Multae sunt causae bibendi von Trollfrau ((Es gibt viele Gründe um zu trinken)) ================================================================================ Prolog: # Prolog ---------------- An dieser Stelle beginne ich nun mit einer kurzen Reise in die Vergangenheit von Hank. Einem Mann, wie es ihn wohl an jeder Straßenecke gibt und doch wieder nicht. Eine Reise, die ihn seinem richtigen Weg näher brachte, oder auch nicht. Kapitel 1: # 1. Das Leben des Hank Degrosch ------------------------------------------- Mit Schwung wurde die schwere Kneipentür aufgerissen und schlug quietschend und knarrend gegen die Hauswand. Augenblicklich bröckelte Putz herab. Dann zwei Männer darin auf, die einen dritten an beiden Seiten fest eingehakt hatten. Er wurde wohl mehr nachgezogen, als dass er noch in der Lage war, selbst zu laufen. Schließlich schmissen sie ihn einfach auf die Straße. „Wage es dir ja NICHT, noch einmal hier aufzutauchen, wenn du kein Geld hast, verstanden!“, schrie ihn einer der beiden an. Sie waren mehr als übel gelaunt. Dann schlug die Tür hinter ihm auch bereits wieder zu. Der des Hauses Verwiesene lag mit dem Gesicht im Dreck. Da es vor wenigen Tagen noch geregnet hatte, war der Erdboden noch nicht gänzlich wieder getrocknet. So sturzbetrunken, wie er war, machte er sich schließlich daran, sich halbwegs aufzurichten. Als es ihm endlich gelungen war, sah er völlig verdreckt aus und seine Wange war vom Sturz aufgeschürft. Und obwohl er hier gerade rausgeschmissen worden war, hatte er ein Grinsen im Gesicht. Immerhin passierte ihm das hier nicht zu ersten Mal. Allerdings hatte er jetzt den Bogen wohl überspannt. Die schwere Tür ging ein weiteres Mal auf und sein Schwert landete neben ihm im Dreck. Unruhig richtete er sich ein weiteres Stück auf, so dass er jetzt wenigstens auf der Straße saß. Sein Grinsen hatte sich etwas gelegt und so langsam wurde ihm auch endlich seine augenblickliche Situation bewusst. Mit zitternden Fingern bekam er schließlich sein Schwert zu fassen. Jedoch benutzte er es nur als Stütze, um wenigstens wieder auf die Beine zu kommen. Er war zwar wackelig, doch ein Gefühl der Übelkeit verspürte er nicht. Dafür war er das Trinken einfach schon zu sehr gewöhnt. Schlurfenden Schrittes und das Schwert immer noch als Stecken benutzend, verließ er den Platz vor der Schenke, bevor ihn noch jemand anderes in seinem jetzigen Zustand sah. Nicht, dass er sich daran störte. Nach seinem Ermessen, kannten ihn ohnehin die meisten Leute hier genau so. Er lenkte seine Schritte näher an eine Wand, um sich nun an dieser abzustützen. Mit hängendem Kopf verharrte er einige Augenblicke und lauschte schließlich in sich selbst hinein. Vielleicht sollte er sich jetzt dringend ein Plätzchen zum schlafen suchen? Morgen sah die Welt sicherlich wieder ganz anders aus... Doch hinter ihm waren plötzlich Schritte zu hören und er wandte ruckartig den Kopf, was er jetzt jedoch lieber hätte lassen sollen, denn der Schwindel war sofort da. „Rosi...“ Die Frau hinter ihm stützte die Hände in die Hüfte und blickte ihn mehr als grimmig an. „Na? Haben sie dich mal wieder rausgeschmissen, weil du nicht bezahlen konntest?“ Zum Antworten gab sie ihm gar keine Zeit, da er ohnehin erst seine Worte zurechtlegen musste. „Es ist mir ein Rätsel, warum er dich immer wieder rein lässt. Ich hätte dir längst Lokalverbot erteilt!“ „Rosi, ich...“, holte er aus, doch sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Spar mir das! Ein für alle Mal.“ Dann seufzte sie jedoch. „Wie konntest du nur so abstürzen? Erst dein Bruder und jetzt du auch noch...“ Sie schüttelte die blonde Mähne. „Da hast du dir wirklich ein denkbar schlechtes Vorbild ausgesucht.“ Sie wollte ihren Weg wieder aufnehmen, doch da packte er sie am Arm, jedoch grober, wie er es beabsichtigt hatte. Er hatte im Suff nie einer Frau weg getan. Nie! Da war er sich sicher. „Lass mich los, Hank! Sofort!“ Augenblicklich lockerte er seinen Griff, gab sie jedoch nicht frei. „Rosi... ich... ich weiß nicht, wo ich diese Nacht schlafen soll...“, lallte er und sah sie mit seinen glasigen, braunen Augen an. „Wundert dich das?“ Vehement schüttelte sie sich von ihm frei. Er gab es schließlich auf, sie halten zu wollen und stützte sich stattdessen wieder an der Wand ab. „Ich bin so enttäuscht von dir, Hank...“ Noch immer stand sie hier, obwohl sie längst hatte gehen wollen. „Wie geht es ... meinem Vater...?“ Ein empörtes Schnauben, war das erste, was er von ihr darauf als Antwort bekam. „Wie es ihm geht? Das fragst du mich allen Ernstes?“ Wieder schüttelte sie den Kopf, was er jetzt jedoch nicht mitbekam. „Er hat deinetwegen einen ziemlich harten Schlag abbekommen. Sie haben ihn am Kopf genäht, aber er ist noch lange nicht wieder auf dem Damm. Zum Glück hatte er sich nicht noch etwas gebrochen.“ Rosi trat um ihn herum, dass er wieder gezwungen war, sie anzusehen. „Wie konntest du es dazu kommen lassen, dass er sich für dich einsetzt und sich in diese Schlägerei einmischt? Wie konntest du das diesem alten Mann antun?!“ Ihre Stimme wurde zunehmend schriller und schneidend, wie Glas. „Ich... weiß nicht.“ Nur kurz sah er ihr in ihre braunen Augen. „Ich wollte doch nicht...“ „Da wollte er allen Ernstes deine Ehre verteidigen und was machst du? Beweist ihm genau das Gegenteil.“ Jetzt trat sie doch von ihm weg und er hörte, wie sich ihre Schritte entfernten. „Rosi? Darf ich heute Nacht auf eurem Heuboden schlafen...?