Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 62: Gefunden -------------------- 62) Gefunden Die Sonne stieg und brannte ungehindert auf den humpelnden Mann. Seine Atmung war kurz und flach und rasselte mit jedem Atemzug durch seine Kehle. Immer wieder schwankte die rotbraune Ebene vor ihm von links nach rechts und verstärkte die Übelkeit auf ein unerträgliches Maß. Mit einem flehenden Wimmern brach er in die Knie und schon drängte sich der nicht vorhandene Inhalt seines Magens nach außen. Endlich hörten die Magenkrämpfe wieder auf und er ließ sich stöhnend auf seinen Fersen nieder. Vielleicht eine Meile vor ihm jagte ein Planwagen über die Ebene und hinterließ eine rote Staubwolke, die langsam auf ihn zu trieb. ‚Pferdewagen! Klar, weil hier ja auch so viele davon unterwegs sind.‘ Ein kurzes Grinsen huschte über seine Züge. Gefolgt von einem schmerzerfüllten Keuchen. Seine Muskeln krampften sich immer wieder zusammen und er kippte zuckend zur Seite. Staub klebte auf seinem Gesicht und brannte in den Augen, die er gerade erst aufgeschlagen hatte. Die Krämpfe hatten nachgelassen und er quälte sich wieder auf die Beine. Da vor ihm war eine Straße! Er konnte die Autos sehen, die da fuhren. Eine Schnellstraße, so wie die in der flirrenden Hitze rasten. Da musste er hin. Sammy würde in Santa Fe auf ihn warten! Sammy und ein Bett. Und dann wollte er einfach nur noch schlafen. Drei Tage schlafen und wehe Sam schleppte ihn zu einem Arzt! Aber vielleicht hatte er ja noch was von den Tabletten. Seit wann stand er denn auf Drogen? Er hasste es doch Sam so wehrlos ausgeliefert zu sein. Die Schmerzen ließen ihn einfach nicht mehr klar denken! Er brauchte nur eine Dusche und ein Bett! Sollte Sam sich die Tabletten doch sonst wohin stecken! Er schaffte das ohne, wie immer! Schon wieder hatte sich ihm so ein junger Felsen vor die Füße geworfen. Eine heiße Frau wäre ihm lieber gewesen. Immerhin wäre er dann nicht so hart auf dem Boden aufgeschlagen. Und schon wieder wurde sein Körper von einem dieser Krämpfe heimgesucht. Als der vorbei war, und er sich dazu in der Lage fühlte, stemmte er sich wieder auf die Füße. Eigentlich war es ihm ja ein Rätsel, wieso er es überhaupt noch schaffte, aber er wusste auch, dass, wenn er noch einmal fallen würde, er es nicht mehr schaffen würde sich aufzurichten und er musste doch weiter! Schon fast ängstlich klammerte er sich an seinen Ast. Seine Hände bluteten inzwischen so stark, dass er immer wieder von seiner improvisierten Krücke abrutschte. Nur seine Sturheit hinderte ihn daran einfach aufzugeben. Ausgebleichte Kuhschädel tanzten vor seinen Augen. Seine Lippen waren aufgerissen und schmeckten schon lange nach Kupfer. Dick klebte seine Zunge am Gaumen und behinderte ihn beim Atmen. Aber er musste weiter. Er musste zur Straße, musste zu Sammy! Seine Augen tränten und ihm war heiß! Unerträglich heiß. Sein Kopf schien eine einzige hämmernde Masse zu sein, die auch noch von Schritt zu Schritt schwerer wurde. Und dann blieb sein Fuß erneut an einem Stein hängen. Er strauchelte und stürzte. Umständlich versuchte er sich wieder aufzurichten. Doch diesmal war die Erdanziehung zu stark oder er zu schwach, er kippte zur Seite und verlor sich, krampfend, in einer wohltuenden Dunkelheit. Sein Körper rollte auf den Rücken. Unbarmherzig brannte die Sonne auf den Bewusstlosen herab. „Du fährst wie ein alter Opa“, lästerte der Jüngere, der auf dem Kutschbock neben seinem Bruder saß. „Hier ist freie Prärie und keine Stadt.“ „Meinst du, dass hab ich in drei Jahren vergessen?“ „Na ja, du musstest die ganze Zeit den alten Herrn durch die Gegend kutschieren. Kann ja sein, dass das längerfristige Folgen hat. Immerhin warst du in den vier Jahren davor auch immer nur in den Ferien bei uns.“ „Aber jetzt bin ich wieder da und du nur noch der kleine Bruder!“ „Bilde dir mal nicht zuviel ein!