Narbengesicht von _Natsumi_Ann_ (dominique & albus) ================================================================================ Kapitel 1: Wunden fühlen ... ---------------------------- Narbengesicht. * * * "Die Narben auf unseren Seelen bestimmen den Gang des Lebens." Schmerz. Er spürte ihn überall, obwohl seine Verletzungen nur einen Teil seines Körpers einnahmen. Seit diesem Unfall kannte er nichts als Schmerz und den grenzenlosen Hass gegen sich selbst und den Rest der Welt. Er hatte immer alles gehabt, was er wollte. Wirklich alles. Ruhm, Reichtum, Ansehen, Einfluss. Wie sollte es auch anderes sein, er war der Sohn des berühmten Harry Potters, grenzte sich jedoch immer von seinen anderen Geschwistern ab. Ein Slytherin, eine Schlange, aber die Frauen liebten genau das an ihm. Verbündet mit dem schlimmsten Feind, einem Malfoy, heute seinem besten Freund, seiner zweiten Hälfte, seiner gespaltenen Seele. Zusammen waren sie unschlagbar, und das war nicht nur in ihrer Schulzeit so gewesen, auch danach feierten sie Erfolge. Mit Ted Lupin waren „Pride of Portree“ schon unschlagbar, doch sie machten die Mannschaft noch berühmter und berüchtigter, als sie es so schon war. Ted war ein einzigartiger Hüter gewesen, Scorpius strahlte mit seinem Talent als Treiber und er war der geborene Jäger. Das perfekte Team, eigentlich. Zumindest war das einmal, bis zu jenem Tag. Dieses Datum würde er wohl nie vergessen. Er hatte schon die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl in seiner Magengegend gehabt, doch wie so oft hörte er nicht auf seinen Instinkt. So war dieser Sturz von seinem Besen, eigentlich ein ganz alltägliches Ereignis, diesmal zu seinem Verhängnis geworden. Wie hätte er auch wissen können, dass dieses seltsame Kraut hier wuchs? Ja, dieses verfluchte Kraut! Wozu war Personal da, wenn es nicht mal ein Stadion richtig reinigen konnte? Und dann noch dieses unfähige Team von Medimagiern und Heilern! Hätten sie ihn nur direkt ins Krankenhaus gebracht! Warum hatten sie nur so lange gezögert? Wieso nur? Dann hätte man sein Gesicht problemlos wiederherstellen können, aber nun sah er aus wie ein zerkratztes Werwolfsopfer. Wie unfähig konnte man sein?! Was lernten diese Leute eigentlich noch in ihrer Ausbildung?! Wie man dumm aus der Wäsche guckte, wenn neben einem ein Mensch verreckte oder für immer entstellt wurde? –Anscheinend. „Mr. Potter da ist schon wieder Besuch für Sie.“ „Schicken Sie sie weg!“ „Aber Mr. Potter es ist Ihre kleine Schwester.“ „Egal schickt sie weg!“ Albus Kopf dröhnte, er hasste es seine eigene kleine Schwester wegzuschicken, aber er wusste genau was sie wollte. Auf der einen Seite wollte sie ihn besuchen, das wusste er auch zu schätzen, aber auf der anderen Seite brauchte sie etwas von ihm, zu dem er im Moment nicht in der Lage war. Sie hatte eine Ausbildung als Journalistin begonnen, leider hatte der Tagesprophet sie nicht angenommen, trotz guter Connections ihrer Mutter. So hatte sie bei der Hexenwoche angefangen, doch derzeit schienen alle Zeitungen das gleiche zu wollen. Ein Interview mit Albus Severus Potter und dazu das passende Foto, von einem Narbengesicht, das am Ende seiner Sportkarriere angekommen war. Aber das würde er niemanden gönnen. Diese Demütigung würde er nicht hinnehmen – besonders weil er eigentlich wieder spielen konnte. Aber so, wie er diese dreisten Journalisten kannte, würden die ihm noch schwere Depressionen oder sonstiges anhängen. Er wusste zwar, dass seine Schwester ihm so etwas niemals antun würde, aber sie war ein Neuling, ihr Bericht würde erst in andere Hände fallen, bevor er gedruckt werden würde, und dann würden sie ihn grundlegend verändern, das