Babysitting?! von abgemeldet (I'm here for you) ================================================================================ Kapitel 4: Step 4 ----------------- Ein wenig gespannt beobachtete ich Roxas, wie er die grüne Taste betätigte und sich den Hörer ans Ohr hier. Es schien relativ lange zu dauern, bis jemand an der anderen Seite der Leitung abhob. „Ah, Bonjour, madame. Je m’appelle Roxas Heaven…“, und damit verloren sich meine kümmerlichen Französisch-Kenntnisse in den schier endlosen Worten des Blondschopfs. Man sollte meinen, dass ich nach einem Jahr Zwangs-Französisch zumindest ein klein wenig mehr als die Begrüßungsfloskeln im Kopf behalten hatte, allerdings war dem nicht so. Deshalb wandte ich mich auch recht schnell wieder ab. Der Junge würde schon wissen, was er tat. Auch wenn ich ehrlich bezweifelte, dass es klappte. Krankenhäuser gaben nur selten Informationen über Patienten heraus. Und diese Ausnahmefälle, in denen sie es taten, wurden meist durch die Polizei hervorgerufen. Zumindest war das bei uns so. Ob die in Frankreich die selbe Regelung hatten wusste ich nicht, aber ich war davon überzeugt. Krankenhaus war Krankenhaus, egal in welchem Land. Ich verwarf die Gedanken lieber schnell und widmete mich wieder Demyx, der sich immer noch nicht so recht fangen konnte. Verständlich. Auch wenn ich nicht ganz so offen mit meinen Gefühlen war, war ich mir sicher, dass ich jetzt nicht anders reagieren würde, als der Musikliebhaber. Es verging einige Zeit, in der Roxas mit seiner Gesprächspartnerin diskutierte und ich es schaffte, Demyx zu beruhigen. Leider wurde der Kleine ein wenig zu ruhig. Er hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt, den Kopf auf meinen Schoß gelegt und schlief tief und fest. Einerseits war es ganz gut, dass Demyx schlief. Immerhin konnte er sich in dieser Zeit nicht irgendwas zusammen fantasieren, was mit Marluxia geschehen sein könnte und sich damit wieder hochschaukeln. Außerdem war das für meine und für Roxas‘ Nerven definitiv ein wenig gesünder, wenn wir keinen aufgelösten Demyx auf dieser Couch sitzen hatten. Ein wenig abwesend strich ich dem Kleineren eine Haarsträhne aus der Stirn. Armer Kerl. Das ausgerechnet jetzt sowas passieren musste. Der blonde Musiker hatte sich so sehr darauf gefreut endlich wieder etwas Zeit mit seinem Herzblatt zu verbringen und dann hat dieser einen Unfall und kann nicht kommen. Die Zwei waren echt nicht mit Glück beschenkt. Aber vielleicht wirkte sich das ja sogar irgendwo positiv auf ihre Liebe aus, dass sie immer wieder mit so einem Scheiß zu kämpfen hatten. Immerhin waren sie nun schon seit zwei Jahren zusammen, und damit war das sowohl Marluxias, als auch Demyx‘ längste Beziehung bisher. Und es würde gewiss nicht bei diesen zwei Jahren bleiben, wie ich das einschätzte. „Hier!“, wurde ich plötzlich von Roxas‘ Stimme aus den Gedanken gerissen und blinzelte verwirrt. Perplex musterte ich den Zettel, den der Junge mit entgegen hielt, ebenso wie das Telefon. „Hä?“, war die doch recht sinnvolle Antwort meinerseits und ich ließ meinen Blick über den Zettel schweifen. Fein geschriebene Ziffern zierten das weiße Papier. Kurz musterte ich die Zahlen, ehe ich mir wieder bewusst wurde, was das ganze sollte. Das war eine Telefonnummer. Mit Vorwahl und allem drum und dran. „Was genau mit eurem Freund ist, hat man mir nicht verraten wollen. Aber das ist die Telefonnummer von euer Freund, während seines Aufenthalts.“, klärte der blonde Strubbelkopf mich dann auch auf und in meinem Kopf schaltete endlich auch der letzte Schalter um. „Du hast sie echt bekommen?“, fragte ich verwirrt und nahm den Zettel an mich. „Dumme Frage. Würde sie sonst da stehen?“ Wo der Kleine Recht hatte, hatte er Recht. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich musterte erneut die Nummer. Mit etwas Glück würden wir gleich wissen, was mit unserer Rose los war. „Danke, du bist echt spitze, Roxy!“, lobte ich ihn, sah von dem Zettel auf und erntete einen verwirrten Blick. Hm? Hatte ich etwas Falsches gesagt? „R-Roxy?“, erfuhr ich schließlich, was den Kleineren so verwirrt hatte und konnte beobachten, wie sich ein leichter Rotschimmer um seine Nase bildete. Ach nein, wie niedlich. War ihm das peinlich? „Darf ich dich nicht so nennen?