“ Die Männer auf dem Kuschbock hätten nicht unterschiedlicher aussehen können. Obwohl ihre Gesichter eine Familienähnlichkeit aufwiesen. Der Ältere, der die Zügel in der Hand hielt, war mit einem dunklen Anzug bekleidet. Ein Zylinder, unter dem braue, kurze Haare hervorschauten, komplettierte seinen Aufzug. Sein Gesicht war blass und verriet, dass er wohl in letzter Zeit wenig Sonne gesehen hatte. Der Jüngere hatte mittelbraune, längere, leicht gelockte Haare. Ein breitkrempiger Hut beschattete seine Augen. Er trug eine helle Baumwollhose, ein blaues Hemd und eine Lederweste darüber. Von seinen geliebten Chaps hatte er sich nicht trennen wollen, auch wenn seine Mutter darauf bestanden hatte, schließlich sollte er seinen großen Bruder von der Postkutsche abholen und keine Rinder treiben. Doch dessen sehnsüchtige Blicke hatte ihn die wütenden Blicke seiner Mutter vergessen lassen. Er war nun mal ein Cowboy! „Hey, halt mal an!“, rief der Jüngere aufgeregt. „Ich hab die Zügel in der Hand und ich kann auch schneller wenn du unbedingt gebrochene Pferdebeine riskieren willst, aber dir werde ich heute auf keinen Fall noch einmal die Zügel überlassen!“ „Nein, halt mal an! Da lag was!“ „Wer weiß, was du gesehen hast! Das war bestimmt nur eine tote Kuh!“ „Jetzt dreh schon um und fahr zurück! Das lag heute Morgen noch nicht da.“ Kopfschüttelnd wendete der Ältere den Wagen: „Und ich dachte du hättest es eilig zu Sarah zu kommen!“ Der Jüngere schnaubte nur ungehalten und hielt nach diesem unbekannten Etwas Ausschau, das er gesehen zu haben meinte. „Da vorn!“, rief er gleich darauf und deutete in die Richtung. Der Ältere hielt den Wagen an und sein Bruder sprang herab. Mit wenigen Schritten war er bei der vermeintlichen toten Kuh. „Ist aber eine komische Kuh!“, grinste der Jüngere und ging in die Hocke. „Verdammt, William, das ist ein Mensch“, er drehte den Mann, der jetzt, halb auf dem Bauch, zusammengekrümmt dalag um, und suchte nach seinem Puls, „und er lebt noch!“ Schnell war der Kutscher vom Bock und lief nun ebenfalls zu dem Bewusstlosen. „Sei vorsichtig, Jake!“, rief er und zog seine Waffe. Hier draußen wusste man nie. „Oh mein Gott!“, entfuhr es ihm. Der Mann sah furchtbar aus. Schnell hockte er sich seinem kleinen Bruder gegenüber und tastete ebenfalls nach einem Puls. „Bringen wir ihn auf den Wagen. Mom wird sich freuen, wenn sie wieder was zusammenflicken kann.“ „Hat sie ihre Samariter-Angewohnheiten noch immer nicht abgelegt?“ „Ohne die hätten wir nie so eine wundervolle Schwester bekommen!“ „Na ja, ich weiß woran du denkst, Brüderchen“, grinste William und packte den Mann unter den Armen. „Du bist ja nur neidisch!“ Schnell schafften sie ihn zum Wagen und betteten ihn zwischen Mehlsäcken und Stoffballen so weich wie möglich. Wieder tastete William nach dem Puls. „Er glüht. Wir müssen ihn unbedingt kühlen!“, sagte er aufgeregt und suchte nach der Wasserflasche, die er im Wagen wusste. Jacob reichte seinem Bruder das Gewünschte. Der hielt die Flasche an die aufgesprungenen Lippen ihres Findlings und ließ ein paar Tropfen hineinlaufen. Doch der Mann reagierte nicht. Und so kippte er den Inhalt der Flasche über dessen Oberkörper. Der Ältere drückte seinem Bruder die Zügel in die Hand: „Fahr du, du kennst die Fahrrinnen wohl besser als ich.“ Jacob nickte und während er versuchte ihre Fracht wie eine Schale roher Eier und doch so schnell wie möglich nach Hause zu transportieren, bemühte sich William dem Fremden etwas Wasser zwischen die aufgesprungenen Lippen zu träufeln. Langsam tauchte er aus seiner Dunkelheit auf. Etwas geschah mit ihm! Er schwebte! Er wollte sich wehren. Er wollte denen sagen, dass sie ihn in Ruhe lassen sollten und versuchte seine Augen zu öffnen. Sie waren ... Er bekam sie nicht auf! Panik fraß sich rasend schnell durch seine Eingeweide und dann wurde er wieder hingelegt. Er hoffte, dass sie ihn jetzt in Ruhe ließen, doch diese Hoffnung wurde betrogen. Er hatte das Gefühl, dass die Unterlage, auf der er lag, über ein Rüttelbrett gezogen wurde. Wenn er doch nur sehen könnte! „Sam“, bettelte er fast tonlos und versuchte sich zu drehen. Immer neue Wellen von Schmerzen drängten sich in sein Gehirn und löschten sein Bewusstsein wieder aus. Die helfenden Hände, die ihn in seinen halbherzigen Bemühungen unterstützten und ihn ein wenig zur Seite drehten, spürte er schon nicht mehr. „Mama!