Unerwünschte Gefühle von Snuggle ================================================================================ Kapitel 23: Zu spät? -------------------- In my head, I keep on looking back Right back to the start Wondering what it was that made you change Well, I tried, but I had to draw the line And still this question keeps on spinning in my mind What if I had never let you go? Would you be the man I used to know? If I'd stayed, if you'd tried If we could only turn back time But I guess we'll never know What if – Kate Winslet Still schweigend sah Maron aus dem Fenster des Taxis. Die Landschaft flog einfach an ihr vorbei, sie nahm sie jedoch nicht wahr. Stattdessen sah sie Bilder einer Zukunft an sich vorbeifliegen, die es niemals geben würde. Sie als strahlende Braut mit Chiaki vor dem Traualtar. Sie beide im Krankenhaus, wie sie gemeinsam ihr wunderschönes Baby betrachteten. Ein gemeinsamer Urlaub am Strand, Kinderlachen, Glück. Wie hatte es nur so weit kommen können? Insgeheim hatte sie noch immer gehofft, dass sich das Blatt wenden würde und diese Bilder zur Wirklichkeit werden würden. Und jetzt befand sie sich tatsächlich auf dem Weg zum Flughafen. In weniger als zwei Stunden würde sie sie sich auf dem Weg nach Deutschland befinden und dann gab es kein Zurück mehr. Die Brünette war so sehr in Gedanken versunken, dass sie kaum bemerkte, dass Rinako eine Hand auf ihre legte. Mit reumütigem Blick sah die Rothaarige ihrer besten Freundin in die Augen. „Es tut mir leid.“ „Was sollte dir denn leid tun? Du hast keinen Fehler gemacht, das war ich ganz alleine. Ich habe alles versaut. Hätte ich auf dich gehört und ihm alles erzählt, dann hätten wir vielleicht eine gemeinsame Lösung finden können.“ „Maron, das kannst du doch nicht wissen!“ „Doch, ich weiß es! Er hat völlig recht! Ich habe nur an mich gedacht, anstatt mit ihm über alles zu sprechen. Selbst wenn wir nicht mehr zusammengekommen wären, hätte er trotz allem ein Recht darauf gehabt, zu erfahren, dass er Vater wird. Ich habe ihm etwas Furchtbares angetan. Das wird er mir nie verzeihen können.“ Wieder stauten sich Tränen in ihren Augen, doch sie wollte nicht mehr weinen. Sie musste lernen, mit der Situation zu leben wie sie eben war. Selbstmitleid würde auch nichts ändern. Ganz in Gedanken versunken bekam sie fast garnicht mit, dass das Fahrzeug bereits sein Tempo verringerte und vor dem Flugzeuggebäude zum Stehen kam. Wie angewurzelt blieb die Brünette dennoch sitzen und bewegte sich nicht. Dann jedoch konnte sie erneut Rinakos Hand auf ihrer spüren. „Bist du bereit?, fragte sie ihre beste Freundin mit einem halbwegs aufmunterndem Lächeln. Die Schwangere atmete tief ein, hielt die Luft kurz an und ließ sie mit einem lauten Seufzen wieder aus ihren Lungen entweichen. Dann nickte sie und öffnete die Tür. Mit zittrigen Beinen stieg sie aus und tat ihre ersten wackeligen Schritte. Etwas hektisch drückte ihr der Taxifahrer den großen Koffer in die Hand, bevor er sich wieder hinter das Steuer setzte und davonfuhr. Vermutlich hatte er noch ein paar weitere Termine, die er einhalten musste. Fast ehrfürchtig blickte die 25-jährige nach oben und besah sich die großen Fensterfronten des Flughafengebäudes. Die strahlende Sonne spiegelte sich darin und nahm ihr für einen kurzen Moment die Sicht. Keine noch so kleine Wolke trübte den blauen Himmel und gab in keinster Weise Marons derzeitige Gefühlswelt wider. Dann konnte sie spüren, dass Rinako ihre Hand aufmunternd auf ihre Schulter legte. Mit einem unsicheren Lächeln nickte ihr die Rothaarige zu. Ebenso zögerlich nickte die Brünette bevor sich die beiden Freundinnen in das Innere des Gebäudes begaben. Die vergangenen Wochen hatten sich angefühlt, als wären Jahre vergangen und so kurz vor dem Abflug schien die Zeit nur so zu rennen. Mit jedem Schritt, den die Schwangere tat, wurden ihre Füße schwerer und ihre