Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 4: Wer bin ich? ----------------------- ~~Wer bin ich?~~ Dunkelheit. Dunkelheit und Finsternis überall. Kein Licht, kein Schatten. Nur die Finsternis, die einen verschluckte. Immer rennen. Durch die Dunkelheit rennen. Niemals anhalten, sonst vergisst man zu leben. Oder ist man gar schon tot? Nein! Niemals aufhören zu denken und zu rennen. Er vergaß es nicht und rannte. Er rannte um sein Leben und wusste nicht, warum. Er wusste nicht mal, ob das mit dem Tod stimmte. Doch er rannte. Immer weiter und weiter. Plötzlich tauchte vor ihm ein Licht auf. Abrupt blieb er stehen. Die Angst fiel von ihm und er vergaß zu rennen. Doch der Tod blieb aus und so vergaß er ihn. Das Licht vor ihm war klein. Kaum von Bedeutung. Doch in dieser dunklen Welt fiel es auf und in ihm kamen Gefühle zurück. Schöne und auch traurige. Freude und Glück, aber auch Trauer und Hass kamen in ihn hoch. Doch dieses Licht verbreitete noch etwas in ihn. Es war die Hoffnung. Ohne zu wissen warum, rannte er auf das Licht zu. Immer weiter und weiter. Diese Mal ohne Angst, sondern mit Hoffnung im Herzen. Immer näher kam er es, doch das Licht schien nicht größer zu werden. Keine Zeit zu verrinnen. Alles war wie angehalten. So wusste er nicht, wie lange er lief, bis er ein leises Rauschen vernahm. Das Rauschen wurde lauter, zu einem Flüstern. Er wurde schneller, da das Flüstern vom Licht kam, doch es blieb fern und das Flüstern blieb ein Flüstern. Verwirrt schüttelte er den Kopf und rannte noch schneller. Vergebens. Alles vergebens. Das Licht verschwand langsam. Es wurde kleiner und kleiner und nahm das Flüstern mit sich. Es machte sich wieder Dunkelheit breit, doch dieses Mal war es eine andere Dunkelheit. Sie schien willkommener und freundlicher zu sein. Plötzlich spürte er einen Schmerz im Brustkorb und öffnete schlagartig die Augen. „Hey, du!“, kam es von oben auf ihn herab. Verwirrt hob er den Kopf, den er anschließend wieder hinlegte, da ihm alles weh tat. „Hey, du, wach auf“, kam es erneut von oben. „Du Schlafmütze kannst doch nicht am helligsten Tag schlafen! Außerdem blutest du und hast viele Schrammen.“ Ein Seufzen entströmte der schmerzenden Kehle des Angesprochenen. Langsam hob er seinen Kopf und anschließend seinen verschrammten, schmerzenden Körper. Ihm wurde kurz schwindlig, doch das schüttelte er ab. Vor sich nahm er eine verschwommne Gestalt war. Als er halbwegs stand, setzte er sich hin, um einen klaren Kopf zu bekommen. Dies wirkte auch. Nach wenigen Sekunden begann sich seine Sicht wieder zu klären. Nun konnte er diese verschwommene Gestalt besser sehen. Vor ihm saß aufrecht ein Wolf. Nein, es war kein Wolf. Erst beim zweiten hinsehen bemerkte er, dass es eine Wölfin war. Sie war grau, mit braunen Flecken im Fell. Einer ging um ihr rechtes Auge, der andere bedeckte ihre rechte Vorderpfote, wiederum einer färbte ihre Schwanzspitze braun und der größte von allen war ein halbmondförmiger Fleck auf ihrem Rücken, den er nur undeutlich sehen konnte. Die Wölfin war höchstens 5 Jahre alt. Sie blickte ihn mit schiefen Kopf verspielt an. „Ich musste ganz schön schreien und einmal auf deinen Bauch springen, damit du wach wirst. Ich hoffe, dass ich dir nicht den Magen durcheinander gebracht und vor allem keine Rippen gebrochen habe“, sprudelte sie los, sodass er Mühe hatte, ihr zu folgen. „Äh ja...