“, schrie Jacob aus vollem Hals und brachte den Wagen wenige Schritte vor der Veranda zum stehen. Roter Staub trieb den darauf stehenden Menschen die Tränen in die Augen. „Jacob! Wie kannst du nur ... Das wird ein Nachspiel ...“, begann der ältere Herr, der dunkle Hosen, ein helles Hemd und eine dunkle Weste trug. „Bitte Papa, nachher. Wir brauchen Hilfe!“, rief Jacob nur und bedauerte seinen großen Bruder etwas. So hatte der sich seinen Empfang nach drei Jahren Abwesenheit bestimmt nicht vorgestellt. Doch schon war er um den Wagen herum gerannt und hing jetzt halb auf der Ladefläche um die Beine des Fremden zu packen. Sofort zog er daran und William, der den Fremden wieder auf den Rücken gedreht hatte, fasste unter dessen Armen hindurch und kam in gebückter Haltung watschelnd nach hinten. Endlich waren auch die restlichen Familienmitglieder am Wagen. Etwas musste geschehen sein, sonst würde William bei den Querelen seines Bruders nicht mitmachen. Und dann sahen sie ihn. „Oh mein Gott!“, ließ die junge Frau sich hören. „Bringt ihn schnell ins Haus!“, befahl die ältere Frau, raffte ihre Röcke und lief voraus. Sie nahm die Tischdecke von dem großen Esstisch in der Diele und schob einige Stühle beiseite. „Legt ihn hier auf den Tisch“, kommandierte sie dann und die Brüder gehorchten. „Er muss starke Schmerzen im Rücken haben, er wollte sich vorhin unbedingt auf den Bauch drehen“, informierte der Ältere. „Er war wach?“, fragte ihn die Mutter. „Wach würde ich das nicht nennen. Ich glaube er wollte irgendetwas sagen, aber ich weiß nicht was. Ich habe es nicht verstanden.“ „Zieht ihn aus! Sarah hol’ heißes Wasser und Tücher. Richard, bitte bleib, vielleicht brauche ich dich“, bat sie ihren Mann, der gerade zum Wagen gehen wollte. Er liebte seine Frau und hatte ihre medizinischen Kenntnisse auch schon öfter in Anspruch nehmen müssen. Er hatte auch keine Probleme damit eine Kuh oder ein anderes Tier zu schlachten, aber bei einem Menschen verließ ihn diese kaltblütige Ruhe. Doch er blieb. Nie würde er sich das anmerken lassen! Er war Rancher! Den jungen Mann aus seinen Sachen zu befreien entpuppte sich als nicht so einfach wie gedacht. Nicht weil er zuviel angehabt hätte. Die Kleidung, die er trug war ihnen größtenteils vollkommen unbekannt. Die Jacke war geöffnet und das Hemd stellte auch kein Problem da, doch schon das Ding darunter stellte sie vor ein Rätsel. Auch seine Schuhe sahen seltsam aus. Die Hosen waren aus einem, ihnen in diesem Zusammenhang, unbekannten Stoff. So fest und doch so ... Sie kannten ihn eher von den Planwagen aber da war er weiß! Aber erst das, was er darunter trug …? Komische Unterhosen waren das! Jacobs Finger glitten vorsichtig über den Reißverschluss der Jacke. ‚Was ist das?‘, überlegte er und sah, dass an der Hose genau so ein Teil war. Das Messer am Knöchel des Fremden ließ sie schmunzeln. Mit flinken Fingern untersuchte Mrs. Harrison ihren Patienten. Sanft glitten sie über die roten Hautflächen auf Schultern, Hüften, Bauch und Oberschenkeln. Auch sonst waren auf dem Körper jede Menge feiner Narben sichtbar. Was hatte der Junge mitmachen müssen? Selbst für ihre Verhältnisse waren das zu viele. Vorsichtig löste sie den Verband an seiner Schulter. Womit war dieser nur befestigt und warum klebte das Zeug so. Das Wahre schien es ja wohl nicht zu sein, schließlich klebte es in der Wunde! Die Haut des Jungen war trocken und heiß und er war unnatürlich blass. Das war kein gutes Zeichen. Sarah kam mit Wasser und Tüchern und begann sofort dem Mann das Gesicht und die vom Fieber verklebten Augen auszuwaschen. Sie ging so vorsichtig wie möglich vor, da sich schon erste Bläschen bildeten. Er hatte einen furchtbaren Sonnenbrand. Der Fremde stöhnte leise. „Wäscht du dann bitte seine Hände ab?“, bat die Mutter. Sarah nickte und begann mit der linken Hand des Fremden. Kaum berührte das Wasser seine aufgeschürfte Handfläche, versuchte er auch schon ihr die Hand zu entwinden. Seine Zähne mahlten aufeinander. Warum konnte Sam ihn nicht in Ruhe lassen? Die Frau lächelte. Das war ein gutes Zeichen. Noch lebte er! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)