taten sie schließlich alle. Damit sie mehr Leser anlocken, mehr Skandale, mehr Drama. Das war das, was die Leute lesen wollten. Und gerade weil die Hexenwoche nicht so hoch im Kurs stand, wie die anderen Zeitungen in der Umgebung, würden sie alles aus dem Artikel rausholen. Lily musste sich wohl einen Ersatz suchen, schließlich war das ihr erster eigener Bericht, doch leider ohne ein Seelenwrack wie ihn. Auch wenn das die Schlagzeile des Jahres gewesen wäre, und vor allen in so einer Zeitschrift wie der Hexenwoche. Die Umsatzquoten würden ins Unermessliche steigen. Und dann klingelte es wieder an der Haustür. Der Schwarzhaarige verkrampfte sich. Warum hörte es heute einfach nicht auf? Er wusste, dass sein Personal die Tür öffnen würde, jedoch erst beim dritten Läuten. Doch bevor das passieren konnte, stand er diesmal selbst auf, stülpte sich die graue Kapuze seines Pullis über, sodass man nur schwach seine Narben auf der rechten Seite erkennen konnte. Das ganze Haus war abgedunkelt, nur im Gang brannten ein paar Kerzen, die sein Hauself alle paar Stunden neu entzündete. Mit gesenktem Kopf schritt er weiter zur Tür und erfasste die Türklinke. Er konnte nur hoffen, dass es noch einmal Lily war, und nicht irgendeiner dieser Paparazzis. Sonst würde er sich vergessen, ein für alle Mal. Der Spalt der Tür öffnete sich ein Stück und sein Blick erhaschte hohe schwarze Stöckelschuhe und nackte glattrasierte Beine. Schnell wanderte seine Augen zu dem kurzen Minirock und der schmalen Hüfte, die durch einen breiten Gürtel noch betont wurde. Sein Verstand reagierte rasch, als er die Person erkannte, die vor ihm stand, doch ehe er etwas unternehmen konnte, wurde sein Körper zurück gedrückt und ihr blondes Haar flatterte um seine Wangen. Er roch den süßen Duft von Honig, den sie immer noch benutzte, und er starrte auf ihre vollen Lippen, die mit einem Dunkelrot überzogen waren. Doch schnell wich er ihrem Blick aus, zog die Kapuze tiefer in sein Gesicht und ging einige Schritte zurück. „Dominique“, erwiderte er barsch. „Was willst du hier?“ Doch die Blondine ließ sich nicht beirren, warf ihre Haare zurück und kramte in ihrer Tasche herum. Sie zog eine Feder hervor und ein kleines Notizbuch. Wie hätte es auch anderes sein können? Schließlich hatte Lily immer wegen ihr Journalistin werden wollen. Dominique war einer der erfolgreichsten im Lande. Sie arbeitete beim Klitterer und bekam fast immer die Story, die sie haben wollte. Sie war direkt, knallhart ehrlich und hatte eine Ausdauer, die man selten bei einer Frau gesehen hatte. „Du weißt ganz genau, was ich will, Albus.“ „Du wirst es aber nicht bekommen, wie oft soll ich es noch sagen? Ich dachte Lily hat dir schon von ihren misslungenen Versuchen erzählt, und wenn ich selbst meiner Schwester kein Interview gewähre, dann sicher auch nicht meinen anderen Verwandten.“ „Aber ich bin deine Cousine.“ „Das ändert trotzdem nichts.“ „Lieblingscousine, versteht sich.“ „Wer hat das je behauptet?“ „Ich!“ „Achja?“ „Ich weiß es halt, ich bin deine Lieblingscousine, das brauchst du gar nicht leugnen, Al.“ „Wenn du meinst, du kannst jetzt trotzdem gehen.“ „Nein. Ich komme ja nicht ohne Gegenleistung.“ „So? Womit habe ich das verdient?“ „Du bist schließlich mein Lieblingscousin.“ „Ich bin entzückt und jetzt raus!“ Doch sie ließ sich nicht abschrecken und schon gar nicht davon schicken. Sie lächelte gespielt und ging dann den langen Flur entlang, drehte sich ab und zu um und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern. „Was soll das werden Dome?“ „Komm mit, dann wirst du es erfahren.