Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 1: Kralle um Kralle, Zahn um Zahn ----------------------------------------- ~~Kralle um Kralle, Zahn um Zahn~~ „Jurikin, du Feigling!“, rief der junge Wolf von der anderen Seite des Platzes. Jurikin schüttelte den Kopf und schnaubte seinen angehaltenen Atem hinaus. „Na warte! Das bekommst du zurück, Xin“, knurrte Jurikin seinem Gegenüber entgegen. Man konnte die Aufregung und den Blutrausch in beiden Wölfen nahezu in der Luft spüren. Es war ein nebliger und nasser Tag, wie so oft hier im Norden. Darum war der Kampfplatz matschig und dreckig. Die Abenddämmerung setzte langsam ein und die Sterne konnte man schon am Horizont sehen. Der Kampf selbst wurde auf einer großen Lichtung ausgetragen, bei dem sie von vielen Wölfen, hauptsächlich normalen, aber auch von Finsterniswölfen umringt wurden. Die Wölfe kamen in Scharen, um bei diesem Spektakel dabei zu sein. Denn genau heute wird der Platz des Nachfolgers im Finsterniswolfsrudel, das sich im Norden des Landes Daromi befand, ausgetragen. Einer der größten und stärksten Rudel auf der Welt. Diese Kämpfe sind in diesem Rudel berühmt, da sie nur in diesem und in keinem anderen Rudel stattfinden. Bei den anderen Rudeln war es normal, dass der Älteste, oder ein anderer stärkerer Wolf, später den Platz des Rudelführers einnehmen wird. Aber hier im Nordfinsternisrudel herrschen andere Sitten. Dort ist immer ein Finsterniswolf das Alphatier. Diese sind immer die Söhne der vorherigen Alphatiere. Normalerweise hat immer der Finsterniswolf aus dem ersten Wurf die Ehre, seinen Vater später herauszufordern. Doch werden in einem Jahrgang gleich zwei Rüden geboren, so findet ein Kampf statt, um herauszufinden, wer der stärkere von beiden ist. Meistens treten die Jungwölfe im Alter von drei Jahren gegeneinander an. Die Entscheidung des Gewinners wird anschließend von den Alphatieren und ihren engsten Beratern selbst gefällt. Bei diesen Kämpfen dürfen keine Elemente eingesetzt werden. Sprich, die jungen Finsterniswölfe müssen sich mit ihrer körperlichen Stärke und ihrem eigenen Wissen duellieren, da bei jedem Wolf die Elementstärke anders ausgeprägt ist. Sehr viele solcher Kämpfe endeten mit reichlichen Verletzungen. So mancher schon mit dem Tod, wenn nicht rechtzeitig der Kampf beendet wird. Doch genau diese Todeskämpfe punkten bei den Alphatieren sehr, da sie zeigten, dass der Gewinner ein starker und rücksichtsloser Wolf sei und später das Rudel erfolgreich anrühren wird. Heute war es der große Tag für Jurikin und Xin, die beide drei Jahre alt waren und beide das Element Finsternis in sich trugen. Jurikin war zwar älter und größer als sein Bruder, doch noch lange nicht stärker als dieser. Jurikins Bruder punktete mit der Flinkheit und dem starken Biss, den er besitzte. Xin war ein kleiner dicklicher Wolf mit schwarzen Fell und strahlend roten Augen. Sein schwarzes Fell wurde nur durch seine braunen Brust unterbrochen. Jurikin hatte schwarzes Fell, gelbe Augen und blaues Haar. Doch sein Fell ist nicht gänzlich Schwarz. Bei der Hälfte seines Körpers war dunkelblaues Fell und an seinem Bauch dunkelbraunes. Seine Beine waren mit schwarzen Streifen durchzogen. Doch das Eigenartigste an ihm war, dass er an seiner rechten Schulter einen weißen Kreis besitzte und seine linke Hinterpfote war ebenfalls weiß. Weiß war eine ungewöhnliche Farbe für einen Finsterniswolf. Normalerweise hatten diese schwarzes bis gräuliches Fell, aber kein