Bewegungen langsamer. Fast so, als würde irgendwer sie noch immer versuchen zurückzuhalten. Doch sie wusste nur zu gut, dass da niemand war. Dass niemand kommen würde... Unaufhaltsam lief der Zeiger der großen Uhr, die die riesige Eingangshalle zierte und dann war auch schon der Moment gekommen, in dem Maron sich von ihrer besten Freundin, die in der vergangenen Zeit ihr einziger Halt war, vorerst verabschieden musste. Als ihr das letztendlich bewusst wurde, machte sich eine große Panik in ihr breit. Ihr Atem beschleunigte sich und sie hatte das Gefühl, als könnte ihr jede Sekunde schwarz vor Augen werden. Rinako nahm sie fest in ihre Arme, streichelte ihr sanft über den Rücken und flüsterte ihr beruhigende Wort ins Ohr. Alles würde gut werden. Sie soll an ihr Kind denken. Es ist Zeit für einen Neuanfang. Minutenlang hielten sich die beiden jungen Frauen mit Tränen in den Augen in den Armen, bevor sie sich schweren Herzens voneinander lösten. Zitternd nahm Maron ihren Koffer, sah der Rothaarigen noch einmal tief in die Augen bevor sie sich mit wackeligen Beinen aufmachte, um ihr Gepäck aufzugeben. Wie in Trance durchlief sie die verschiedenen Stationen bis sie letztendlich auf ihrem Platz im Flugzeug saß und ausdruckslos aus dem Fenster sah. Nur wenig später wurde der Motor gestartet und der Flieger setzte sich in Bewegung – in Richtung einer komplett neuen und unbekannten Zukunft... Völlig starr und in Gedanken versunken, starrte Chiaki auf das halb geleerte Glas, das vor ihm auf der Theke stand. Access hatte vollkommen Recht, er trank zu viel Alkohol in letzter Zeit, doch das kümmerte ihn im Moment herzlich wenig. Seiner eigenen Meinung nach, hatte er genug Grund dafür. Er fühlte sich einfach nur noch furchtbar. Sein Kopf brummte, er wusste seine Gefühle und Gedanken einfach nicht mehr einzuordnen und zweifelte nahezu alles an, was er in den vergangenen Monaten getan, gefühlt und entschieden hatte. Seine Gedanken kreisten fast unentwegt um den gestrigen Tag, der einfach alles verändert hatte. - Rückblick - Fast panisch lief Chiaki auf der Stelle im Kreis, fuhr sich immer wieder durch die blauen Haare und versuchte einfach, einen klaren Kopf zu bewahren. Sein Atem ging stoßweise und seine Sicht verschwamm leicht. Was zur Hölle war da gerade passiert? Würde er bald aufwachen und es würde sich herausstellen, dass das alles nur ein schlechter Traum gewesen war? Oder war das alles die Realität und er hatte tatsächlich ein Kind mit einer Frau gezeugt, die er er schon kurz danach einfach verlassen hatte, in dem Glauben, das Richtige getan zu haben? Am liebsten hätte er sich jetzt einfach in seiner Wohnung eingeschlossen um erst einmal Herr seiner Gedanken und Gefühle zu werden. Doch nur wenige Meter von ihm entfernt warteten Hunderte von Gästen, die auf eine Vermählung warteten. Was sollte er jetzt tun? Versuchen, den Streit mit Maron zu vergessen und einfach 'Ja' sagen? Einfach wegrennen und die komplette Hochzeitsgesellschaft samt seiner Braut einfach sitzen lassen? Er konnte doch nicht einfach eine Frau heiraten, während er jede Sekunde an eine andere Frau dachte, die ganz nebenbei sein Kind erwartete. Während er hektisch nach einer einigermaßen logischen Lösung suchte, hatte er nicht mitbekommen, dass er schon fast vor dem großen weißen Zelt angekommen war, in dem sich Miyako in genau diesem Moment für die bevorstehende Hochzeit bereit machte. Vielleicht war genau das die Lösung, nach der er gesucht hatte? Vielleicht sollte er ein einziges Mal in seinem Leben auf sein Gefühl vertrauen. Er würde einfach das Zelt betreten, Miyako in ihrem Hochzeitskleid sehen und dann würde sein Gefühl ihm verraten, ob sie wirklich die Eine war oder ob es eine Andere war, die wirklich sein Herz gefangen hielt. Noch einmal atmete er tief durch bevor er den weißen Vorhang packte und mit einem kräftigen Ruck zur Seite zog. Was er da sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren: Miyako und Yamato, die eng umschlungen dastanden. Die Münder fest aufeinander gespresst. Als sie das Geräusch des Vorhangs vernahmen, der geöffnet wurde, fuhren sie erschrocken auseinander. Während Yamato die Situation eher schadenfroh und gelassen nahm, starrte Miyako ihren Verlobten mit weit geöffneten Augen an. „Chiaki, das...das ist überhaupt nicht das, wonach es aussieht!