Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 21: In der Zwischenwelt ------------------------------- ~~In der Zwischenwelt~~ Kaum hatte der Wal sich aus dem Wasser bewegt, wurde es Yen ganz schwindlig. Er drehte sich noch zu Nurik, um diesen zu warnen, dass er bald umkippte, doch es war zu spät. Das Letzte, das er noch vernahm, war ein schriller Adlerschrei. Es war dunkel und er konnte nichts sehen. Kein Licht erhellte den Raum, in dem er sich befand. Der Wolf rief nach seinen Freunden, doch keiner hörte ihn und der Ruf verschwand in der Dunkelheit. Kein Geruch war zu vernehmen, an dem er sich hätte orientieren können. Es war vergebens. Dieses Mal legte sich der Wolf auf den kalten Boden und wartete. Die Dunkelheit kroch seine Glieder nach oben und sofort begannen wieder die schrecklichen Bilder auf ihn einzuwirken. Genauso wie das letzte Mal. Doch er hatte keinen Elan, um zu laufen. Dieses Mal erschien kein Licht, um ihm zu helfen und somit ließ er die Dunkelheit an sich heran. Ihm fiel plötzlich ein, dass er eine Aufgabe zu bewältigen hatte und all seine Freunde in unmittelbarer Gefahr schwebten. Der Wassergott griff sie an. Sofort sprang er auf und heulte. Die Dunkelheit flog durch den kraftvollen Schrei von ihm ab und sein Herz wurde leichter. Wenn er jetzt aufgab, dann hatten seine Freunde niemanden mehr, der sie beschütze. Er hoffte, seine Freunde erhörten ihn und das taten sie auch. Ein schriller Pfiff ertönte und neben seinem Kopf spürte er einen leichten Luftzug. Direkt vor dem großen schwarzen Wolf landete ein Adler. Das Gefühl der Beklommenheit verschwand endgültig. „Verox?“, fragte der schwarze Wolf verwundert. Der Adler pfiff freundschaftlich und breitete zum Gruß seine Flügel aus. „Was machst du hier?“ Diese Frage beantwortete Verox nicht, sondern schwang sich in die Luft und kreiste um ihn herum. Dann flog er davon und wieder zurück. „Ich soll dir folgen?“ Erneut ertönte ein zustimmendes Pfeifen und so fiel der Wolf in einen leichten Trab. Der Adler flog direkt über seinem Kopf und wies ihm dem Weg. Seine Schritte wurden dabei immer schneller, bis der Wolf mit großen Sprüngen hinter dem Adler rannte. Er spürte, es war dringend und sein Freund würde ihn nicht im Stich lassen. Vieles konnte er sich nicht erklären, doch er hoffte, bald eine Antwort auf seine Fragen zu finden. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte direkt vor ihnen ein Licht auf. Er kannte dieses vertraute Leuchten und hoffte, endlich dem Licht etwas näher zu kommen. Mit Verox Hilfe wuchs das Licht allmählich, bis der Adler nach vorne flog und direkt in das Licht eintauchte. Der Wolf blieb stehen und wartete ab. Das Licht pulsierte, wurde kleiner und kleiner, doch dann explodierte es und erhellte den Raum. Verox kam aus der Lichtkugel direkt auf ihn zugeflogen. Er landete auf seinen gewohnten Platz zwischen seinen Schulterblättern. Vorsichtig krallte er sich in den Wolfspelz. Das Licht pulsierte vor Kraft und Wärme. Vorsichtig trat der Wolf näher und wartete ab, was passierte. Nach ein paar Augenblicken trat eine Gestalt aus dem Lichtkegel auf die beiden Tiere zu. Die Gestalt war mehr ein Schemen. Als der Schemen näher kam, konnte man eine wolfsähnliche Struktur erkennen. Als er in das Gesicht des fremden Wolfes sah, wusste er, dass dies das Gesicht war, das ihm das letzte Mal, als er in der Dunkelheit war, angeblickt hatte. Gütige violette Augen blickten ihn an, als der fremde Wolf direkt vor ihm stehen blieb. „Endlich hast du es soweit geschafft. Du und dein Freund sind endlich zu mir gekommen.“, sagte die Gestalt mit einer leisen Stimme. Die Stimme hatte etwas Unheimliches an sich. Trotz der geringen Lautstärke drang sie in jede seiner Poren ein und verursachte eine Gänsehaut auf seinem Rücken. „Wer bist du?“, fragte der Wolf unsicher. Er wusste nicht, ob er sich in Sicherheit oder in Gefahr befand. „Keine Angst, junger Wolf. Ich will dir nichts Böses tun. Wer ich bin, fragst du? Nun, ich habe viele Namen und doch auch keinen. Doch nenne mich Shiera, wenn du willst. Und wer bist du?“ Da hob der Wolf den Kopf. „Du holst mich her und weißt nicht, wer ich bin?“ Shiera lachte auf diese Worte. Ihr Lachen war noch beängstigender als ihre Stimme. „Natürlich weiß ich wer du bist. Doch ich möchte, dass du mir einen Namen nennst und mir sagst, wer du bist.“ „Einen Namen nennen?