Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 119: Die Zeremonie -------------------------- 119) Die Zeremonie Sam war inzwischen ohne große Schäden oder Erfrierungen wieder aufgetaut und absolut nicht bereit, länger als nötig in der Klinik zu bleiben, vor allem, wo sich die Rückkehr des Suchtrupps angekündigt hatte. Er stand mit den anderen am Ortsrand und schaute den Männern erwartungsvoll entgegen. Sein Blick wurde immer besorgter, als er Dean nicht entdecken konnte. So schnell es der teilweise weiche Schnee zuließ lief er zu William. Doch noch bevor er ihn erreicht hatte, fand er seinen Bruder reglos in dem Anhänger liegend. „Dean!“ Er stürzte zu ihm, doch der reagierte nicht sondern starrte weiter unter halb geschlossenen Lidern in den Himmel. „Bereitet sofort den Zeremonieraum vor und heizt die Sauna“, forderte der Schamane, fast alle Männer hasteten davon und überließen es den vor Glück weinenden Frauen, ihre Kinder wieder in Empfang zu nehmen und ins Krankenhaus zu bringen. Ihre Freude über deren unversehrte Rückkehr musste noch warten, bis der, dem sie das zu verdanken hatten ebenfalls gerettet war. Jeremiah Kokrine stand unschlüssig im Weg. „Was ist mit Dean?“, bedrängte Sam den Schamanen und hielt ihn am Ärmel fest. Unwirsch wandte sich Ukpik zu dem jungen Winchester. „Amaruq hat ihn gezeichnet, und je länger wir warten, umso sicherer wird dein Bruder sterben!“ Sam keuchte erschrocken. „Der Wolf gestern, war das ….“ Der Schamane hatte sich schon wieder abgewandt und ging zu einer der drei kleinen Hütten, die unter ein paar Bäumen am Ortsrand standen. Er hatte noch so viel zu tun bevor sie die Zeremonie durchführen konnten, und es tat ihm leid, den jungen Mann so abkanzeln zu müssen, doch wenn dessen Bruder überhaupt eine Chance haben wollte, musste er sich beeilen. Er wollte das Leben des Winchesters nicht auf seine Seele, oder die der Kinder laden, denn er wäre gestorben, weil er sie gerettet hat und das würde die Kinder ihr ganzes Leben lang begleiten. „Bereitet ihn für die Zeremonie vor“, wandte er sich noch an Jonah, der bei ihm geblieben war. Dieser nickte, und rief Alice und Yuri zu sich. Mit wenigen Worten erklärte er die Situation, und die Frauen eilten mit besorgten Gesichtern in die zweite der drei Hütten. Sie füllten einen großen Holzbottich mit heißem Wasser, gaben aromatische Kräuter und Öle hinzu. Jonah hob Dean aus dem Anhänger und folgte ihnen langsamer. Sam wollte bei seinem Bruder bleiben und lief hinter dem Mann her, der ihn quasi entführte. „Egal was du siehst oder hörst, und egal wie falsch es dir vorkommen sollte,“ hielt Helaku, der gerade mit einer großen Kiepe voller Holz zu einer der Hütten wollte, ihn auf, „bitte bedenke, dass es unsere Götter sind, die wir um Beistand bitten, und dass es um sein Leben geht.“ Sam erstarrte, schluckte und nickte dann. „Kann ich bei ihm bleiben?“, wollte er unsicher wissen. „Ja, aber halte dich zurück.“ Der Winchester nickte dankbar und beeilte sich, Nanouk zu folgen, auch wenn er das ungute Gefühl in seinem Inneren nicht ganz unterdrücken konnte. Was würden sie mit Dean machen? Würden sie ihm wehtun? Er wollte nicht, dass sein Bruder schon wieder leiden musste! So unbeweglich wie Dean äußerlich auch war, in seinem Gehirn liefen die Gedanken Amok. Er hatte gehört, was Sam gesagt hatte und er wollte ihn auf keinen Fall dabei haben. Mit aller Macht versuchte er sich irgendwie bemerkbar zu machen, doch kein Laut drang über seine Lippen. Kein Muskel rührte sich. So viele Menschen hatten ihnen immer wieder unterstellt, sie könnten sich telepathisch unterhalten. Er hatte es immer wieder an ihren Gesichtern ablesen können, wenn ein Blick genügte um zu wissen, was Sam dachte. Jetzt war der Moment gekommen, an dem er sich nichts so sehr wünschte, als das sie es wirklich könnten. Er wollte nicht, dass sein kleiner Bruder mit ansehen musste, was sie mit ihm veranstalteten, denn er glaubte nicht, dass das etwas Schönes werden würde. Was würden sie überhaupt mit ihm machen? Hielten sie ihn doch für tot und wollten