Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 95: Unergründlich dunkle Augen -------------------------------------- 95) Unergründlich dunkle Augen Sam genoss die Ruhe bei Bobby. Er wollte Dean seinen Fall bearbeiten lassen und dann mit ihm reden. Vielleicht war es wirklich gut so, dass sie eine Auszeit voneinander nahmen. Obwohl sie die ja eigentlich schon gehabt hatten, ein halbes Jahr lang. Oder war es mehr? Für Bobby waren sie zwei Monate verschwunden gewesen. Er selbst war definitiv im Oktober in El Paso angekommen und Mitte April wieder verschwunden und Dean? Der hatte ihrem Freund gegenüber etwas von einem Jahr erzählt. Auch Jacob hatte ihm bestätigt, dass Dean im März dort angekommen sein musste. Hatte der Trickster sie so unterschiedlich durch die Zeit geschickt? War es wirklich ein Engel gewesen, der sie zurückgeholt hatte? Er würde Dean fragen müssen. Es gab so vieles, was er mit seinem Bruder klären musste. Nicht nur seine verrückt spielenden Gefühle. Ein weiterer Blick zu seinem Laptop zeigte ihm, dass Dean vielleicht schon im Bett war. Er hätte erwartet, dass sein Bruder mehr durch die Bars ziehen und seine Freiheit genießen würde. Keuchend und nach Luft schnappend erwachte der Blonde. Hektisch strampelte er sich frei und setzte sich auf. Ganz langsam nahmen seine Augen die Umgebung auf und seine Atmung normalisierte sich wieder. Er saß in seinem Bett in seinem Motelzimmer in Naples und die Sonne schien durchs Fenster herein. Mit einem bedauernden Stöhnen ließ er sich wieder fallen. Er wollte weiter schlafen. Er wollte dieses Gefühl von Freiheit, von Unbeschwertheit und Freude wieder fühlen, das es hier nicht gab. Dean dachte an die Kleine von gestern Abend zurück. Sie war komisch gewesen, selbst für ihn. Quallen einsammeln!? Das war verrückt! Ihre Augen … Wieder sah er diese unergründlich tiefen Augen vor sich. Noch einmal holte er tief Luft und stand auf. Vielleicht konnte er noch ein paar Angehörige besuchen. Diese Aussicht ließ seinen Tag gleich noch viel düsterer aussehen. Schwerfällig schlurfte er unter die Dusche. Warm prasselten die Tropfen auf seinen Körper und lösten wieder diese unbeschwerte Freude in seinem Inneren aus. Er hatte das Gefühl freier atmen zu können. Verwirrt schüttelte er den Kopf. So ein Quatsch! War er ein Fisch? Obwohl … Dean grinste. Er war Wassermann. Energisch drehte er den Wasserhahn zu und trocknete sich ab. Er brauchte dringend Urlaub. Keine Monster, lange schlafen, nachts durch die Bars ziehen und unverbindlichen Sex mit Frauen, die er nie wieder sehen würde. Mit Carren hatte er im letzten Jahr ja schon fast sowas wie eine feste Beziehung gehabt. Zumindest war er ihr treu gewesen. Eher aus Mangel an Gelegenheit, als weil er in ihr wirklich mehr gesehen hätte, aber immerhin. So lange hatte er es mit keiner Frau ausgehalten. ‚Oh man! Du brauchst wirklich mal wieder eine heiße Frau und eine Nacht Sex, Winchester!’, dachte er und zog sich an. Jetzt musste erstmal ein schneller Kaffee aus dem Automaten reichen, und dann wollte er die letzten drei Familien der Hinterbliebenen der diesjährigen Selbstmörder besuchen. Und wenn er Glück hatte, würde er vielleicht einen Hinweis bekommen, dem er nachher in den Archiven noch nachgehen konnte. Vielleicht konnte er ja auch noch Eds Passwort knacken und sich seinen Rechner anschauen, wenn den die Polizei nicht schon beschlagnahmt hatte. Irgendwie musste er das, was die Menschen da zum Selbstmord trieb, doch finden können. Er konnte doch nicht alles verlernt haben! Schließlich war er doch auch alleine jagen gewesen, bevor er Sam geholt hatte. Und wenn er nichts fand? Wenn es doch an ihm lag? Wenn er Unglück brachte? Was dann? Wie eine Lawine brachen seine Schuldgefühle vom Vortag wieder über ihn herein. Dean schluckte schmerzhaft und schüttelte dann den Kopf. Darüber konnte er nachdenken, wenn er hier nicht weiter kam. Jetzt sollte er zusehen, dass er die Familien besuchte. Immerhin wollte er weder zu spät zu seinem Job kommen, noch einen weiteren Vormittag bei Kondolenzbesuchen vertrödeln. Er straffte sich und ging zu seinem Wagen. Bevor er ausparkte, schaute er in den Rückspiegel und erstarrte. Wieder schauten ihm die unergründlich tiefen, fast nachtschwarzen Augen entgegen. Bedauernd schloss er die Lider und als er sie wieder öffnete, starrte er nur noch in seine eigenen glanzlosen Augen. Der Winchester schüttelte den Kopf und fuhr los. „Oh mein Gott! Bobby!