“ Genervt rollte Potter mit den Augen, folgte ihr dann aber mit trotzigem Schritt bis beide in seinem Schlafzimmer angekommen waren. „Meine Güte dieses Zimmer braucht dringend etwas Licht.“ „Wage es ja nicht!“ „Schämst du dich wirklich so sehr wegen deiner Narben? Lächerlich Albus, so ein großartiger Spieler wie du sollte andere Probleme haben.“ „Das geht dich gar nichts an.“ „Setz dich.“ Dann deutete sie auf das Bett während ihr Cousin eine Augenbraue hob. Doch ehe er wieder irgendwelche Diskussionen mit ihr anfangen konnte, tat er wie ihm geheißen. Als er Platz genommen hatte, verschränkte er die Arme und brummte. „Und nun? Meine Einstellung hat sich nicht geändert nur weil ich sitze, Dom-“ Doch seine Stimme stoppte als er sah wie die Blondine ihren schwarzen Mantel aufknöpfte und dieser langsam herunter glitt, bis er schließlich auf den Boden fiel. Etwas verstört sah Albus auf das, was sich ihm bot. Hatte sie tatsächlich nichts als einen schwarzen Spitzen-BH und einen viel zu knappen Slip an? War sie wirklich zu so einer einer großen ...? NOch weiter konnte er nicht mehr denken. Dann trat sie auf ihn zu. „Was soll das!?“ „Ich weiß doch, dass der sonst so große Frauenschwarm Albus Potter gerne mal ein Mädchen mit nach Hause genommen hat. Aber mit diesen Verletzungen wärst du viel zu stolz, als dass irgendwer diese Zimmer je zu Gesicht bekommt. Besonders irgendwer Fremdes.“ Als sie fast vor ihm stand spielten ihre zierlichen Hände an seiner Kapuze, schnell hatte er ihre Hände erfasst. „Lass das, ich werde auch dir mein Gesicht nicht zeigen.“ Doch sie ließ sich nicht beirren, strich weiter über seine Schultern, erfasste dann seine Hände und führte sie an ihre Hüfte. „Ich weiß genau, dass du es nötig hast, Albus. Also behalte deine dämliche Kapuze auf, verbind mir die Augen oder mach es noch dunkler hier, aber mein Angebot wirst du nicht ablehnen.“ Bei diesen Worten hatte sie sich rasch auf seinen Schoß gesetzt. Er sah wie sie ihre Augen schloss, um ihm zu zeigen, dass sie seinen Wunsch, ungesehen zu bleiben, akzeptierte. Ihre Hände wanderten weiter zu seinem Nacken, ihr Atem streifte seine Wangen, und ihr Becken drückte sich deutlich gegen seinen Unterleib. Ein leises Keuchen entwich seiner Kehle und seine Hände verkrampften sich leicht, grob hatte er ihren Rücken umfasst, zog sie fast unter Druck dichter zu sich und erstarrte kurz in dieser Haltung. Er wusste, das der Preis dafür dieses Interview sein würde, und er würde sie nicht abwimmeln können, aber verdammt noch mal, sein kleiner Freund schrie förmlich danach. Schließlich hatte er lange so keusch gelebt. Sehr lange. Und zum Teufel, sie war nun mal seine Lieblingscousine. Warum mussten Frauen immer Recht behalten? Besonders sie hatte ein Gespür für so etwas. ~*~ „Anstatt Dominique zu vögeln, hättest du deinen Arsch zum Training schieben können!“ Wütend schmiss Ted die neueste Ausgabe vom Klitterer auf den Tisch. Wie konnte man nur so unvorsichtig sein? Hatten sie nicht abgemacht, dass er keine Interviews geben würde, bevor er nicht zurück im Spiel war? Aber nein, Albus Severus Potter musste mal wieder seinen eigenen Schwanz durchsetzen. Und das alles nur wegen eines kleinen Ficks mit einer Journalistin. Seiner Cousine! „Du bist doch nur eifersüchtig, weil sie dich nicht will.“ „Was redest du da, Potter?“ „Ich rede von Dominique.“ „Diese Frau interessiert mich nicht, nicht mehr!“ „Ach komm schon Alter, seit Victoire mit deinem ehemaligen besten Freund James abgehauen ist, war Dominique immer dein Vici-Ersatz, und jetzt nimmt der nächste Potter Bruder dir diese Frau auch noch weg und du gehst auf 180!“ Teddy brauste auf: „Schwachsinn! Es geht hier nicht um Frauen, es geht um unsere Mannschaft!“ „Dann hat es dich auch nicht zu interessieren mit wem ich vögel!