ihn auf die letzte Reise schicken? Sollte er lebendig begraben werden? Wussten sie, dass er noch lebte? Ihre Aussagen von wegen ‚Amaruq hatte ihn gezeichnet’ ließ diesen Schluss zu, aber was konnten sie jetzt noch tun? Ihm das Sterben erleichtern? Seine Seele besänftigen und ihn töten? Er hatte keine Ahnung. Was könnten sie jetzt noch tun, um ihn am Leben zu erhalten. Würde das überhaupt ein Leben sein? Er wollte niemandem zur Last fallen und so hoffte er, dass sie ihn einfach sterben lassen würden. Er hatte als Jäger gelebt und er würde als Jäger sterben. Genauso wie er es sich immer vorgestellt hatte. Der Inuit hatte ihn auf etwas Hartem abgelegt und den Raum verlassen. Dean kam sich wie ein totes Stück Fleisch vor, wie eine leblose Schlenkerpuppe. Er versuchte seine Angst zu verdrängen und an etwas Schönes zu denken. An Sammys Lachen, wenn er ihm etwas erlaubte, was Dad mit Sicherheit verboten hätte. Oder damals als sie ihr eigenes kleines Feuerwerk zum 4. Juli gemacht hatten. Aber das Gefühl wurde immer stärker. Nichts tun zu können, aber alles mitbekommen zu müssen, das wünschte er wirklich niemandem. Das war entwürdigend! Die Frauen entkleideten ihn, ließen ihn in einen Bottich gleiten und begannen, ihm die Haut vom Körper zu schrubben. So fühlte es sich jedenfalls für Dean an und er wollte schreien, wollte aus dem Bottich. Aber da er sich weder wehren, noch etwas dagegen sagen konnte, war er dazu verdammt, alles schweigend zu ertragen. Wieder rann eine Träne über sein Gesicht. ‚Bitte lasst mich einfach in Ruhe sterben!’, schrie er immer wieder in Gedanken. Warum hatte ihn der Wolf nicht sofort getötet? Wie aus weiter Ferne drang rhythmisches Trommeln an seine Ohren, und gleich darauf fiel ein Chor aus ständig an- und abschwellendem, wortlosem Gesang in das Trommeln ein. Sie hoben ihn aus dem Bottich und trockneten ihn flüchtig ab. Dann trug Nanouk, der den Raum wieder betreten hatte, ihn nackt wie er war, durch die eisige Kälte, die auf seiner noch feuchten Haut brannte, zu den Trommeln und dem Gesang und legte ihn mitten im Raum auf etwas Hartem ab. Der Inuit legte etwas über Deans Hüfte und verschwand dann aus dessem Blickfeld. Der Raum war schon jetzt vollkommen verräuchert, und der Rauch kratzte in Deans Kehle, doch er konnte nicht husten. Krampfhaft versuchte er zu schlucken. Wenigstens das schien noch zu klappen. Die Trommeln und der Gesang wurden immer fordernder und schienen irgendetwas in seinem Inneren zu berühren und brachten es unangenehm zum Vibrieren. Er fühlte sich ausgeliefert, und dieses Vibrieren in seinem Inneren ließ sich seinen Magen verkrampfen. Außerdem wurde der Rauch noch dichter und brannte in seinen Augen. Immer verzweifelter versuchte er sie zu schließen. Warum konnten sie nicht wenigstens das für ihn tun. Schon bald würde ihn die Dunkelheit ohnehin überrennen. Tränen liefen über seine Schläfen. Dean versuchte sich abzulenken und auf seinen Körper zu konzentrieren. Von seiner rechten Hüfte strahlten Schmerzen und Kälte in seine Glieder und krochen mit den schon bekannten schmalen, langen Spinnenbeinen durch seinen Körper. Einen Teil seines Herzens hatten sie schon mit Beschlag belegt, und er wusste, wenn sie erst seinen ganzen Körper durchdrungen hätten, würde er sterben. Doch es war ihm egal. Er hoffte, dass das möglichst bald passieren würde. Er wollte nur noch, dass die Schmerzen aufhörten und dass sie alle hier ihn in Ruhe sterben ließen. Sam sah die glitzernde Tränen an Deans Schläfe herab laufen und wünschte sich, dass er seinem Bruder beistehen könnte. Doch Ukpik und Nanouk hatten ihm beide noch einmal unmissverständlich begreiflich gemacht, dass er sich, um des Leben seines Bruders willens, still verhalten sollte. Der Schamane trat zu Dean, hob seinen Kopf etwas an und flößte ihm ein zähflüssiges Gebräu ein. Der Blonde schluckte und war für einen Augenblick dankbar dafür, dass das Kratzen in seinem Hals nachließ. Heiß rann die zähe Brühe seine Kehle hinab und erreichte seinen Magen. Das Gefühl der Dankbarkeit verschwand als eine Welle Schmerzen ihn zusammenfahren ließ. Sein Körper verkrampfte sich, riss ihn von der Unterlage, auf der er lag, und schüttelte ihn durch. Der Schamane schürte das Feuer am Rand der Hütte und warf ein neues Bündel Kräuter hinein. Aromatischer Rauch stieg auf. Dann trat er wieder zu Dean und flößte ihm erneut etwas von der zähen Brühe ein. Wieder schüttelten Krämpfe den nackten Körper, schlimmer als zuvor. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte Sam auf den Altar in der Mitte des Raumes, sah wie Deans Körper immer heftiger zuckte und wie er sich immer mehr verkrampfte. Sie taten seinem Bruder weh und das Letzte, was Sam für Dean wollte, war, dass er Schmerzen leiden musste, weil er, Sam, mal wieder nicht alleine hatte auf sich aufpassen können! „Hört auf, bitte!“, bettelte Sam und sprang auf. Warum taten sie seinem Bruder noch mehr weh? Er wollte zu Dean. Er wollte ihn von dem Tisch zerren und ihn aus diesem Raum schaffen. „Nein“, sagte der Schamane mit einer Ruhe und Überzeugung in der Stimme, die Sam wieder auf seinen Hocker sinken ließ. „Wenn wir das jetzt nicht machen wird er unweigerlich sterben!“ „So stirbt er doch auch!“ „Ja, vielleicht. Aber er ist kräftig. Wenn er das übersteht wird er leben. Ohne das hier“, sein Arm beschrieb einen Kreis durch die Hütte, „stirbt er auf jeden Fall.“ ‚Bitte bringt Sam hier raus!‘, flehte Dean in Gedanken. Sams Stimme hatte so verzweifelt geklungen, und er wollte nicht, dass der Kleine sich Sorgen um ihn machen musste! Er wollte ihn glücklich wissen, aber dazu musste er leben wollen. Sam konnte genauso wenig ohne ihn leben, wie er ohne Sam. Das hatte ihn das Jahr gezeigt, in dem sie versucht hatten seinen Pakt zu brechen. Sam nickte mechanisch. Er sank auf seinem Hocker in sich zusammen. Tränen liefen über seine Wangen. Er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen, denn der Rauch und die Sorge um Dean trieben ihm immer neue in die Augen. Trommeln schlugen. Und die Männer in der Hütte begannen sich langsam vor und zurück zu bewegen. Wieder trat Ukpik zu Dean und flößte ihm auch noch den Rest des Bechers ein. Dean sah sich schlucken. Er fühlte sich völlig losgelöst. Die letzte Krampfattacke hatte ihn aus seinem Körper gerissen. Er sah wie sich sein Körper erneut aufbäumte, doch es war ihm egal. Er war frei. Frei zu gehen wohin er nur wollte. Er würde nie wieder Schmerzen haben. Und dann blickte er zu Sam. Seinem Sammy, der verloren auf seinem Hocker saß. Sie hatten sich gerade erst wiedergefunden nach ihrem Wildwest-Abenteuer. Tränen liefen über dieses so vertraute Gesicht. Er wollte bleiben, wollte Sammy die Tränen wegwischen. Die Trommeln schlugen immer schneller und die Männer wiegten sich im selben Rhythmus. Sie sangen in immer wieder auf- und abschwellender Lautstärke, und irgendetwas in diesem Gesang band Dean an seinen Körper. Seine Chance zu gehen hatte er verstreichen lassen. Und so verharrte er reglos wartend was weiter passieren würde. Vielleicht konnten sie ihm ja doch helfen? Sam verkroch sich immer mehr in seiner Ecke. Er sah seinen Bruder total verkrampft auf dem Altar liegen. Er wollte zu ihm, doch irgendetwas war in dem Gesang, dass ihn an seinen Platz fesselte. Der Rauch kratzte in seiner Kehle und trieb ihm weitere Tränen in die Augen. 'Als ob er nicht eh schon heulen müsste!', Sam schniefte. Diese Zeremonie schien endlos zu sein. Das Feuer im Raum war fast heruntergebrannt. Ukpik hatte Dean noch drei weitere Becher von diesem Zeug schlucken lassen, und sein Körper hatte jedes Mal mit immer schlimmer werdenden Krämpfen reagiert. Sam wunderte sich, dass sein Bruder noch nicht vom Tisch gefallen war. Etwas zerrte plötzlich an Dean. Langsam und unmerklich hatten sich der Rhythmus der Trommel und des Gesanges geändert. Die, jetzt in den Tönen innewohnende, Kraft drängte ihn zurück in seinen Körper. Wie eine riesige Welle überrollten ihn die Schmerzen. Jeden einzelnen verspannten Muskel schien er zu spüren. Er wollte schreien. Kein Ton kam über seine Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)