“, fragte er noch verwirrter. „Oh, ich glaube, ich muss mich deutlicher ausdrücken. Du bist nicht nur der Wolf, der du jetzt bist. Du weißt selbst, dass du erst vor kurzem deinen neuen Namen bekommen hast und wir beide wissen, dass dies nicht dein Geburtsname ist. All die Bilder, die du auf dem Weg hierher gesehen hast, waren von deiner Vergangenheit, die dir entfallen ist. Du blockst sie ab, lässt sie nicht zu. Du hast Angst vor der Dunkelheit und der angeblichen Gefahr, die sie mit sich bringt. Doch sie ist genauso ein Teil von dir, wie dein Kopf oder dein Herz. Du bist ein Wolf der Dunkelheit, aber du bist es wiederum auch nicht.“ Er verstand noch weniger als davor. „Also gut. Mein Name ist Yen. So nennen mich meine Freunde, seitdem ich diesen Sturz überlebt habe.“ „Gut, Yen. Das ist ein passender Ersatz für deinen wahren Namen.“ „Du kennst meinen wahren Namen?“, fragte Yen neugierig. Jetzt hatte er vielleicht endlich die Chance, mehr über seine Vergangenheit zu erfahren. Shiera nickte und trat einen Schritt auf ihn zu. Doch da ertönte ein lautes Zischen und ihre Pfote zuckte zurück. „Ich kann nicht näher zu dir und du nicht näher zu mir. Das Böse lässt es nicht zu. Genauso wenig kann ich dir deinen wahren Namen sagen. Den wirst du von jemand anderem erfahren und auch, wer du vor deinem jetzigen Leben warst. Doch es spielt keine Rolle, wer du warst, sondern, wer du jetzt bist.“ Yen ließ enttäuscht seinen Kopf hängen, doch dann fasste er neuen Mut durch Shieras Worte. Er würde also noch jemanden anderen treffen, der ihn kannte. „Sei nicht enttäuscht, junger Wolf.“ Yen schüttelte den Kopf. „Das bin ich nicht.“ Da blickte er Shiera wieder in die Augen. „Was bist du, Shiera? Bist du ein Gott?“ Da lachte die schemenhafte Gestalt erneut. „Oh nein, ich bin kein Gott. Es gibt nur die sechs Götter von Wasser, Feuer, Erde, Luft, Finsternis und Licht. Ich hingegen bin etwas völlig anderes. Ich bin da und doch existiere ich auch nicht. Diese Welt, wo du dich gerade befindest, ist die Welt, von der aus ich die Geschehnisse deiner und der anderen Welten, die es gibt, beobachte.“ Je mehr sich Yen mit Shiera unterhielt, desto ratloser wurde er. Doch er entschloss sich, nicht weiter darüber nachzudenken. „Gut, Shiera. Ich weiß zwar noch nicht, was das zu bedeuten hat, doch ich weiß, dass du mich zu dir gerufen hast. Warum brauchst du meine Hilfe?“ „Ist das nicht offensichtlich? Die Götter in deiner Welt werden von einem Dämon heimgesucht und laufen Amok. Eure elementare Kraft nimmt mit jedem Tag weiter ab und die Götter beginnen langsam zu sterben. Vor langer Zeit haben die Götter eine Prophezeiung in die Welt gesetzt, die sich jetzt ereignen soll. Der Wolf aus dieser Prophezeiung bist du, Yen. Du musst den Göttern zu ihrer alten Kraft verhelfen und mit ihnen zusammen den Dämon aus eurer Welt vertreiben. Die Götter gaben dir einen kleinen Wegweiser. Dein gefiederter Freund wurde von den Göttern gesandt, um dich auf deinem Weg zu begleiten und dir zu helfen. Da aber die Götter nicht damit gerechnet hatten, dass ihre Kraft so schnell abnehmen würde, konnte keiner durch Verox mit dir Kontakt aufnehmen. Doch da kam ich. Der Dämon hat nicht damit gerechnet, dass auch ich mich mit einmischen würde und er kann mir nichts anhaben. Er hat mich nur geschwächt, da er auch die Götter schwächt. Ich beziehe meine Kraft aus der gleichen Quelle wie sie, musst du wissen. Doch dank Verox Kooperation ist es mir endlich gelungen, dich hierher zu bringen.“ Yen verstand nun alles besser. Er blickte zu Verox nach hinten und dieser Pfiff freundlich zurück. „Er ist ein ganz normaler Adler und hat dich wirklich gern. Es ist gut, dass ihr euch beide so super versteht. Er ist ein wahrer Freund und ich denke, ihr werdet zusammen viel erleben. Bitte behandle ihn nicht als etwas Göttliches, denn das ist er nicht. Er tut genau das, was ihm seine Instinkte sagen“, meinte Shiera freundlich und lächelte sie beide an. „Das werde ich“, sagte Yen. „Doch wie kann ich dir und den Göttern helfen?“ „Gut, dass du das fragst. Dir ist bewusst, dass es von jedem Element eine Abzweigung gibt. In deinem kleinen Rudel sind selbst drei solcher Wölfe.“ Yen nickte. „Eis, Blitz und Wald.“ „Ihr dürft den Wassergott nicht verletzten, geschweige denn umbringen. Er wird von dem Dämon geblendet. Die Wasserwölfin und die Eiswölfin in deinem Rudel müssen versuchen, ihn zu besänftigen. Sie müssen zu seinem Heiligtum gelangen, um ihn somit zu zwingen, mit ihnen zu reden. Dies gelingt nur, indem sie ihre Kräfte vereinen. Auf einen anderen Weg kommen sie nicht an seinen größten Schatz heran. Alle Götter haben etwas in ihrem Besitz, das sie beschützen und ihnen die Kraft aus der Quelle gibt, aus der auch ich meine Kraft erhalte. Nur so könnt ihr es schaffen, den Gott zu besänftigen. Ihr müsst ihm verständlich machen, dass ihr ihm helfen wollt. Dies wird nicht leicht, da der Dämon sich schon sehr weit in seinen Kopf gefressen hat. Doch sobald er euch zuhört, wird der Dämon vom Wassergott ablassen.