Alltagsheldinnen von Gaomee (Tenten und Sakura) ================================================================================ Kapitel 4: Heulsusen -------------------- Die Geschichte war jetzt schon zwei Wochen her. Lee weckte sie jeden Morgen, machte ihr sogar Frühstück während sie Kaffee kochte. An jedem der vierzehn Tage sagte er dann "Wow, ich glaube, das ist der beste Kaffee, den ich je getrunken habe" wie in einer Sitcom aus den Fünfzigern. Aber danach gingen sie ihrem normalen Tagesablauf nach und sahen nicht besonders viel voneinander, da Lee immer noch Sakura trainierte und Tenten meistens mit Neji zum Übungsplatz ging. Zu Mittag aß Tenten eigentlich nicht besonders oft, weil ihr nach dem Sport der Sinn nicht unbedingt nach Nahrung stand, weil sie einen empfindlichen Magen hatte, aber Lee aß gerne und zwar immer mit seinem ehemaligen Sensei Gai im Ichiraku. Aber ihrer beiden Tage wurden nicht nur von Kraftsport kontrolliert, denn sie bereiteten sich gerade auch auf eine kommende Mission vor. Da gab es noch jede Menge Papierkram zu erledigen. Der heutige Tag verlief nicht viel anders. "Du bist lahm", sagte Neji. "Du bist ein Arschloch", sagte Tenten und dann jedoch, beschlossen sie ausnahmsweise noch etwas trinken zu gehen. Immer, wenn Tenten dies vorschlug, stimmte Neji nur murrend zu, aber er tat es jedes Mal und lehnte nie ab. Tenten glaubte, es läge daran, dass er sowieso nichts zu tun hatte. Alles, wofür er am Morgen aufstand, war sein Training. Als sie in der Kneipe saßen und ein Bier tranken, schweigend natürlich, näherten sich mit gleichmäßigen Tap-Taps Füße, die in fellbesetzte Stiefel mit Pfennigabsatz eingepackt waren. "Hi", piepste Ino als sie sich an die Thecke anlehnte und somit plötzlich neben Tentens Kopf auftauchte. "Wie geht's, Süße?" Die Frage war offensichtlich an Tenten gerichtet. Wie so oft zuckte sie nur mit der Schulter und blickte den Neuankömmling abwartend an. "Nicht so schlimm", winkte Ino ab. Dann packte sie Tenten am Arm und sagte noch schnell "Ich darf mir doch die Gute 'mal ausleihen, oder?" bevor sie die Gute mit an ihren Tisch zog. Neji bestellte noch ein Bier und war froh, Inos Stimme nicht mehr in seinem unmittelbarem Umfeld zu haben. Am Tisch angekommen, ließ Ino Tenten auf einen Stuhl fallen und setzte sich ihr gegenüber. "Wir haben zu reden", teilte Ino ihr mit und schob ihr gleichzeitig einen bunten Cocktail zu. "So'n Bier schmeckt doch nicht", erklärte sie und fuhr auch umgehend fort "Du brauchst'n neuen Kerl. Ich weiß, du und ... du weißt schon ... ihr ... " Tenten nickte, runzelte dann aber sofort die Stirn. "Woher-?", begann sie, aber Ino fiel ihr augenblicklich mit "Lee hat's Sakura erzählt. Sakura mir" ins Wort als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. "Die Mädels und ich gehen Ende der Woche aus. Sei dabei. Wir checken vorher deine Anforderungen und dann geht's ab." Ino zwinkerte. Kurz fragte Tenten sich, was für Anforderungen und was zur Hölle wohl abgehen sollte, aber dann entschied sie, dass sie der Blondine nicht absagen wollte. Eigentlich war das Angebot nett gemeint, wenn auch etwas verdreht gestellt. "Danke, ich komme gern." "Gut", machte Ino abwesend, während sie irgendetwas in ihrer Handtasche suchte. Sie gab auf und drehte sich Tenten wieder zu. "Achso, aber zieh dir vernünftige Klamotten an." Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, klingelte auch schon ein Mobilfunktelefon. Erst klingelte es und dann ertönte der Refrain von 'I'm a barbie girl'. "Come on Barbie, let's go party!", sang das Telefon und hektisch wühlte Ino wieder in ihrer Handtasche herum, während sie abwesend murmelte: "Ich komme, Ken, gib mir 'ne Sekunde!" "Ah, ah, ah, yeah" und dann klappte Ino ihren Fund endlich genervt auf. "Ja?", inquisierte sie unfreundlich. Allerdings erhellte sich ihre Miene sofort. So war sie eigentlich ganz hübsch, mit einem Lächeln auf den Lippen. "Achso, schön, dass du dein Telefon endlich 'mal benutzt, Shika." Sie bedeutete Tenten, sie einen Augenblick zu entschuldigen. "Ich will, dass ihr beide morgen frisch auf der Matte steht – Rasiert! Und sag' Choji, dass er 'was Gesundes frühstücken soll. Ich hol' euch mit dem Auto so um neun Uhr ab." Obwohl Shikamaru die leitende Einheit in ihrem Team war, konnte sich Tenten doch ziemlich gut vorstellen, wer in der Gruppe wirklich die Hosen anhatte. Oder den Minirock oder Röhrenjeans oder was auch immer. Das mit den Hosen war wahrscheinlich eh nur eine veraltete Metapher, befand Tenten. Zufrieden klappte Ino ihr Mobilfunktelefon zu und lächelte ihren Gegenüber an. "Das war das und jetzt lass mich dir erklären, weshalb ich plötzlich Interesse an deinem Wohlbefinden zeige, obwohl mich das vorher auch nicht gejuckt hat", begann sie. "Ich kann einfach nicht mit ansehen – mitverantworten wirklich – wie eine selbstbewusste Kunoichi den Bach 'runter geht." "Ich geh doch gar nicht den Ba-", wollte Tenten protestieren, aber Ino beachtete den Einwand gar nicht. "Ich bin eine Helfernatur. Ich muss helfen, bin von Grund auf gut. Jedenfalls hab' ich gesehen wie trostlos mit diesen Klamotten – Oder hast du die vorher auch schon getragen?" Verwundert sah Tenten an sich herab. Sie hatte keinesfalls mehr ihre Sportsachen an, sondern Jeans und ein Sweatshirt, das ihr noch nichtmal viel zu groß war. "Egal – Jedenfalls bist du trostlos herumgelaufen in diesen farblosen, altmodischen Kleidern mit hängendem Kopf und dann erzählt Sakura mir diese Trägödie! Ich konnte einfach nicht anders und - " Plötzlich vibrierte etwas und Ino brachte wiederum ihr Mobilfunktelefon zum Vorschein, warf einen Blick auf den Display. "Ach, der schon wieder", murmelte sie missmutig mit zusammengezogenen Brauen. Desinteressiert wandte sie sich von ihrem kleinen technischen Begleiter ab. "Du siehst, Tenten, ich meine es ehrlich mit dir. Ich kann nicht zulassen, dass du vor die Hunde gehst ... " Abrupt hörte sie auf zu reden und schien an etwas Bestimmtes zu denken. Ohne auf die Uhr zu schauen, sagte sie "Ist es schon so spät? Ich kann es fühlen – Ich muss los!" Dann war sie auch weg mit einem "Tschüssi und Küsschen!". Ob Ino vielleicht zu hektisch war? Vielleicht aß sie ja zu wenig, ernährte sich nicht richtig? Gleichgültig verwarf sie den Gedanken und sah zu Neji hinüber. Der saß mittlerweile an seinem dritten Bier und starrte dumpf die Wand an. Allerdings wurde es langsam echt wieder Zeit, dass sie etwas mit Leuten unternahm, die nicht Neji oder Lee waren. Da kam Inos Angebot wie gerufen. "Schaut euch dieses Festmahl an!", kreischte Ino, derweil sie eine allumfassende Geste machte. Der Club benutzte einen merkwürdigen blauen Schein als Beleuchtung und die Musik bestand aus "Bum, bum" und "Ntz, ntz". "Wohlwahr", murmelte Tenten. Ino räkelte sich geradezu auf der Bar. "Drei Tequillashots" , schmatzte sie dem jungen Ding zu, das die Drinks mischte. Dieses war geradezu übereifrig der Bestellung nachzukommen. Ino und Sakura tanzten viel. Sie waren noch nicht einmal schlecht. Hübsch waren sie noch dazu. Sie wussten wahrlich wie sie ihre natürlich Schönheit bis ins Unermessliche aufputschen konnten. Ino trug einen silbrig glitzernden Stofffetzen quer über der Brust. Tenten konnte noch nicht ganz ausmachen wie der Stofffetzen überredet wurde dort zu bleiben, aber