“ Mit einem Ruck hielt die Angesprochene erneut an und wand sich wieder zu ihm um. „Was? Ich hör wohl nicht richtig?! Wenn dich meine Mutter wieder auf unserem Grund und Boden erwischt, erschlägt sie dich und mir dreht sie den Hals um. Die Antwort ist Nein!“ Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er auch kein Ja erwartet. Er hatte es eben verschissen. Bei allen wie es schien. Er wagte es kaum ihr in die Augen zu sehen. Als er den Blick doch endlich hob, sah Rosi so schrecklich traurig aus. „Hat sich Mirano wenigstens blicken lassen?“ Rosi stützte die Hände in die Hüfte und fixierte ihn sauer. „Dein angeblich heilender Freund? Nein, ich habe ihn hier nicht gesehen, zumal ich gar nicht weiß, wie er aussieht.“ Hank seufzte. Hatte ihm dieser Kerl doch versprochen, nach seinem Vater zu sehen und jetzt das. „Wenn er genauso unzuverlässig ist, wie du, wird es wohl nicht viel bringen, auf ihn zu warten.“ Rosi trat einige Schritte wieder heran und schließlich ganz nah vor ihn, um seinen Kopf anzuheben, dass er sie wieder ansah. „Das... ist keine Lüge, Rosi. Er kann wirklich heilen. Ich habe es bereits am eigenen Leib erfahren...“ „Du solltest verschwinden. Du solltest unseren Ort verlassen und am besten niemals wieder kommen, hast du verstanden? Du bist nicht nur ein Trinker du scheinst auch verrückt geworden zu sein.“ Sie seufzte. „Es macht mich so schrecklich traurig, dich so zu sehen...“ Damit wand sie sich ab und verschwand endgültig. Mit traurigen Augen blickte er ihr hinterher. „Rosi...“, entwich es ihm im Flüsterton. Hank wusste, dass er sie längst verloren hatte. Selbst in ihren Augen war er auch nur noch ein Nichtsnutz. Und da hatte es damals eine Zeit gegeben, in der sie recht viel für ihn übrig hatte. Er war noch nicht volljährig gewesen, da war sein größter Wunsch gewesen, diese Frau zu heiraten, doch die hübsche Tochter des Korbflechters war damals bereits einem Anderen versprochen. Hank war das allerdings egal. Selbst die Tatsache, dass sie zwei Jahre älter war, als er selbst, hatte ihn nicht davon abgehalten, dennoch bei ihrem Vater vorzusprechen. Ohne Erfolg, wie sich jedoch herausstellte, doch sein Willen schien nicht zu brechen. Rosi hatte schließlich für den Kerl, den ihr ihr Vater ausgesucht hatte, nie etwas übrig gehabt, für ihn allerdings schon. Immer wieder hatte er es versucht und es war ihm auch fast gelungen, ihren Vater umzustimmen, wäre ihm da nicht die fixe Idee in den Kopf gestiegen, von hier weg zu gehen und sein Geld als Söldner zu verdienen. Irgendwelche Fremden, mit denen er ins Gespräch kam, in der Schenke, setzten ihm diesen Floh ins Ohr. Glaubte er doch ernsthaft, in diesem Beruf Erfolg zu haben. Seine kampftechnischen Fähigkeiten waren längst nicht ausgereift. Sein Vater hatte ihm das Kämpfen mit dem Schwert nie gelernt. Er hatte zwar mehr als einmal die Gelegenheit, diese mit sehr erfahrenen Leuten zu verbessern, aber die Aufträge, die ihm sein Arbeitgeber auftrug, gingen, bis auf einen, daneben. Er war eben doch noch nicht so weit.. Also gab er es auf und kehrte nach Hause zurück. Damals waren hier wohl so einige Menschen traurig gewesen, dass er einfach gegangen war und anschließend war diese Traurigkeit in Wut umgestiegen. Und als er ohne einen Knopf in der Tasche und ohne irgend etwas erreicht zu haben, hier wieder auftauchte, war die Wut der Leute sofort wieder da. Hank hatte sofort die Schreinerlehre wieder aufgenommen, die er damals bei seinem Vater einfach hingeschmissen hatte und das nur, um Söldner zu werden. Wenigstens einen, den er dann für kurze Zeit wieder auf seiner Seite hatte. Seine Mutter war noch immer sauer deswegen. Wie hatte er einfach weggehen können? Ohne ein Wort an niemanden? Doch das Schlimmste war wohl gewesen, dass gerade in dieser Zeit seiner Abwesenheit sein Bruder verstarb. Aber nicht etwa, weil dieser einen Unfall hatte, er war den Trinken erlegen und starb an einer viel zu großen Menge selbstgebranntem Schnaps. Hank hatte das zunächst nicht glauben wollen, doch als er zurückkehrte, trug seine Mutter schwarz und auf dem Friedhof war ein mehr als eindeutiger Grabstein. Wie hatte das nur passieren können? Aber war er jetzt nicht selbst auf dem besten Weg dahin? Hank wandte sich schließlich zum gehen. Die wenigen, schmalen Stufen, die hier das kurze Stück zum Wald hinunter überbrückten, kamen ihm ewig lang vor. Er wankte noch fürchterlich und trat nur sehr langsam dort hinunter. Da es hier keinen Handlauf gab, wie bei der Treppe zu Hause, nahm er auch jetzt wieder sein Schwert. Wenn sein damaliger Meister sehen könnte, was er mit dieser Waffe anstellte... Er würde sie ihm ganz sicher über den Schädel schlagen. Unten angekommen, blieb er abermals stehen und blickte zurück. Was würde jetzt geschehen, wenn er ohne ein Wort ging? Er wusste es mit absoluter Sicherheit! Dieses Mal würde kein Hahn ihm nach krähen. Je näher er dem Waldrand kam, desto sicherer wurden seine Schritte wieder. Die frische Luft tat ihm gut, aber sollte er seine Nacht wirklich hier verbringen? Er blieb stehen und blickte abermals zum Dorf zurück. Sollte er nicht doch Rosi noch einmal fragen? Aber dann hob er allerdings die Nase. Roch es hier nach Rauch? Er schnüffelte weiter. Tatsächlich. Er war sich sicher! Brannte etwa der Wald? Hank lief sofort weiter und seine Schritte beschleunigten sich, wenn auch kaum merklich. Wo kam das nur her? Eine ganze Weile folgte er dem