“, fragte ich rhetorisch und nahm mir direkt vor, ihn weiter so zu nennen. Selbst wenn ich jetzt ein ‚Nein‘ zu hören bekäme. Allein schon, um den Kleinen wieder rot werden zu sehen, würde ich diesen Spitznamen ausnutzen. Diesbezüglich kannte ich kein Erbarmen, das hatten sogar Marluxia und Zexion bereits zu spüren bekommen. Auch wenn sich Letzterer immer noch gegen seinen Spitznamen zu wehren versuchte. Grinsend beobachtete ich, wie Roxas beschämt das Gesicht abwandte. Zu meiner Verwunderung allerdings schüttelte er den Kopf: „Nein, ich schon okay...“ „Na dann ist das ja geklärt.“, grinste ich und versuchte vorsichtig mein Handy aus der Hosentasche zu bekommen, ohne Demyx dabei aufzuwecken. Ein unmögliches Unterfangen, da der Musikliebhaber es sich genau auf der Tasche bequem gemacht zu haben schien. Na prima. Ein leises kichern ließ mich in der Bewegung stoppen und zu meinem Schützling sehen. Roxas schüttelte nur amüsiert den Kopf und hielt mir den Hörer vom Festnetzanschluss hin. „Ist bestimmt billiger!“, versicherte er mir und ich brach meinen Versuch ab. Das war natürlich auch eine Möglichkeit, ab die ich ehrlich gesagt nicht gedacht hatte. „Danke, Kleiner.“ Doch ein wenig angespannt tippte ich die Nummer von dem Zettel ein und lauschte dem nervigsten Freizeichenton aller Zeiten: Ein langweiliges Tut-Tut! Da war mir ja selbst Demyx‘ Tetris-Ton lieber. Zu allem Überfluss schien erst niemand abheben zu wollen, doch kurz bevor ich es aufgeben wollte, erklang eine wohlbekannte verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung: „Ja?“ Ein erleichterter Seufzer entfloh meinen Lippen. Japp, das war eindeutig Marluxia. Augenblicklich fiel mit ein Stein von Herzen. Ich hatte zwar darauf gehofft, das unsere Rose selbst annahm, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet. Eher dachte ich, Amy, oder seine Mutter würden das Gespräch annehmen. „Du bist in Frankreich und nimmst ein Telefonat auf englisch an? Ziemlich enttäuschend, wenn du mich fragst, Marlu.“, grinste ich triumphierend. Kurz herrschte Stille in der Leitung. Entweder er wusste meine Stimme nicht ganz einzuordnen, oder er konnte es nicht fassen, dass ich anrief. „Sehr lustig. Alte Gewohnheiten rosten eben nicht. Abgesehen davon hab ich bis vor drei Minuten noch geschlafen, da darf mir das schon mal passieren. Was gibt’s denn?“ „Das sollte ich wohl eher dich fragen. Was machst du für Sachen? Demyx ist vorhin vollkommen aufgelöst bei mir aufgetaucht, hat unverständliches Zeug gebrabbelt und mir die Mail deiner Sis gezeigt. Verdammt, was ist passiert?! Wie geht’s dir? Und warum zur Hölle hast du dich nicht sofort bei Demyx gemeldet?! Du weißt genau, dass er bei sowas gern zur Überreaktion neigt!“ Ich bekam gar nicht mit, wie ich mich selbst in Rage redete. Oh ja, das konnte ich gut. Sehr gut sogar. Wenn es ein Schulfach dafür gäbe, hätte ich dort gewiss den Platz des Klassenbesten besetzt. Allerdings musste ich nicht nur die Luft raus lassen, weil Marluxia Demyx solche Sorgen bereitet hatte. Nein, teils hatte das wohl auch etwas mit den Sorgen zutun, die sich in mir selbst aufgebaut hatten. Ich würde es zwar niemals vor irgendwem zugeben, aber ich sorgte mich schon um meine Jungs. Selbst, wenn einer von ihnen nur einmal nicht zur Schule kam, machte sich bereits dieses beklemmende Gefühl in mir breit. Und dem musste ich jetzt erstmal Luft machen. Unbewusst, versteht sich. Erst, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, bemerkte ich, wie angespannt ich eigentlich war. Roxas, dessen Hand der Auslöser meiner Erkenntnis war, hatte sich neben mich auf die Couch gesetzt und musterte mich. Wenn ich mich nicht ganz irrte, lag ein unauffälliger Schleier der Sorge in seinem Blick. Unweigerlich musste ich schmunzeln, doch verschwand dies, mit den nächsten Worten meines Freundes am anderen Ende der Leitung: „Freut mich, dass du dir Sorgen gemacht hast, Ax. Hätte ich dir gar nicht zugetraut.“ Mist. „Als würde ich mich um dich sorgen. Ich hasse es nur, wenn Demyx wegen dir weint.