“ waren seine ersten und einzigen Wörter, die er herausbrachte. „War ein ganz schöner Sturz, den du da erlitten hast, also, falls du von da oben kamst, was ich glaube“, redete sie einfach weiter, „Ich wollte da schon immer mal hinunterpurzeln, aber habe es mir nie richtig getraut. Die anderen haben mich immer davon abgehalten. Aber nun, du kannst mir ja erzählen wie es war!“ Nun blickte sie ihn mit interessiertem Blick an. >Träume ich nur oder ist sie selbst auf den Kopf gefallen?<, schoss es ihm durch den Kopf. „Ähm, also ich an deiner Stelle würde das nicht machen.“ Er blickte den steilen Abhang hinauf. Dieser führte über 200 Meter nach oben, bevor er endete. >Von da soll ich heil nach unten gefallen sein... Aber wieso?< „Danach tut dir alles weh. Aber, wie der Sturz im Allgemeinen war, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es nicht mehr“, flüsterte er schon fast, da er angestrengt versuchte sich zu erinnern. Daraufhin legte die fremde Wölfin ihren Kopf noch schiefer. „Mh, ist ja egal! Mein Name ist Kora. Und wie lautet deiner?“ Nun war er überfragt. „Mein... Name?“ Die Wölfin nickte aufgeregt. „Ja ja. Genau, dein Name.“ „Nun mein Name ist... ich weiß ihn nicht mehr“, gestand er ihr schüchtern. Er wusste ihn wirklich nicht mehr, oder hatte er überhaupt einen Namen? „Oh schön dich kennen zu lernen ‚Ich weiß ihn nicht mehr’! Das ist aber ein eigenartiger Name“, sagte die Wölfin mit einem Kichern und meinte es offenbar Ernst. „Nein, du verstehst mich falsch. Ich kann mich an meinen Namen nicht mehr erinnern. So wie ich mich an den Absturz nicht mehr erinnern kann.“ Nun war die Wölfin selbst verwirrt. „Du heißt gar nicht ‚Ich weiß ihn nicht mehr’?“ Er schüttelte seinen Kopf. „Oh, dann haben wir ein Problem.“ Es entstand eine längere Pause, wo Kora traurig den Felsen hinter dem jungen Wolf anblickte. Nach einer längern Zeit glaubte er, sie sei eingeschlafen, doch dann sprang sie überrascht auf und ging auf ihn zu. Kora betrachtete ihn genau. Er hatte schwarzes, dunkelblaues und dunkelbraunes Fell, sowie dunkelblaues Haar. Der weiße Punkt und die weiße linke Hinterpfote mochten zu seinem finsteren Auftreten nicht so recht passen. „Nun, wenn du dich nicht mehr erinnerst, so müssen wir dir einen neuen Namen geben“, sagte sie und blieb vor seinem Gesicht stehen. „Ich werde das tun, aber nur, wenn du willst“, den letzten Teil fragte sie schon etwas kleinlaut. Kora blickte erwartungsvoll in seine Augen. Nach längerer Zeit, in der er seine Verwirrung bekämpfte, nickte er. „Ähm, lass mal überlegen...“, nun entstand eine weitere Pause, in der sie ihn tief in die Augen blickte. >Irgendwie ist mir diese Wölfin unheimlich<, schoss es ihm durch den Kopf. „Yen“, schoss es aus ihrem Maul. „Wir nennen dich Yen!“ Sichtlich zufrieden trabte sie von ihm weg. „Yen“, wiederholte der junge Wolf. Zuerst klang der Name komisch in seinem Mund, doch, je öfters er ihn aufsagte, desto besser gefiel er ihm. Nach einiger Zeit nickte er. „Ja, Yen ist ein toller Name für mich. Danke, Kora.“ Sichtlich stolz auf ihre Leistung sprang Kora in die Luft. „Nun gut, Yen. Wie du aussiehst, hast du bestimmt einen Riesenhunger.“ Yen war überrascht, wie schnell diese Wölfin das Thema wechseln konnte. Genau in diesem Moment knurrte sein Magen und er musste schüchtern den Kopf nicken. „Ja, den habe ich wohl.