weißes. Xin und Jurikin waren nicht diese typischen Wolfsbrüder. Beide hassten sich zutiefst, da sie schon sehr früh mit dem Gedanken aufgezogen wurden, später einmal gegeneinander um den Platz des Alphawolfs kämpfen zu müssen. Dieser Gedanke erschuf eine finsteren Mauer, die sich mit jeden Tag weiter ausdehnte. Jeden Tag leisteten sie sich kleine Machtkämpfe, um zu beweisen, wer der stärkere von beiden war. Doch dies kümmerte beide Wölfe im Moment nicht, da sie damit beschäftigt waren, sich gegenseitig finstere Blicke zuzuwerfen und den nächsten Schachzug zu planen. Es war totenstill auf dem Platz und niemand bewegte sich. Kurz ließ Jurikin seinen Blick über die Menge schweifen. Überall waren Wölfe verschiedenster Herkunft. Sein Blick streifte sowohl ernste als auch ängstliche Gesichter. Jedem blickte er finster entgegen und jeder, der in seine Augen sah, musste seinen Kopf senken, da sie diesen Anblick nicht ertrugen. Er ließ seinen Blick weiterschweifen, bis er bei dem seines Vaters Taroxon hängen blieb. Taroxon war ein großer schwarzer Finsterniswolf mit einem bösen Blick und finsterem Charakter. Dieser blickte Jurikin gleichgültig an, woraufhin diesem ein Schauer über den Rücken huschte. Sofort zwang sich Jurikin, sich wieder zu konzentrieren und blickte weg. Sein Blick blieb an der rechten Seite seines Vaters hängen. Seine Mutter Serina lag dort ängstlich im Schatten der Bäume im Gras. Serina war auch eine Finsterniswölfin, doch sie hatte gräuliches Fell mit lila Streifen und lila Haar. Für sie war es kein leichter Anblick, ihre beiden Söhne kämpfen zu sehen. Sie litt mit jeder Minute mehr, doch als Wolfsmutter war es ihre Pflicht an so einem großen Tag bei ihren Söhnen zu sein. Plötzlich wurde Jurikin aus seinen Gedanken und auf den Boden gerissen. Sein Bruder war erneut auf ihn zugesprungen, wie schon so oft an diesem Tag. Doch dieses Mal, hatte Xin den Moment ausgenutzt, bei dem er unkonzentriert war und sich sofort auf ihn gestürzt. Jurikin warf es nach hinten, wo er mit dem Rücken den Boden berührte. Nun bekam er nichts mehr von seiner Umgebung mit. Er hörte weder die Vögel in den Bäumen zwitschern, noch das Wasser des nahe gelegenen Baches plätschern. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt wieder seinem Bruder. Insgeheim bestrafte er sich, dass er nicht aufgepasst hatte. Nun stand Xin über ihm. Natürlich pragte ein siegessicheres Lächeln auf seinen Lefzen. „Da hätte ich besser aufgepasst, Brüderchen!“, knurrte dieser in seine Ohren und sank seinen Kopf, um somit einen Todesbiss anzutäuschen. Doch Jurikin war nicht auf den Kopf gefallen und es gelang ihm, sich elegant aus dieser Zwickmühle zu befreien. Er nahm seine Hinterläufer und stütze sie auf dem Bauch seines Bruders ab. Mit Schwung katapultierte er diesen durch die Luft. Jaulend kam Xin auf dem Boden auf und rutschte im Schlamm noch einen halben Meter weiter. Sofort sprang Jurikin auf. „Ich glaube, du müsstest besser aufpassen!