“ Während Shiera ihm ihre Strategie erklärte, wurde ihr Schemen immer schwächer und ihre Stimme immer leiser. „Ich habe keine Kraft mehr, um mit dir zu reden. Ich danke dir, dass du zu mir gekommen bist. Bitte habe keine Angst vor mir, denn ich kann dir nichts zuleide tun. Es existiert ein Wolf in eurer Welt, mit dem du leichter Kontakt zu mir aufnehmen kannst. Ich hoffe, dieser Wolf wird bald zu euch stoßen und ich kann dir besser helfen. Nun Lebewohl, Yen.“ Mit diesen Worten verschwand Shiera im Nichts und nahm das Licht mit sich. Die Dunkelheit drückte mit gewaltiger Kraft auf seinen Körper, sodass er erst einmal nach Luft schnappen musste. Doch da knurrte er und Verox auf seinem Rücken schrie schrill auf. Er versuchte, wie Shiera ihm erklärt hatte, die Dunkelheit in seinem Körper aufzunehmen und sie anzuerkennen, doch es funktionierte nicht. Nach einiger Zeit vernahm er einen leisen Schrei. Jemand rief nach ihm. Verox schwang sich in die Luft und zerrte ihn zurück in die Realität. Yen lag auf dem nasskalten Boden und neben ihm war Ruki, der die ganze Zeit seinen Namen schrie. Als er die Augen aufschlug, verstummte der Windwolf. „Gott sei Dank bist du wieder da. Wir dachten schon, wir hätten dich verloren!“, rief der Windwolf und stupste Yen aufmunternd an. „Wie lange war ich weggetreten?“, fragte Yen und stand vorsichtig auf. Seine Beine gehorchten ihm noch nicht so recht, doch dies änderte sich bald. „Nur für kurze Zeit, doch wir hatten alle Angst um dich. Du bist plötzlich umgefallen.“ Yen kam die Zeit in diesem Raum viel länger vor. Er war froh, dass doch nicht so viel Zeit verstrichen war. Schnell überblickte er die Situation. Der Wassergott befand sich im Wasser und um sie herum war eine schützende Eisschicht. Sikona musste sie geschaffen haben, als er weggetreten war. „Der Wassergott greift uns die ganze Zeit mit Wasser an. Wir müssen sofort etwas tun“, meinte Kian zu ihm. Yen nickte und sagte: „Ich weiß, was wir tun müssen. Wo sind Nyrona und Sikona?“ Sikona stand direkt an der Eiswand und tat ihr Bestes, sie noch weiter zu verstärken. Ihr Fell war nass vom Wasser und jeder Muskel war zum zerreißen angespannt. Nyrona stand direkt neben ihr und bespritzte die Eisschicht mit Wasser, das sofort gefror. Yen trat zu den beiden Geschwistern. „Könnt ihr mir kurz zuhören? Ich habe einen Plan.“ Ohne ein Wort drehten sich die beiden Wölfinnen zu ihm um und horchten ihm zu. Er erklärte ihnen genau das, was Shiera ihm geraten hatte. „Wir anderen werden versuchen, den Wassergott abzulenken, sodass ihr ohne Probleme nach seiner Quelle suchen könnt. Ihr müsst sie unbedingt finden, egal, was hier bei uns passiert. Ihr seid unsere einzige Chance. Habt ihr verstanden?“ Dies war keine Bitte, sondern ein Befehl und Nyrona und Sikona nickten. Sikona blickte ihre Schwester an. „Ich erschaffe ein Loch. Von dort aus rennen wir ins Wasser und tauchen unter. Wahrscheinlich ist dort die Quelle vom Wassergott.“ Nyrona nickte und stellte sich direkt vor die Wand. „Yen, die Wand wird nicht mehr lange halten. Ihr müsst auch aus der Kuppel verschwinden und euch verstecken. Bleibt nicht an einem Fleck, sonst bietet ihr ein zu leichtes Ziel“, sagte Sikona zu ihrem Freund und ging zu ihrer Schwester. Mit einer weiteren Kraftanstrengung drückte sie ihre Schnauze gegen die Wand. Zuerst sah es so aus, als würde das Eis nicht nachgeben, doch dann zerbarst es und ein kleiner Tunnel erschien. Sikona schnaufte schwer und trat als erste durch, dann folgte ihr Nyrona. „Du siehst sehr erschöpft aus, Sikona.“ Die Eiswölfin nickte nur und lief los Richtung Rand. Die Eiskuppel zu formen und aufrecht zu erhalten hatte ihr vieles an Kraft gekostet. Sie hatte mal wieder sehr deutlich ihre Grenzen gespürt. In den Moment fiel ihr ihr Vater ein. Er war ein sehr starker Elementwolf, da er schon jahrelang geübt hatte. Von klein auf hatte er sie und ihre anderen Geschwister in der elementaren Kraft gefördert und mit ihnen geübt. Noch lange sind sie nicht so gut wie er, doch sie schwor sich, sollte dieser Kampf vorbei sein, würde sie ihr tägliches Training wieder aufnehmen! Am Rand der Insel angekommen, sprang sie sofort ins Wasser. Der Wassergott war auf der anderen Seite der Insel und hatte sie anscheinend noch nicht bemerkt. Noch immer spritze er Wasser auf die Eiskuppel. Nyrona folgte ihr und beide tauchten in die Tiefe. Zuerst konnten die beiden Wölfinnen