“ Sichtlich zufrieden mit dieser Reaktion stand sie auf. „Nun, dann lasst uns Sanja und Manain bei der Jagd helfen. Ich sollte das eigentlich schon längst tun, aber da fanden wir dich und ich beschloss, bei dir zu bleiben, bis du aufgewacht bist. Doch jetzt können wir beide ihnen ja zur Pfote gehen. Aber wie ich sehe, bist du noch nicht so ganz fit. Du solltest lieber langsam mitgehen und zuschauen. Mit ein paar Erdbrocken haben wir den Hasen gleich“, sprudelte Kora erneut los und ging langsam Richtung Wald, der sich nach den Felsen und der öden Steppe aufmachte. Schwerfällig erhob sich Yen. Bevor er Kora folgte, blickte er noch einmal den Felsen hinauf. Er wirkte groß und beängstigend zugleich. Als ihn eine Felszunge auffiel, überkam ihn ein Schauer, ohne, dass er wusste, wieso. Blitzartig drehte er den Kopf herum und schüttelte sich. Anschließend folgte er Kora humpelnd, die es lustig fand anstatt geradeaus zu laufen, durch die Gegend zu hüpfen und ab und zu einem Schmetterling hinterher zu jagen. Doch sie vergaß nie ihren neuen Freund und kam immer wieder mit führsorglichem Blick zurück. Plötzlich vernahmen sie ein Heulen vor sich. „Oh, das ist Sanja! Sie haben einen aufgespürt. Los, beeil dich, ich will mithelfen bei der Jagd“, japste Kora vor Freude und begann schneller zu laufen. Yen, dem es nun besser ging, konnte mit ihr bequem Schritt halten. „Sie kommen auf uns zu. Sie treiben die Beute in unsere Richtung“, kam es von der Wölfin, der man ansah, dass sie sich auf die bevorstehende Jagd freute. Nach einigen Metern vernahmen sie vor sich das Traben von leisen Wolfspfoten und das Schnaufen ihrer Besitzer. Nun rochen sie sie, da sich der Wind gedreht hatte. Genau in diesem Moment sprang Kora nach vorne und eine ein Meter hohe Erdmauer entstand vor ihm. Überrascht trat Yen einen Schritt zurück. >Was... was ist das?<, dachte er sich und ging mehrer Schritte verängstigt zurück. Kora bemerkte dies nicht, weil sie sich um ihre Beute kümmerte, die nun versuchte, einen Fluchtweg an der Erdmauer entlang zu finden. Knurrend sprang sie auf den Hasen zu und jagte ihm nach. Die Mauer verschwand und zwei weitere Wölfe tauchten hinter Kora auf. Sie waren ebenfalls grau, doch mehr konnte Yen nicht erkennen. Er blieb wie angewurzelt stehen und rührte sich nicht mehr. Yen vernahm weder das triumphierende Aufjaulen Koras noch den Todesschrei des Hasen. Einige Zeit verging, als er endlich wieder zu Atem kam. Ihm hatte diese plötzlich auftauchende und gleich wieder verschwindende Mauer so sehr geschockt, dass er kaum bemerkt hatte, wie das Atmen bei ihm ausfiel. Nun vernahm er auch, wie sich die siegreichen Wölfe ihm näherten. Von Weitem konnte er schon Koras aufgeregte Stimme hören, die berichtete, wie sie ihn gefunden, aufgeweckt und anschließend einen neuen Namen gegeben hatte. Als sie an der Stelle mit den Namen ankam, waren sie bei Yen angekommen. „Nun, und ich gab ihm schließlich den Namen Yen. Keine Ahnung wieso, aber ich finde er passt und Yen ist meiner Meinung. Oh, da ist er ja. Hallo Yen!