“, schnaubte nun Jurikin, durch den kleinen Kraftakt etwas erschöpft, und blickte seinen Bruder an, der sich langsam erhob. Dieser wies nun mehrere Schrammen auf der linken Seite auf, wobei Jurikin noch fast unbeschadet blieb. Daraufhin begannen sie sich langsam zu umkreisen, machten mehrere Ausfallschritte in die gegnerische Richtung und knurrten sich gegenseitig an. Doch niemand wollte sich einen weiteren Fehler eingestehen und sprang somit immer außer Reichweite, falls das Maul des anderen zu nahe kam. Mit der Zeit sah es so aus, als würden beide Wölfe tanzen. Ein stetiges auf und ab, hin und her. Man konnte erkennen, dass bei beiden sich die Muskeln bis zum Äußersten anspannten. Jurikin wurde sich dieser Situation bewusst. Er musste etwas Anders versuchen. Etwas, was seinen Bruder ausschalten und ihn nicht zu viel Kraft kosten würde. An so einem kleinen Klumpen Dreck, wie seinem Bruder, wollte er sich nicht lange die Pfoten schmutzig machen. So entschloss er sich, seinen Bruder direkt anzuspringen. Gesagt getan. Er stieß sich kräftig vom Boden ab und flog mit offenen Maul auf Xin zu. Doch dieser hatte die Aktion nur erhofft und wich erneut aus. Dieses Mal aber wartete er nicht ab, sondern sprang nun ebenfalls auf Jurikin los. Jurikin, seiner kritischen Lage noch nicht bewusst, wurde erneut auf den Boden gedrückt. Doch dieses Mal stand sein Bruder auf seinem Rücken. Xin jaulte nochmals erneut auf, wobei Jurikin nur knurrte. Nun hatte er genug. Alles lief heute schief! Doch bei diesem Kampf wollte er alles richtig machen und nicht verlieren. Er wollte es seinem jüngeren und kleineren Bruder endlich zeigen. Jahrelang hatte er dessen Spott über sein Aussehen anhören müssen. Ja, Xin zog ihn mehrmals am Tag damit auf, dass er einen weißen Punkt im Fell und eine weiße Pfote besaß. Auch hatte Xin ein Auge auf seine Fähigkeiten als Finsterniselementwolf geworfen. Seine Fähigkeiten waren gegenüber denen seines kleineren Bruders ein Witz. Xin konnte ganze Meter Land in Dunkelheit hüllen. Doch er selbst hatte schon mit einem Meter seine Probleme. Viele Wölfe, unter anderem auch seine Eltern, haben sich gefragt, ob er überhaupt ein Finsterniswolf sei. Er selbst verfluchte sich dafür, dass er dort seine Schwächen hatte. Doch körperlich konnte er es mit seinem Bruder aufnehmen und er war froh, dass bei diesem wichtigen Kampf keine Elemente eingesetzt werden durften. Noch immer knurrend unterlag Jurikin seinem Bruder. Dieser versuchte ihn nicht wie beim ersten Mal in den Hals zu beißen, sondern er schnappte sich dessen rechte Vorderpfote. Nun war es an Jurikin, jaulend aufzuheulen. Sein Bruder zerrte kraftvoll an seiner Pfote. Der Schmerz rann Jurikin das ganze Bein hinauf und vernebelte kurz seine Gedanken. Blut tropfte von der Wunde und bedeckte den Boden. Er versuchte, sich auf den Rücken zu drehen, doch Xin ließ ihm keine Chance. Erneut knurrte Jurikin und versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Dabei entschloss er sich, eine andere Taktik anzuwenden. Anstatt sich auf die Seite zu rollen, stütze er seine Hinterbeine auf den Boden, um einen kleinen Sprung zu machen. Mit aller Kraft drückte er sich vom Boden ab und trotze der Schwerkraft. Xin, der sich noch immer hasserfüllt in der Pfote verbissen hatte, flog mit Jurikin durch die Luft. Während des kurzen Fluges gelang es Jurikin, sich umzudrehen und somit in die aufgerissen Augen seines Bruders zu blicken. Er spannte seinen Körper an und kratzte mit seiner weißen linken Hinterpfote den Bauch seines Bruders auf. Kurz vorm Aufprall beider Körper ließ Xin die Pfote seines Bruders los und jaulte schmerzerfüllt auf. Durch die zuschauenden Wölfe ging ein Raunen. Beide landeten unsanft auf dem Boden. Xin ein paar Meter neben Jurikin. Ein Keuchen kam aus beiden Wolfkehlen und keiner bewegte sich. Nach einiger Zeit, es kam für Jurikin wie eine Ewigkeit vor, konnte er seine Kraftreserven wieder sammeln, um anschließend aufzustehen. Als er unbewusst sein Gewicht auf seine verletze Pfote verlagerte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. >Mist! Sie wird gebrochen sein<, dachte sich Jurikin und entlastete die schmerzende Pfote, um sie anschließend abzulecken, damit sie nicht mehr so stark blutete und er somit die Wunde reinigte. Als er das erneute Jauchzen seines Bruders vernahm hob er den Kopf und blickte zu ihm. „Noch nicht tot?