“, schoss Albus zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oh doch, das hat es! Sie ist ein Biest! Sie wickelt dich um den kleinen Finger und du gibst ihr die ganze Hand!“ „Du kannst doch gar nicht mehr klar denken vor Neid!“ Teddy ballte die Fäuste. „Halts Maul oder ich vergesse mich!“ „Pff, was soll diese lächerliche Drohung? Schlag dir die Weasleyfrauen aus dem Kopf und werde endlich wieder der Kapitän der du mal warst!“ „Sagt der Richtige. Der, der zu eitel ist, zurück aufs Feld zu kommen, nur wegen ein paar lächerlicher Narben!“ „Das ist meine Sache“, antwortete Albus giftig. „Dann ist das andere auch meine Sache.“ „Na gut, aber dann heul nicht darüber rum, mit wem ich meine Nächte verbringe.“ „Es geht nur darum: Sie bedeutet dir doch nichts. Sie ist genauso ein Objekt für dich, wie all die anderen Weiber.“ Albus zuckte, immer noch genervt, mit den Achseln. „Mir kam es nie so vor, als ob sie das stören würde. Sie ist wie ich, akzeptier das endlich! Dein Beschützerinstinkt ist hier nicht gefragt!“ „Trotzdem… musst du die Frauen aus deiner eigenen Familie verführen?“, brauste Teddy erneut und angewidert auf. „Ich habe sie nicht verführt!“ „Ach ihr seid einfach so im Bett gelandet?“ „Sie hat mich verführt und welcher Mann würde da nicht Ja sagen?“ Vermutlich eine ganze Menge, dachte Teddy und schnaubte. „Sie hat dich verführt? Ja nee, ist klar!“ „Wenn du mir nicht glaubst, frag sie doch!“ „Warum sollte sie sich für einen zwanzigjährigen Jungspund interessieren?“ „Was hat das mit dem Alter zu tun, Ted? Nur weil du acht Jahre älter bist als ich, musst du nicht denken, du wüsstest alles besser!“ „Darum geht es nicht.“ „Du benimmst dich wirklich wie ein pubertierender sechzehnjähriger!“ „Und du bist eine Memme. Am besten zu legst dich unters Messer, wenn dein Aussehen alles ist was dich ausmacht, Potter.“ Damit traf Ted einen Nerv, der Albus erneut zum ausrasten brachte. „Am besten zu gehst jetzt einfach!“ „Wie du meinst.“ Dann schüttelte der Braunhaarige den Kopf, drehte sich um und lief Richtung Tür. Er hatte wirklich genug. Albus hatte zwar Recht mit der Tatsache, dass er, seit er Victoire verloren hatte, zur Eifersucht neigte. Aber was sollte man erwarten? Er war von den zwei Personen verraten worden, denen er am meisten vertraut hatte! Der Liebe seines Lebens und seinem besten Freund, beiden hätte er sein Leben anvertraut, und dann verschwanden sie einfach daraus. Und dann noch zusammen! Er hätte nie geahnt, dass sie sich liebten, dass ihre Affäre sich zu mehr entwickelt würde und dass sie überhaupt miteinander geschlafen hatten. Wie dumm er doch gewesen war, warum hatte er das alles nicht bemerkt? Dominique war die Einzige, die für ihn da gewesen war. Sie war sein Halt gewesen und er dankte ihr dafür. Viellicht zu sehr. Er begann, Victoire in ihr zusehen, und das Dominque kein Kind von Traurigkeit war wusste er. Der Sex mit ihr war aufregender, als es der mit Victoire gewesen war. Sie war fast jeden Abend bei ihm gewesen, bis sie morgens wieder verschwand. Doch eines Tages kam auch sie nicht mehr. Und er wusste bis heute nicht wieso. Warum verließen ihn alle Frauen?! Musste man wirklich wie Potter sein, um sie an sich zu binden? Musste man wirklich die kalte Schulter zeigen, um das zu bekommen, was man wollte? ~*~ Es war Heiligabend und er saß allein auf einem Bett im St. Mungos Krankenhaus. Die eine Seite seines Gesichtes brannte fürchterlich, hatten sie ihm an diesem Tag sogar diese Salbe auf seine Wange geschmiert. Angeblich sollte eine Heilung stattfinden, es würde ein paar Jahre dauern, aber es sollte funktionieren. Doch wirklich daran glauben tat Albus nicht. Und