Waldweg, bis ihn dieser Gestank schließlich nach links, in das dichtere Unterholz führte. Hier nahm dieser Rauch bereits etwas unangenehm Beißendes an. Aber warum konnte er ihn nicht sehen? So wie es hier stank, konnte es nicht weit sein. Er sah aber auch keine Flammen lodern und das wäre bei dieser Dunkelheit wohl das kleinste Problem gewesen. Immer weiter lief er in die bereits eingeschlagene Richtung voran, dann endlich vernahm er Stimmen. Es war also bereits jemand hier? Vielleicht waren es nur die Köhler? Daran hätte er aber auch denken können. Dennoch lief er weiter. Er hatte ja doch nichts Besseres zu tun. Doch als er die breite Lichtung, des ausgedienten Holzfällerlagers erreichte, traute er seinen Augen nicht. Es waren nicht die Köhler, welche hier in der Nacht ein Kohlenmeiler angezündet hatten oder beaufsichtigten. Was hier brannte, war eine Holzfällerhütte. Hank klammerte sich an einem der Bäume fest, zog es dann jedoch vor, sich lieber in die Hocke zu begeben, um nicht gesehen zu werden. Was trieben die da nur? In einem Kreis, um dieser Hütte herum, standen fünf Personen. Sie waren alle in schwarze Kutten gehüllt und murmelten seltsame, unverständliche Worte vor sich hin. Das Eigenartigste an dieser Sache war jedoch, dass der Rauch lediglich zwischen diesen fünf Personen nach oben zu steigen schien. Er breitete sich nach keiner der Seiten aus. Was erklären würde, warum er den Rauch zwar riechen konnte, jedoch jetzt erst sah, aber wie konnte das sein? War das Magie? Hank ließ den Blick schweifen. In der näheren Umgebung des Schauplatzes standen noch mehr dieser vermummten Gestalten. Alle schienen irgendwie unruhig zu sein. Gerade so, als würden sie hier etwas Verbotenes tun. Warum nur hatten sie diese Hütte in Brand gesetzt? Hank zog sofort den Kopf ein, als sich einige der Leute um den Platz herum bewegten. Sie versicherten sich wohl, dass sie hier auch weiterhin ungestört waren. Sein Herz war ihm dabei fast in die Hose gerutscht. Er lauschte auf das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, bis es Schreie waren, die an ihn herandrangen. Sofort lugte er wieder zwischen den Büschen hindurch. Verbrannten sie etwa jemanden bei lebendigem Leib? Beim bloßen Gedanken daran wurde ihm übel. Sah er hier etwa einer Hexenverbrennung zu? Augenblicklich musste er an seinen Freund Mirano denken. Ihn hatte er damals in einer Kneipe kennen gelernt. Und wie sollte es auch anders sein, gab es am Ort des Geschehens zu jener Zeit eine Schlägerei, aus welcher er sich nicht heraushalten konnte und wollte. Mirano hatte ihn schließlich aus der Kneipe geschafft und ihm seine Platzwunde an der Stirn wieder in Ordnung gebracht. Dieser Kerl war ein Heiler. Daher auch ständig als Hexer verschrien. Er hatte wohl nie ein wirkliches Zuhause. Ständig war er gezwungen, weiterzuziehen. Ob ihn seine Eltern nicht vermissten, oder woher er diese Fähigkeit hatte, erfuhr Hank nie. Auch jetzt hatte er keine Ahnung, wo dieser Kerl steckte. Sie waren sich noch ein paar Mal über den Weg gelaufen und in dieser Zeit hatte er ihm auch bereits gesagt, das es seinem Vater zeitweilig recht schlecht ging. Mirano hatte versprochen, ihn zu begleiten, doch ab dieser Zeit hatte er ihn nie wieder gesehen und hier, in seinem Heimatort, war er wohl niemals gewesen. Hanks Blick fixierte jetzt wieder das Geschehen, hier, auf dieser Lichtung. Egal, wer da drin in dieser Hütte schrie, er konnte nur zu unrecht da drinnen stecken. Nicht, dass es sogar sein Freund selbst war, der da drinnen um sein Leben kämpfte? „Bloß das nicht“, entfuhr es ihm im Flüsterton und er schlug sich sofort die Hand vor den Mund. Wie konnte er jetzt hier nur sprechen? Was war er nur für ein Narr!? Seine Worte blieben glücklicherweise ungehört und der Gedanke, da hinüber zu eilen, war wieder da, aber war das eine kluge Idee? Es waren zu viele und er war nicht gerade in bester Kampfsposition. Viel zu besoffen, um sich mit zwanzig Mann anzulegen. Vielleicht sah er auch doppelt? Immerhin war sein Verstand wieder klar genug, dass er ihm von diesem waghalsigen Abenteuer abhielt. Mit wachsamem Interesse verfolgte er schließlich, dass die Leute in den Kutten abzogen. Sie versammelten sich an anderen Ende des Platzes und schienen schließlich nur noch auf die zu warten, welche im Kreis um der Hütte herum gestanden hatten. Trotz, dass diese schließlich ihren Platz ebenfalls verließen, breitete sich dieses Feuer nicht aus. Die ersten waren bereits losgelaufen. Die Schreie aus der Hütte waren noch immer zu hören. Wenn es hier noch jemanden zu retten gab, würde er es versuchen. Für ihn galt es jetzt, keine Zeit mehr zu verlieren. Zu seinem Bedauern hatte ihn mittlerweile doch eine leichte Übelkeit ereilt. Gerade jetzt, wo es darauf ankam, wurde ihm seine Trinkerei zum Verhängnis. Gerade, wo er die Chance hatte, sich zu beweisen. Von den Leuten, welche eben hier dieses recht seltsame Ritual durchgeführt hatten, waren nur noch die letzten fünf im Schein ihrer Lampen zwischen den Bäumen, zu erkennen. Hank überlegte nicht länger und hastete los, wobei er allerdings fast stürzte. Mit schnellen Schritten war er schließlich bei der Hütte. Hier und jetzt nach der Person zu rufen, welche sich noch im Inneren befinden musste, schien ihm eine mehr als schlechte Idee. Die Schwarzgekleideten würden ihn sicherlich hören und zurückkommen und... Er wagte sich so nah heran, wie es ihm die Hitze, die hier vorherrschte, erlaubte. Eilig trat er um die Hütte herum. Ein ganz einfacher Bau, doch sie hatten ringsherum reichlich Holz aufgeschichtet, um ja auch sicher gehen zu können, dass ihr Tun von Erfolg gekrönt wurde. Hank trat vor die Stelle, an welcher sich die Tür befand. Auch vor dieser waren reichlich gutgetrocknete Bretter und Reisig aufgestellt. Mit einem überraschend geschickten Schlag seines Schwertes, gegen das Holz, beförderte er einiges davon aus dem Weg. Er befand sich mittlerweile in diesem magischen Kreis, welcher das Feuer nicht nach außen ausbrechen ließ. Mit wenigen Tritten hatte er die Tür schließlich frei, doch sie war abgeschlossen. „Ist jemand da drin?