“, knurrte ich leise in den Hörer und erntete ein leises Lachen. „Na gut, dann eben nicht. Aber sag dem Kleinen, dass es nicht so schlimm ist. Mit etwas Glück darf ich übermorgen schon wieder raus. Die wollen mich nur zur Beobachtung hier behalten, weil sie einen Verdacht auf ein Schädelhirntrauma haben. Wenn du mich fragst, die spinnen. Mein Kopf hat gar nichts abbekommen und wegen einem verstauchten Knöchel und einer geprellten Rippe können die mich nicht hierbehalten, wenn ich nicht mag.“ Erneut verließ ein erleichtertes Seufzen meine Kehle und ich lehnte mich um einiges entspannter in die Rückenlehne der Couch. Alles im grünen Bereich. Nichts Bedrohliches. Das klang doch fast wie Musik in meinen Ohren. „Du bist mir echt einer... Was ist denn jetzt eigentlich passiert? Amy hat es in ihrer Nachricht ja ziemlich kurz gehalten.“ „Naja, so genau weiß ich das nicht mehr. Ich war mit ihr shoppen und sie schwärmte gerade von irgendeinem Kleid, dass sie vor ihrem Flug nach Paris im Flugharfen von Chicago gesehen hat. Wir überquerten eine Straße und irgend so ein Trottel meinte, genau in dem Moment losfahren zu müssen. Tja, das Ergebnis kennst du ja.“ Ich runzelte leicht die Stirn. Das klang ziemlich merkwürdig. Waren die Beiden etwa bei Rot über eine Straße gegangen? Zuzutrauen wäre es ihnen. Wenn die sich mal über Mode verquatschten, blendeten sie gerne mal alles aus. „Hast du dem Idioten wenigstens die Motorhaube schön zerkratzt?“ „Klar, was denkst du denn? Ich hatte deinen Lieblingsgürtel an, das hat vollkommen ausgereicht.“, erklang es amüsiert von dem Designer. Ich musste lachen. Oh ja. Mein Lieblingsgürtel, den ich Marluxia zu seinem Achtzehnten geschenkt hatte. Der Gürtel war das reinste Waffenlager, wie meine Mutter zu sagen pflegte, wenn sie Marluxia damit herumlaufen sah. Ich zog die Bezeichnung ‚Nietengürtel mit Zusatz‘ eher vor. Immerhin war er nichts anderes. Ein Nietengürtel, mit dezentem Kettenschmuck. Ich hatte mich sofort in das Teil verliebt, als ich ihn bei einem der vielen Streifzüge mit den Jungs durch die Malls gesehen hatte. Demyx, Zexion und ich hatten uns verbündet und Marluxia den Gürtel, ein passendes Shirt und eine passende Hose besorgt und ihm das Outfit zu seinem Geburtstag überreicht. Erst hatte unsere Rose ziemlich skeptisch gewirkt, allerdings hatten die Sachen sich auch auf seiner Beliebtheitsliste nach oben geschlängelt. Sie waren eben verdammt gemütlich und machten den Designer definitiv interessant, das musste selbst ich zugeben. „Ah, da fällt mir ein: Wolltest du heute nicht babysitten?“ „Ja, mache ich doch auch. Meine Aufgabe sitzt sogar neben mir auf der Couch.“ „Du musst auf Demyx aufpassen?“ Vor meinem inneren Auge konnte ich förmlich sehen, wie Marluxia skeptisch eine Augenbraue hob. „Nein, nicht Demyx. Ich bin bei den Heavens.“ „Demyx auch?“ „Klar, Roxy hat’s erlaubt.“, klärte ich meinen Gesprächspartner auf und linste zu Roxas. Der gewünschte Effekt war aufgetreten. Der Kleine war wieder leicht rot im Gesicht. Gott, wie niedlich. „Sag diesem Roxy danke von mir und...“ „Sag’s ihm selbst. Ihm hast du es immerhin auch zu verdanken, dass ich dich deines Schlafes berauben konnte.“, grinste ich und achtete nicht groß auf den Protest des Anderen. Grinsend hielt ich Roxas den Hörer hin. Etwas unsicher nahm er ihn entgegen: „J-ja?“ Hoppla. Die Sicherheit, mit der er mit der Frau aus der Klinik gesprochen hatte, war vollkommen verschwunden. Roxy klang vollkommen verschüchtert. War vielleicht doch keine so gute Idee gewesen, ihm jetzt auch noch Marlu auf’s Auge zu drücken. Dennoch lauschte der Junge brav. Ich konnte Marluxias Stimme gedämpft hören und musste mir ein lachen verkneifen. Er tat es echt. Tja, irgendwo war er eben doch Gentleman, und wenn es nur darum ging, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Mit einem leisen „Keine Ursache“ beendete Roxas sein Gespräch mit unserer Rose und gab mir den Hörer zurück. „Ziemlich kleinlaut der Junge.“, war das einzige Kommentar, welches Marluxia dafür übrig hatte. Ich konnte ihn allerdings nur bestätigen. Roxas hatte vorhin noch ziemlich selbstbewusst gewirkt. Erst seitdem ich ihm das erste Mal mit seinem Spitznamen konfrontiert hatte, war er wieder so zurückhaltend. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen. Nicht, dass ich damit das anfängliche Vertrauen ruinierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)