ja fast traurig. So hatte sie ihn selten gesehen. Wenn sie nachdachte, eigentlich noch nie wirklich, während Sasuke in der einen, wundervollen Nacht geweint hat. „Naruto“, wisperte sie, als sie die Rosenblüten auf dem Tisch liegen sah und den Ring in seiner Faust zu sehen glaubte. Als er ihre Stimme hörte, schreckte er auf, erhob sich und trat vor sie. Er nahm ihre Hand, öffnete dann die andere und hielt ihr den Ring entgegen. „Ich wollte das ganz romantisch machen“, fing er an, hielt sie fester. „Ich wollte wirklich, ich wollte auch den richtigen Zeitpunkt suchen, aber der war nie da. Nie, auch nicht als wir wieder glücklich waren. Und jetzt… es ist der Schlechteste den es gibt.“ „Naruto.“ Wieder flüsterte sie seinen Namen. Wie er hier stand, tat er ihr Leid. In diesem Moment hasste sie ihn nicht mehr, denn irgendwo tief drinnen, war er der Mann, denn sie einmal sehr geliebt hat. Sie legte die Hand auf seine Brust. Irgendwo da drin. Sie blickte an ihm vorbei in den nachtschwarzen Himmel. Der Mond stand schon hoch oben, obwohl der Nachmittag gerade vergangen war. Naruto hielt ihr den Ring entgegen, lockerte seinen Griff an ihrer Hand ein wenig, steckte ihr den Ring an und hielt sie dann wieder fester. „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, Sakura. Mehr als du glaubst”, wisperte er in ihr Ohr, legte seine Arme um ihren steifen Körper, berührte ihren Hals mit seinen Lippen, ganz lange und bevor er sich löste, hauchte er: „Mehr als du dir vorstellen kannst.“ „Ich weiß.“ Sie schluchzte, brachte es nicht über sich, den Ring zurückzugeben, Nein zu sagen. „Bitte, Sakura, sei meine Frau. Für immer, bitte.“ Er muss gemerkt haben, dass sie begonnen hat, ihn zu hassen. All das, ihre ganzen Gefühle in diesem einen Jahr, für ihn – für Naruto – musste er bemerkt haben und er hatte sie immer, immer, stillschweigend hingenommen. Dies verdiente Achtung. Doch er hat nichts, rein gar nichts, von Sasuke bemerkt und von ihren Gefühlen für ihn. Davor hat er nicht nur seine Augen verschlossen, sondern auch sein Herz und seine Seele. „Ich…“, stammelte sie. „Ich… Ich – ich kann es dir nicht versprechen. Oh, Gott, Naruto.” Sie löste sich aus seinem Griff, trat zurück und schlug sich die Hände vor dem Mund. Mit Tränen in den Augen, einem Ring am Finger und Worten, dass sie zurückkommen würde, lief sie davon. It ain't hard to hold when it shines like gold. You'll remember me. Sakura nahm ein Taxi, die Nacht war zu kalt um zu laufen, obwohl sie es gerne getan hätte. Doch selbst im Sitzen schien der Ring zu schwer, um ihn weiter an der Hand zu behalten, also zog sie ihn ab und steckte ihn in die Hosentasche. Sie fuhren durch eine beleuchtete Stadt, an der Themse vorbei, am Park, wo sie so oft mit Sasuke gewesen war, am Turmrestaurant, am See, der in der Nähe von dem Ort war, wo Sasuke aufgewachsen war, nachdem seine Eltern umgekommen waren. Sogar an ihrem alten Waisenhaus, am Haus von Narutos Eltern, an dem Ort, wo der Weihnachtsmarkt letztes Jahr gewesen war und wo er dieses Jahr seine Zelte wieder aufgeschlagen hat, fuhren sie vorbei, bis sie dort ankamen, wo Kakashis Auto vor der Tür stand. Nobody said it was easy. No one ever said it would be this hard. „Er will mich heiraten, Sasuke.