im Wasser nichts erkennen. Doch dann klarte sich ihr Blick auf. Mit der Pfote deutete Nyrona nach unten und Sikona nickte. Sie schwammen an der Wand der Insel entlang. Die Insel erstreckte sich sehr weit in die Tiefe. Es war so dunkel, dass sie das Ufer, von dem sie gekommen waren, nicht erkennen konnten. Je tiefer sie schwammen, desto dunkler wurde es. Sie merkten sehr schnell, dass in dem großen See weder Fische schwammen, noch Pflanzen wuchsen. Nyrona blickte zu ihrer Schwester nach hinten und blieb kurz stehen. Mit der Pfote deutete sie auf eine Stelle an der Wand. Die Eiswölfin folgte ihr sofort. Beide drückten sich an die Wand in die Schatten. Nyrona konnte viel besser die Schwingungen im Wasser spüren. Somit hatte sie den Wassergott rechtzeitig bemerkt, der knapp über ihre Köpfe hinweg schwamm. Der Gott hatte den Körper eines großen Wals. Sein weißer Bauch stach deutlich in der Dunkelheit hervor. Als Sikona sich zu ihrer Schwester umdrehte, bemerkte sie einen seltsamen Stein in der Wand. In der Mitte war ein kleines Flackern zu sehen. Ihr blieb keine Zeit, ihn näher zu betrachten, da Nyrona schon wieder weiter geschwommen war. Beide schwammen immer tiefer, bis sie fast nichts mehr erkennen konnten. Sikona konnte nur noch so weit sehen, wie ihre Schwester schwamm. Dennoch blickte sie sich immer wieder um. So geschah es, dass sie gegen ihre Schwester prallte, als diese stehen blieb. Sikona blickte sie fragend an. Mit dem Kopf deutete Nyrona in eine Richtung: Auf die Steinsäule. Sikona vertraute auf ihre Schwester und folgte ihr. Sie kamen an die Stelle, an der die Säule eigentlich hätte sein sollen, doch dort erstreckte sich nun Wasser. Jetzt konnte die Eiswölfin auch die Schwingungen im Wasser spüren und als sie nach vorne blickte, konnte sie ein sanftes Schimmern erkennen. Sofort wurden die beiden Schwestern schneller und schwammen direkt auf das Licht zu. Als sie näher kamen, konnten sie sehen, dass das Licht von einer bläulichen Quelle ausging. Doch die Quelle konnten sie nicht richtig ausmachen, da ein Strudel aus Wasser und Eis die Sicht versperrte. Jetzt wussten die beiden Schwestern, warum nur sie dem Wassergott helfen konnten. Das in der Mitt, war seine Quelle und diese wurde von Wasser und Eis gleichermaßen beschützt. Um an die Quelle heranzukommen, mussten Eis und Wasser zusammen helfen. Die beiden Schwestern nickten sich zu. Die Zeit wurde knapp. Sikona konnte nicht mehr lange unter Wasser bleiben, doch die Eiswölfin ließ sich nichts anmerken und schwamm direkt vor den Strudel. Direkt neben ihr, Schulter an Schulter, verharrte Nyrona. Die Geschwister schlossen die Augen und konzentrierten sich auf die Energie vor ihnen. Plötzlich zuckte Nyrona schmerzhaft zurück und auch Sikona wurde von einem Energieschwall getroffen. Doch beide fingen sich wieder. So schnell konnten sie nicht das Eis und das Wasser greifen. Nun wurde die Zeit wahrlich knapp, denn es bedeutete, dass sie sich langsam herantasten mussten. Somit schlossen beide Wölfinnen die Augen und kehrten in ihr Inneres. Dort war ihr Energiefluss, der der Ursprung der Elementkraft war. Bei jedem Elementwolf war er unterschiedlich gut ausgeprägt. Es gab auch Wölfe, die mit ihrer Kraft nicht umgehen konnten. Viele wurden deswegen getötet, da sie eine Gefahr für das Rudel und für sich selbst darstellten. Den Zugriff auf die Kraft konnte man trainieren. Entdeckte man den Elementfluss, bedeutete dies viel Arbeit und Training. Den Geschwistern wurde schon im Welpenalter klar, dass hinter ihrem Herzen noch eine weitere Kraft schlummerte. Durch ihren Vater hatten sie gelernt, sie zu beherrschen. Dennoch waren sie weit davon entfernt, ihre Kräfte gut einsetzen zu können. Als Nyrona ihren Fluss deutlich spüren konnte, ließ sie sich in ihn fallen. Das vertraute Gefühl umgab sie und wärmte ihr Herz. Sofort spürte sie jeden Muskel und jede Faser ihres Körpers. Sie war angespannt und leicht unruhig, doch diese Gefühle ignorierte die Wasserwölfin. Sie begann den Fluss weiter über ihren Körper hinaus auszudehnen. Diese Übung glich einer Meditation. Elementwölfe können fast immer über ihre Kräfte verfügen. Normalerweise zapfen sie nur einen Teil ihres Flusses an, um daraus dann etwas zu bewirken. Sich in den Fluss fallen zu lassen, hat etwas vertrautes an sich, doch die Wölfe mussten aufpassen, sich darin nicht zu verlieren und sich nicht zu sehr mitreißen zu lassen. Häufig führte dies zu einem Kurzschluss, der sich bei jedem Wolf anders äußerte. Somit ließ sich Nyrona weiter vom Fluss tragen. Bald konnte sie durch diese Energie ihre Schwester