Götterhauch von Flordelis (Löwenherz Chroniken III) ================================================================================ Kapitel 41: Geistergeschichten ------------------------------ Das Abendessen hatte aus einem Buffet bestanden, an dem es hauptsächlich Meeresfrüchte gab. Marc jammerte darüber immer noch leise, als sie schon lange damit fertig waren und sich alle in Renas Zimmer versammelt hatten. Es bestand aus zwei Räumen – einem Schlafzimmer, das Anthony nicht sehen durfte, und einem Wohnzimmer – und einem luxuriösen Bad mit einer Whirlpool-Wanne. Jedenfalls bezeichnete Heather diese beeindruckt als solche. Das einzige, was Anthony sah, war eine Wanne mit verschiedenen Düsen, deren Zweck ihm unbekannt war. Das Wohnzimmer war dafür ein Raum, der so groß war wie Anthonys gesamtes Apartment. Der Boden war mit dunklem Parkett ausgelegt, so dass bei jedem Schritt ein angenehmes Klacken zu hören war. Neben zwei Sofas und zwei Sesseln (beide im passendem dunkelgrünen Polster), stand sogar ein massiver dunkler Schreibtisch hier. Darauf lagen Briefbögen des Hotels, hochwertige Umschläge, sowie ein wertvoll aussehender glänzender Füller. Anthony traute sich kaum, irgendetwas anzufassen. Nach der kleinen Besichtigung, in der es viel „Oooh“ und „Aaah“ aus allen Ecken getönt hatte, saßen sie versammelt auf den sich gegenüberliegenden Sofas im Wohnzimmer. Auf dem dazwischen stehenden Tisch – dessen massive Platte dunkelgrün marmoriert war – stand ein Tablett mit einer Kanne Kaffee und dem dazu passenden Teeservice und außerdem einem Teller mit Keksen. Marc, der direkt neben Anthony saß, bediente sich ausgiebig daran, da er beim Buffet nicht sonderlich viel gegessen hatte. Seine Lebensmittelvergiftung durch den Fisch vor seiner ersten Begegnung mit Anthony, musste ihm doch stärker in Erinnerung geblieben sein, als gedacht. „Ich denke“, eröffnete Leon, der zwischen Marc und Joel saß, plötzlich ein neues Gespräch, nachdem Nettigkeiten über dieses Zimmer ausgetauscht worden waren, „wir sollten uns ein paar Horrorgeschichten erzählen.“ „Warum?“, fragte Anthony. „Na, das macht man eben so, wenn man gemeinsam campen geht.“ „Aber wir sind nicht campen“, erwiderte Joel. „Wir haben nicht mal ein Lagerfeuer.“ Auch dieser Zusammenhang erschloss sich Anthony nicht, aber das erwähnte er nicht mehr. „Seht es als Ersatz für das Camping“, verteidigte Leon seine Idee. „Oder als High-End-Camping. Oder magisches Camping.“ Alexander rollte mit den Augen, sagte aber nichts. Rena zuckte mit den Schultern. „Wenn Ihnen eine Geschichte einfällt, können Sie ja eine erzählen, Mr. Oyuki.“ Darauf hatte er wohl nur gewartet, denn plötzlich zog er eine Taschenlampe hervor. Er schaltete diese ein und hielt sie direkt unter sein Kinn, um sein Gesicht von unten zu bestrahlen. Es sah ein wenig unheimlich aus – aber gleichzeitig auch lächerlich. Joel seufzte schwer. „Das Licht ist noch an, so bringt das nichts.“ „Oh, kein Problem.“ Rena klatschte zweimal in die Hände, schlagartig erlosch das Licht. Anthonys Blick fiel direkt auf die offenstehenden Fenster. Die dünnen weißen Vorhänge bauschten sich im Wind, jenseits davon war der dunkle Nachthimmel sichtbar. Nur wenige Sterne waren zu sehen, dafür konnte er das Rauschen der Wellen hören. „Wow“, entfuhr es Marc. „Sogar mit Klatschsensor! Dieses Zimmer ist so cool~.