Release me von Demonic-Cookie ================================================================================ Kapitel 8: Lasting memory ------------------------- Vor dem Club blieb Aidan stehen und ließ meine Hand los. Er lehnte sich gegen eine Hauswand, steckte sich eine Zigarette an und schüttelte grinsend den Kopf. „Was?“, entgegnete ich genervt. „Du bist wahnsinnig süß, wenn du dich aufregst. Generell gefiel mir die kleine Show da drinnen ganz gut. Aber ich glaube, du hättest auch sanfter mit dem armen Kerl Schluss machen können…“ „Ich habe gar nicht Schluss gemacht! Du bist doch Schuld, dass er mich verlassen hat! Ich hätte mich nie auf dich einlassen sollen…“ Wütend setzte ich mich auf den Boden und zog meine High Heels aus. Aidan setzte sich neben mich. „Hey… Kleines. Na reg dich mal nicht so auf. Es ist alles halb so schlimm wie es aussieht.“ Geknickt sah ich ihn an. „Liebst du ihn?“, fragte er plötzlich. Ich öffnete den Mund, wusste aber nicht was ich antworten sollte. Also zuckte ich nur mit den Schultern. „Wir kennen uns zwar noch nicht besonders lange, aber ich sehe die Sache so: Dein Prince Charming ist dir furchtbar wichtig. Er hat dir immer beigestanden, war für dich da, hat deine Welt zu einem besseren Ort gemacht. Er hat sich in dich verliebt und du dachtest, du würdest das gleiche für ihn empfinden. Aber du verwechselst Zuneigung mit Liebe. Im Grunde wärst du genauso glücklich mit ihm als besten Freund gewesen. Jetzt wo alles so kaputt scheint, geht es dir schlecht, weil du Angst hast ihn für immer verloren zu haben.“ Aidan hatte recht. Das wurde ich mir in diesem Moment bewusst. Vielleicht fühlte es sich deshalb so befremdlich an, ihn zu küssen und vielleicht konnte ich deshalb mit ihm nie weiter gehen, mit Aidan jedoch schon. Ich seufzte. Warum war es nur immer so kompliziert im Leben? Erschöpft legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und schloss für einen Moment die Augen. In Aidans Nähe fühlte ich mich anders, als die Jahre zuvor bei Lucien. Irgendwie angekommen. Sicher. So als hätte ich immer schon genau hier her gehört. Aber gab es so etwas überhaupt? War es das, was Menschen als Seelenverwandtschaft bezeichneten? Ich hatte in meiner Schulzeit einmal das Werk ‚Die Wahlverwandtschaften‘ von Goethe gelesen, in dem es darum ging, dass zwei Menschen für einander vorbestimmt sind und sie wie chemische Elemente zueinander hingezogen werden. War also Aidan in Wahrheit mein Gegenstück? Er legte den Arm um mich. „Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen. Nicht jede Beziehung nimmt ein glückliches Ende. Meinst du nicht, es wäre schlimmer gewesen, wenn du deine Gefühle weiterhin geleugnet hättest und Lucien damit nur angelogen hättest?“ Ich nickte. Trotzdem war dieses ganze Durcheinander ein wenig zu viel für mich. Zudem machten mir die vielen Shots langsam echt zu schaffen. „Ich kann nicht mehr“, flüsterte ich. Aidan stand auf, rief ein Taxi und zog mich dann zu sich hoch. Ohne auf meine Widerworte zu reagieren, hieb er mich hoch und schleppte mich zum Taxi. Erst setzte er mich behutsam auf die Rückbank, dann stieg er selbst ein. Das Taxi brachte uns zu seiner Wohnung. Langsam trug er mich die vielen Stufen hoch und setzte mich auf seinem Bett ab. Ich wollte aufstehen um mir ein Glas Wasser zu holen, jedoch war mir zu schwindelig. „Na na. Du bleibst schön hier. Brauchst du Wasser?“ Ich nickte. Aidan ging zur kleinen Küchenecke und kam mit einem Glas Wasser und einem Honigbrot zurück. „Was soll ich denn damit?