Coincidence von Inquisitor (100 OS Challenge) ================================================================================ Kapitel 1: 001. Herzschlag -------------------------- Wie du atmest. Wie dein Herz schlägt. Man sollte meinen, dass du beides stets unter Kontrolle hast. Dass du dich nie aus der Ruhe bringen lässt. Denn so gibst du dich immer. Zumindest so lange, bis es niedlich wirkt, wenn du dich gehen lässt. Aber ich weiß es besser, denn ich kenne dich am Besten. Ich weiß, was ich tun muss, um deinen Puls zu beschleunigen, wo ich dich berühren muss, um deine so schöne Stimme auf eine ganz neue Art und Weise klingen zu lassen. Für deine Fans wäre dieser Klang ungewohnt, aber für mich ist es etwas fast schon routinemäßiges, etwas, das ich hören muss, um später entspannt einschlafen zu können. So wie du jetzt schläfst. Brauchst du etwa auch meine Stimme wie ich deine? Mein Blick hängt an deinem Gesicht, das nach all den Jahren immer noch schön ist, an dem es immer noch so viel Neues zu entdecken gibt, obwohl es schon perfekt ist. Nach all der Zeit bist du der Einzige, der so ein Bedürfnis in mir auslöst. Wie würdest du mich ansehen, wenn ich dich aufwecken würde und dich verführte? Im Nachhinein würdest du wahrscheinlich an mir rummäkeln, wie notgeil ich denn wäre. „Haido?“, flüstere ich und mein Herz setzt für einen Schlag aus, als du mit meinem Namen antwortest. „Gaku?“ Mein Name aus deinem Mund ist wie das Beste, was ich habe. Auch wenn du ihn nur ganz verschlafen nuschelst. Dieses verschlafene Blinzeln, das du jetzt machst, lässt mich beinahe meine Selbstbeherrschung verlieren. Aber ich warte lieber, bis du ganz aufwachst, denn dann sind deine Reaktionen noch erfreulicher. Und dann wir deine Stimme meinen Herzschlag beschleunigen. Kapitel 2: 002. Aufatmen ------------------------ „Schläft er denn mittlerweile durch?“, fragte Hiroto besorgt, während er sein Handy noch mehr an sein Ohr drückte. Shous Antwort war schwer zu verstehen, da das dichte Schneegestöber um Hiroto und die vorbeifahrenden Fahrzeuge den Weg zu Toras Wohnung nicht gerade einfacher machten. „Wie bitte?“ „Ich sagte, Tora hat seit wir aus Sendai raus sind, keine Nacht mehr geschlafen“, wiederholte der Sänger gereizt. Hiroto machte ihm keinen Vorwurf. „Aber das sind zwei Tage!“ „Was du nicht sagst...“ Der Gitarrist hörte Shous Seufzen durch das Telefon. „Shou, ich leg‘ jetzt auf“, rief Hiroto, damit sein Freund ihn auch deutlich verstand, „Ich schau‘ gleich mal bei Tora vorbei.“ „Tu das. Soweit ich weiß, ist Saga bei ihm.“ „Ja, danke.“ Hiroto legte auf und schob sein Handy in die Tasche seines Mantels. Saga betrachtete Tora, der aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen, und der Bassist hoffe, dass dies nicht so bald wieder passieren würde. „Tora, willst du dich nicht lieber hinlegen?“, fragte Saga vorsichtig. Tora stand an die Wand seiner Küche gelehnt und sah auf den Boden. Sein linker Arm hing in einer Schiene und Saga wusste, wenn er könnte, würde Tora die Arme kreuzen, aber seit seine linke Hand taub war, konnte der Gitarrist weder seine favorisierte Pose einnehmen, noch seine Gitarre halten. „Wozu? Ich werde eh nicht schlafen können“, fauchte er. „Ich weiß, aber der Arzt sagte, dass du dich versuchen sollst, auszuruhen.“ „Mein Arzt hat doch keine Ahnung, was es für mich heißt, mich auszuruhen!“, erwiderte der Tiger bissig. Innerlich seufzte Saga. Tora war schon immer zickig und launisch gewesen – in Grenzen, aber jetzt war es nur noch. Nicht, dass Saga das nicht hätte verstehen können. Er versuchte sich selber in Toras Situation zu sehen, nichts tun zu können, nicht mal Bass spielen zu können. Und dieser Gedanke machte jeden von Toras Ausbrüchen wett. „Ich mach‘ dir was zu essen, wenn du willst“, bot der Bassist an. Tora winkte mit seiner freien Hand. Insgeheim war Saga dankbar, als es an der Tür klingelte, denn er wusste nicht, was er hätte sagen können, um die Situation zu entschärfen. „Ich geh‘ schon“, beeilte er sich zu sagen, nachdem die Klingel ertönte. Kaum war Saga aus der Küche gegangen, ließ Tora sich etwas an der Wand heruntersinken. Es war kaum auszuhalten, wie anstrengend es war, gerade zu stehen. Sein Nacken schmerzte und es war ein widerliches Gefühl, von seinem linken Arm herunter nichts mehr spüren zu können. Für einen Moment versuchte der Gitarrist seine Schmerzen auszublenden und darauf zu horchen, wer an der Tür war. „Wie geht’s ihm?