“ „…“ „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin so kaputt. Ich liebe dich so sehr. Aber ich kann ihm nicht wehtun. Ich kann’ s nicht.“ „Wein’ nicht mehr. Alles wird in Ordnung kommen. Ich sorge dafür.“ Nobody said it was easy. No one ever said it would be this hard. Sasuke nahm die U-Bahn. Die war schneller als der Bus und er musste danach nicht weit laufen, um zum Haus zu kommen, in dem Narutos und Sakuras Wohnung lag. Er klingelte, zweimal, dreimal, ehe ihm geöffnet wurde und sprintete dann die Treppen hinauf. Die Klinke in der Hand haltend, stand Naruto da. Er wirkte so verloren. Und Sasuke wusste mehr denn je, dass es richtig war, was er tun wollte. „Verschwinde“, hörte er die Stimme des Blonden. Er wollte hart sein und stark, aber im Grunde war er kaputt, so wie Sakura auch sich genannt hat. Sasuke hat sie beide kaputt gemacht, obwohl dies das Letzte gewesen war, was er hatte tun wollen. „Kann ich rein kommen? Wir müssen reden.“ „Ich hab keinen Nerv auf dich, verpiss dich.“ „Nein.“ Sasuke ging einen Schritt nach vorne und sagte leise: „Es geht um sie.“ Naruto ließ ihn herein. Er bot ihm nichts zu trinken an, nicht mal einen Sitzplatz. Sie blieben einfach im Flur stehen. „Ich höre“, forderte der Namikaze ihn auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Egal, was ich dir jetzt sage, sie wollte die niemals verletzten“, fing Sasuke an und wurde von Narutos verzweifelter, nicht wirklich verstehender Stimme unterbrochen: „Wo ist sie? Wo ist meine Sakura?“ „Sie ist bei mir.“ Sasuke hatte sie in eine Decke gehüllt, bevor er gegangen war, Musik angemacht und ihr seine Tasse mit warmen Tee da gelassen. Hatte versucht, ihr Leiden zu lindern, bevor er ging, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Um ihr zu danken. Und um dafür zu sorgen, dass sie ein Leben leben konnte, in dem es ihr gut ging. „Was hat sie mit dir zu schaffen, du Penner?“, wollte Naruto verbissen wissen. „An Heiligabend war sie nicht bei Ino. Sie war mit mir am Strand. Wir haben miteinander geschlafen.“ „Das ist nicht wahr“, brüllte Naruto, packte ihn am Kragen und drückte den Uchiha ein Stück zurück. Dieser ließ es mit sich geschehen, selbst den Faustschlag, der nicht kam, hatte er verdient. „So etwas verdient keine Lüge“, sagte Sasuke ruhig. Naruto schüttelte ihn, er brüllte ein paar zusammenhangslose Worte, aber er schlug nicht zu. Erst als Sasuke die Augen schloss, um dieses Gesicht nicht mehr sehen zu müssen, hörte der Namikaze auf und trat einen Schritt zurück. „Wie oft?“, wollte er dann wissen. „Einige Male. Aber zunächst haben wir uns nicht mehr gesehen. Erst ab dem Sommer wieder und das… Andere hat erst vor kurzen wieder begonnen. Aber…“, Sasuke verstummte kurz, fuhr sich über das Gesicht und spürte erneut den bekannten Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren. „… du bist der Bessere von uns Beiden. Sie wird deine Frau werden.“ „Verdammtes Arschloch!“, schrie Naruto. Mittlerweile war er heiser, die Knöchel an seinen Fäusten traten weiß hervor. „Du darfst sie nicht verlassen.“ „Sie hat mich betrogen, nicht ich sie, ja?! Du verdammter Penner!