selbst wenn, ein paar Jahre waren definitiv zu viel. Wo sollte man denn da enden? Es endete damit, dass man Weihnachten alleine im Krankenhaus auf einem klapprigen Einzelbett saß, während die anderen zusammen feierten. Aber mit wem hätte er schon feiern können? Mit Ted hatte er kein Wort mehr geredet, seit dem Streit, Scorpius war bei Rose, und er hatte keine Lust auf glückliche, verliebte Pärchen. Selbst sein Bruder war irgendwo im Ausland mit seiner Frau, die er immer hatte haben wollen. Er schrieb ab und zu einen Brief, aber zurück würde er nicht kommen. Noch zu früh, um Ted das Herz aus der Brust zu reißen. Wenn er überhaupt jemals wieder kommen würde. Er hatte Victoire – und würde die Beziehung halten, könnte er sich auch woanders ein neues Leben aufbauen. In der Muggelwelt, die beide so liebten. Da hatten sich wirklich Zwei gefunden. Draußen lag bereits hoher Schnee, viel mehr als letztes Jahr. Gut das es Besen gab, sonst wäre es nass bis zu den Knien gewesen. Eigentlich mochte er den Winter nicht, er war kalt und ungemütlich und das einzige, was man manchen konnte, war zu Hause rumzusitzen und auf besseres Wetter zu warten. Es gab nur einen Vorteil und der war, dass er sich in seinem Zimmer verstecken konnte, wo ihn keiner sah. Man brauchte im Winter keine Ausreden, warum man nicht rausging, im Sommer schon. „Du wirst nächsten Samstag spielen.“ Ihre Stimme traf ihn wie einen Schlag, ruckartig zog er seinen Kapuzenpulli über seinen Kopf und wandte sich zur Seite. Natürlich hatte er ihre Stimme direkt erkannt. „Was machst du hier?!“ „Das gleiche könnte ich dich fragen. Du solltest Zuhause sein, bei deiner Familie.“ „DU ebenfalls.“ „Victoire ist sowieso nicht da und mit deinem werten Herrn Bruder im nirgendwo, und sonst bekommt Louis als Nesthäkchen alle Aufmerksamkeit. Ich denke da bin ich überflüssig.“ „James ist mit deiner werten Schwester im nirgendwo und Lily bekommt als Nesthäkchen alle Aufmerksamkeit. Ich denke ich bin ebenfalls überflüssig.“ „Was ist mit deinen Freunden?“ „Ich habe kein Interesse meinem besten Freund und meiner Cousine beim turteln zu zusehen.“ „Und Ted?“ „Kein Kommentar.“ Sie umstreifte sein Bett und blieb am Ende der Matratze stehen. „Wann darf ich endlich dein Gesicht sehen? Gespürt habe ich es ja schon.“ „Gar nicht. Also bleib wo du bist.“ „Meinst du wirklich ,du kannst dich für immer verstecken? Du musst Samstag endlich wieder da raus gehen und gewinnen. Das wird dir gut tun.“ „Du hast keine Ahnung, wie es mir geht, also rede besser nicht weiter.“ Dominique tat einen Schritt in seine Richtung und seufzte. Rasch bemerkte sie wie er sich weiter von ihr wegdrehte. „Wag es nicht näher zu kommen.“ „Warum vertraust du mir nicht?“ „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun, Dome.“ Sie hob überrascht eine Augenbraue und verschränkte die Arme. Dann trat sie einen weiteren Schritt auf ihn zu. „Mit was denn dann? Meinst du ich ertrage den Anblick nicht? Ich weiß wie du früher aussahst, und so schlimm kann es nicht sein.“ „Doch das ist es, ich bin ein Monster.“ „Ich lasse mich von nichts und niemanden aufhalten, das weißt du Al.“ Dann kam sie ganz auf ihn zu, bleib vor ihm stehen, ihre Hände wollten nach seiner Kapuze greifen, doch er war schneller. Ruckartig packte er ihre Handgelenke und hielt sie fest, ohne dass sie ihn berühren konnte, und dabei immer noch nach unten blickend. „Albus, du tust mir weh!“ „Und du tust mir weh!“ „Nein tue ich nicht, nur deinem Ego, das nur so viel Selbstbewusstsein hatte, weil du dachtest dein Aussehen wäre der Grund deines Erfolges und deiner Beliebtheit. Aber du bist der Star deiner Mannschaft und wahre Fans werden dich auch weiterhin lieben und verehren.