“, hörte er Hirotos Stimme. Beschissen, dachte er. „Er kann sich nicht beklagen“, antwortete Saga und lachte. Hiroto sah ihn irritiert an, woraufhin Sagas Miene sich verdunkelte. „Natürlich geht’s ihm beschissen. Was denkst du denn, Hiropon?!“ „Tut mir Leid“, nuschelte der Gitarrist und senkte den Blick. „Ach, schon gut.“ Saga konnte es nicht verhindern, dass er genervt klang. Tora hörte seinen Freund antworten und stellte mit Genugtuung fest, dass nicht nur er selber darunter litt, wie schlecht es ihm ging. Es hatte ihn schon die ganze Zeit gestört, dass ihm, egal, wie grantig, fies oder unfair er zu seinen Bandkollegen war, alles so hingenommen wurde. Ihm wurde aus Mitleid alles entschuldigt, auch wenn er das gar nicht wollte. Er wollte nicht daran denken, dass man Mitleid mit ihm haben musste. Er wollte, dass alles wie immer war. Als er hörte, wie Saga Hiroto nach drinnen führte, verschwand er aus der Küche ins Schlafzimmer. „Tora?“ Saga stand im Türrahmen zur Küche und sah sich um. Hiroto, der hinter ihm stand, schwieg. „Entschuldige bitte, Hiroto. Ich glaube, Tora braucht seine Ruhe.“ Hiroto zuckte mit den Schultern. „Schon gut.“ Er winkte ab. „Ich sag ihm aber, dass du hier warst“, sagte Saga und Toras Verhalten war ihm sichtlich unangenehm. „ist doch in Ordnung.“ Der kleine Gitarrist gab seinem Kollegen die Hand und verließ die Wohnung wieder. Als er seine Kapuze aufsetzte und in die nächste Schneewehe nach draußen trat, tat Tora ihm Leid. Das Los, das er gezogen hatte, war schlimm. Schlimm genug, dass die ganze Band gleichermaßen darunter litt. „Tora...“ Saga sah seinen Freund auf dem Bett sitzen, die Augen zusammengekniffen, der Ausdruck gereizt. „Hiroto lässt grüßen.“ „Dacht‘ ich mir schon, aber ich hatte keine Lust, ihn zu sehen.“ Tora wollte, dass Saga sich dazu äußerte, ihm sagte, dass es nicht richtig war, sich so gehen zu lassen. „Er ist den ganzen Weg durch den Schnee gekommen“, sagte der Bassist leise. Der Ansatz war da, aber anscheinend fehlte die Motivation, Tora eine reinzuwürgen. „Ich weiß, ist mir aber ein bisschen egal.“ Tora hob den Blick, zog eine Braue nach oben und grinste Saga provozierend an, der nur traurig zurückblickte. „Was ist los mit dir?!“ Der Gitarrist schaffte es nicht seine Stimme gedämpft zu halten. „Findest du mich nicht scheiße!? Sag mir, dass ich ein Arsch bin! So machst du’s doch sonst immer!“ „Es ist aber nicht wie immer-“ „ICH WEISS!“ Saga sah Tora unentwegt an. Jetzt fühlte sich Tora zum ersten Mal schuldig. „Ich weiß... und es gefällt mir nicht.“ Er senkte den Blick. Saga legte die räumliche Entfernung zwischen ihnen mit wenigen Schritten zurück und kniete sich vor ihn. Mit seinen Händen umschloß er Toras freie Hand und näherte sich seinem Gesicht. „Es ist okay, wenn du dich aufregst, das kennen wir von dir. Es ist auch okay, wenn du so tust, als würdest unsere Hilfe nicht brauchen, das kennen wir auch von dir. Aber es ist nicht okay, wenn du dich davon unterkriegen lässt, denn du bist nicht allein und du wirst auch nicht allein gelassen!“ Tora hob seinen Blick und sah Saga in die Augen, der ihn durchdringend ansah. Der Bassist und der Gitarrist waren seit fast einem Jahr ein Paar und zum ersten Mal nahm Tora richtig wahr, warum er mit Saga zusammen sein musste, warum seine Gefühle für ihn so präsent waren. Denn Saga war der Einzige, in dessen Blick Tora Liebe fand. Liebe und Trost, die den Gitarristen innerlich aufatmen ließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)