“ „Ach ja? Was soll es denn dann sein?! Ein Kuss zwischen einfachen Freunden, ja?! Komm mir ja nicht mehr unter die Augen!“ Mit hasserfülltem Blick starrte der 25-jährige die beiden an, bevor er sich einfach umdrehte und davonlief. - Rückblick Ende - Danach wurden seine Erinnerungen verschwommen. Das einzige, an das er sich erinnerte war, dass er endlos lange einfach nur durch die Gegend gelaufen war, ohne klares Ziel. Wo hätte er auch hingehen sollen? In seine Wohnung, um darauf zu warten, dass ihm die Decke auf den Kopf fiel? Maron suchen, obwohl er noch nicht einmal wusste, was er ihr sagen sollte oder was er fühlte? Die Stunden danach hatten sich wie Jahre angefühlt, in denen er einfach nur auf einer Parkbank saß und versuchte, seine Gefühle zu ordnen. Und jetzt war er natürlich wieder in Access' Bar gelandet und würde am liebsten so lange trinken, bis er alles vergaß, was geschehen war, aber das würde auch nichts bessern. Der Lilahaarige Besitzer kam gerade von einem anderen Tisch zurück, ging hinter die Theke und lehnte sich zu Chiaki vor. „Du siehst mir nicht aus, als hättest du schon deine erhoffte Erleuchtung gehabt.“ „Was du nicht sagst“, kam es nur ausdruckslos zurück. Access musste ein wenig schmunzeln. Die Situation war echt alles andere als optimal, aber er selbst glaubte noch fest daran, dass der Blauhaarige zur Besinnung kommen und sich alles zum Guten wenden würde. „Was genau gedenkst du jetzt zu tun? Ich hab dich echt gerne hier und habe auch immer ein offenes Ohr für dich, aber du kannst dich nicht für immer hier verkriechen und den Kopf in den Sand stecken.“ „Wenn ich das nur wüsste. Ich habe mich die ganze Zeit daran festgehalten, dass es zwei Frauen gab, von denen ich dachte, dass sie mich lieben würden, nur um dann herauszufinden, dass mich beide belogen und hintergangen haben. Und ich weiß noch nicht einmal, bei welcher von beiden es mich mehr verletzt.“ „Okay... wir wollen garnicht darüber diskutieren, dass Miyako dich mit diesem schmierigen Lackaffen betrogen hat. Sie hat dich betrogen und du wirst darüber hinwegkommen. Punkt. Aber hast du vielleicht einmal versucht, die ganze Sache mit Maron aus ihrem Blickwinkel zu sehen? Immerhin hast auch du sie belogen.“ „Das weiß ich, Access, aber ich weiß einfach nicht, wie ich darüber denken soll. Soll ich wütend auf sie sein, weil sie mir das Baby verschwiegen hat? Oder soll ich Verständnis zeigen und alles daran setzen, dass das mit uns wieder in Ordnung kommt?“ Aufmunternd klopfte der Lilahaarige dem jungen Mann auf die Schulter. Er wollte echt nicht in seiner Haut stecken. „Ich glaube, das kannst du nur herausfinden, wenn du zu ihr gehst. Ich glaube daran, dass du sie nur ansehen und auf dein Herz hören musst.“ Schwer seufzte der junge Mann auf. „Ich glaube, ich muss das alles erst einmal sacken lassen. Außerdem muss ich los. Ich werde meine Sachen aus der Wohnung holen und erst mal bei meinem Vater einziehen bis ich etwas Neues gefunden habe.“ „Wird Miyako auch da sein?“ „Ich weiß nicht. Mir wäre es aber lieb, wenn mir wenigstens das erspart bleiben würde.“ Nur schweren Herzens stand der Blauhaarige von seinem Hocker auf und zog seine Lederjacke an. Man merkte ihm deutlich an, dass er es nicht sonderlich eilig hatte, von hier wegzukommen, aber es war wohl besser, wenn er jetzt den Schlussstrich zog und ihn nicht ewig lange vor sich hin schob. Access versuchte, seinem besten Kumpel wenigstens ein bisschen aufmunternd zuzulächeln, aber auch ihm fiel es heute sehr schwer, der Situation etwas Positives abzugewinnen. „Melde dich, wenn ich dir den Rücken stärken soll!