“ Es dauerte ein paar Minuten bis Albus Potter seinen Griff lockerte und sie schließlich ganz los ließ. Es waren untypische Worte aus ihrem Mund, aber sie hatten ihn zum Nachdenken gebracht. Dann sah er sie plötzlich an. Seine dunkelgrünen Augen trafen seit langer Zeit wieder auf ihre hellgrünen. Und dann setze Dominique noch einmal vorsichtig ihre Hände an seine Kapuze, diesmal bewegte er sich nicht. Dann streifte sie sie von seinem Kopf und blickte in ein Gesicht, die eine Hälfte makellos, die andere Hälfte übersät mit Narben. Albus lachte auf. „Ganz schön übel, ich weiß.“ Doch die Blondine vor ihm lächelte nur zart und strich kurz über seine Wange. „Es gibt Schlimmeres.“ ~*~ Und nun stand er wieder hier. Auf seinem Feld, als Jäger der Pride of Portree. Er hatte es kaum gewagt in die Zuschauermenge zu sehen, am liebsten hätte er eine Maske getragen. Das Spiel fand für ihn wie in Zeitlupe statt, und trotzdem konnte er nicht folgen. Er versuchte von seiner Position aus etwas zu tun, doch er schaffte es immer nur wenige Meter, sich von ihr zu entfernen. Es war wie eine unsichtbare Kette, die ihn gefesselt am Boden hielt. Er hörte Scorpius von weitem rufen. „Albus, komm nach vorne!“ Doch er reagierte nicht. Dann folgte Lysander Stimme. „Pass auf, da kommt ein Klatscher.“ Seine Augen wanderten durch die Menge der Zuschauer, er hörte sie Buh-Rufe schreien, ihre Empörung war groß. Sie hassten ihn. Sie hatten ihn vermutlich immer gehasst. Warum war er überhaupt hier? “Schwing endlich deinen Arsch da weg, Potter!“, rauschte die Stimme des Kapitäns in seinen Ohren. Doch keine Reaktion. Er hörte wie die Zuschauer die Luft scharf einzogen. Entsetzen stand auf ihren Gesichtern. Angst, vielleicht sogar Furcht, und dann wurde er zu Boden gerissen. Albus Potter konnte sich kaum noch halten, der Besen entglitt seinen Händen. Doch er sah in den Himmel. Sah wie dieser sich immer weiter entfernte. Er würde fallen, ganz sicher. Genauso fallen wie er damals gefallen war. Der Fall, der ihm sein ganzes Leben zerstört hatte. Er konnte einfach nicht mehr spielen. Mit der Zerstörung seiner linken Gesichtshälfte hatte man auch ihn zerstört. Dann schloss er die Augen. Spürte den harten Aufprall auf seinem Rücken. Stille. Alles war schwarz. Nur im Hintergrund konnte er Stimmen vernehmen, die wild durcheinander riefen. “Lebt er noch? Ist er verletzt? Bewusstlos?“ Aber er nahm sie nur gedämpft war. Mr. Potter kommen Sie zu sich! Mr. Potter! Doch seine Seele konnte nicht mehr. Hatte aufgegeben. Nicht mal eines seiner Familienmitglieder war hier gewesen. Nicht ein einziges. Er hatte zwar nichts gesagt, aber als ob es nicht längst in den Zeitungen gestanden hätte. Grausame Welt. Und er war ein Teil davon. Wie hatte er jemals anderes denken können. Denken können er sei ein Teil der Sonnenseite. Er spürte wie kalte Schneeflocken auf sein Gesicht fielen, fühlte sich so der Tod an? Und plötzlich war da wieder Teds Stimme. “Bleib sofort stehen, du kannst nicht zu ihm gehen! Dominique!“ Dann verschwand die Kälte aus seinem Gesicht, sachte Seide fiel auf seine Haut. Ein heißer Atem streifte seine Wange. Und es war, als würde sein Herz wieder schlagen. “Bitte Albus, mach die Augen auf. Bitte tu es für mich.“ Zarte Engelsstimmen durchdrangen die Stille, und tatsächlich er blinzelte, sah goldenes Haar vor seinen Augen. Schimmernde, glänzende, grüne Augen, aber rot und geschwollen. Sie hatte Tränen in den Augen. Albus hustete. Nur kurz, dann lächelte er und spürte die Schmerzen in seinem Körper. Er verzog das Gesicht. “Al, bitte steh wieder auf, ich weiß, dass du spielen kannst. Was ich dort gesehen habe, bist nicht du!