“, fragte Jurikin, als dieser versuchte aufzustehen. Xin gab daraufhin nur eine knurrende Antwort. Von dessen Bauch tropfte ununterbrochen Blut. An manchen Stellen floss es regelrecht am Fell entlang und dort dann auf den Boden. >Da habe ich wohl gute Arbeit geleistet<, bemerkte Jurikin und lachte insgeheim. Doch da hatte sich der junge Wolf zu früh gefreut. Mit der Wunde am Bauch kämpfte sich sein Widersacher nach oben. Jurikin blickte in dessen hasserfüllte Augen. Er sah, dass sein Bruder vor Schmerz die Zähne zusammenbiss und somit keinen Ton mehr heraus bekam. Danach ging ein Beben durch den Körper von Xin und dessen Augen leuchteten wild und entschlossen auf. Nun stand Xin auf seinen vier Pfoten, als hätte er keine Verletzung am Bauch. Und in der nächsten Sekunde sprang er erneut auf seinen Bruder zu. Jurikin bemerkte dies sofort und wich dem offenen Maul seines kleinen Bruders nur knapp aus. Erst jetzt wurde Jurikin bewusst, dass mit Xin etwas nicht stimmte. Er ist einer Art Tollheit verfallen, in der er beschlossen hatte Jurikin um jeden Preis zu vernichten. Die Wunde am Bauch hatte ihm den Rest gegeben und ihn zu dieser Tollheit verlockt. Sobald Jurikin sich der verzwicken Lage bewusst wurde, vergaß er die Schmerzen in seiner pochenden Pfote. Doch beim nächsten Ausweichschritt, kamen die Schmerzen erneut. Xin bemerkte dies sofort, sprang erneut auf Jurikin zu und verbiss sich in die Hinterläufer von ihm. Dem Wolf blieb die Stimme weg und somit drang zu den anderen Wölfen nur ein leises Juchzen. Jurikin hatte nun buchstäblich die Schnauze voll und nahm nun seinerseits die Kraftreserven zusammen. Er riss sich aus dem Biss seines Widersachers und verkeilte seine Zähne in dessen Kopf. Jurikin drückte seine Kiefer zusammen und das Blut seines Bruders spritze in sein Maul. Xin heulte erneut auf und sank zu Boden. Dieses Mal gab er kein Lebenszeichen mehr von sich, da er das Bewusstsein verloren hatte. Jurikin öffnete langsam seine Kiefer. Und betrachtete sein Werk. Sein Biss ging direkt ins linke Auge. Aus der Augenhöhle floss Blut. Somit ist dessen Augenlicht zerstört worden. Er würde nie wieder durch dieses Auge sehen können, doch das kümmerte Jurikin wenig. Somit hatte Xin seine gerechte Strafe bekommen, für das, dass er seine Pfote gebrochen und seine Hinterläufer aufgebissen hatte. Beides blutete nun stark und schmerzte. Doch dies war Jurikin egal und er betrachtete den von Schlamm und Blut bedeckten Boden. Plötzlich jaulten die Wölfe um ihn vor Freude laut auf. Jurikin hob daraufhin seinen Kopf und heulte siegreich gen Himmel. Der Kampf war vorbei und Jurikin hatte gegen seinen kleinen, flinken Bruder Xin, der dafür sein Auge opfern musste, gewonnen. Nun würde der Alphawolf und seine Berate entscheiden, ob er tatsächlich gewonnen hatte. ~~ Kralle um Kralle, Zahn um Zahn Ende ~~ Ist der Sieg wirklich ein Sieg gewesen? Punktete Jurikin bei seinem Vater gut? Wie steht es um Xin? Wird er seine Verletzungen überleben? Ein erster Kampf und noch lange nicht der Letzte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)