“ schrie sie und kam mit großen freudigen Sprüngen näher. Als sie bei ihm ankam, sprang sie einmal um ihn herum und wartete, mit dem Schwanz wedelnd auf ihre anderen Freunde. Nun konnte er die zwei Wölfe genauer erkennen. Der eine war ein Weibchen und der andere ein Männchen. Das Weibchen war älter als Kora. Yen schätzte sie auf 7 Jahre, die ausgewachsen und größer als Yen war. Sie hatte graues Fell, wie Kora. Ihr links Ohr war weiß, sowie ihr Rücken. Der andere Wolf war ebenfalls grau. Er hatte eine schwarze Brust und sein linkes Hinterbein war auch schwarz. Dieser dürfte 6 Jahre alt sein und war etwas kleiner als Yen. „Yen, darf ich dir Sanja und Manain vorstellen? Sind beide ganz nette Wölfe“, stellte Kora sie vor. „Ach, du bist endlich aufgewacht. Dachten schon, du seihst tot“, sagte Sanja kichernd und ging zu ihm. Manain, der den Hasen im Maul trug, blickte ihn neugierig an. Yen betrachtete die Wölfin. „Wie man sieht, weile ich noch unter euch. Bis auf ein paar Schrammen geht es mir gut.“ Daraufhin musste Sanja wieder lachen. „Nun gut. Lasst uns zurück zu dem Fluss gehen, wo wir dann den Hasen fressen können.“ Gesagt, getan. Langsam, damit Yen mitkam, trabten die vier tiefer in den Wald hinein. Kurze Zeit später konnte Yen den Fluss rauschen hören. Bald kamen sie auch dort an, woraufhin Manain den Hasen fallen ließ. Alle drei stürmten sofort auf den Hasen los. Diese Reaktion verwirrte Yen etwas, da ihm sein Instinkt sagte, dass immer zuerst der größere und stärkste Wolf fressen durfte. Doch den dreien schien das wenig zu kümmern. Um auch etwas von dem Hasen abzubekommen, gesellte er sich zu ihnen. Er biss seine Zähne herzhaft in das magere Fleisch. Nach wenigen Minuten waren die Knochen blank gelegt. Zufrieden nahm sich jeder einen Knochen und legte sich hin, um auf diesen herumzukauen. Währenddessen betrachtete Yen seine Umgebung. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung, die auf einer Seite an einem kleinen Fluss endete und auf den restlichen Seiten an einem Wald grenzte. Leise zwitscherten die Vögel in den Bäumen und die Bienen gingen summend ihrer Arbeit nach. Dies war ein fröhlicher und schöner Ort. Niemand war nach dem Mahl richtig satt geworden, doch dies war Alltag bei so einem kleinen Rudel, wie es diese drei waren. Als die größten Knochen auch verputzt wurden, stand Yen auf, um im Fluss zu trinken. Nachdem er fertig war, ging Sanja auf ihn zu. „Yen, sag uns doch mal, wieso du diesen Abhang hinuntergestürzt bist“, fragte sie und blickte tadelnd zu Kora hinüber. Yen, den diese Frage kaum verwunderte sagte: „Ich kann euch das gar nicht richtig erklären. Denn ich kann mich an alles, bevor ich aufgewacht bin, nicht mehr erinnern. Alles ist weg... von einem dicken Nebel umhüllt. Ich weiß, dass es da ist, aber ich erinnere mich nicht. Außerdem wüsste ich auch gerne, wieso ich von da oben heruntergefallen bin.“ Als er dies sagte, blickte er besorgt sein Spiegelbild im Wasser an. >Woher kam ich nur? Wieso bin ich diesen Abhang hinuntergestürzt? Wie war mein Leben davor? Wie heiße ich eigentlich richtig?< Diese Fragen und noch viele mehr spukten in seinem Kopf herum. Es blieb längere Zeit still. Nach einigen Minuten erhob sich Manain und ging zu Yen. Er stellte sich neben ihn und blickte ebenfalls in den Fluss, um sein Spiegelbild darin zu beobachten. „Nun, das Leben ist wie ein Fluss, Yen. Es fließt immer weiter und weiter und niemals zurück. Man kann nicht in die Vergangenheit zurückkehren, so gern man auch will. Du wirst dies alles vergessen haben, doch, aber ich bin mir sicher, dass du all diese verlorenen Gedanken zurückbekommen wirst. Mit der richtigen Einstellung natürlich“, sagte Manain, woraufhin Yen ihn überrascht ansah. Dies waren die ersten Worte, die der kleinere Wolf sagte. Die Worte waren tiefgründig und berührten Yens Herz. Gerührt senkte er den Kopf. „Danke, Manain“, nuschelte er dann. Manain nickte nur mit den Kopf und erklärte: „Lass dir eines sagen: Du darfst es nicht erzwingen, diese Gedanken wieder zu erlangen. Sie kommen, wann sie wollen, nicht, wann du sie brauchst oder haben willst.