sie verdächtigte entweder Klebestreifen oder durchsichtige Plastikbänder, die am Rücken entlang führten. Bei der hautengen Jeans – die übrigens aussah, als wäre sie unter einen Rasenmäher gekommen – war das offensichtlicher. – Ein Strasssteingürtel. Sakura bevorzugte einen ähnlichen Stil. Der Unterschied lag bei den Farben. Während Ino gern grell war, trug Sakura gern dunkle Farben. Der Rock war weinrot und ihr Top, dessen Träger sich um den Hals binden ließen, war schwarz. Tenten trug ein schlichtes, weißes, ärmelloses Hemd und eine Jeans. Sie konnte noch nichts Definitives sagen, war sich aber ziemlich sicher, dass das der Grund war, weshalb sie nicht zum Tanzen aufgefordert wurde. Seufzend bestellte sie sich einen Gintonic. Tequilla war nicht so ganz ihr Ding. Selbst Margaritas trank sie lieber mit Gin. "Einsam?", fragte der Barkeeper mit einem charmanten Lächeln und einem Augenzwinkern. "Ich hab' bald Schluss und du siehst eigentlich ganz hübsch aus-" "Verpiss dich", informierte Tenten ihn und charmanter Gentleman, der er war, kam er ihrem Wunsch nach. Hechelnd kehrten die beiden Tanzdiven zur Bar zurück. "Hübsch habt ihr getanzt", merkte Tenten an. "Oh, danke!", japste Sakura. "Also ... Du tanzt ja selber gar nicht", fasste Ino ihre unglaublich intelligente Beobachtung zusammen. Tenten gab ihr einen Daumen hoch. "Clever kombiniert, Watson." "Warum nicht?", fragte sie pickiert als wäre es eine persönlich Beleidigung nicht zu tanzen, wenn man in ihrer Begleitung war. Tenten zuckte die Achseln. "Liebling", weihte Ino ein. "Du musst dich auch ein wenig verkaufen, damit dich wer fragt. Sex sells." Ino deutete auf ihren Aufzug. Tenten seufzte wieder. "Ich hab' mir schon seit einer Weile keine neuen, glamorösen Kleider mehr gekauft. Tut mir Leid." "Macht gar nichts!", beteuerte Ino in dem Ton, der aussagte, dass eigentlich für so ein Vergehen eine zweite Entschuldigung angebracht war. "Das ist nicht so schlimm", fügte Sakura hinzu und blickte Tenten mit ehrlichen Augen an. "Es ist bestimmt schwer .. jetzt so ... ", versuchte sie etwas auszudrücken, ohne Tenten zu nahe zu treten. "Kein Ding. Sag's ruhig." "Naja, jetzt musst du dich bestimmt umstellen nach so langer Zweisamkeit, um nun wieder ein Singledasein führen zu können. Du machst sicherlich eine harte Zeit durch. Bestimmt musst du ja die ganze Zeit an ihn denken und so", bemitleidete Sakura, aber Tenten schüttelte den Kopf. "Eigentlich gar nicht." Das wunderte selbst Ino, denn sie hörte auf ein Fleischpaket am anderen Ende der Tanzfläche anzuschmachten und schenkte dem Frauengespräch ihre Aufmerksamkeit. "Eigentlich hab' ich noch gar nicht allzuviel über ihn nachgedacht. Um ehrlich zu sein- ... " An dieser Stelle emphasierte Tenten ihre Worte " ... wollte ich mich kaputtlachen das letzte Mal, dass ich über ihn nachgedacht habe. Ihr hättet es sehen müssen. Da auf meinem Bett. Es war ... urkomisch. Das sage ich euch." Ino sah ein wenig peinlich berührt drein gemischt mit Verwirrung, Sakura indes regelrecht schockiert. "Tenten? Trinkst du schon die ganze Zeit?", fragte die Taktvollere vorsichtig, deutete auf das Glas, welches stolz auf der Thecke prangte. Ino beschied, dass ihr das zu persönlich wurde und sie lieber wieder in einen Konservationsbereich hinübergleiten wollte, in dem sie sich auskannte. "Genug von dem alten Kerl. Siehst du hier irgendwen, der dir gefällt?" Sie drehte Tenten an den Schultern herum und diese starrte zweifelnd in die Runde. Erstaunlicherweise gab es sogar Kerle, die pinke T-Shirts trugen, obwohl sie augenscheinlich hetero waren und mit einer Frau tanzten. "Ich glaube, ich bin in Sachen