“, fragte ich verwundert. „Ein kleiner Geheimtipp…“ Er grinste. „Ich will doch nicht, dass du morgen platt bist. Ich habe letztens sogar extra Gläser gekauft, damit du nicht ständig aus der Flasche trinken musst.“ Ich lächelte und nahm dankbar das Wasser und das Brot an. Danach ging es mir tatsächlich schon ein wenig besser. Aidan legte sich auf die linke Bettseite und beobachtete mich. Ich wusste nicht so recht, was ich jetzt tun sollte. Schließlich brachte ich Glas und Teller in die Küche, wusch beides ab, richtete mein Kleid und sagte: „Vielen Dank für alles. Mir geht es schon viel besser. Es wird wohl das Beste sein, wenn ich jetzt gehe…“ „Und für wen genau?“ „Wie?“ „Na für wen soll das, das Beste sein? Ich hab dich nicht ohne Grund hergebracht.“ Verunsichert sah ich ihn an und wurde rot. „Ich weiß nicht, was für eine Art Gegenleistung du jetzt von mir erwartest, aber ich wäre dir dankbar, wenn du mich gehen lassen würdest…“ „Sag mal, was denkst du eigentlich von mir? Dass ich dich jetzt ins Bett zerre und vergewaltige? Ich will einfach nur, dass du bei mir bleibst. Damit ich weiß, dass du in Ruhe einschlafen kannst. Warum denkst du immer so schlecht von Menschen? Wer hat dich so kaputt gemacht?“ Traurig musste ich an meine Jugend zurück denken. Jedes Wort, jeder Augenblick hatte sich in mein Gehirn eingebrannt... Wie in Trance stand ich da und sah vor meinen Augen in meine Vergangenheit zurück, zu dem Tag, als drei Jungen aus dem Waisenhaus anfingen, mich zu vergewaltigen. Ich brach auf dem dunklen Holzboden zusammen. Die schmerzhafte Erinnerung war zu viel für mich und meinen Körper. Erschrocken kam Aidan zu mir geeilt. Dann wurde alles schwarz. Nach einiger Zeit öffnete ich meine Augen und sah in Aidans besorgtes Gesicht. Als mir klar wurde, warum ich in seinem Bett lag und an was ich mich vorhin noch erinnert hatte, konnte ich die Tränen nicht zurück halten. „Sch… Nicht weinen. Hey, alles ist gut.“ Aidan strich mir vorsichtig meine Haare aus dem Gesicht. „Es tut mir leid. Was auch immer passiert ist… Du musst es mir auch nicht erzählen, wenn du nicht möchtest. Wenn doch, höre ich dir gerne zu…“ Besorgt versuchte er meine Blicke zu deuten. Ich hatte mich vorher noch nie so sicher bei einem Menschen gefühlt. Lucien war zwar immer liebevoll, aber ich hatte stets das Gefühl, als würde er die Wahrheit nicht verkraften. Aidan jedoch war stark und ich hatte das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen. Er gab mir das Gefühl, als könne er mich vor allem beschützen. Also erzählte ich ihm alles. Von meiner einsamen Kindheit, den drei Jungen und der Vergewaltigung, der anschließenden Erpressung und meiner Flucht aus dem Waisenhaus, als ich 16 Jahre alt war. Mit gesenktem Blick wartete ich auf eine Reaktion. Doch Aidan schien es die Sprache verschlagen zu haben. Ich sah ihn an, doch er starrte nur auf seine Hände. „Lil… wenn ich das gewusst hätte… ich… der Kuss… ich bin so egoistisch… Samstagabend… ich wollte nicht…“ „Es ist okay… du konntest es ja nicht ahnen, dass ich so verkorkst bin. Du bist an nichts Schuld. Durch den Alkohol musste ich die Erlebnisse von damals verdrängt haben… Ich habe schon verkraftet, dass wir miteinander geschlafen haben.“ Sanft wollte ich seinen Arm berühren, doch ich verbrannte mich an ihm. Ein brennendes Loch erschien auf seinem Hemd. Er legte seine Hand an die Stelle und löschte die kleinen Flammen. „Wir haben nicht miteinander geschlafen… Dazu kam es nicht“, sagte er trocken, zog sein Hemd aus und ging ins Bad. Wie versteinert saß ich auf dem Bett und verstand die Welt nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)