Release me von Demonic-Cookie ================================================================================ Kapitel 4: Secrets ------------------ Verwundert sah ich ihm in die Augen, als sich unser Kuss löste. „Entschuldige, ich habe mich wohl doch gerade eingemischt“, flüsterte er. Mein Körper spielte verrückt. Ich spürte ein Verlangen in mir aufkommen, von dem ich nie auch nur ansatzweise geträumt hätte. Doch der letzte Funken Verstand hielt mich auf. „Ich muss jetzt gehen“, sagte ich und ging, ohne Aidan auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Ich versuchte souverän zu wirken und ging mit kontrollierten Schritten den Weg entlang, bis ich wusste, dass er mich nicht mehr sehen konnte. Verzweifelt ließ ich mich an einer Hauswand auf den Boden gleiten und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Ich durfte diesen Mann nie wieder sehen, auf gar keinen Fall. Lucien war derjenige, der mich glücklich machte. Der mich nach all den schweren Zeiten aufgebaut hatte. Und was tat ich als Dank? Schuldgefühle machten sich in mir breit. Die darauffolgende Nacht verbrachte ich an meinem Fenster und starrte auf den Mond. An Schlaf war nicht zu denken. Ich fühlte mich viel zu schuldig um auch nur kurz die Augen zu schließen. Gegen 4 Uhr legte ich mich in mein Bett, doch auch da gelang es mir einfach nicht meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Schließlich setzte ich mich um halb sieben in die Küche und trank Kaffee. Eine halbe Stunde später hörte ich, wie jemand ins Bad ging und duschte. Oh, Ava muss wieder da sein. Wo war sie denn die letzten Tage bloß? Die Dusche verstummte. Ich stellte mich mit meinem Kaffee in den Rahmen der Küchentür und wartete auf Ava, die jeden Moment das Bad verlassen würde. Doch als die Badtür aufging fiel mir fast die Kinnlade herunter. Nicht meine Mitbewohnerin kam aus dem Raum, sondern ein ziemlich gut aussehender junger Mann. Seine braunen Haare hingen noch nass und wuschelig in sein Gesicht. Um seinen Unterkörper war eins unserer Handtücher gewickelt. Als er mich im Türrahmen stehen sah, lief er rot an. „Tu- Tut mir leid, Ava meinte, dass ihre Mitbewohnerin für gewöhnlich immer lang schlafen würde“, stammelte er mit französischem Akzent. Verzweifelt versuchte er meinem Blick auszuweichen und huschte in Avas Zimmer. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Meine Mitbewohnerin war zwar nicht schüchtern, aber noch nie hatte sie einfach so einen fremden Mann mit nach Hause gebracht. Vor allem nicht über Nacht. Das erklärte aber zumindest, wo sie die letzten Tage gesteckt hatte. Kopfschüttelnd machte ich mir noch einen Kaffee und ging in mein Zimmer. Die nächsten Tage verliefen ziemlich ruhig. Aidan war von der Bildfläche verschwunden. Selbst im Coffeeshop sah ich ihn nicht mehr. Ein wenig erleichtert war ich darüber schon, jedoch konnte ich nicht verstehen, wo er so plötzlich abgeblieben war. Lucien konnte ich nichts von dem Vorfall erzählen. Zu tief saß die Angst, dass er mich verlassen könnte. Einsamkeit war mein größter Feind. Auch bei Ava konnte ich die Geschichte nicht ansprechen. Auf der einen Seite wollte ich sie nicht mit meinen Problemen belasten, wo sie nun so glücklich schien und auf der anderen Seite gab es nun, wo Aidan verschwunden war, auch keinen Grund mehr, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie erzählte mir eines Nachmittags, dass sie ihre neue Bekanntschaft in der Uni kennengelernt hatte. Er hieß Charles und war ein Austauschstudent aus Paris. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und nun konnten sie kaum die Finger voneinander lassen. Ich hatte Ava vorher noch nie so glücklich gesehen. Stunden, Tage und Wochen vergingen. Mittlerweile war es November. Aidan hatte ich seit dem Kuss nie wieder gesehen, wodurch ich zum Glück kaum noch an ihn denken musste. Ich saß in meinem Zimmer auf dem Boden, um mich herum tausend Stifte, Pinsel und Farbtuben. Es war mal wieder Zeit alle meine Kunstsachen auszusortieren. Ein Anruf von Lucien unterbrach meine Arbeit. „Hallo, schöne Frau. Was machst du gerade?“ „Hallo. Nichts besonderes, ein wenig Inventur.“ Lächelnd ließ ich mich auf mein Bett fallen. Momentan lief es wieder ziemlich gut bei uns beiden. Lucien verbrachte fast jede Nacht bei mir, was zur Folge hatte, dass die Nächte ohne ihn relativ schlaflos verliefen. Kaum zu glauben, wie schnell man sich an jemanden gewöhnen konnte. „Oh, das hört sich natürlich spannend an.“ Sein Lachen ertönte durch mein Handy. „Und was machst du so?