Was wäre gewesen, wenn ... ? von Maclilly (Ace an Bord der Oro Jackson) ================================================================================ Kapitel 102: Epilog: Ace‘ Reise – Zweieinhalb Jahre später ---------------------------------------------------------- „Ich bring sie um. Beide. Das wäre mit Abstand das Einfachste.“ Ähnlich schnaufend wie eine Dampflock stapfte Rayleigh entlang des Korridors, massierte seine Nasenrücken. Wieder einmal hatte es einer der D.schen Sturköpfe vollbracht. Er stand nur einen Augenaufschlag davor, seine Nerven komplett zu verlieren. Innerhalb der letzten drei Jahre hatte sich – zu seinem Bedauern – wahrlich nicht viel verändert. Außer das es die beiden Dickköpfe nun endlich vollbracht hatten, seine Haare komplett ergrauen zu lassen. Roger war bisweilen immer noch der gleiche Dickschädel, der sich von nichts und niemanden beirren ließ. Und Ace schien soeben dabei, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Er war stur, unbeirrbar und ließ sich leider auch niemals abschrecken. „Eines Tages wird ihnen das noch zum Verhängnis werden“, murmelte der Vize. Denn mochte Ace noch so talentiert sein, ihm fehlte es auch weiterhin an Erfahrung und Stärke. Sollte sich daher seine Befürchtung bewahrheiten, so musste sich Rogers Verstand mal wieder komplett ausgeschaltet haben. Seufzend stieß Rayleigh die Tür zur Kombüse auf, sein Blick schweifte umgehend zu seinem Kapitän und zu dem Platz, auf dem sich sonst stets Ace niederließ, um sich bestmöglich am Frühstücksbüffet zu bedienen. Fast unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht des Vizen, war ihm eigentlich keineswegs zum Lachen zumute. Für gewöhnlich hatte jede Mahlzeit, doch insbesondere das Frühstück, einen gewissen Unterhaltungswert. Ace legte es inzwischen förmlich darauf an, jeden Morgen aufs Neue mit Roger aneinanderzugeraten. Freilich nur wenn es um etwas Essbares ging, denn wollte der Junge gerne seine Stärke und seinen Dickkopf vor der gesamten Mannschaft demonstrieren. Von daher war der heutige Stille in der Kombüse fast schon ein Segen, kein Drohen, kein Geschrei und vor allem keine Gefahr, dass Ace erneut etwas in Brand steckte. Es war friedlich. Viel zu friedlich. Damit gab es kaum noch Zweifel an Rayleighs Verdacht, entnervt hielt er sich die Stirn, zog seinen Flachmann aus der Tasche. „Roger, bitte sag mir, dass dein Sohn nur eine Diät macht und deswegen nicht zum Frühstück kommt.“ Er ließ sich auf dem Platz Roger gegenüber fallen, beobachtete seinen Kapitän haargenau und konnte letztendlich bloß den Kopf schütteln. Die Reaktion seines Kapitäns sprach Bände. Roger hatte inmitten seiner Bewegung innegehalten. Versteinert starrte er auf seinen Teller, wich jedem Blickkontakt zu seinem Vizen aus. „Fang gar nicht erst an, mir irgendeine wahnsinnige Geschichte aufzutischen. Deine Lügen sind erbärmlich, das weißt du“, seufzte Rayleigh, einen großen Schluck aus seinem Flachmann nehmend. Genießerisch ließ ein Junge den letzten Rest eines Brotes in seinem Mund verschwinden. Er war dreizehn. Seit gerade einmal zwei Tagen. Sommersprossen übersäten seine Wangen, seine schwarz gelockten Haare standen ein wenig wirr von seinem Kopf ab. Er wischte sich mit den Rücken seiner rechten Hand die letzten Krümel vom Mund, dann lehnte er zurück, nutzte seinen Rucksack – gefüllt mit Kleidung, die er während seiner Nacht- und Nebelaktion in seine Tasche gestopft hatte – als Kopfstütze. Ob Rayleigh sein Fehlen inzwischen bemerkt hatte? Wenn ja, dann dürfte sein Vater jetzt nichts mehr zu lachen. Wobei Ace eigentlich erwartet hätte, dass er Rayleighs Fluchen und Schreien auf hundert Kilometer Entfernung vernehmen würde. Doch scheinbar hatte er in den letzten Stunden eine größere Distanz zwischen sich und die Oro Jackson gebracht, als zuvor angenommen. Seufzend verdrehte er den Kopf, richtete seinen Blick gen Norden – in die Richtung, aus der er gekommen war. Weit und breit war außer ihm keine einzige Menschenseele zu entdecken. Bloß die weite, unendliche See umgab Ace, der in seiner kleinen Nussschale einfach das Schaukeln der Wellen genoss. „Kleine Nussschale“, verspottete Ace diese Bezeichnung, denn mochte dieses Boot tatsächlich nicht sonderlich groß sein und nur Platz für eine ausgewachsene Person aufweisen, so war die Geschwindigkeit atemberaubend. Und vor allem war nur Ace allein in der Lage, dieses Boot zu steuern. Vor genau einem Jahr hatte er es von Tom geschenkt bekommen – zu seinem zwölften Geburtstag. Er hatte dem Fischmenschen damals versprochen, so oft wie nur irgendwie möglich damit über die See zu brausen. Ace hatte damals bis über beide Ohren gegrinst und wäre am liebsten sofort mit dem feuerbetriebenen Fahrzeug übers Meer gerauscht. Immerhin war er auch zu diesem Zeitpunkt längst in der Lage gewesen, den Großteil seines Körpers in Feuer zu verwandeln. Soweit hätte er sein Element also unter Kontrolle gehabt. Doch Rayleigh hatte es ihm damals untersagt, natürlich hatte Ace keinen Pfifferling