“ Sasuke sah diesem Mann in die Augen. In blaue, wässrige, vor Wut und Traurigkeit schimmernde Augen. Auf Lippen, die Worte davon formten, wie sehr Naruto sie liebte. „Hör mir zu, Naruto. Ich bin gekommen um dir die Wahrheit zu sagen und um dich darum zu bitten, sie nicht allein zu lassen. In den letzten Wochen in denen ich für dich gearbeitet habe, wollte ich mich vergewissern, dass du ein guter Mann bist und das bist du. Ich werde aus eurem Leben verschwinden und ich werde dafür sorgen, dass sie deine Frau wird. Für immer. Wenn ich könnte, würde ich dir sagen, dass ich das alles sehr bereue, aber das tu ich nicht. Sakura hat mein Leben gerettet.“ Auf kurz oder lang hatte sie das. Ganz so, wie sie es versprochen hatte. Vielleicht würde er doch stark genug sein, weiterzuleben, auch wenn sein Bruder im nächsten Jahr freikam. Vielleicht könnte auch er irgendwann in Ordnung kommen. Sasuke wandte sich ab, blickte noch einmal über die Schulter und sagte leise: „Ich werde sie heim schicken. Warte auf sie.“ And when the hardest part is over we’ll be here. And our dreams will break the boundaries of our fear. And I will try to fix you. Sasuke hatte fest daran geglaubt, sie würde eingeschlafen sein, wenn er heim käme, aber das war sie nicht. Ihr Blick war zur Tür gerichtet. Sitzend, immer noch in die Decke gehüllt, hielt sie eines seiner Kissen im Arm und drückte es auch dann noch fest an sich, als er sich neben sie setzte und sie ansah. Er tat das Richtige. Er tat es um sie zu schützen. Vor sich selber und seiner Armut, vor seiner schier endlosen Liebe und einem Leben in dem er ihr nichts bieten konnte. Und letztendlich – dass wusste er tief in seinem Herzen – schützte er sie vor allem vor seinem Bruder, der in nicht all zu ferner Zukunft frei kommen würde und schon einmal diejenigen getötet hat, die ihm am meisten bedeuteten. Nun war es an ihm, diejenigen zu schützen, die er liebte, auch wenn das bedeutete, dass er Sakura für einen Moment selber Schmerz zufügen musste, indem er sie heim schicken würde. Auch wenn er das nur tat um sie zu schützen. Um sie zu retten. Weil sie ihn gerettet hat, ohne wirklich gemerkt zu haben, wie sehr sie das getan hat. Wie ein himmlischer Engel, der irdische Sünden verzeiht, ohne sie zu begreifen. „Können wir schlafen gehen?“, fragte sie. „Ich bin sehr müde.“ Er nickte nur. Die letzte Nacht. Arm in Arm, einfach nur schlafen, nichts tun, da sein und schlafen, bis die Sonnenstrahlen sie weckten. Er strich Sakura über das mittlerweile wieder rosa gefärbte Haar, sie schlug die Augen auf. Blickte ihn an. „Er ist ein guter Mann. Und er wartet auf dich. Du solltest heimgehen, Sakura.“ Wie in Trance schüttelte sie den Kopf, rückte näher an ihn ran. Flüsterte: „Ich werde bei dir bleiben. Ich lie-“ Er brachte sie dazu, zu verstummen, woraufhin er sprach: „Er liebt dich. Er wird dein Mann werden. Wo ist der Ring?“ „In meiner Hosentasche.“ Sasukes Hand bahnte sich ihren Weg in Sakuras Hosentasche und fischte den hübschen Verlobungsring heraus, den er ihr dann, mit einem Kuss auf die Stirn, an den Finger steckte. „Er wartet“, wiederholte er. „Und er wird dein Mann werden. Ihr werdet in Ordnung kommen.“ Sie schluchzte und plötzlich liefen Tränen über ihre Wangen, als sie sich im Bett aufsetzte. „Aber du bist Alles, was ich habe.“ „Oh Nein, das stimmt nicht. Du hast viel mehr als mich. Ihr werdet glücklich sein. Er wird dich glücklich machen.“ Sie schüttelte wieder den Kopf, dieses Mal nachdrücklicher. „Du bist mein Glück. Du bist…“ „Ich werde für immer da drin bleiben“, sagte er und zeigte auf ihren Kopf. „Das wird für immer da sein.