“, brüllte der jüngere Winchester in Richtung Küche und startete den kleinen Film, den er sich jetzt schon zum dritten Mal angesehen hatte, erneut, als er den Älteren hinter sich spürte. Vor einem Bürogebäude standen eine Menschenmenge, jede Menge Polizei und ein Leichenwagen. Dann schwenkte das Bild. Ein übergewichtiger Schwarzer in Uniform stand vor der Kamera. Sichtlich erschüttert erzählte er, dass sich ein langjähriger Mitarbeiter vom Dach gestürzt hatte und dass sein Kollege versucht hätte, den Mann zu retten, ihn aber nicht hatte halten können. „Dean war die letzten Tage da!“, erklärte Sam schockiert. „Ich muss zu ihm!“ „Aber er lebt. Warum …?“, begann Bobby irritiert. Schweigend klappte der Jüngere das Fenster zu und deutete auf das Textfenster darunter. Langsam fuhr er mit dem Cursor unter einem Satz entlang. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, Thomas McGregor, hat noch versucht den Mann zu halten, konnte letztendlich jedoch nichts gegen die Schwerkraft ausrichten. Immer wieder huschte der Pfeil unter dem Namen hin und her. „Dean!“, keuchte Sam leise. „Woher willst du wissen, dass er es war, der…“ „Zu der Zeit war er im Gebäude. Thomas hieß der Cowboy, der immer an Deans Seite war und McGregor …“ „War der Name des alten Jägers“, ergänzte Bobby. „Dean hat versucht den Mann zu retten! Ich muss zu ihm. Er braucht jetzt Hilfe!“ „Das befürchte ich auch. Er war eh schon angeschlagen! Flieg hin!“ Hektisch suchte Sam sich eine Flugverbindung nach Naples. „Ich kann erst morgen früh einen Flieger kriegen!“, stellte er leicht panisch fest und zeigte auf die Flugverbindung, die auf seinem Laptop stand. „Hast du ein Auto für mich?“ „Sam! Selbst wenn du jetzt losfährst und durchfahren würdest, wärst du frühestens eine Stunde vor dem Flieger da. Es sind an die 28 Stunden bis Naples. Und du musst auch noch schlafen und essen. Sam, bitte! Selbst wenn ich mitkommen und wir uns abwechseln würden, wir wären, wenn überhaupt, kurz vor dem Flieger da.“ Ergeben und frustriert nickte Sam. Die Welt hatte sich gegen ihn verschworen. Also tat er, was er am besten konnte, er stürzte sich in die Recherchearbeit. Vielleicht fand er ja einen Ansatz um die Selbstmorde zu beenden. „Thomas?“, fragte der übergewichtige Wachmann mit leicht genervtem Unterton in der Stimme. „Ja?“, schreckte der Blonde hoch. „Du starrst jetzt seit geschlagenen zehn Minuten auf meine Wasserflasche. Wenn Du was trinken willst, dann sag es doch einfach?“ Der Selbstmord von Eddison hatte seinen Partner mehr mitgenommen, als der zugeben wollte. Thomas hätte zu Hause bleiben sollen, überlegte er. „Ich …?“, verwirrt schaute er zu seinem Kollegen. Dann wanderte sein Blick wieder zu der Flasche und er schüttelte den Kopf. Was war nur los mit ihm? Wieder hatte er diese unergründlich tiefen Augen gesehen. In ihnen hatte soviel Freiheit gelegen, dass er … wieder schüttelte er den Kopf. ‚Reiß dich zusammen, Winchester. Du hast einen Fall zu klären!’, schalt er sich in Gedanken und stand auf. „Ich dreh die Runde“, sagte er mit fester Stimme. „Lass dir Zeit. Hier ist meine Karte.“ „Okay. Bis nachher“, grinste der Winchester traurig. Doch schon im Fahrstuhl überfiel ihn wieder dieses bedrückende Gefühl. Er musste an die Angehörigen denken, die er heute Morgen besucht hatte. An die Trauer, die in den Familien regelrecht greifbar war. Er würde wohl nie wirklich damit umgehen können, Menschen trauern zu sehen, ohne an seine Verluste erinnert zu werden. Wieder durchsuchte er einige Akten. Frustriert legte er seinen Kopf in seine Hand und schloss die Augen. Er holte tief Luft. Warum machte er das hier eigentlich? Niemand interessierte sich für diese Selbstmorde. Selbst in den Zeitungen war es nur eine Fußnote. Und auch wenn er etwas finden und dieser Serie ein Ende setzen würde. Es wäre