“ Durch die neuen Lichtverhältnisse war der Effekt der Taschenlampe tatsächlich erschreckend. Lediglich die vor kurzem gemachten Erfahrungen im Kampf gegen Ladon halfen Anthony, sich nicht zu sehr zu erschrecken. Leon räusperte sich. Dann begann er mit düster klingender Stimme zu sprechen: „Ein Mann suchte ein Hotel auf, so ähnlich wie dieses, um dort zu übernachten. Sein Zimmer war am Ende eines Ganges. Mitten in der Nacht wurde er von einem lauten Weinen aus dem Raum neben seinem geweckt. Entschlossen, das Problem selbst zu lösen, verließ er sein Zimmer und klopfte an die benachbarte Tür. Aber niemand antwortete ihm.“ Anthony spürte, wie Marc sich wieder entspannte. Er war sich sogar sicher, dass sein Freund lächelte. Kannte er die Geschichte bereits? „Neugierig geworden, warf der Mann einen Blick durch das Schlüsselloch. Er sah eine vollkommen weiße Frau, die mit dem Rücken zur Tür in einer Ecke stand. Doch egal wie sehr er weiter klopfte und mit ihr zu reden versuchte, sie öffnete nicht.“ „Was ist daran unheimlich?“, fragte Leen. „Ich würde auch nicht mit jedem reden wollen, der mitten in der Nacht vor meiner Tür steht. Und vielleicht ist sie Schlafwandlerin.“ Leon richtete den Strahl der Taschenlampe auf ihr Gesicht, sie kniff die Augen zusammen. „Würdest du auch einfach so in der Ecke herumstehen?“ „Vielleicht war das einfach die beste Stelle, um zu stehen.“ „Das wirklich Unheimliche kommt ja noch“, mischte Marc sich ein. „Das war erst die Hälfte.“ Leen warf ihm einen skeptischen Blick zu. Sie sagte aber nichts, deswegen stieß Joel ein Seufzen aus. „Erzähl einfach weiter, Leon. Und beachte die Kommentare nicht mehr, sonst kommen wir nie zum Ende.“ Zufrieden damit richtete Leon den Strahl wieder auf sein Gesicht. „Als der Mann am nächsten Tag an der Tür vorbeiging, konnte er sich seine Neugier nicht verkneifen. Er sah wieder durch das Schlüsselloch, doch diesmal war alles, war er erkennen konnte, nur rote Farbe.“ Er deutete den Strahl in Leens Richtung. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, sie war unbeeindruckt. Als er die Taschenlampe wieder auf sich richtete, waren deutlich seine herunterhängenden Mundwinkel zu sehen. Aber seine Stimme blieb enthusiastisch und mysteriös, als er weitererzählte: „Der Mann ging zur Rezeption, wo er danach fragte, was mit den Gästen im Raum neben seinem los war. Der Angestellte erklärte, dass niemand in diesem Zimmer lebe, seit der letzte Gast, der dort gewohnt habe, seine Frau eines Nachts getötet habe.“ Die allgemeine Anspannung in der Luft löste sich auf, erst in diesem Moment wurde Anthony bewusst, dass sie überhaupt existiert hatte. Die anderen wussten offenbar, wie die Geschichte ausging. Aber er, der keinerlei Erfahrung mit so etwas hatte, wusste es nicht. Deswegen lauschte er gespannt dem Ende der Geschichte. „Der Angestellte erzählte weiter, dass alle Gäste, die man danach in diesem Raum untergebracht hatte, von den lauten Geräuschen eines Streits und einer weinenden Frau geweckt worden waren. Die Beschwerden hatten sich gehäuft, bis man das Zimmer schließlich nicht mehr vergeben hatte. Der Mann, nervös geworden, fragte, wie die getötete Frau ausgesehen habe. Der Rezeptionist antwortete ihm, sie sei vollkommen weiß gewesen, abgesehen von ihren komplett roten Augen.“ Leon schmunzelte. Er sprach nicht weiter, also musste die Geschichte vorbei sein. Bedeutete das, die rote Farbe, die er gesehen hatte, war das Auge der Frau gewesen? Anthony war sich nicht sicher, er wollte aber auch nicht fragen. Jeder andere schien die Geschichte bereits zu kennen, sogar Alexander, der leise in die Stille hinein hustete. „Nett, aber schon sehr alt.“ Leon schnitt eine Grimasse. Der Schattenwurf auf seinem Gesicht verzerrte seine Konturen ins Unkenntliche. „Hey, ich finde die Geschichte immer wieder gut.“ „Hat nicht irgendjemand eine bessere?