“, ihre Worte klangen wie eine alte Legende. Ja, das war er einst. Der Musterspieler. Der Star der Pride of Portree. Aber nun war es vorbei. Er öffnete leicht seinen Mund, ihre Augen hatten ihn noch nie so angesehen. Hatte er sie je weinen sehen? Nein, niemals. „Du siehst Dome, sie haben mich alle nur geliebt, weil ich der reiche, beliebte, gutaussehende Typ war. Wie sehr dich die Leute mögen, ist direkt proportional zu deinem Aussehen.“ Dann schloss er seine Augen wieder. Es war endgültig vorbei. Er war einfach nicht mehr der Mann der er einmal war. Es war hoffnungslos. Die Welt war mehr als grausam. Doch dann spürte er Nässe auf seinen Lippen. Etwas glitt in seinen Mund. Es war salzig. Tränen, es waren ihre Tränen. Sie weinte. Er hörte ihren Atem. Sie wollte irgendetwas sagen, stockte noch. Holte noch einmal Luft, dann klang es wie ein Hieb des Himmels. “Auch jetzt noch bist du der schönste Mann, dem ich je begegnet bin.“ Und dann stand er plötzlich wieder da. Augen starrweit geöffnet. Es geschah alles so blitzschnell. Wie ein Wunder ignorierte er all die Schmerzen. War er wieder zurück? Die Empörung der Zuschauer verwandelte sich in Jubeln. Und dann fiel das Tor, 10:0 für Pride of Portree. Und nun verstand auch Ted, warum Dominique niemals eine ganze Nacht bei ihm bleiben konnte. Es schmerzte, aber er verstand, nun endlich. ~*~ Die Schneeflocken hatten sich in leichten Regen verwandelt, der an Masse zuzunehmen schien. Dominique zog ihren Mantel etwas fester um ihren Körper. Das Spiel war längst vorbei, doch noch immer sah sie das Bild des jungen Mannes vor ihren Augen, welcher nach ihren Worten aufgestanden war – wie ein Wunder. Es war alles so schnell gegangen, dass die Medimagier sie schon zur Seite gedrängt hatten, als er wieder bei Besinnung war. Sie hatte selbst nicht gewusst, warum sie das einfach so gesagt hatte, vielleicht weil es die Wahrheit war, aber diese hatte sie schon längst verdrängen wollen. Doch zumindest hatte Ted sie seit dem kein weiteres Mal fragend angesehen. Hatte er begriffen? Wie peinlich… Sie war kein Typ für Gefühle. Und Albus erst recht nicht. „Danke.“ Eine Stimme die durch den Raum schallte, als wäre es eine von Geisterhand gerufene. Die Blondine zuckte zusammen und drehte sich um. Da stand er, eingekleidet in einen schwarzen Mantel mit einer dunklen Sonnenbrille auf seiner Nase. Er trat näher und sie zuckte zusammen, wenn auch nur kurz. „Wofür? Es gibt nichts zu danken.“ „Du weißt genau, was ich meine, Dome, aber da ist weit mehr, wofür ich mich bedanken muss.“ Überrascht sah sie ihn an, hob eine Augenbraue, voller Erwartung. „Ein Arzt aus Amerika hat sich gemeldet. Er hat das Spiel gesehen und er weiß vielleicht eine Lösung für mein Problem. Keine Garantie aber ein Anfang.“ „Das ist schön zu hören, Albus.“ „Ich werde bald nach Amerika reisen, wie es scheint.“ Er lächelte und sie konnte es kaum erwidern. „Und ich möchte, dass du mich begleitest.“ „Wie bitte?“ „Du hast schon verstanden.“ „Warum das?“ „Wenn alles schief geht, hab ich wenigstens eine Frau an meine Seite, die mich noch attraktiv findet.“ Sie schwieg. „Und keine andere Frau hätte ich lieber an meiner Seite als meine Lieblingscousine…“ „Lieblingscousine?“ „Lieblingscousine. Lieblingsfrau. Lieblingsmensch. Nimm es wie du willst, du weißt was ich meine. Ich bin genauso so ein Loser in Herzensangelegenheiten wie du. Also mach es mir bitte nicht so schwer.“ „Wie kann ich es dir erleichtern?“ „Indem du einfach herkommst und ich dich küssen kann.“ Und dann lächelte sie doch. „Auch geheilte Wunden lassen Narben zurück, aber wer der Narben lacht, der hat die Wunden nie gefühlt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)