direkt neben sich spüren. Sie wusste, dass auch Sikona das gleiche mit ihrem Elementfluss tat. Direkt vor ihr konnte sie die wabernde Energie des Strudels spüren. Er war reißend und zornig. Genauso wie der Wassergott. Dies ließ Nyrona vermuten, dass der Strudel auch seine Erschaffung war. Nyrona spürte, dass hier zwei unterschiedliche Elemente waren: Wasser und Eis. Den Strudel konnten sie also nur zusammen stoppen, ansonsten würde er einfach weiter bestehen und sie wieder mitreißen. Nyrona wusste, dass sie nicht einfach so den Strom aufhalten konnten. Zuerst mussten sie mit ihm fließen. Zuerst näherte sie sich weiterhin vorsichtig mit ihrem Bewusstsein der Energie des Strudels. Schon bei den ersten Annäherungsversuchen spürte sie ein schmerzhaftes Zerren in ihrem Fluss. Doch die Wasserwölfin biss die Zähne zusammen und wagte sich weiter vor. Sie passte sich vorsichtig an und floss langsam mit dem Strom. Plötzlich riss sie die fremde Energie des Wassers mit und zog sie in die Tiefe. Die Wasserwölfin wollte sofort die Annäherung abbrechen, doch dann spürte sie, dass der fremde Energiefluss sie aufgenommen hatte und mitzog. Sie ließ es zu, weil eine andere Möglichkeit hatte sie nicht. >Hoffentlich ist Sikona auch so weit<, dachte sich Nyrona und wünschte, irgendein Zeichen von ihrer Schwester zu vernehmen, aber in dieser Meditation konnten sich beide kaum bewegen. Sie musste darauf hoffen, dass Sikona ebenfalls im Fluss des Eises gelandet war. Nun mussten beide Schwestern zusammen helfen, und den Fluss mit einem Mal stoppen. Nyrona ging nochmal tief in ihr Inneres, ballte ihre Kraft und befahl dem Wasser, stehen zu bleiben. Zuerst wehrte sich das Wasser dagegen, doch dann gehorchte es ihrem Befehl. Sofort zerrte der fremde Fluss an ihrer Energie. Sie spürte, wie diese drastisch abnahm. Doch sie biss die Zähne zusammen und hielt den reißenden Fluss weiterhin auf. Da öffnete sie die Augen und sah, dass auch Sikona das Eis zum Stillstand gebracht hatte. Nyrona blickte zu ihrer Schwester, die deutlich geschwächt war. Sikona nickte und sofort schossen die Geschwister auf den nun reglosen Strudel zu. Es kostete beiden viel Energie, diesen Stillstand aufrecht zu erhalten. Nyrona schoss als Erste durch und sah direkt vor ihr das blaue Licht. Da verließ sie die Kraft und sie musste den Strudel loslassen. Sikonas Kraft hatte vor ihr abgenommen, denn genau, als Sikona durch den Strudel schwamm, begann das Eis, sich wieder zu drehen. Mit einer letzten rettenden Kraftanstrengung schwamm Sikona in Sicherheit, doch das Eis erfasste ihre Pfote und zerrte sie nach unten. Sofort war Nyrona zur Stelle und biss in den Nacken ihrer Schwester. Mit kräftigen Schwimmbewegungen half sie Sikona, wieder ins Gleichgewicht zu kommen und beförderte sie vom Strudel weg. Nyrona hatte kaum noch Energie, doch mit einem letzten Kraftakt schwamm sie auf das blaue Licht zu. Sikona paddelte unbeholfen mit, doch ihre linke Pfote war durch das Eis verletzt worden und blutete. Jede Bewegung schmerzte. Als die beiden Schwestern vor dem blauen Licht waren, konnten sie das starke pulsieren spüren. Sofort war jede Sorge vergessen und sie umfing ein wütendes Gefühl. Das Licht dehnte sich aus und überschwemmte die Geschwister. Sofort war das Wasser und die Welt um sie herum verschwunden. Das Licht hatte sie in eine andere Welt verschluckt. Sikona holte tief Luft. Sie hätte es nicht mehr an die Wasseroberfläche geschafft und war froh um die kurze Atempause. „Alles gut bei dir?“, fragte Nyrona besorgt und blickte die verletzte Pfote ihrer Schwester an. „Ja, alles gut. Das kann sich Esaila später ansehen. Jetzt müssen wir erst mal zum Wassergott vordringen!“ Nyrona nickte und half ihrer Schwester auf. Der Ort, an dem sie sich befanden, war seltsam. Überall war ein leises Flüstern zu hören, das mal lauter, mal leiser wurde und aus verschiedenen Richtungen zu kommen schien. Das Flüstern wurde schnell lauter und dämmerte in ihren Ohren. Bald konnten sie einzelne Textabschnitte hören. -Was macht ihr hier. Wem wollt ihr Böses tun. Lasst mich in Ruhe. Ich bin ein Gott. Verschwindet aus meinem Reich. Ich werde euch weh tun. Ich werde euch töten.- Die Geschwister zuckten zusammen bei diesem Energieschwall an Emotionen. „Argh!“, rief Nyrona. „Wie sollen wir das schaffen?“ „Wir müssen unsere Kräfte bündeln und mit gemeinsamer Stimme sprechen. Schwester, finde meinen Fluss, genauso, wie ich deinen finden muss. Wir müssen es versuchen.