“ Heather saß im Dunkeln, dennoch war ihre Stimme deutlich heraushörbar. „Vielleicht eine, die man noch nicht zigmal gehört hat?“ Anthony kannte keine. Im Peligro erzählte man sich keine Gruselgeschichten, das Leben dort war eine, also benötigte man sie nicht. Aber es widerstrebte ihm auch, von dort zu erzählen, nur um eine solche Geschichte bieten zu können – schon weil er darin der Verursacher des Grusels wäre und in diese Rolle wollte er sich nicht vor allen begeben. Nach kurzem Schweigen war es wieder Leon, der die Stille durchbrach: „Okay, ich wollte damit eigentlich bis morgen warten, aber es gibt noch eine andere Geschichte, die ich erzählen wollte.“ „Ist die besser?“, fragte Leen skeptisch. „Wie gesagt, ich finde beide gut. Aber die hier ist besser, denn sie spielt in diesem Hotel. Und die Leute sagen, sie ist echt wahr.“ „Echt?“, fragte Rena. „Oder sagen Sie das nur, damit wir nicht wieder kritisieren?“ „Ich sage nur, was mir erzählt wurde.“ Leon räusperte sich. „Habt ihr euch alle das Gemälde auf dem Treppenvorsprung in der Lobby angesehen?“ Anthony hatte nicht explizit darauf geachtet, aber er erinnerte sich an das Bild. Es zeigte eine blonde Frau und einen Baum, wenn er sich nicht irrte. Sie nickten alle. „Es heißt“, fuhr Leon zufrieden fort, „die Frau, deren Name niemandem bekannt war, habe sich nach der Fertigstellung des Gemäldes das Leben genommen. Sie nahm sich einen Strick und erhängte sich an eben jenem Baum.“ Es musste an seiner mangelnden Lebenserfahrung liegen, Anthony verstand nämlich nicht, weswegen jemand sich selbst umbringen sollte. Aber er sah durchaus ein, dass er es nur nicht nachvollziehen konnte und es gute Gründe dafür geben konnte. „Die Leute erzählen, vor ihrem Tod habe sie den Maler und das Gemälde verflucht. Die ersten beiden Häuser, in denen das Gemälde hing, brannten bis auf die Grundmauern nieder und rissen ihre Besitzer in den Tod. Dann kam das Hotel an das Bild und hängte es direkt in der Lobby auf, damit es von jedem Gast gesehen werden kann.“ Diesmal spürte Anthony die entstehende Anspannung im Raum. Aber Marc schien vollkommen gelassen zu sein, weiter bekam er in der Dunkelheit nichts von den anderen mit. Dennoch fühlte er eine Änderung in der Atmosphäre, als verdichtete sie sich. Nur eine Nadel wäre notwendig gewesen, um sie platzen zu lassen. „Zuerst schien nichts weiter zu geschehen, man schrieb den Fluch des Gemäldes lediglich dummen Zufällen zu. Dann, eines Nachts, hängte ein neuer Mitarbeiter ein weißes Tuch über das Bild, weil er der Meinung war, die Augen der Frau verfolge seine Bewegungen. Am nächsten Morgen wurde dieser Mitarbeiter tot am Fuß der Treppe gefunden, das Tuch lag auf dem Boden.“ Er hörte jemanden scharf einatmen. Es kam von der anderen Seite. Leon stoppte einen Moment in seiner Erzählung. Diese Pause nutzte Anthony, um sich zu fragen, ob es so etwas wie Flüche wirklich gab oder ob all das nur Zufälle und Unfälle gewesen waren. „Danach nahmen die Merkwürdigkeiten im Hotel zu. Immer wieder klingelte das Telefon an der Rezeption, Geschirr ging zu Bruch, leises Murmeln war zu hören.“ Ein eiskalter Schauer lief über Anthonys Rücken. Ähnliche Dinge waren geschehen, als er noch in Peligro gewesen war, sie waren ihm angelastet worden. Allein diese Erinnerung genügte, dass ihm auch weiter kühl blieb, selbst während die unangenehm warmen Nächte sich wieder in den Vordergrund zu drängen versuchten. „Und dann, eines Tages entdeckte ein Gast etwas Furchtbares: Die Frau war aus dem Bild verschwunden.