draufgegeben, war noch während des Neujahrssaufens auf eine Spritztour mit seinem Geschenk gegangen. Weit war er damals allerdings nicht gekommen. Er hatte die Geschwindigkeit und die Kraft der Wellen unterschätzt, das Meer hatte ihn von seinem Boot gespült und um ein Haar wäre er in den Fluten ertrunken, hätte er sich nicht im letzten Moment am Bug seines gekenterten Bootes festkrallen können. Und obwohl er immer noch davon überzeugt war, dass Rayleigh das Kentern sofort bemerkt hatte, waren drei Stunden vergangen, ehe ihn jemand aus den Meer gezogen hatte. „Das war doch Absicht“, schmollte Ace, stemmte seinen Kopf mit der Faust ab. Rayleigh hatte ihm eine Lektion erteilen wollen und für ein Jahr hatte er sich auch an die Vorschrift, nicht unbeaufsichtigt über die Grand Line zu reisen, gehalten. Doch inzwischen beherrschte er sein Gefährt in Perfektion. Er würde nicht kentern und sein Vater würde Rayleigh das schon irgendwie beibringen können. Seufzend rappelte sich Ace auf. Mit einer Hand griff er nach seinem Rucksack, schulterte diesen und verstaute einen flink zusammengepackten Beutel mit Lebensmittel an einem mannshohen Mast, denn diesen würde er in nächster Zeit nicht gebrauchen können. Absolut sicher konnte er sich zwar nicht sein, doch er ahnte, dass er die Grand Line bereits verlassen hatte und sich nun dem Calm Belt gegenübersah. Auf Wind würde er hier ewig warten müssen. Dafür fehlten ihm aber Zeit und Geduld. So vergrub er lediglich die Hände in den Taschen seiner Shorts und nur ein Blinzeln später erkannte man lediglich noch einen Feuerball, der über das Meer donnerte. Bis zum Abend hin preschte Ace durchs Calm Belt, legte nur mittags einen kurzen Stopp ein, um seinen Magen zu füllen. Gen Sonnenuntergang jedoch entschied er, seine Reise für diesen Tag zu beenden. Erschöpft ließ er sich fallen, zog aus seinem Rucksack eine Lampe, deren Docht er mit der Kuppe seines Zeigefingers entzündete. Anschließend kramte er aus seinem Proviantbeutel die Ration Brot und Fleisch, die er für sein Abendessen zugedacht hatte. Etwas beklommen musterte er seinen verbleibenden Proviant, musste wiederum erkennen, dass er sich beim Besorgen seiner Vorräte deutlich verplant hatte. Innerhalb eines Tages war bereits ein Viertel seines Proviants zur Neige gegangen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er brauchen würde, um sein Ziel zu erreichen, doch zumindest den Calm Belt müsste er innerhalb der nächsten zwei Tage durchqueren. Hier gab es kaum Inseln, bewohnt waren davon höchstens eine Handvoll. Im South Blue würde er hingegen recht bald auf bewohnte Flecken treffen. Bedächtig zog Ace ein zusammengerolltes Papier aus seiner Tasche, beim Entfalten kam eine Seekarte zum Vorschein. Wohlgemerkt eine Seekarte, die er aus Rayleighs Navigationsraum hatte mitgehen lassen. Er strich sanft mit den Fingern seiner rechten Hand entlang der Red Line, bis er einen Punkt erreichten, der mit „Baterilla“ beschriftet war. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er den Namen erblickte. Endlich hatte das Warten ein Ende. Endlich würde er seine Mutter wiedersehen. Lange genug hatte er sich gedulden müssen, die Erinnerungen an seine Mama waren beinahe vollkommen verblasst. Doch nun war er in der Lage, sie wieder aufzufrischen. Sie endlich zu sehen. Tagelang streifte Ace entlang der Red Line Küste, hielt nur an Inseln, um seine Vorräte mit geklauten Lebensmitteln aufzustocken. Er konnte es gar nicht erwarten, dass die Insel in seine Sichtweite kam und als es endlich so weit war, konnte Ace nicht anders. Sein Geist setzte aus, sein ganzer Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Sein eigenes Feuer versiegte, die Turbine stoppte, die Strömung spülte sein Boot gen Richtung der Insel, während Ace schlichtweg die Küste der Insel musterte. Er hoffte, etwas wiederzuerkennen, hoffte, zu spüren, dass er auf dieser Insel geboren worden war, dass seine Mutter hier lebte. Doch da war nichts. Er konnte sich nicht an diese Stadt erinnern, deren Umrisse sich entlang der Küste und hügeligen Landschaft erstreckten. Langsam trieb gen Stadthafen. Ganz ruhig – fast andächtig – saß er da. Es war früh am Morgen, das Treiben im Hafen schien sich noch in Grenzen zu halten. Keine Handelsschiffe, keine Passagierschiffe, nur ein paar Boote mit Fischern, die ihrer Arbeit nachgingen, die Schiffe mit Netzen und Tanks beluden, jedoch innehielten, als sie den Jungen erblickten, der in einer kleinen Nussschale an ihnen vorbeitrieb. Paare von weitgeöffneten Augen verfolgten den Jungen. Man erkannte ihn sofort, nicht nur aufgrund der Fahndungsplakate, die die Straßen schmückten. Seine Sommersprossen waren so eindeutig... Ohne auf die Blicke der Männer zu achten, sprang Ace aus seinem Boot, vertäute dieses beinah hektisch an einem Poller, bevor er in die Stadt stürmte. Er war angekommen. Endlich. ______________________________ Der erste Teil des Epiloges, der zweite folgt am Freitag. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)