“, rief er schließlich doch, nachdem er sich noch einmal prüfend umgesehen hatte. Abermals erklang ein Schreinen. Die Person lebte also noch, aber wie kam er jetzt da hinein? An der Tür war ein ziemlich großes Vorhängeschloss befestigt. Vielleicht sollte er es an einer anderen Seite versuchen? Hank verwarf erst einmal den Gedanken, die Tür aufzubrechen. Vielleicht gab es an einer anderen Stelle, eine viel einfachere Möglichkeit, da hineinzugelangen? Ein Fenster in etwa. Er lief noch einmal Drumherum und abermals waren die Schreie zu hören. Ohne Zweifel handelte es sich dabei um eine Frau. So langsam wurde er panisch. „Ich hole dich da raus!“, schrie er, ohne, noch einmal darauf zu achten, dass die Anderen vielleicht noch in der Nähe sein könnten. Vielleicht sollte er einfach durch die Bretterwand rennen? Er konnte sie doch nicht sterben lassen! Er wollte nicht schon wieder ein Versager sein. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Hank hob den Blick und sah sich erneut um, dann lief er abermals zur Tür. Diese war doch ebenfalls nur aus Holz! Er würde einfach Kleinholz aus ihr machen. Er baute sich genau vor dieser auf und hielt sein Schwert über den Kopf, als hätte er eine Axt in der Hand. Wenn er jetzt kraftvoll zuschlug, bekam er diese sicherlich irgendwie auf. Er holte aus und schlug zu. Und das wieder und wieder und endlich gab das Holz nach. Er schlug abermals zu und die erste Leiste, in der Mitte, gab ein Stück nach und brach heraus. Sofort umwehte ihn die heiße Luft aus dem Inneren. Abermals Schreie. Die Gefangene hatte ihn wohl endlich bewusst wahrgenommen. „Ich hole dich da raus!“, schrie er ihr zu, doch so konnte er keineswegs da hinein stürzen. Sein Blick fiel dennoch unweigerlich nach drinnen und was er sah, erschreckte ihn fürchterlich. Mitten im Zimmer, auf einem Stuhl, saß unverkennbar eine Frauengestalt. Sie war festgekettet. Er konnte sogar die Ketten vor hier aus sehen! Ihre Augen schienen golden zu leuchten. „Halte durch“, rief er noch, bevor er abermals einige Schritte von der brennenden Hütte zurücktrat. Die Worte, welche sie ihm noch zurief, verstand er allerdings nicht mehr. Zu weit war er bereits entfernt. Das Lodern des Feuers übertönte hier schon alles. Wie lange brannte diese Hütte wohl schon? So intakt wie sie noch war, sicherlich noch nicht all zu lange. Er konnte es vielleicht schaffen. Er musste! Als er sich abermals umsah, kam ihm ein Gedanke, der ihn wie ein Schlag traf. „Der Waldsee!“ Wie oft war er mit seinem Bruder hier Angeln gewesen. Hier hatte er zwar nicht das schwimmen gelernt, da er viel zu flach war, aber Erik hatte ihn hin und wieder untergetaucht und das nur, um ihn zu quälen. Beim Gedanken an seinen toten Bruder überkam ihn sofort wieder das Grausen. Diese Frau da drinnen durfte jetzt nicht auch noch sterben! Zielsicher rannte er in die richtige Richtung los. Der See war nicht weit vom Holzfällerlager weg gewesen. Er war hier irgendwo, doch er kam ins stolpern, als er derartig nah an den Rand getreten war, das er fast automatisch hinein stürzte, auch wenn das bis dahin genau sein Ziel gewesen war. Nur kurz ließ er den Blick über das Gewässer schweifen, das viel schlimmer zugewachsenen war, als er es in Erinnerung hatte, und ließ sich schließlich doch nach vorne fallen. Wenn er sich völlig pitschnass abermals in die Hütte wagen würde, würde er es vielleicht einen Augenblick länger darin aushalten. Und so gut, wie sie diese Frau dort angekettet hatten, würde er jeden Augenblick da drin brauchen. Der Weg, wieder aus dem See heraus, stellte sich jetzt jedoch als wesentlich komplizierter heraus. Die Schwere seiner Kleidung, zog ihn immer wieder in den morastigen Boden, doch endlich schaffte er es und kletterte mit Hilfe, zweier, recht dünner Bäume wieder heraus. Ganz deutlich spürte er dabei, wie ihm das kalte Wasser in der Hose dem Bein hinunter lief. Schleunigst legte er den kurzen Weg, zur Hütte wieder zurück, als ihn abermals ein Schreinen zusammenfahren ließ. „Ich bin auf dem Weg!