“ Nyrona nickte und drang wieder in ihr Inneres. Dieser Ort hatte etwas Eigenartiges an sich und dies wirkte sich auch auf ihre elementare Kraft aus. Sofort fand sie ihren eigenen Fluss und konnte ihn ausweiten. Hier war ihre Kraft viel stärker als draußen in der Welt aus der sie kamen. Sie weitete wieder ihre Kraft aus und drehte sich zu Sikona um. Nun konnte auch sie bei ihr eine deutliche Energie spüren. Vorsichtig näherte sie sich ihr. Der Fluss von Sikona war kalt und eisig, genauso wie ihrer reißend war. Trotz der Kälte hieß sie die fremde Energie willkommen und Nyrona ließ sich in ihr fallen. Sie verbanden sich. Plötzlich konnte Nyrona spüren, was ihre Schwester fühlte. Ihre Pfote tat höllisch weh und noch immer war Sikona sehr geschwächt. Doch dieser Ort gab ihnen beiden eine seltsame Kraft. Nyrona öffnete wieder ihre Augen, als sie Sikona deutlich neben sich spüren konnte. Aus beiden Mäulern sprachen die Wölfinnen die selben Worte: „Wassergott! Höre uns zu! Wir wollen dir nichts Böses oder dir schaden. Du musst zur Besinnung kommen. Wir sind hier, um dir zu helfen!“ Plötzlich drückte eine fremde, bösartige Energie gegen die beiden Wölfinnen. Beide heulten vor Schmerz auf, doch die Verbindung blieb bestehen. >Nyrona? Dies muss der Dämon sein, der vom Wassergott Besitz ergriffen hat! Lass ihn uns unterdrücken<, war Sikonas Stimme in ihrem Inneren zu hören und sofort wandte sich Nyrona an die böse Energie und drückte zurück. Zusammen mit Sikona umhüllten sie das Böse und sie drückten ihre Kräfte zusammen. Doch der Dämon war zu stark und sie schafften es nicht. „Wassergott, wir brauchen deine Hilfe! Bitte gewähre uns einen Teil deiner Kraft“, riefen die Schwestern aus einem Maul. „Wir wollen dir helfen!“ Als die Wölfinnen kurz vor dem Aufgeben waren, ertönte ein lieblicher Klang, der immer heller wurde. Der Klang durchfuhr ihre Körper und stärkte sie erneut. Zudem gab er ihnen eine unerschütterliche große Menge an Energie und zusammen schafften sie es, den Dämon zu unterdrücken. Er wehrte sich vergeblich und wurde von der geballten Kraft einfach ausgelöscht. So schnell, wie die Energie gekommen war, hörte sie auch wieder auf, in ihre Körper zu fließen. Mit dem Verebben der Energie, verschwand auch die Verbindung zwischen den beiden Wölfinnen. Beide brachen erschöpft zusammen. Das blaue Licht verschwand gänzlich. „Haben wir es geschafft?“, keuchte Sikona und blickte zu ihrer Schwester. „Ich denke schon“, sagte diese. Plötzlich kam das Licht zurück und breitete sich im ganzen Raum aus. „Sikona und Nyrona?“, fragte eine sanfte Stimme. „Ich bin euch zu großem Dank verpflichtet.“ Die beiden Wölfinnen richteten sich wieder auf und blickten sich an. Ein Lächeln stahl sich in ihre Gesichter. „Ihr habt mich aus diesem schrecklichen Delirium gerettet“, sprach die fremde Stimme weiter. Die zwei Wölfinnen blickten in das sanfte Licht, das direkt vor ihnen schwebte. „Ich bin der Wassergott dieser Welt.“ „Wir hätten das nicht ohne dich geschafft“, sagte Nyrona zu dem Licht. „Hast du auch einen Namen?“ „Ich habe viele Namen und doch auch keinen. Ihr könnt mich aber Rishui nennen. Doch genug mit der Vorstellung. Ich bringe euch hier weg, da ihr hier nicht lange sein könnt. Sonst schadet euch diese Zwischenwelt.“ Um die beiden Wölfinnen wurde es dunkel und sie spürten, wie sie in einen sanften Sog gezogen wurden. Sie ließen sich treiben, da sie auch keine Kraft mehr besaßen, dagegen anzukämpfen. Plötzlich spürten sie Boden unter den Füßen und die Welt um sie herum bekam wieder Farbe. Sie befanden sich wieder auf der Insel. Beide brachen auf der Stelle zusammen und da hörten sie schon Esaila erschrocken aufjaulen. „Nyrona! Sikona! Geht es euch gut?“, fragte die Waldwölfin und rannte zu ihren Geschwistern. Sikona hob erschöpft ihren Kopf. „Ja, uns geht es gut. Wie geht es euch? Ist jemand verletzt?“ Esaila kam bei ihren Schwestern an. Mit ihrem Ruf hatte sie auch die anderen Wölfe angelockt. Erst jetzt bemerkten die beiden blauen Wölfe, dass es um sie herum wieder ruhiger geworden war. „Alle sind mehr oder weniger unbeschadet. Nichts Schlimmes“, erklärte Esaila ihnen ruhig. Sie musterte ihre beiden Geschwister und stellte fest, dass Sikonas Pfote blutete. Sofort machte sich die Waldwölfin daran, die Wunde zu versorgen. Sie begann, sie zu säubern und nahm ein Blatt aus ihrer Kette und legte sie über die Wunde. Die Blutung stoppte sofort und der Schmerz verging. Yen trat zu Esaila und stupste sowohl Sikona als auch Nyrona sanft an. „Das habt ihr sehr gut gemacht.“ „Danke“, sagte Nyrona und auch alle anderen Wölfe ihres kleinen Rudels waren bei ihnen angekommen. „Es war, wie du gesagt hast. Wir haben die Quelle des Wassergottes gefunden. Es war nicht leicht, den bösen Dämon zu vertreiben, aber der Gott half uns und somit konnten wir ihn befreien!