“ Mit diesen Worten drehte sich der graue Wolf um und ließ sich wieder in das Gras fallen. Daraufhin kam Kora zu ihm und stupste ihn freundschaftlich in die Seite. „Das, was Manain sagt, darfst du ihm ruhig glauben“, erklärte sie, obwohl sie wusste, dass Manain sie hören konnte, „Er redet zwar nicht viel, doch das Wenige, was er sagt, ist von Bedeutung.“ Yen nickte. „Nun, ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen, Manain. Dankeschön, dass ihr mir geholfen und mich in eurer Rudel aufgenommen habt.“ Nun war es an Sanja, Manain und Kora Yen verwirrt anzustarren. Dieser blickte in ihre Gesichter und fragte vorsichtig: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Er legte seinen Kopf schief. Sanja trat einen Schritt auf ihn zu. „Wir sind kein Rudel, Yen. Rudel sind viel größer. Wir drei haben uns gegen ein Rudel entschieden, aus verschiedenen Gründen, musst du wissen“, sagte sie mit fester und stolzer Stimme, „Deswegen haben wir dich so leicht aufgenommen, weil du auch ein Rudelloser bist, so wie wir.“ Nun war es an Yen verwirrt zu fragen: „Kein Rudel? Das ist ja komisch. Aber wieso, wenn ich fragen darf? Hat man euch verstoßen?“ Kora setzte sich vor ihn und beantwortete seine Fragen: „Ja, wir wurden verstoßen. Alle aus verschiedenen Gründen, die ich jetzt nicht aufzählen möchte. Nun, und nach dieser Verstoßung, hatten wir keine Lust mehr, in einem Rudel zu sein. Die Sitten sind zu stark und wir zu schwach oder zu dickköpfig, sie zu akzeptieren. Deswegen haben wir uns getrennt und sind wenig später auf andere gestoßen, die die gleiche Meinung hatten, wie man selbst. So haben wir beschlossen, uns zusammen zu schließen, da man alleine als Wolf nur schwer zurechtkommt, ohne diese Rudelregeln und frei zu leben, wie jeden es genügt. Wir akzeptieren einander und halten zu jedem. Wir wandern gemeinsam durch die Welt und meiden andere Rudel, doch nicht ihr Gebiet, da wir denken, dass eine bestimmte Region einem Rudel nicht alleine gehört. Wir sind sozusagen freie Wölfe.“ Nach dieser Ansprache blieb es längere Zeit still. Yen wusste nicht, was er antworten sollte. In seinem Inneren spürte er, dass es falsch war, so zu denken. Er war eben ein waschechter Wolf und das Streben nach einem Rudel saß in ihm. Doch er schüttelte verständlich den Kopf. „Freie Wölfe also? Dann will ich mit euch ein freier Wolf sein!“ >Nicht umsonst bin ich diesen Abhang hinuntergestürzt. Alleine komme ich hier nicht zurecht<, dachte er sich und sagte den Anderen: „Ich werde solange ein freier Wolf sein, bis ich mein eigentliches Rudel gefunden habe.“ Nun sprang Kora auf und trat freudig vor Yen. „Ich schätzte, du darfst bei uns bleiben!“ Zufrieden mit sich selbst ging Yen vom Fluss fort, um sich ein stilles Plätzchen zum Schlafen zu suchen, da er noch nicht ganz auf den Beinen war. Bevor er in einen Tiefschlaf überging, riss es ihn aus dem Schlaf. Er vernahm ein dumpfes Geräusch und blickte auf. Er sah Kora, die vor einem schwebenden Stein stand. Geschockt sprang Yen auf und blickte sie an. Noch immer verweilte dieser in der Luft. Sich der Gefahr bewusst, rannte Yen nach seiner Starre auf Kora zu. „Vorsicht!