“ „Ich laufe gerade von der Uni nach Hause. Allerdings rufe ich nicht ohne Grund an. Mein Vater hat vorhin angerufen. Leider geht es meiner Urgroßmutter nicht besonders gut. Du weißt ja, ihr Herz macht immer wieder Schwierigkeiten. Er sagte, es wäre schön wenn ich heute noch einen Flieger nehme, man kann nicht ausschließen, dass sie nicht mehr lange unter uns verweilen wird.“ Traurig suchte ich nach den richtigen Worten. „Oh, Schatz. Das tut mir unendlich leid. Weißt du schon wann der Flug geht?“ „Ich versuche einen um 20 Uhr zu nehmen. Möchtest du mich vielleicht begleiten?“ Zwar kannte ich seine Urgroßmutter bereits und mochte die alte Frau sehr gerne, doch hatte ich Lucien noch nie nach Kanada begleitet. Zudem musste ich Anfang der nächsten Woche noch eine Kunstmappe abgeben. „Ich muss dich leider vertrösten. Dienstag ist Abgabetermin für meine Kunstmappe.“ „Das kann ich verstehen… Bestimmt ist es auch gar nicht so ernst, Grandma ist schließlich eine starke Frau. Mit Sicherheit übertreiben die Ärzte nur wegen ihres Alters.“ „Das stimmt wohl. Wann kommst du wieder?“ „Je nachdem. Eine Woche werde ich wohl weg sein. Ich melde mich aber auf jeden Fall bei dir.“ „In Ordnung. Grüße alle lieb von mir ja?“ „Mach ich. Viel Spaß noch bei deiner kleinen Inventur. Ich liebe dich.“ Mit diesen Worten legte er auf. Nachdem ich alle Malutensilien geordnet hatte und eine Liste in den Händen hielt, was ich dringend nachkaufen musste, machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Ich musste mich beeilen, wenn ich noch rechtzeitig vor Ladenschluss da sein wollte. Zu meinem Unglück fuhr die U-Band direkt vor meiner Nase davon. „Na, du warst wohl nicht schnell genug.“ Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu sehen von wem die Worte kamen. „Glücklicherweise war das nicht die letzte, die heute fährt“, grummelte ich. „Glücklicherweise muss ich auch in die Richtung“, entgegnete Aidan und stellte sich vor mich. Er sah noch genauso aus, wie vor fast zwei Monaten. „Bist du von den Toten auferstanden oder wo hast du dich in letzter Zeit rumgetrieben?“ „Hast du mich etwa vermisst?“, fragte er grinsend. „Sehr“, antwortete ich ironisch. „Ich hatte noch etwas zu erledigen.“ „Oh, du bist wohl sehr beschäftigt. Musstest wahrscheinlich noch weitere vergebene Mädchen, ohne ihre Zustimmung küssen…“ „Das hatte sich schon sehr zustimmend angefühlt, wenn du mich fragst. Aber nein, für gewöhnlich verfolge ich nur ein Ziel.“ Genervt sah ich weg und wünschte mir sehnlichst die Scheinwerfer der Bahn herbei. „Heute schon etwas vor?“, fragte Aidan. „Ja, eine Menge. Dir aus dem Weg gehen zum Beispiel“, antwortete ich gereizt. „Ich verspreche dir, ich halte mich zurück.“ Ein leichtes Flehen lag in seiner Stimme. Seufzend sah ich auf die Uhr. Die Bahn verspätete sich. Ich würde es niemals rechtzeitig zum Kunstladen schaffen. Ehrlichgesagt hatte ich auch nicht den leisesten Schimmer, was ich mit meinem restlichen Freitagabend anfangen sollte. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich ihn mit Lucien verbringen würde. Doch nun, wo er auf dem Weg zu seiner Familie war, fiel diese Option wohl weg. „Okay. Meinetwegen. Aber du musst ein paar Regeln einhalten.“ „Die da wären?“ Er grinste mich vergnügt an. „Du fasst mich nicht an, schaust mich am besten nicht mal an und dein Grinsen kannst du auch bei dir behalten.“ Sein Grinsen erstarb sofort. Ernst sah er mich an. „Ach, schon verliebt?“ Wütend und entsetzt starrte ich ihn an. „Du spinnst doch.“ „Nein, ich scherze.“ Lachend sah er mich an. Ich schüttelte nur den Kopf, musste aber schließlich auch lachen. So unsympathisch war er eigentlich gar nicht. „Und was machen wir glorreiches?“, fragte ich. „Na, wenn du schon so tolle Regeln aufstellen kannst, musst du mich wohl oder übel zu dir nach Hause einladen.“ „Was – zu mir nach Hause?“ Das konnte er unmöglich ernst meinen. „Ja, natürlich. Oder hast du eine bessere Idee?“ Ich überlegte. Ava wollte den Abend bei Charles verbringen, somit würde sie nicht einmal mitkriegen, dass ich Besuch hatte. Und wenn Aidan sich daneben benehmen sollte, könnte ich ihn einfach rauswerfen… „Gut. Dann komm, gehen wir.“ So gleichgültig wie möglich setzte ich mich in Bewegung. Ein wenig beunruhigte mich der Gedanke ihn zu mir zu bringen jedoch schon. Grinsend folgte Aidan mir und legte einen Arm über meine Schulter. „Weißt du, ich glaube, das ist der Anfang von etwas ganz, ganz Großem“, verkündete er und drückte mich an sich. Ich seufzte wieder und verdrehte die Augen. „Mit Sicherheit…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)