“ Hank zog sich sofort die durchgeweichte Kapuze seines Umhangs über den Kopf und sprintete schnellstens in die aufgebrochene Tür nach drinnen. Für einen kurzen Moment schien er Entsetzen im Gesicht der Frau zu sehen. „Da bin ich endlich“, keuchte er und suchte hastig nach einer Möglichkeit, sie von den Ketten zu befreien. Was hatten diese Leute da nur gemacht? So eine Konstruktion aus Ketten und anderen Metallteilen hatte er noch nie gesehen. Sie wollten wohl wirklich ganz sicher gehen, doch sie hatten wohl nicht mit einem Mann wie ihm gerechnet! Aber wie sollte er das abbekommen? Er benutzte seine Waffe als Hebel und versuchte damit irgend etwas davon zu lösen. Dieses Ding, auf welche die Frau regelrecht festgeschmiedet worden war, hatte, wie es schien, sogar eine Art Bodenplatte. Vielleicht konnte er diese irgendwie locker bekommen. Er lief eine Runde um die Gefangene herum. Wie es schien, war sie noch unverletzt, doch ihm brannte die Hitze längst auf dem Leib. Er musste sich beeilen. Um jeden Preis! „Du musst die Markierung draußen am Boden zerstören, wenn du mir helfen willst“, sagte sie ihm plötzlich und wartete darauf, dass er sich in Bewegung setzte. Hank brauchte einen Moment, bis er ihr endlich folgen konnte, nickte dann endlich und trat mit wenigen schnellen Schritten wieder hinaus. Was für eine Wohltat, dennoch schmerzte sein rechter Arm schrecklich, doch so richtig konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Eine Markierung am Boden? Hektisch blickte er sich um, bis sie ihm endlich bewusst wurde. Sie war wie ein Stern angelegt und führte um die gesamte Hütte herum. Sie bestand aus einer Linie, welche aus weißlichen Pulver war, dass er sich nicht so recht erklären konnte. An den Eckpunkten, an welchen wohl die fünf Personen gestanden hatten, befanden sich kleine Gefäße. Auch so etwas hatte er noch nie gesehen. Hank trat eines von ihnen kaputt und verwischte mit den Füßen die Linie, als daraufhin die Hütte hinter ihm zu knacksen begann. Ein heißer Wind wehte sofort in seine Richtung. Seine Augen weiteten sich. Möglicherweise gab das Dach jeden Augenblick nach. Schnell zog er seine Kapuze zurück auf den Kopf und stürzte abermals hinein, um endlich die Frau dort herauszuholen, doch über ihm, brach krachend der Dachbalken. Kapitel 2: # 2. Tief im Wald – WB-Beitrag ----------------------------------------- s Bild, welches zum WB http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=45691 gehört, gab mir endlich die nötige Motivation, hier weiterzumachen. „Mach dass du rauskommst!“, fuhr sie ihn an, als er tatsächlich wieder zurück in die brennende Hütte gelaufen war. Hatte sie ihn doch bereits hinaus gejagt und jetzt? Er war doch tatsächlich zurückgekommen. Sein Blick schien von ihren Augen wie paralysiert zu sein. Der goldene Schimmer in ihnen hatte ihn, wie es schien, erstarren lassen. Ihr Retter bewegte sich nicht von ihr weg. „Verschwinde!“, versuchte sie es erneut. „Sei doch nicht töricht!“ Sie schloss schnell die Augen und als sie die Dachbalken über sich brechen hörte, hatte sie den schmächtigen Menschen schließlich einfach unter den Arm geklemmt und hinaus gezerrt. Keinen Augenblick zu früh, wie sich herausstellte. Der heiße Windhauch, der herabstürzenden Balken, blies ihnen von hinten entgegen. Eine heiße Wolke umwehte sie für einen Moment und schob sie förmlich dort hinaus. Cecilias Blick fiel sofort zurück auf die kleine Holzhütte, welche jetzt nur noch ein lodernder Bretterhaufen war. Ein großes Lagerfeuer, welches jetzt seine Rauchschwaden in die Weiten des Nachthimmels aufsteigen ließ. Jetzt, wo kein Bannkreis dies mehr verhinderte. Ihr Retter hatte die weißen Linien des Bannsymbols, welches im fünfeckigen Stern um die Hütte herum angelegt war, auf ihre Anweisung an mehreren Stellen mit dem Fuß verwischt und auch eines der magischen Gefäße, welche an den Eckpunkten standen, zertreten. Kaum einen Augenblick später, spürte sie bereits, dass ihre Kräfte zurückkamen. Es gelang ihr sofort, sich aus ihrer unbequemen Halterung zu befreien. Augenblicklich war sie wieder bei Kräften und Herr ihrer Sinne gewesen. Das Metall, der Konstruktion, auf welcher sie diese Bastarde in den schwarzen Kutten festgekettet hatten, glühte in der Hitze des Feuers. Cecilia schleppte den Mensch noch ein paar Meter auf einen sicheren Abstand vom Feuer weg und ließ ihn schließlich langsam auf den moosigen Boden sinken. Erst dann atmete sie auf. Fest hängte sie ihren Blick in die tanzenden Flammen. Jetzt, wo dieser Kerl den Bannkreis zerstört hatte, der sie in dieser Hütte und auf dieser Konstruktion gefangen gehalten hatte, würde sich dieses Feuer ausbreiten. Wie dumm von diesen Leuten, ihr Hexenritual ausgerechnet in einem Wald abhalten zu müssen. Hatten sie wirklich gedacht, dass keiner zu nächtlicher Stunde hier her kommen würde? Keiner, der sie dort herausholen würde? Waren die Menschen so einfältig? Aber genaugenommen hatte sie wohl selbst nicht mehr mit einer Rettung gerechnet. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie mit ihrem Leben bereits wenigen Augenblicken abgeschlossen. Mit einem Gebet auf den Lippen, das sie ihren Göttern näher gebracht hatte, doch dazu war es nicht gekommen. Cecilia lehnte sich an einen der Bäume an und starrte erneut in die Flammen. Diese waren für sie keine Gefahr. Sie wäre nicht verbrannt. Eine wie sie war feuerfest. Das waren alle in ihrer Familie. Allerdings war sie dem Erstickungstode bereits sehr nahe gewesen. Zunächst war sie mit ihrem inneren Feuer, den Flammen, die sie umgaben, entgegengetreten, doch ihre Kräfte waren irgendwann zu schwach geworden und da dieser Rauch nicht abziehen konnte, war sie gezwungen, die Luft anzuhalten. Sehr lange wäre ihr das wohl jedoch nicht mehr gelungen. Dementsprechend froh war sie, als irgendwer die Tür aufbrach und bereits in diesem Moment ihr Erstickunsggefühl schwand. Die Dämonin rieb sich das unversehrte Gesicht und blickte in den verrauchten Nachthimmel hinauf. Glück im Unglück hatte sie also gehabt? Sie konnte es selbst noch immer nicht glauben. Nur wo hatten sie sie überhaupt hingebracht? Kannte sie diesen Wald? Cecilia ließ ihren Blick schweifen. Ein