Männern nicht auf dem neusten Stand", stellte Tenten fest. "Kein Problem. Geh zu einem hin und rede mit ihm. Quatsch über den größten Scheiß", gab Ino Instruktion und schubste die Frau damit in die Menschenmasse hinein. Allein kämpfte sich Tenten durch den Club, stolperte endlich aus der zur Musik pulsierenden Masse heraus und wankte bis sie die Tür erblickte und auf sie zusteuerte. Da erspähte sie etwas aus dem Augenwinkel. "Neji? Du hier?" Ertappt guckte der Mann hoch. "Nein", schnauzte er schlecht gelaunt "Ich bin sein Zwillingsbruder." Nach dieser sarkastischen Hochleistung fixierte sein Blick starr einen Punkt im Nichts, aber das störte Tenten keineswegs. Sie setzte sich zu ihm. "Was machst du hier?" "Cognac trinken." Er hob sein Glas. "Du?" "Mit Ino und Sakura ausgehen." "Bah", war sein angewiderter Kommentar. Da stahl Tenten ihm sein Glas. "Lass mich auch." Neji konnte gar nichts dagegen unternehmen, denn im nächsten Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit von einem jungen Mädchen gefordert. "Neji, Neji, kauf mir so einen Cocktail. Bitte, bitte. Daddy hat's mir erlaubt", flehte die junge Hanabi. Sie hatte sich richtig aufgetackelt. Lockenstab, Lipgloss, Eyeliner – Das ganze Sortiment. "Sag' dem Kellner, wer du bist und gib ihm das Geld." Er drückte ihr ein paar Scheine in die Hand. "Wenn er dir dann immer noch nichts geben will, sag' ihm, mit wem du hier bist – mir. Das wird seine Meinung ändern" und los war er sie. "Süß", bemerkte Tenten und Neji hustete, weil er sich beim Trinken verschluckt hatte. "Sag das noch einmal und wir tragen das draußen aus!" "Krieg dich ein!", machte Tenten verdrossen. Sie legte den Kopf in den Nacken. Ino und Sakura tanzten mittlerweile bestimmt wieder munter. Ein bisschen Zeit verstrich ehe Tenten wieder etwas sagte. "Ich muss echt an ihn denken. Immer. Egal, wann - Er kommt mir in den Sinn", murmelte sie der Decke zu. Man konnte ihre Stimme über der Musik kaum verstehen. Neji tat so als habe er ihr Gerede nicht bemerkt. "All die klitzekleinsten Dinge wie Kaugummikauen oder barfuß um fünf Uhr morgens ins Bad gehen erinnern mich an ihn. Die unscheinbarsten Sachen machen mich fertig. Sie nehmen sein hübsches Gesicht und schlagen mir damit direkt auf den Mund." "Hör auf 'rumzuheulen. Das ist ja zum Kotzen", beschwerte sich Neji als er es nicht mehr ignorieren konnte. "Du bist echt 'ne Heulsuse." Sie hatte noch gar nicht geweint. Kein einziges Mal. In Drei Wochen. Sie hatte sich nicht beschwert, nicht mit dem Schicksal gehadert. Und jetzt sollte sie eine Heulsuse sein?, fragte sich Tenten nachdenklich. "Du bist die Heulsuse, du Arsch." Neji schnaubte "Als ob. Wer redet hier denn so schnulzig?" "Du beschwerst dich andauernd über alles", klärte sie ihn auf. "Du bist so ein Weichei. Da heult irgendein Mädchen auf der Straße und du kriegst' einen Anfall, bist total angeekelt. Das nennst du reif und ruhig?" Verächtlich schnaubte Tenten und verschränkte die Arme. "Nein, aber diese Scheißmädchen müssen gar nicht heulen. Die machen das nur für die Aufmerksamkeit." Bekräftigend nickte er, war überzeugt von sich selbst. "Ach", verachtete Tenten ihn. "Und du machst nie etwas wegen Aufmerksamkeit, z.B. arrogant vom Übungsplatz spazieren und mir sagen, dass ich lahm bin, obwohl ich dich voll am Bein getroffen hab' und du eigentlich humpeln möchtest?" "..." Darauf wusste der Hyuga keine Antwort. Also schwiegen sie. Im Einklang. Nicht verdrossen, aber sie redeten einfach nicht mehr miteinander, sondern hingen ihren Gedanken nach, während "Ntz, ntz, ntz" immer weiter in die Ferne rückte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)