“, schrie er und stieß sie auf die Seite. Beide kamen auf den Boden auf, sowie auch der Stein. Verwirrt stand Kora auf und schüttelte sich. Yen tat es ihr gleich und blickte mit vor Angst geweiteten Augen den Stein an. „Wieso hast du das getan? Ich war gerade so richtig in Fahrt und du musstest mich bei meinem Spielchen stören.“ Yen wandte den Blick nicht vom Stein ab. „Der hätte dich umbringen können!“, flüsterte er dann und blickte in Koras Augen. „Ach, Quatsch! Das war doch ich selber. Ich weiß doch, wie ich meine Kräfte einsetzen kann und wie nicht!“ Nun hörte man, dass Kora leicht genervt war und Yen anknurrte. Dieser ging mit aufgerissenen Augen einige Schritte zurück. „Aber... aber... wie kannst du das gewesen sein?“ Kora hörte sofort auf zu knurren und setzte sich hin. „Tut mir leid, ich habe ganz vergessen, dass du dein Gedächtnis verloren hast“, entschuldigte sie sich bei ihm und blickte auf den Boden. „Nun, ich will es dir erklären. Weißt du denn nicht mehr, dass es auf dieser Welt nicht nur normale Wölfe, sondern auch Elementwölfe gibt, die die Elemente beherrschen können? Ich bin so ein Elementwolf und kann die Erde bändigen.“ Yen wurde nun einiges klar. „Die Erde bändigen? Also, das ist ja echt... klasse.“ Er wusste nicht, wie er mit dem Gedanken klar kommen sollte. Aber tief in seinem Inneren hatte er gewusst, dass es solche Wölfe gab. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kamen ihm die Gedanken dazu zurück. „Ah, ach so ist das. Ich weiß es wieder!“ rief er freudig und sprang auf. „Die Götter gaben uns ihre Seelenkraft, damit wir uns gegen die anderen Tiere behaupten können.“ Nun sprang auch Kora auf. „Ja, du hast dein Gedächtnis wieder! Und wie heißt du wirklich?“ „Nein nein. Mir ist nur gekommen, dass es Elementwölfe gibt und das mit den Göttern und der Seelenkraft. Dort hat sich der Nebel gelichtet und ich weiß es wieder. Der Rest ist weiterhin verschleiert“, sagte Yen sogleich und setzte sich wieder hin. „Oh, wenn das so ist. Nun aber sind wir mal froh, dass du das wieder weißt und...“, sie brach mitten im Satz ab und blickte starr geradeaus. Sanja bemerkte dies sofort und eilte zu ihr. „Kora was ist los?“ „Da... da kommen Wölfe auf uns zu. Drei Stück, wenn ich mich nicht täusche. Ich spüre sie, wie sie rennen. Sie sind nur noch wenige Meter von uns entfernt! Schnell in den Fluss, damit sie uns nicht finden“, rief Kora sogleich und sprang zuerst in den besagten Fluss. Zum Glück war dieser flach und die Wölfe konnten bequem darin laufen. Nach wenigen Metern kurzem Sprint, blieb Yen stehen. Er hatte ein komisches Gefühl im Bauch. „Kora! Rennt ihr schon mal vor. Ich folge euch gleich. Ich muss noch etwas erledigen“, schrie er nach vorne und sprang zurück. Kora nickte nur und brachte sich in Sicherheit. Sie hatte Angst vor diesen Wölfen, obwohl sie nicht wusste, warum. Es waren nur drei, doch sie waren groß und bestimmt stark. Das hieß für sie, dass sie es nicht mit ihnen aufnehmen konnten. Yen war unterdessen wieder zurück zu dem Platz gesprintet. Dort blieb er weiterhin im Wasser und versteckte sich hinter einen Stein. Wenige Sekunden später trafen auch die drei Wölfe ein, von denen Kora gesprochen hatte. „Halt! Ich rieche etwas!“, sagte der Größere von den dreien. Es war ein schwarzer Wolf mit grauer Brust. Die anderen beiden waren durchgehend grau, mit ein paar schwarzen Unterbrechungen im Fell. Sofort blieb die Kompanie stehen und beugte ihre Köpfe, um den Boden abzuschnuppern. Der große Wolf hob knurrend die Schnauze. „Hier sind zu viele Gerüche und der Gestank von Blut schwebt auch in der Luft. Lasst uns weiter zum Abgrund gehen. Wir haben keine Zeit, dieses Rudel aufzuspüren.