Wald, wie jeder andere, wie es ihr schien. War sie noch in der Nähe ihres neuen, selbst gewählten Zuhauses? Oder hatten sie diese Leute tatsächlich weggeschleppt? Ganz bestimmt machte sich der Alte bereits Sorgen. Aber was waren das überhaupt für Leute? Mit ihren Kutten? So etwas hatte sie, bis zu dem Aufeinandertreffen mit ihnen noch nie gesehen. Und vor allem: Wie hatten sie sie betäuben und wegbringen können? Und wie waren sie überhaupt darauf gekommen, dass sie nicht so menschlich war, wie sie es vorgab zu sein? Fragen über Fragen und so langsam schwirrte ihr davon bereits der Kopf. Cecilia hatte sich in ihrem Dorf, in dem sie sich niedergelassen hatte, nie auffällig verhalten – so glaubte sie zumindest. Sie hatte die häuslichen Tätigkeiten bei einem alten Bauern übernommen, dessen Frau verstorben war und hatte sich stets freundlich allen gegenüber gegeben. Als sie damals von zu Hause wegging, war das zwar nie ihr Vorhaben gewesen, doch sie wollte die Menschen studieren und wie konnte man das besser, als das man sich unter sie mischte – eine von ihnen wurde. Ein Schmunzeln huschte ihr über die Lippen, als sie an den alten Bauern dachte. Er hatte so eine reizende Art gehabt. Hätte es nie zugelassen, dass auch nur irgendwer schlecht über sie sprach. Ihre Eltern hatten dieses Vorhaben niemals gut geheißen. Sie hatten ihr verboten, weg zu gehen. Und dass sie mit den Menschen sympathisierte? Undenkbar! Wenn sie davon auch nur annähernd eine Ahnung hätten, wäre ihr Leben wohl bereits von Seiten der eigenen Familie in Gefahr. Als die Dämonin nach ihrer Entführung zu sich gekommen war, war sie bereits angekettet. Auch in der Hütte hatte sie bereits gesessen, doch Flammen loderten zu dieser Zeit noch nicht. Stattdessen vernahm sie dieses Murmeln. Ein komischer, melodischer Singsang, wie aus hundert Kehlen. Eine Gänsehaut hatte sich auf ihre Arme gelegt, als ihr klar geworden war, was diese Leute hier vor hatten. Die schwarzen Kutten, in welche alle gehüllt waren, verbargen ihre Gesichter und nur hin und wieder konnte sie einen von ihnen an der noch offen stehenden Tür vorbeihuschen sehen. Doch dann hatten sie Fackeln in den Händen, die Tür wurde wortlos verschlossen und verriegelt. Cecilia hörte genau, wie sie von außen vernagelt wurde und auch die beiden Fenster verdunkelten sich schließlich, als man auch davor Feuerholz auftürmte. „Was habt ihr vor?!“ Ihre Worte blieben ungehört. Was hatte sie getan, dass man sie hier offensichtlich verbrennen wollte? War es ihr rotes Haar? Glaubten sie hier eine Hexe sitzen zu haben? „Ich bin keine Hexe!“, schrie sie dennoch verzweifelt. Sie war etwas ganz Anderes. Aber irgendwie bezweifelte die Dämonin, dass diese Leute davon eine Ahnung hatten. War sie tatsächlich an eine Gilde geraten, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Hexen zu verbrennen? Gab es die etwa auch hier zu Lande? Ihr Unverständnis, dem gegenüber, war nie größer gewesen. Erst recht jetzt, wo sie direkt damit konfrontiert wurde. Das Lodern von Flammen riss sie aus ihren Gedanken. Hinter dem Baum, an den sie sich angelehnt hatte, lugte sie schließlich erneut in die Richtung, in welcher ihr Retter lag. Dieser hier gehörte ohne Zweifel ebenfalls zu den Einfältigen ihrer Art. Nur war er ganz klar einer von den Guten. Aber er war auch nicht ganz nüchtern gewesen, als er die Tür zu der Hütte aufgebrochen hatte. Seine Alkoholfahne war kaum auszuhalten gewesen. Und doch? Ohne diesen Rausch hätte er vielleicht gar nicht den Mut gehabt, dort einzubrechen, um sie zu retten. Dennoch war er nicht gänzlich Kopflos dort hineingestürmt. Seine Kleidung war triefendnass, als er vor ihr auftauchte und seine Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Allerdings hatte sein Mantel nicht lang diese Nässe. Die Hitze, in diesem Gefängnis war so hoch, dass seine Kleidung binnen Sekunden bereits wieder getrocknet sein musste. Für einen Moment flammten ihre bis jetzt grünen Augen gelb auf, bis sie wieder ihre einstige Farbe hatten. Was sollte sie nur tun? Ihn sterben lassen? Konnte sie das? Es war so dumm von diesem Menschen gewesen, erneut in die brennende Hütte zu laufen. So DUMM! Aber er hatte doch keine Ahnung, dass ihr die Flammen nichts anhatten. Unmöglich hätte er ahnen können, wen er da vor sich hatte. Sie, die dieses unschuldige Äußere nur angenommen hatte, um unter den Menschen nicht aufzufallen. Wieder fiel ihr Blick auf dem sich am Boden vor Schmerzen krümmenden jungen Mann. Sie konnte ihn nicht zurücklassen. Sie konnte es einfach nicht! Viel zu lange hatte sie hier bereits unter den Menschen gelebt. Sie war wohl weich geworden. Seufzend nahm sie diese Tatsache zur Kenntnis. Doch was sollte sie tun? Zu allererst mussten sie hier jedoch erst einmal weg. Wenn die Rauchwolken und die Flammen irgendwem auffielen, würden sicherlich bald andere Leute hier her kommen. Sollte sie ihn vielleicht hier lassen, dass diese sich um ihn kümmern konnten? Die Dämonin hob den Blick. Wenn sie hier nun aber doch weiter weg von jedem Dorf war, als sie glaubte? Dann würde ihn wohl niemand rechtzeitig finden und er würde hier doch verenden. Das wollte sie nicht. Auf keinen Fall! Ganz zaghaft trat sie näher heran. Von ihrer Kleidung war nicht mehr viel übrig, doch daran störte sie sich jetzt nicht. Die Dämonin hockte sich neben ihn auf den Boden. „Hey?“ Behutsam berührte sie ihn am Kopf, doch so verbrannt wie er war, hatte er sicherlich überall Schmerzen. Ein Wimmern entwich ihm. Überall war er voller Blut „Kannst du mich hören?