“ Wieder das scharfe Einatmen. Anthony blickte zur anderen Seite hinüber. Die Taschenlampe spendete weiterhin zu wenig Licht, um zu zeigen, wer es gewesen sein mochte. „Zur selben Zeit schallte ein lauter Schrei durch das Hotel. Die Mitarbeiter, die sofort zur Quelle des Geräusches vorstießen, fanden einen verängstigten, weinenden Gast vor. Dieser erzählte später, eine Frau habe an seine Tür geklopft und ihn weinend darum gebeten, ihr bei der Suche nach ihrem Namen zu helfen. Da es spät war und ihm diese Bitte seltsam vorkam, habe er sie nicht hereingelassen, aber da ging sie einfach durch seine Tür und erhängte sich dann in seinem Schrank.“ Ein klagendes Seufzen ertönte. Anthonys Augen huschten wieder auf die andere Seite. Niemand schien besonders mitgenommen zu sein. Die Atmosphäre erzeugte ein Prickeln auf seiner Haut. Fahrig wischte er mit einer Hand über seinen linken Arm. „Am nächsten Tag wurde der Mann, der dem Geist nicht geholfen hatte, erhängt in der Dusche gefunden. Und die Frau war wieder im Gemälde, als wäre sie nie fortgewesen. Seitdem erzählt man sich, dass die Frau jede Nacht aus dem Bild steigt und durch das Hotel wandert, immer auf der Suche nach jemandem, der ihren wirklichen Namen kennt.“ „Nein …“ Es war nur ein Flüstern, aber die Stimme war derart klirrend, dass es Anthony schien als wäre sie von unzähligen zerbrechenden Eissplittern begleitet. Gleichzeitig spürte er, wie eine eiskalte Hand nach seiner Schulter griff und ihn erstarren ließ. Die Eissplitter klirrten weiter in seinen Ohren, verdrängten alle anderen Geräusche. Sein Gehirn weigerte sich, Befehle zu übermitteln, die ihn aus dieser Situation retten könnten. Er konnte sich nicht bewegen. Etwas näherte sich seinem Gesicht von der Seite, trat langsam in sein Blickfeld – da ließ ein schriller Schrei als Nadel die aufgeladene Atmosphäre platzen. Schlagartig schwand das Klirren, er gewann die Kontrolle über seinen Körper zurück. Jemand klatschte, worauf das Licht wieder anging. Marc war ein wenig von ihm weggerutscht, sah ihn nun aber besorgt an. „Alles klar?“ Anthony nickte. Die anderen, die ihm gegenübergesessen hatten, waren allesamt aufgestanden, ihre Blicke waren auf Leen gerichtet, die wiederum auf ihn zeigte. „Ich habe es genau gesehen! Es war neben ihm!“ „Bist du sicher?“, fragte Rena. „Ich habe nichts gesehen. Vielleicht hast du es dir nur eingebildet?“ „Wir haben schließlich gerade Horrorgeschichten gehört“, schloss Heather sich dem an. In Leens Augen konnte Anthony regelrecht das Verstehen aufblitzen sehen, als sie die Dinge kombinierte. Sie deutete anklagend auf Leon. „Was hast du getan?!“ Er war derart perplex, dass er noch nicht einmal die Taschenlampe ausgeschalten hatte. „Was?“ Seine Verwirrung hielt sie nicht von ihren Anschuldigungen ab: „Du hast doch irgendetwas getan, damit die ganze Sache gruseliger wird! Gib es zu!“ Hilflos hob er die Hände. „Ich habe gar nichts getan. Ich wüsste ja nicht mal, wie.“ Noch einmal dieses Blitzen. Ihr Finger zeigte auf Joel. „Dann warst du es! Du kannst sowas!“ Der nun Angeklagte winkte ab. „Warum sollte ich ihm mit so etwas helfen? Ich opfere doch nicht meine wertvolle Lebensenergie für einen Streich. Ganz zu schweigen, dass eure Mutter mich umbringen würde, wenn sie das herausbekäme. Und so lebensmüde bin ich nicht.“ Dieses Argument überzeugte sie wohl in gewisser Weise; obwohl sie ihn immer noch misstrauisch ansah, ließ sie den Finger sinken. Anthony nutzte diese kurze Pause und wandte sich Marc zu. „Was hat sie denn eigentlich gesehen?“ „Du hast wirklich nichts mitbekommen? Leen sagt, der Geist – oder etwas, das sie dafür hielt – sei neben dir gestanden.