“ Und meinte die Erinnerung. „Aber warum?“, flüsterte sie. Verstand nicht. Sie krallte ihre Finger in sein Shirt. „Weil er für dich sorgen kann. Er ist ein guter Mann, der Beste für dich. Glaub mir, wenn du im Moment nicht an ihn glauben kannst.“ „Ich will nicht gehen.“ „Ich weiß“, antwortete er, spürte wie sie ihre Stirn gegen seinen Brustkorb lehnte. „Bleib noch einen Moment und dann bringe ich dich zur Tür.“ Sie nickte. Nun nickte sie. Obwohl sie nicht wollte, würde sie gehen und sie würde Naruto heiraten, dass wusste Sasuke in diesem Moment. Er hoffte es nicht nur, er wusste es wirklich, auch wenn dieses Wissen Schmerz für ihn bedeutete. Er tat das Richtige, indem er sie gehen ließ. Indem er sie fort schickte und zu ihrem Glück zwang, wenn sie es selbst nicht sah. Glaub mir, wenn du im Moment nicht an ihn glauben kannst, hatte er gesagt. Und nun sollte sich auch ihm – Sasuke – glauben, wenn sie sich selbst nicht glauben konnte. Nur in diesem Moment noch, sollte sie an ihn glauben. An der Tür von Kakashis Wohnung, lag sie ihn seinen Armen, lehnte gegen seine Brust und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Gott, er war solch ein toller Mann und sie liebte ihn, liebte ihn sosososo sehr. Er war niemals nur einer Affäre gewesen, niemals nur ein Zeitvertreib. Er war ihr Seelenpartner. Und er wollte sie nur schützen, ihr ein gutes Leben ermöglichen, auch wenn er kein Teil mehr davon war. Er wollte nur das Beste für sie, auch wenn es so unheimlich wehtat. Sakura würde seinen Wünschen folge leisten, denn das war das Letzte was sie für ihn tun konnte. „Wenn du dein erstes großes Hockeyspiel hast“, sagte sie mit wässrigen Augen, „dann wirst du es für mich gewinnen.“ Er drückte sie noch einmal fest, löste ihren Griff dann und gab ihr einen zärtlichen Schubs nach vorne. Mit einem letzten – und Ersten – „Danke“, schloss er die Tür und trennte ihre Welten. Lights will guide you home. Nach den Worten eines kolumbianischen Schriftstellers sollte man nicht weinen, weil es vorbei war, sondern lachen weil es so schön gewesen war. Als sie die Straße entlangging, auf dem Weg nach Hause, liefen salzige Tränen über ihre Wangen, weil sie wusste, dass die Dinge die vor nicht ganz einem Jahr angefangen hatten, an diesem Tag zu Ende waren. Wunderschöne und traurige Stunden. Himmlische Momente. Sekunden, die zu Ewigkeiten geworden sind und ein Mensch, für den für alle Zeiten, der größte Platz in ihrer Seele reserviert war. Irgendwann würde sie bereit sein, sich lächelnd an die vergangenen Monate zu erinnern, aber bis dahin war es in Ordnung traurig zu sein. Sie blickte an ihre Hand und auf Narutos Verlobungsring, den Sasuke ihr an den Finger gesteckt hatte. Sakura wusste, was sie Naruto antworten würde. Sie würde weinend am Altar stehen, würde ihn küssen, würde lernen ihn wieder zu lieben, denn sie mochte ihn; mochte ihn wirklich und wenn es Sasuke nie in ihrem Leben gegeben hätte, wäre die Antwort auf Narutos Frage niemals dieselbe gewesen, die sie gestern Abend gegeben hatte. Nach Hause zu gehen, war eine gute Sache, entschied sie im Stillen. We’ll shine like stars in the summer night. We’ll shine like stars in the winter light. Just about saving. by Jessa_ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)