“ Yen nickte und wollte gerade etwas sagen, doch seine Worte gingen im Wasserplatschen unter. Am Ufer sprang der große Wal aus dem Wasser, direkt auf sie zu. Die Wölfe duckten sich schon, doch ein helles Licht versperrte ihre Sicht. Dann ertönte eine sanfte Stimme: „Ich bin euch allen zu großen Dank verpflichtet und möchte mich bei euch für die Unannehmlichkeiten, die ich verursacht habe, entschuldigen.“ Als die Wölfe wieder die Augen öffneten, erblickten sie eine wunderschöne Wasserwölfin, die direkt vor ihnen stand. Sie war wesentlich größer als sie alle und strahlte eine stolze Würde aus. „Ihr dürft mich Rishui nennen und ich bin der Wassergott dieses Landes.“ Yen trat vor die anderen und stellte sich als Rudelführer vor. Rishui nickte ihm zu. „Ich weiß, wer du bist, schwarzer Wolf. Du strahlst eine eigenartige Aura aus. Dein Schicksal ist mit diesem Land und uns Göttern verwoben. Es war deine Bestimmung, hierher zu kommen und ich spüre Shieras Spuren an dir. Ich danke vor allem dir und der Eis- und Wasserwölfin in deinem Rudel, dass ihr mich befreit habt. Ihr müsst wissen, dass der Dämon alle Götter in die Irre geführt und somit Besitz von ihnen ergriffen hat. Ich wurde wahnsinnig und nahm nichts mehr um mich herum wahr. Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Doch ihr habt mich wieder in das Licht geführt und nun werde ich versuchen, euch zu helfen. Es wird noch dauern, bis ich wieder zu meiner alten Stärke zurückgefunden habe, aber ihr habt meinen Segen und solltest du mich im letzten Kampf brauchen, werde ich dir helfen, Rudelführer.“ Yen wusste durch Shiera, dass er der Wolf aus der Prophezeiung war. Nun erfuhren es auch seine Freunde, die bei den Worten des Wassergottes erstaunte Laute von sich gaben. Doch keiner sagte etwas. „Danke, Rishui. Deine Kraft werde ich irgendwann in Anspruch nehmen.“ Rishui nickte und blickte sich neugierig um. „Ihr seit schon ein komisches Rudel. Ich sehe vier Geschwister mit unterschiedlichen Elementen. Einen Windwolf und einen Blitzwolf mit einer schweren Vergangenheit und dich als Rudelführer, der wohl wankelmütigste unter allen.“ Da lachte der Wassergott. Das Lachen klang wie ein munteres Plätschern in einem Bach. „Einem besseren Rudel kann man das Schicksal Daromis nicht in die Pfoten legen und das meine ich ernst. Dieses Land braucht solche Wölfe wie euch.“ Rishui trat näher an die Wölfe heran. Esaila ging vorsichtig ein paar Schritte zurück. „Keine Angst kleine Wölfin“, sagte der Gott. „Ich tue euch nichts. Ich will euch nur näher betrachten.“ Der Gott blieb direkt vor den vier Geschwistern stehen und betrachtete sie eingehend. „Das ist eigenartig. Ihr stammt aus einem gewöhnlichen Gemischtrudel mit tiefen Wurzeln ab. Aber an drei Wölfen sehe ich etwas Göttliches und an einer nicht. Wie sind eure Namen, Feuerwolf und Waldwolf?“ „Mein Name ist Nurik und das ist Esaila“, stellte sich Nurik vor und trat näher an Rishui heran. Dem Gott störte die Nähe des Feuerwolfes nicht. „Nurik, du trägst einen Reif aus Metall um dein Bein. Dieses Metall stammt vom Erdgott ab. Er hat es selbst geschmiedet und ein Hauch seiner Selbst ist mit diesem Reif verbunden. Genauso ist es mit Esailas Halskette. Das dünne Band, an dem du deine Blätter befestigt hast, ist aus den sanften Winden des Windgottes entstanden. Sikonas Anhänger ist ein Zahn vom Feuergott. Deswegen pulsiert er so von Wärme, weil er direkt vom Körper des Gottes abstammt. Diese drei Gegenstände sind besondere Geschenke der Götter an euch Wölfe. Dass drei dieser Geschenke an euer Rudel gingen, ist entweder Zufall oder Schicksal. Nur Nyrona besitzt kein Geschenk eines Gottes, aber ich möchte ihr eines machen. Nyrona, darf ich?“ Die Wasserwölfin blickte den Gott verwirrt an. Erst, als Sikona sie sanft in die Seite stupste, zuckte sie erschrocken zusammen und nickte. „Ja, natürlich. Sehr gerne.“ Nyrona wollte aufstehen, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. „Bleib liegen, Nyrona. Für mein Geschenk musst du nicht aufstehen.“ Wieder ertönte ein plätscherndes Kichern. „Ich gab den Wölfen Daromis noch kein Geschenk. Du sollst die Erste sein, die eines bekommt und es soll nur dir gehören, als Dank für deine große Hilfe.