“ Sie nahm die Hand wieder zurück und beobachtete ihn unruhig. In einer derartigen Situation hatte sie noch nie gesteckt. Abermals blickte sie sich unwohl um. Wenn er keine Hilfe bekam, würde er ihr doch zwischen den Fingern wegsterben. Sie hatte also gar keine Zeit zu verlieren. „Hast du einen Namen?“, versuchte sie erneut mit ihm in Kontakt zu treten. Behutsam zerrte sie den Verbrannten dabei wieder vom Boden hoch und an sich heran. Er schrie auf vor Schmerzen. „Hank...“, flüsterte er schließlich doch, dann kippte jedoch bereits sein Kopf nach vorn. Er war bewusstlos geworden. Das war gut! So bekam er von all dem nichts mehr mit. Besorgt betrachtete sie ihn jedoch. Ob er überhaupt noch zu retten war? Cecilia wollte nicht, dass er in ihren Armen starb, also überlegte sie nicht noch länger. Tief atmete die Dämonin die warme Luft ein, welche sich hier in diesem Wald auszubreiten begann. Mit ganzer Konzentration ging sie dabei in sich und fast augenblicklich verschoben sich mit einem Male ihre unschuldigen, weiblichen Gesichtszüge und raue, gefährlichere Züge traten hervor. Auch Hörner wuchsen ihr aus den Schläfen und selbst ihre Hautfarbe nahm einen roteren Hauch an. Sie verwandelte sich. Die Dämonin nahm diese Form an, welche sie eigentlich hatte. Das Aussehen, mit dem sie geboren wurde. Sie schloss die Augen und unter Schmerzen ließ sie schließlich auch noch ihre Schwingen zum Vorschein kommen. Hatte sie doch tatsächlich vergessen, wie weh ihr diese Verwandlung jedes Mal tat? War es so lange her? Doch auf diese Art war sie schneller von hier weg und sie mussten das auch! Jetzt wo Flammen und Rauchschwaden für jeden gut sichtbar waren, würden sie schnellsens von hier verschwinden müssen! Zumal sie nun um sich griffen, wie ein hungriges Tier. Eng zog sie ihren Retter an ihren nackten Busen und hielt ihm fest, dann spannte sie auch bereits ihre Schwingen auf. Während sie Anlauf nahm, kam ihr wieder in den Sinn, wie lange sie diese bereits nicht mehr benutzt hatte. Ob sie es überhaupt schaffte, vom Boden wegzukommen? Immerhin hatte sie jetzt noch einen Menschen auf dem Arm. Er kam ihr zwar nicht sonderlich schwer vor, doch er war recht Groß und somit eher unhandlich und bei einem Flug mit zusätzlicher Last würde sie sicherlich Probleme bekommen. Aber nun musste Cecilia es versuchen! Hatte sie überhaupt jemals einen Menschen in dieser Form mit sich genommen? Sie konnte sich nicht erinnern. Seit sie hier war, hatte sie nie wieder ihre eigentliche Form angenommen. Darum waren ihr wohl auch die Schmerzen entfallen, die sie dabei jedes Mal verspürte. Einzig ihre Augen schienen hin und wieder aufzuflammen, wenn sie sich über irgendetwas ärgerte. Erneut holte sie Schwung und bekam sich mit samt ihrem Retter auch in die Luft. Noch ein zweimal schlug sie die Schwingen stark auf, dann hatte sie sein Gewicht im Gefühl, mit welchem es jetzt zu arbeiten galt. Und kaum ein paar weitere Flügelschläge später hatte sie auch bereits das obere Ende der Tannenwipfel erreicht. Dann überblickte sie knapp die Umgebung. Nicht weit von der Stelle entfernt, bei welcher sie sich in die Luft begeben hatte, war wirklich ein Dorf. Sein Umriss kam ihr jedoch nicht im Geringsten bekannt vor. Sie erkannte nicht ein einziges Haus wieder. Und die Kirche? Gab es hier überhaupt eine? Hatten sie diese Leute also doch verschleppt? Weg von Zuhause, wo man sie hätte vermissen können? Dennoch war sie hier tief genug im Wald gewesen, dass die Bewohner des Dorfes das Treiben dieser Gilde gar nicht rechtzeitig hätten bemerken können. Dieser Platz war keineswegs unüberlegt gewesen. Im Gegenteil. Er war sehr geschickt gewählt. Die Senke, in der diese Hütte gestanden hatte, war vom Dorf aus wohl nicht einmal zu sehen gewesen und der Rauch, der zuvor ebenfalls in diesem Bannkreis gefangen schien, wehte jetzt in die genau entgegengesetzte Richtung. Cecilia entschied sich dafür, nicht dieses Dorf aufzusuchen. Wenn sie dort so landen würde – ihr Dämonisches Aussehen und dann auch noch mittlerweile splitternackt - würde sie eine nur noch viel größere Panik auslösen, also sah sie zu, dass sie von hier wegkam. Abermals besah sie sich ihnen schwer verletzten Retter. Hank hieß er also? Ein einfacher, kurzer Name, den man sich durchaus merken konnte. Aber war das wichtig? Wenn er es nicht schaffte, spielte das gar keine Rolle mehr. Er stank so entsetzlich nach Blut, Rauch und Angst, dass es der Dämonin ganz anders wurde. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Vielleicht hätte sie ihn doch in dieses Dorf fliegen sollen? Wahrscheinlich war er sogar aus diesem gekommen. Aber wenn auch dort diese Bastarde waren? Diese kuttentragenden Hexenmörder? Vielleicht hatten sie dort sogar Räumlichkeiten, in denen sie ihre Vorbereitungen trafen. Gehörte ihr Retter vielleicht zu ihnen? Den kurzen Augenblick, in dem sie dieser Gedanke ereilte, verwarf sie mit einem Kopfschütteln. Unmöglich! Er konnte keiner von ihnen sein! Immerhin hatte er nicht einmal gewusst, wie diese Falle zu lösen war. Cecilia jedoch hatte den genauen Grund der Barriere sofort gespürt, als sie versuchte dagegen anzukommen. Hank gehörte nicht dazu! Schon allein nicht, weil er sie versucht hatte zu retten und nun sein eigenes Leben am seidenen Faden hing. In diesem Fall würde sie ihn erst recht ihn Gefahr bringen, wenn sie ihn