“ „Das mach ich, bis dann!“ Und damit war Chiaki auch schon zur Tür hinaus und machte sich auf den Weg zu dem Wohnblock, in dem er jahrelang mit Miyako zusammengelebt hatte. Der Weg bis zur Wohnung erschien Chiaki wie eine halbe Ewigkeit. Auf der Straße hatte er bereits zwei Menschen angerempelt und wäre fast von einem Auto angefahren worden, als er ohne nur nach links oder rechts zu schauen auf die Straße gelaufen war. Doch es hatte ihn nicht wirklich interessiert. Sein Kopf war wie leergefegt, er hatte genug davon, sich jeden Tag mit seinen Problemen rumzuschlagen müssen. Wenn er glaubte, eine Lösung gefunden zu haben, passierte wieder etwas Unerwartetes und es hatte sich nichts an seiner Situation geändert. Doch jetzt war es Zeit, wenigstens eine Last von sich abzuwerfen. Im Eingangsbereich des Wohnkomplexes wurde er von einigen Nachbarn begrüßt, die gerade ihre Post aus den Briefkästen abholten oder auf dem Weg zur Arbeit waren, er grüßte allerdings nicht zurück und stieg stattdessen nur wortlos in den Aufzug, um in den siebten Stock zu gelangen. Wie in Zeitlupe steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Wohnungstür. Wie nicht anderes zu erwarten gewesen war, wurde er auch schon von Miyako im Flur erwartet. Vermutlich hatte sie auf der Couch gelauert, bis er zurück kam. „Chiaki! Ich bin so froh, dass du wieder da bist.“ Der Angesprochene jedoch blickte nur stur an ihr vorbei und lief einfach in das Schlafzimmer. Dort öffnete er die Türen des Kleiderschranks und zog einen großen Koffer heraus. Miyako trat ihm in den Weg und versuchte, ihn daran zu hindern, seine Klamotten zu packen. „Chiaki, ich glaube, wir sollten noch einmal miteinander reden!“ „Da gibt es nicht zu reden, Miyako und jetzt geh mir aus dem Weg.“ „Du hast das alles einfach völlig falsch verstanden. Es war wirklich nicht das, wonach es ausgesehen hat!“ Wie sehr er diese Ausreden doch hasste... Jetzt konnte er spüren, wie die Wut in ihm hochkochte und er begann fast automatisch, lauter zu werden. „Was soll es denn gewesen sein?! Willst du mir allen Ernstes weis machen, dass du mich nicht mit Yamato betrogen hättest? Dass du ihn nicht geküsst hättest, als ich in das Zelt kam? Spar dir deine blöden Ausreden, ich hab echt keinen Bock auf so eine Scheiße!“ Die junge Frau wurde sofort etwas kleinlaut, aber so schnell würde sie sich nicht geschlagen geben. „Du hast recht, er hat mich geküsst. Aber ich habe das garnicht gewollt. Er versucht schon seit einiger Zeit, mich rumzukriegen, aber ich habe ihm immer wieder gesagt, dass ich nur dich liebe! Das musst du mir glauben!“ Seufzend stoppte der junge Mann und blieb einen Moment wie erstarrt stehen. Er musste sich jetzt erstmal beruhigen, bevor er hier alles kurz und klein hackte. „Und weißt du, was du mir glauben kannst? Dass ich es bereue, so lange zu dir gehalten zu haben. Ich wollte dich schon vor einiger Zeit verlassen und hatte immer Angst davor, dich zu verletzen. Und selbst jetzt, wo du so eine Scheiße gebaut hast, willst du mich auch noch für dumm verkaufen. Das ist wirklich armseelig!“ „Und jetzt willst du das mit uns einfach wegwerfen?“ Miyako erschien nicht geschockt oder traurig, viel mehr wirkte sie wütend. „Ja das will ich!“ Mit einem lauten Knall schloss der 26-jährige seinen Koffer und lief damit aus dem Schlafzimmer. Seine Ex-Verlobte folgte ihm auf Schritt und Tritt. „Das hat etwas mit Maron zu tun, nicht wahr?