doch egal! Keiner würde sich bei ihm bedanken. Keiner würde sich je an ihn erinnern. Warum also sollte er seine Zeit hier überhaupt vergeuden. Aber war es nicht egal ob hier oder woanders? Es interessierte sich doch eh niemand für ihn! Sam hatte sich bis jetzt nicht gemeldet, also war er wohl auch dem letzten Menschen egal, dem er vielleicht etwas bedeutet hatte. Wieder fiel ihm sein Traum ein. Dieses Gefühl von Freiheit. Keine Ängste, keine Bedenken, keine Schuldgefühle. Hatten Fische überhaupt Gefühle? Frei wie ein Fisch im Wasser. Dieser Gedanke war mit einem mal übermächtig in ihm. Übermächtig und sehr verlockend. Wütend schloss er die Akten und verstaute sie wieder in den Regalen. Sollte sich doch ein anderer den Kopf darüber zerbrechen, was hier vor sich ging! Ihm war es egal, so wie er allen egal war! Der Tag neigte sich dem Ende und inzwischen bereute er diese so einfach weggeworfene Gelegenheit, eine Lösung für das Problem hier zu finden. Er hatte nichts in der Hand, hatte nichts vorzuweisen, das diesem Tag einen Sinn gegeben hätte. Nichts, das seine Schuldgefühle dämpfen würde! Er fühlte sich miserabel. Dean saß im Impala und überlegte, ob er nicht einfach in eine Bar fahren und sich dort die Kante geben sollte. Vielleicht konnte er dann ja schlafen oder vielleicht fand er sogar eine Frau, die ihn seine Probleme für ein paar Stunden vergessen lassen würde. Und wie auf Kommando tauchten diesen Augen wieder vor ihm auf und schienen ihn zu locken, schienen ihm die Lösung seiner Probleme zu versprechen. Ihr Ruf war den ganzen Tag immer stärker geworden. Er startete den Wagen. Die Augen verschwanden. Das ruhige Grollen seines Babys beruhigte ihn ein wenig, und er lenkte die schwarze Schönheit auf die Straße. Ziellos fuhr er umher, bis er plötzlich, kurz vor Mitternacht, auf dem kleinen Parkplatz anhielt, auf dem er schon am Vortag gestanden hatte. Ob die Kleine wieder da war? Er stieg aus und ging zum Strand. Langsam schlenderte er über den festen Boden. Sandstrand hatte er sich irgendwie anders vorgestellt. Weicher. Langsam ging er zu der Stelle an der er sie gestern getroffen hatte. An jeder Ampel hatte er ihre Augen gesehen. Jede Ampel, die hierher führte, war grün und ein Hinweis für ihn gewesen, auch wenn ihm das eigentlich erst jetzt auffiel. Sie war nicht da, auch wenn wieder jede Menge Quallen am Strand lagen, von denen Morgen nichts mehr übrig bleiben würde. Dean ließ den Kopf hängen. Doch dann schien ihre Stimme durch die Luft zu schweben. Sie rief ihn und er schaute wieder geradeaus. Vor ihm auf dem Meer, keine hundert Meter entfernt war eine winzige Klippe auf der sie saß. Sanft schlugen die Wellen gegen die Steine, und das Wasser um sie herum schien sie regelrecht zu beleuchten. „Komm zu mir Dean!“, sagte sie leise. „Komm und alle deine Sorgen werden vergessen sein.“ „Aber ich …“, stammelte er abwehrend. „Sam will dich nicht, Dean, sonst hätte er sich schon lange gemeldet. Und allen Anderen bist du auch egal Dean. Niemand interessiert sich für dich, und niemand dankt dir für das, was du getan hast. Komm her Dean, ich will dich!“ Alles in ihm schrie danach zu ihr zu gehen, doch er blieb stehen. „Komm Dean, es ist so einfach. Du musst nur zu mir kommen.“ Der Winchester straffte sich. Eine Chance wollte er Sam noch geben. Eine! Er holte sein Handy aus der Tasche und schaute darauf. Nichts! Kein Anruf in Abwesenheit. Keine SMS. Er stopfte sein Telefon wieder in die Tasche, dann zog er sich die Lederjacke aus und warf sie hinter einen Busch. Sie hatte Recht! Er war allen egal. Keiner wollte ihn, keiner brauchte ihn und niemand würde sich dafür interessieren, wenn er einfach verschwinden würde! Ohne noch einmal zu zögern ging er ins Meer. Das Wasser spülte ihm um die Waden, doch es störte ihn nicht. Schnell war er bis zur Hüfte in den dunklen Fluten. Eine Welle schlug ihm, wie um ihn zur Umkehr zu zwingen, gegen den Körper. Dean grinste nur und sprang mit einem eleganten Hechtsprung in die Fluten. Mit ruhigen, kräftigen Zügen kraulte er auf’s Meer hinaus. Hosted by Animexx e.V. 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