“ Ein Geist? Gut, wenn es sogar Götter und mit Erinnerung behaftete Seelen gab, sollte eigentlich kein Zweifel für ihn bestehen, dass auch Geister existierten. Dennoch konnte er es sich kaum vorstellen, weil es ihm so … verrückt erschien. Gedankenverloren griff er an seine Schulter. Sie fühlte sich immer noch kalt an. Joel erhob sich von seinem Platz. „Ich denke, wir sollten diese Versammlung für heute dann mal beenden. Es ist schon spät, Kinder, ihr solltet schlafen.“ Es erfolgte kein Widerspruch, dafür zog angespanntes Schweigen ein. Die Gruppe tauschte mehrere Blicke miteinander. Anthony sah die unausgesprochene Furcht auf den Gesichtern, selbst bei Alexander war zumindest ein Teil davon zu sehen. „Ihr könnt auch alle heute Nacht hier in meinem Zimmer schlafen“, bot Rena schließlich an. „Wirklich?“, fragten Heather und Leen hoffnungsvoll. Zuerst darüber überrascht, nickte Rena schnell. „Ja, klar. Wir könnten eine Übernachtungsparty veranstalten. Und das Bett ist ohnehin groß genug.“ „Aber dann steht das eine Zimmer ja leer“, gab Heather zu bedenken, „und du hast dafür gezahlt.“ „Das ist schon in Ordnung. Dadurch werde ich nicht arm.“ Rena sah die anderen an. „Was ist mit euch? Ihr könntet im Wohnzimmer schlafen.“ Joel wehrte ab. „Ich bevorzuge mein Zimmer.“ Leon schloss sich dem direkt an, so blieben nur noch Anthony und die anderen beiden übrig. Er war sich nicht sicher, aber glücklicherweise antwortete Alexander: „Ich denke, wir sind alt genug, um auch allein klarzukommen. Oder?“ Er sah zu den anderen. Marc nickte. „Klar. Außerdem sollten wir nicht bei euch schlafen, wenn Anthony der neue Liebling des Geistes ist, sonst kriegt ihr am Ende noch mehr Angst.“ Dafür erntete er einen finsteren Blick von Rena, daran störte er sich aber nicht. Nach einer kurzen Verabschiedung zogen sich alle in ihre eigenen Zimmer zurück. Im Gang stellte Anthony fest, dass es später sein musste, als er gedacht hatte, denn es herrschte vollkommene Stille. Selbst hinter den Türen belegter Räume war nichts zu hören. Obwohl ihr eigenes Zimmer sehr großzügig war, kam es ihm im Vergleich zu Renas fast winzig vor. Dennoch fühlte es sich wie eine Heimkehr an. Weiter spürte er aber auch Nervosität, die hauptsächlich von Marc zu kommen schien. Alexander zog sich ohne sichtbare Probleme nämlich um und begab sich ins Bett, genau wie Anthony. Lediglich Marc stand noch etwas unschlüssig neben seinem Bett, nachdem er sich seinen Pyjama angezogen hatte. Das Licht war bereits aus, deswegen konnte Anthony nur seine Silhouette erkennen. Plötzlich stieß Marc ein Seufzen aus, dann fuhr er herum und kroch – ohne große Überraschung – in Anthonys Bett. „Das geht schon“, versicherte er ihm. „Ich will nur sicherstellen, dass der Geist dich heute Nacht nicht entführt, weißt du?“ Anthony glaubte eher, dass Marc sich doch fürchtete, sprach es aber nicht aus. Das Bett war immer noch groß genug für sie beide – sogar so sehr, dass er selbst dann nichts von dem anderen bemerkte, als er sich auszubreiten begann –, also störte er sich auch nicht daran. „Gute Nacht“, murmelte Anthony. Von Marc bekam er eine leise Antwort, Alexander dürfte ihn nicht gehört haben – aber dennoch bekam er noch ein weiteres „Gute Nacht“, das von einer Frau zu stammen schien. Sofort gefror alles in Anthonys Inneren wieder. Er spürte aber keinerlei Gefahr von ihr ausgehen und keiner der anderen beiden schien sie bemerkt zu haben, deswegen entspannte er sich wieder. Die fremde Präsenz entfernte sich, bis sie den Raum endgültig verlassen hatte. Erst dann fiel er in einen ruhigen, tiefen Schlaf, in dem er nicht von Geistern oder Hotelkorridoren träumte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)