“ Sprachlos hielt er in seiner Bewegung inne, drehte sich aber nicht um. Was sollte er nur darauf antworten? Er entschied sich, einfach zu schweigen. „Du denkst, ich hätte nicht mitbekommen, dass da etwas zwischen euch ist, oder? Ich habe es die ganze Zeit geahnt, wollte es aber nicht wahr haben. Und als mir deine Mutter dann erzählt hat, dass sie dich zu diesem Dinner begleitet hat, da war mir alles klar. Ihr habt die ganze Zeit über geglaubt, ich würde euch eure kleine Story der plötzlichen Versöhnung abkaufen, oder? Wenn du es schon die ganze Zeit über nicht geschafft hast, dann sei wenigstens jetzt einmal ehrlich zu mir: Läuft etwas zwischen dir und ihr?“ Gespannt wartete sie auf eine Antwort. Chiaki hatte ihr noch immer den Rücken zugewandt und bewegte sich nicht. Er schaffte es lediglich, seinen Kopf in ihre Richtung drehen, seiner Ex-Verlobten direkt in die Augen schauen konnte und wollte er nicht. Es war einfach zu viel passiert. „Ja...ja, da war etwas.“ Sein Gesicht verriet, wie bedrückt er war, das kleine Wort 'war' verwenden zu müssen. Miyako konnte nur ein bitteres Schnauben zustande bringen. Sie hatte es zwar geahnt, aber es aus seinem Mund zu hören, machte alles nur noch schlimmer. „Gib es zu, du hattest niemals vor, mich zu heiraten!“ „Doch, das hatte ich!“ Völlig in Rage drehte er sich um und blickte ihr nun direkt in die Augen. „Das kann ich dir nach allem, was passiert ist nicht mehr glauben, aber sag mir, Chiaki: Warum? Warum musste es soweit kommen?“ Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Wie würde seine Antwort ausfallen? Miyako hielt es kaum aus, ihr kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, in der sie auf den alles entscheidenden Satz wartete. Ihre Blicke hatten sich nicht voneinander gelöst und doch war in diesen nichts mehr von der Liebe zu sehen, die sie vor langer Zeit einmal erfüllt hatte. Was nun aus seinem Munde kommen würde, würde alles nur noch mehr aus der Bahn werfen. „Sie ist schwanger.“ Nun war es die junge Frau, die in eine Schockstarre verfiel. Ihr Mund stand offen, in ihren geweiteten Augen sammelten sich Tränen und sie war kaum noch in der Lage, zu stehen. Zitternd ließ sie sich auf einem Hocker nieder und versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen, die ihr unentwegt durch den Kopf gingen. Wie hatte er sie nur so verraten können? Wie oft hatten sie darüber gesprochen, eigene Kinder haben zu wollen? Eine Familie miteinander zu gründen. Und nun war es eine andere Frau, die sein Kind unter ihrem Herzen trug. Das war alles ganz falsch! Nach einigen Minuten des Schweigens und Grübelns wandelte sich die Trauer in unsägliche Wut. Ruckartig erhob sie sich, schritt auf ihren Ex-Verlobten zu und bohrte ihm mit einem angsteinflößenden Gesicht den Zeigefinger in die Brust. Er schwieg weiter und ließ es geschehen. Vielleicht hatte sie auch das Recht dazu, sauer auf ihn zu sein. „Und jetzt sage ich dir etwas: Ja! Ja, ich habe eine Affäre mit Yamato! Und soll ich dir auch noch sagen, warum? Weil er mich noch beachtet und wie eine attraktive Frau behandelt. Während du damit beschäftigt warst, meine ehemals beste Freundin zu vögeln, habe ich mich mit ihm getroffen und wir haben miteinander geschlafen. Nicht nur einmal. Und ich bereue keine Sekunde davon. Ich habe es genossen. Die ganze Zeit über hast du gedacht, du könntest mich an der Nase herum führen und im Endeffekt bist du nun derjenige, der die Augen vor der Wahrheit verschlossen hat.“ Auch wenn er selbst es nicht geglaubt hätte, trafen ihn ihre Worte. War er wirklich zu blind gewesen, zu erkennen, dass eine gemeinsame Zukunft von Anfang an zum Scheitern verurteilt war? Hätte er dieses ganze Chaos, das seit Wochen sein Leben beherrschte, verhindern können? Im Moment wusste er einfach nicht, was er denken oder fühlen sollte. Das einzige, das ihm im einfiel war, seinen Koffer zu nehmen und die Wohnungstür zu öffnen. „Leb wohl“, hörte er noch von Miyako, die sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Sie war verletzt, das konnte er an ihrer Stimme hören. Ohne sich noch einmal umzudrehen, schloss er die Tür hinter sich. Miyako ließ sich langsam an der Wand