“ Mit diesen Worten beugte sich Rishui zu Nyrona und berührte mit ihrer Schnauze vorsichtig die Stirn der Wasserwölfin. Ein helles Licht entstand bei dieser Berührung und erneut mussten alle Wölfe die Augen schließen. Als sie sie wieder öffneten, sahen sie, wie Rishui lächelnd vor Nyrona stand. Diese blickte an ihrem Körper hinab und ihre Augen strahlten vor Freude. „Wow, du siehst hübsch aus, Schwester“, sagte Nurik und betrachtete die schwarzen Markierungen auf dem Fell von Nyrona. An ihren Beinen, Rücken, Schwanz und Gesicht hatte die Wasserwölfin schwarze runde Markierungen, die nicht zu aufdringlich sondern eher sanft waren. „Dieses Geschenk kannst du zumindest nicht im Wasser verlieren“, erklärte der Wassergott fröhlich. „Du siehst schön aus und du hebst dich nun von den anderen Wasserwölfen ab.“ „Danke, Rishui“, sagte Nyrona voller Stolz und konnte ihr Glück noch gar nicht glauben. „Es gibt nichts zu danken, kleine Wölfin.“ Da drehte sich der Gott wieder zu Yen um. „Ich werde euch alle jetzt wieder an die Oberfläche bringen. Ihr habt hier getan, was ihr konntet. Wenn ihr meine Hilfe benötigt, so werde ich euch beistehen.“ Yen bedankte sich bei dem Wassergott. Dieser stellte sich direkt vor die kleine Gruppe und schloss die Augen. Erneut wurde es hell um sie herum und, als sie die Augen wieder öffneten, befanden sie sich wieder draußen, im Kessel direkt vor dem riesigen See. Die Wölfe blickten sich alle an und da begann Ruki zu lachen. Mit seinem Lachen steckte er alle anderen an, auch Kian. Die Strapazen des letzten Tages fielen mit einem Schlag von allen ab. Sie waren alle froh, diese erste Etappe geschafft zu haben. Nach einiger Zeit rief Yen alle zusammen. „Nun, wir dürfen uns nicht ausruhen. Es warten noch immer fünf Götter auf unsere Hilfe. Dies war erst die erste Etappe gewesen. Ich bin stolz auf euch, dass ihr mit mir bis hierhin gegangen seit und mit mir dieses Abenteuer übersteht. Das, was der Wassergott euch erzählt hatte, stimmt. Während ich bewusstlos am Boden lag, suchte mich ein höheres Wesen auf: Ihr Name war Shiera. Sie ist kein Gott, sondern eher ein Zwischenwesen, das Daromi und den Göttern helfen möchte. Shiera erzählte mir, ich sei der Wolf aus der Prophezeiung, doch ich möchte, dass ihr mich weiterhin als den ansieht, der ich für euch bin: Yen, ein gewöhnlicher schwarzer Wolf.“ „Du wirst niemals ein anderer Wolf für uns sein. Du kannst auf uns zählen“, sagte Kian, der schon irgendwie geahnt hatte, dass der Wolf aus der Prophezeiung Yen sein musste. Genau das wollte Yen hören. „Lasst uns aufbrechen und dieses karge Land hinter uns lassen!“ Da fingen alle freudig zum Jaulen an. Sie alle waren gespannt auf die Abenteuer, die noch vor ihnen lagen. Vorsichtig machten sie sich wieder auf den Weg aus dem Kessel heraus. Nurik stützte Nyrona und Ruki half Sikona, den schweren Weg zu beschreiten. Beide Wölfinnen waren noch ziemlich schwach auf den Beinen. Somit ließen sie das Heiligtum des Wassergottes hinter sich. Über ihnen vernahmen sie Vogelgezwitscher und das leise Rascheln der Blätter im Wind. Langsam kehrte wieder das Leben zurück in das Tal zurück. Der Weg durch die Eislandschaft war beschwerlich und hart. Aria folgte der Beschreibung von Rejn und folgte den beiden Bergen in der Ferne. Sie war schon sehr weit gekommen und die Berge ragten direkt vor ihr auf. Der Wald, in dem sie sich befand, lichtete sich bereits. „Ich muss es bald geschafft haben“, redete Aria mit sich selbst. Ihre Stimme war das Einzige, das sie daran erinnerte, dass sie noch lebte. In dieser kalten eisigen Welt gab es kaum Leben. Zielstrebig ging sie weiter ihren Weg, bis sie irgendwann direkt vor sich Stimmen hörte. Es war ein windiger Tag und die Stimmen wurden direkt zu ihr getragen. Sie kamen von den beiden Giganten, wo das Heiligtum liegen musste. Die Erdwölfin kannte diese Stimmen nicht, doch da fasste sie neuen Mut und rannte auf die Berge zu. Der Schnee wirbelte, aufgewühlt durch ihren schnellen Schritt, hoch, doch das kümmerte sie nicht. Wenn es die Wölfe waren, die sie suchte, dann würden diese sie nicht angreifen. Sie erklomm einen kleinen Hügel und, als sie vom obersten Punkt in die kleine Mulde nach unten blickte, sah sie das kleine Rudel: Es waren sieben Wölfe, genau wie Rejn gesagt hatte. Da hob die Erdwölfin den Kopf und heulte als Begrüßung ein freudiges Lied in den Himmel. Zunächst war ihr Heulen alleine, doch dann schloss sich eine Stimme, dann mehrere ihrem Geheul an und hießen sie in ihren Reihen willkommen. Aria hat endlich das gefunden, wonach sie so lange gesucht hatte: Ein Rudel. ~~ In der Zwischenwelt Ende ~~ Wie wird sich Aria in das Rudel einfinden? Wohin geht die Reise als nächstes? Lässt der Dämon diese erste Niederlage einfach so auf sich sitzen? Die Dunkelheit wurde vertrieben, doch nicht zerstört. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)