“ Die anderen Beiden stimmten zu und jagten mit ihm davon. Yen folgte ihnen leise im Unterholz, um nicht entdeckt zu werden. In Yen machte sich ein ungutes Gefühl breit. >Zum Abgrund? Die wollen doch nicht etwa zu mir?<, dachte er sich und schlich den Wölfen hinterher. Er wusste nicht, wieso er diese Dummheit beging. Vielleicht, weil er hoffte, etwas über sein früheres Leben zu erfahren und seine Gefühle ihm zeigten, dass diese Wölfe etwas damit zu tun hatten. Immer weiter gingen sie, bis sie an dem Abgrund ankamen. Dort wanden sie sich nach rechts, bis sie zu der Stelle ankamen, wo Yen wenige Stunden zuvor noch gelegen war. Yen blieb im Unterholz des Waldes und blickte die drei abwartend an. Diese senkten ihre Köpfe, um den Boden abzuschnuppern. „Nun, er lag eindeutig hier. Viel Blut hatte er nicht verloren. Also einige Schürfwunden. Aber ich schätze, dass er sich nach diesem Abgrund sowieso das Genick gebrochen hat. Das, was mir aber Sorgen bereitet ist, wieso er nicht mehr da liegt!“, sagte der größere Wolf mehr zu sich, als zu den anderen. „Hier, ich habe eine andere Spur gefunden!“, rief nun einer der Kleineren. „Sie kommt von einer Wölfin. Anscheinend hat sie ihn gefunden und ihn von hier fortgeschleppt. Seht euch nur diese Schleifspuren in der Erde an. Die können nur von einem toten Wolf stammen, der von einem anderen Wolf gezogen wurde.“ Der dunkle Wolf gesellte sich zu ihm und blickte ebenfalls den Boden an. Skeptisch hob er den Kopf. „Nun, hoffen wir mal, dass er tot ist. Es besteht eine große Chance, dass er tot ist. Dieser Abgrund und diese Schleifspuren können Beweis genug sein. Das dürfte ihn zufrieden stellen. Gut gemacht!“, lobte er den Wolf, der daraufhin freudig einen Satz auf die Seite machte. „Aber ich schätze, wir lassen diese kleinen Unannehmlichkeiten beim Erzählen weg. Vergesst, dass hier wenig Blut liegt und haltet die Klappe. Überlasst den Rest einfach mir. Er wird schon gestorben sein“, sagte der große Wolf und wandte sich nach Westen. „Nun, lasst uns aufbrechen. Ich möchte noch vor der Nacht beim Rudel ankommen. Sonst wird er noch denken, dass wir uns verlaufen haben und uns auslachen.“ Nach diesen Worten sprinteten die drei Wölfe los. Yen blieb alleine zurück im Gebüsch. Verwirrt starrte er auf die Stelle, wo er vor Kurzem aufgewacht war. >Sie haben mich gesucht, aber warum? Was habe ich getan, dass ich so wichtig bin, dass sie meine Leiche auffinden wollen, um sich zu vergewissern, dass ich wirklich tot bin. Und wer waren diese Wölfe überhaupt?< Verwirrt schüttelte er den Kopf und blickte in den Himmel. Längere Zeit blieb er so sitzen. Der Himmel verdunkelte sich allmählich, bis langsam die Sonne gänzlich untergegangen war und der Mond sich langsam zeigte. In dieser Nacht schien der Mond ganz hell. Es war Vollmond. Traurig blickte Yen ihn an. „Wer bin ich?“, fragte er diesen. Als er keine Antwort bekam, heulte er alle Traurigkeit in den Himmel, die er in sich hatte. ~~Wer bin ich? Ende~~ Woher kamen die drei Wölfe? Kora, Sanja und Manain, ein Sprung in die Freiheit? Wird Yen sein wahres Ich je wieder finden? Ein riesiges Loch im Gedächtnis, das gefüllt werden will, es aber nicht kann... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)