hinuntergleiten und begann, bitterlich zu weinen. Völlig verwirrt lehnte er sich im Treppenhaus an die Wand, legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er konnte nicht fassen, wie sich die ganze Situation entwickelt hatte. Er hatte Miyako sehr wehgetan, das wusste er. Aber der Gedanke daran, sich für eine Frau entschieden zu haben, die ihn bereits seit einiger Zeit hinterging, ihm fälschlicherweise die große Liebe vorgespielt hatte... Und ausgerechnet für diese Frau hatte er die Mutter seines ungeborenen Kindes verlassen. Schon seit einigen Jahren wusste er, dass er auf alle Fälle eine Familie gründen wollte. Diese hatte er womöglich schon zerstört bevor sie überhaupt entstehen konnte. Er hatte geglaubt, dass es falsch gewesen wäre, Miyako zu verlassen. Nur, um später festzustellen, dass es die ganze Zeit über Maron gewesen war, mit der er sich sein künftiges Leben ausmalte. Er drehte sich um, legte seine Stirn an die kühle Wand. Dann übermannte ihn die Wut über sich selbst und er schlug mit seiner Faust gegen diese. Eine Welle des Schmerzes durchzog seine Hand, doch es kümmerte ihn nicht. Einige Zeit blieb er in dieser Position stehen, dann dreht er seinen Kopf und sein Blick fiel auf die Wohnungstür, hinter der sich Marons Wohnung befand. Erst zögerte er, doch dann fragte er sich still, worauf er noch warten sollte. Er liebte die wunderschöne Brünette, sie war diejenige, die ihm das Glück geben konnte, nach dem er schon so lange suchte. Also ging er auf die Tür zu und drückte auf die Klingel. Was er ihr sagen wollte, wenn sie endlich wieder vor ihm stand, darüber machte er sich keine Gedanken. Er versuchte, seinem Gefühl zu vertrauen und instinktiv das Richtige zu tun. Als die Tür sich öffnete, hob er seinen Kopf und er wollte schon anfangen, einfach loszureden. Doch alles kam anders. Vor ihm stand nicht seine Maron, sondern ein Mann in einem Anzug, der ein gutes Stück kleiner war als er und seine dunklen Haare streng zurückgegelt hatte. Er schätzte, dass er ungefähr in seinem Alter sein dürfte. Doch was tat er hier? Konnte es sein, dass... nein, Maron würde sich nicht so schnell auf einen anderen Mann einlassen... oder? „Entschuldigung, kann ich Ihnen weiterhelfen?“ „Ich... möchte zu Miss Kusakabe.“ „Tut mir leid, aber diesen Namen habe ich noch nie gehört. Vielleicht haben Sie sich an der Tür geirrt. Entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch ein paar Termine, aber wenn Sie selbst an einer Besichtigung interessiert sind, dann können wir gerne noch einmal telefonieren. Ich gebe Ihnen gerne meine Karte, dann...“ „Moment mal! Besichtigung?!“ „Naja, ich bin immerhin Immobilienmakler.“ Freundlich streckte er Chiaki seine Hand entgegen, um sich vorzustellen, doch der Blauhaarige war zu geschockt, um sich auf den jungen Mann zu konzentrieren. Er konnte nicht glauben, dass das wahr sein sollte! In aufkommender Verzweiflung drückte er seinen Gegenüber zur Seite und stürmte einfach an ihm vorbei. Hektisch lief er von einem Raum zum anderen und rief laut nach Maron. Doch er bekam keine Antwort. Als er sie nirgendwo sehen konnte, begann er wieder beim ersten Raum. Da die wenigen Möbel, die sich noch in der Wohnung befanden, in Folie eingepackt waren, hätte er sich denken können, dass seine Suche keinen Erfolg versprechen würde... doch er wollte es einfach nicht wahrhaben, dass sie fort sein könnte. Gegangen war, ohne ihm Lebewohl zu sagen. Er sie womöglich nie wieder sehen würde und damit auch sein Kind. Sein eigen Fleisch und Blut, das er vielleicht niemals aufwachsen sehen würde. Das konnte nicht sein! Das Durfte nicht sein! Hatte er es vielleicht als zu selbstverständlich angesehen, dass er sie jederzeit um Vergebung hätte bitten können? Er hatte doch nie gewollt, dass es so endete. Dass sie im Streit auseinandergingen und er nie die Gelegenheit haben würde, das alles aufzuklären. Er hatte sie in ihren letzten gemeinsamen Augenblicken in dem Glauben gelassen, er wolle sie mit dem Kind alleine lassen. Doch jetzt, da sie nicht mehr da war, war alles so glasklar und alle Zweifel schienen einfach verschwunden zu sein: Er liebte sie mehr als alles andere. Sie war die einzige Frau, die er je an seiner Seite haben möchte. Nichts wollte er mehr als sie und ihre kleine gemeinsame Familie. Er wollte für dieses Baby da sein. Wollte es aufwachsen sehen. Sehen, wie es seine Schritte machte, die ersten Wörter sprach. Seine Familie durch gute und schlechte Zeiten begleiten und alles dafür tun, dass nichts mehr sie voneinander trennte. Doch so gerne er in dieser Vorstellung schwelgte, so schnell musste er feststellen, dass sie wohl Illusionen bleiben würde. Wie in Schockstarre verfallen ging sein Blick ins Nirgendwo und verharrte dort. Da stürmte auch schon der Immobilienmakler ins Zimmer. „Hören Sie! Ich habe gleich einige Termine mit Interessenten. Ich möchte Sie höflichst bitten, die Wohnung zu verlassen!“ Unschlüssig versuchte der Blauhaarige seine Gedanken zu ordnen, ging dann aber doch an dem Mann vorbei und kam der Aufforderung nach. Draußen schnappte er sich noch seinen Koffer und hatte es sehr eilig, aus dem Gebäude herauszukommen. Sein Kopf war wie leergefegt, er nahm nichts mehr wahr. Kaum, dass Chiaki an dem Haus seines Vaters ankam, öffnete Kaiki auch schon die Tür. Den ganzen Mittag hatte er gewartet. Er hatte sich sogar den ganzen Tag frei genommen, damit Chiaki nicht alleine war, wenn er ankam. Sogar Hana war gekommen und stand nervös von der Couch auf, als sie sah, dass Chiaki mit einem Koffer und getrübten Blick in das Foyer eintrat. Aufmunternd klopfte der Ältere dem jungen Mann auf die Schulter. Das war das einzige, das ihm im Moment einfiel. Er fand einfach keine Worte, die seinen Sohn irgendwie hätten aufmuntern können. Wie auch in seiner solchen Situation? Immerhin war seine Hochzeit geplatzt, weil seine Verlobte ihn hintergangen und betrogen hatte. Da wusste Kaiki auch noch nicht, dass das eigentliche Problem die verzwickte Situation mit Maron war. Ganz im Gegenteil zu Hanna. Sie hatte schon lange erkannt, dass nicht Miyako die Frau war, die Chiaki liebte. Etwas schüchtern ging sie ebenfalls auf ihren Jungen zu und schloss in ihre Arme. Die Urarmung wurde von diesem aber nur halbherzig erwidert. Sie würde wohl einiges tun müssen, damit sie wieder ein freundschaftliches Verhältnis zueinander haben könnten. „Möchtest du vielleicht etwas essen? Ich könnte ein Kartoffelgratin machen, das hast du doch schon immer gerne gegessen und zum Nachtisch könnte ich einen Pudding kochen.“ „Danke, Mutter, aber ich denke, ich möchte einfach nur meine Ruhe haben.“ Er wusste, dass er sie mit seinen Worten traf, aber das kümmerte ihn im Moment wenig. Ohne einen weiteren Blick machte er kehrt und stieg die Treppen hinauf zu seinem alten Zimmer. Dort angekommen stellte er seinen Koffer neben der Tür ab, schloss diese und ließ seinen Blick durch den Raum streifen. Bei dem großen Fenster an der gegenüberliebenden Wand stoppte er. Dort hatte sie gestanden. Sie hatte einfach nur dagestanden und hinausgeblickt in den großen prachtvollen Garten. Ihr Blick war voller Trauer und doch hatte er noch nie zuvor eine Frau getroffen, die so wunderschön war und soviel Würde und Stolz ausstrahlte. Mit leisen Schritten war er auf sie zugegangen und hatte sie in seinen Armen gehalten. Ob er alles noch hätte retten können, wenn er damals schon erkannt hätte, dass nur sie ihn glücklich machen konnte? Verzweifelt hielt er seinen Kopf mit beiden Händen und kniff die Augen zusammen, als ihm bewusst wurde, dass ihn selbst hier alles an Maron erinnerte. Chiaki ging ein paar Schritte in den Raum, dann ließ er sich auf das Bett fallen und schloss seine Augen. Hier würde er wohl oft von Maron träumen und vermutlich auch von seinem Kind. Was es wohl werden würde? Ein Junge? Ein Mädchen? Das Geschlecht war ihm völlig egal, solange es gesund war. Doch der Gedanke daran, dass er nichts von alledem erfahren würde, zerriss sein Herz erneut in tausend Stücke. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür. Der Blauhaarige wollte niemanden sehen und blieb deshalb stumm, dennoch öffnete Hana die Tür, trat ein und verschloss sie wieder. Unaufgefordert trat sie an das große Bett heran, wurde von ihrem Sohn aber ignoriert, der einfach nur sturr an die Decke starrte. Hana wusste, dass Vieles falsch gelaufen war in den letzten Monaten, aber vielleicht würde es dem jungen Mann helfen, die Samthandschuhe auszuziehen und Klartext zu reden. Es war ja nicht mehr zum Aushalten, wie er nur vor sich hin vegetierte! „Chiaki, ich glaube wir müssen miteinander reden.“ „Das wäre ja nichts Neues.“ Seinen Blick ließ er nach oben gerichtet. Seine Stimme klang monoton. „Chiaki, bitte! Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und wie du sagst, hast auch du nicht immer das Richtige getan, aber Probleme lösen sich nicht, indem man sich nur noch hängen lässt. Ich kann dir nicht tatenlos dabei zusehen, wie du immer mehr in dir versinkst. Es ist viel passiert, aber das Leben geht doch weiter! Ich weiß jetzt, dass du etwas mit Maron am Laufen hattest, aber jetzt, wo du dich von Miyako getrennt hast, gibt es doch nichts mehr, was zwischen euch stehen könnte! Ich verstehe nicht, warum du hier herumliegst und dir den Kopf zerbrichst, anstatt zu Maron zu gehen und ihr zu sagen, was du für sie empfindest. Du kannst doch noch immer alles in Ordung bringen!“ Der 26-jährige hatte sich alles angehört, ohne ein Wort zu sagen oder eine Emotion erkennen zu lassen. Doch innerlich machte es ihn wütend, dass anscheinend jeder andere es immer besser wissen wollte. „So einfach ist es aber nicht.“ „Dann erklär mir doch, was daran so schwer ist!“ Wutentbrannt sprang er auf und sah seiner Mutter tief in die Augen. „Ich kann dir erklären, was so schwer daran ist! Sie ist weg! Hörst du? Weg! Und sie kommt auch nicht mehr zurück. Und willst du wissen, was das Ganze noch schwerer macht? Sie ist schwanger! Sie trägt mein Kind unter ihrem Herzen und ist einfach verschwunden, ohne mir zu sagen, wo sie ist. Ich habe alles vermasselt. Ich hatte geschätzte tausend Gelegenheiten, mich bei ihr zu entschuldigen und alles in Ordnung zu bringen, aber stattdessen habe ich zu einer Frau gehalten, die mich nur hintergangen hat. Als hör auf, mir erzählen zu wollen, dass alles ganz einfach wäre!“ Weinend und mit geweiteten Augen stand Hanna wie in Schockstarre da und wusste nicht mehr, was sie dazu sagen sollte. Bevor sie die Gelegenheit dazu bekam, rannte Chiaki schon an ihr vorbei, aus dem Zimmer heraus und die Treppe hinunter. Im Vorbeigehen schnappte er sich noch seinen Autoschlüssel von dem kleinen Tisch im Eingangsbereich. Hanna eilte ihrem Sohn noch hinterher, doch als sie an der Haustür ankam, konnte sie nur noch beobachten, wie er in sein Auto einstieg und davonraste. Now you ain't around baby I can't think I should've put it down, should've got the ring 'Cause I can still feel it in the air See her pretty face, run my fingers through her hair My lover, my life, my shawty, my wife She left me, I'm tied 'Cause I knew that it just ain't right She was so easy to love But wait, I guess that love wasn't enough I'm going through it every time that I'm alone And now I'm missing, wishing she'd pick up the phone But she made the decision that she wanted to move on' Cause I was wrong I was thinking 'bout her, thinking 'bout me Thinking 'bout us, what we gonna be? Open my eyes, it was only just a dream So I travelled back, down that road Will she come back? No one knows I realize, it was only just a dream Just A Dream - Nelly Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)