hier absetzte und sich ebenfalls! Dann würde sie zwei Leben aufs Spiel setzten. Und ihn einfach dort ablegen? Und sie selbst würde versuchen, ungesehen zu bleiben? Wenn nun aber mehr Leute in diesem Dorf wussten, was die Kuttenträger hier trieben? Ganz bestimmt kamen sie von selbst darauf, wo sich dieser Mann derart verbrannt hatte. Erst recht, wenn sie die Reste der Hütte absuchten. Dann würden sie ihn ganz bestimmt sterben lassen. Das waren alles keine guten Ideen! Also setzte sie ihren Weg fort. Sie würde ihn von hier wegbringen. Mit ihren Adleraugen würde sie sicherlich einen geeigneteren und vor allem sichereren Platz zum landen finden. Sie würde ihn an einen Ort schaffen, an dem sie sich um seine Verletzungen kümmern konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass diese Leute ihr wieder auf den Fersen sein werden. Sie musste ihn schnellstens aus seiner verbrannten Kleidung bekommen und seine Wunden versorgen. Und dann, wenn er genesen war, würde sie ihn davonjagen. Warum sollte sie sich auch länger als nötig näher mit einem Mensch beschäftigen? Schön, sie hatte in einem Dorf gelebt und war pausenlos von ihnen umgeben, aber die Fürsorge für einen von ihnen? Diese Wesen waren Schwach und ihr keineswegs gewachsen. Dafür würde sie nicht genug Geduld aufbringen können. Sie war nie sonderlich Geduldig gewesen und das hier war auch gar nicht zu vergleichen mit dem Zusammenleben des alten Bauern unter einem Dach. Sie würde Hank vertreiben, wenn sie ihm überdrüssig war. Das war ihr Plan! Genau das und nichts Anderes... Kapitel 3: Eintrag 1: (Hanks Tagebuch) -------------------------------------- Liebes Tagebuch! Heute ist nun der Tag meiner Flucht. Seit mein Kopf wieder klar zu seien scheint, hat mich der Gedanke an eine Flucht zu plagen begonnen und heute war es endlich soweit! Als sich mir eine helfende Hand zu erkennen gab, habe ich keinen Augenblick länger gezögert. Wie auch bei allen Anderen hier, sah ich nie ihr Gesicht und sie sprach auch nie in meiner Gegenward, doch ich hatte die Gelegenheit sie zu beobachten. Sie verhielt sich anders wie die Anderen. Stand meist außen vor und schien nur zu beobachten. Doch auch, wenn sie zu irgendetwas eingeteilt worden war, tat sie es offensichtlich nur widerwillig. Ohne ihre Hilfe säße ich wohl jetzt noch immer dort fest. Heute, als sie mich erneut in meinem Verließ besucht hatte, was sie vermehrt tat, in dem sie schweigend in einer Ecke auf dem Gang stand und mich beobachtete, war sie herangetreten und hatte mir unauffällig einen Schlüssel zugesteckt. An ihren schmalen Händen erkannte ich schließlich auch, dass es sich bei ihr um eine Frau handeln musste. Aus reiner Vorsicht habe ich sie dennoch niedergeschlagen, auch wenn es mir im Nachhinein leid getan hatte, aber so kamen sie hoffentlich nicht auf den Gedanken, dass sie mir geholfen hatte. Nackt in den kalten Mauern einer Burg unterwegs zu sein, war wahrlich kein Vergnügen. Doch der Gedanke, es schaffen zu können, trieb mich voran. Zwei weitere dieser Kuttenträger waren die einzigen, die es hier, auf meinem Weg in die Freiheit, noch zu überwältigen gab. Wahrscheinlich gingen sie wieder irgendeinem Ritus nach und waren aus diesem Grund unterbesetzt. Ich denke, dass sich meine Gehilfin deswegen eben jenen Tag ausgesucht hatte, weil sie wohl selbst hoffte, dass ich es so schaffen könnte. Beim Verlassen der Burg kam mir zunächst noch niemand in die Quere. Da sich mein Verließ unter der Erde befunden hatte, war ich recht zügig aus einem der Ausgänge ins Freie gelangt. Auch diese schienen nicht bewacht. Eine Tatsache, die mich nachdenklich stimmte, mich allerdings nicht von meinem Ziel wegbrachte. Als ich es endlich in einen der Vorhöfe geschafft hatte, merkte ich, dass finsterste Nacht war. Ich war nicht wirklich überrascht, aber ich hätte mich wohl dennoch auch über ein bisschen Tageslicht gefreut. Konnte ich mich doch schon gar nicht mehr erinnern, wie sich dieses anfühlte auf der Haut. Der kalte Nachtwind schlug sofort um mich. Auf den Gedanken, mir eine der Kutten anzueignen, war ich natürlich erst gekommen, als es zu spät war. Es musste also auch so gehen, doch der Zweifel war natürlich sofort da. War es wirklich ratsam gewesen, zu fliehen? Oder doch ein Fehler, den ich recht bald bereuen würde? Vielleicht war es gänzlich vergebens gewesen und ich erfror in dieser Nacht... Kapitel 4: Eintrag 2: --------------------- Liebes Tagebuch! Ich bin gestern noch so lange quer durch den Wald gestürzt, bis ich nicht mehr laufen konnte. Der Mond hat mir dabei ein bisschen Unterstützung gegeben. Aber nur ein bisschen. Zu allem Übel bin ich nämlich direkt in einen Igel getreten, welcher das jedoch nicht überlebt hatte, was mich schließlich auch zu dieser Zwangspause brachte. Was es mein Nachtlager anging, war ich eher einfallslos. Ich habe ein von Schweinen gewühltes Loch mit dürrem Laub gefüllt, wovon es hier eine Menge gab. Das war jedoch besser als nichts und wie sich herausstellte kein so schlechter Gedanke gewesen. Hatte ich doch tatsächlich Raureif an den Knien und anderen Stellen, als ich erwachte. Die ersten Sonnenstrahlen, die mich weckten, haben mich fast ein bisschen erschreckt. War ich doch dieses dunkle Loch von einer Unterkunft gewöhnt, in der meine Liege stand. Die Schmerzen im Fuß durch die Stacheln des Igels, sind verschwunden, wie ich feststelle und... Oh mein Gott... Nachtrag: Eine erschreckende Tatsache, zu meiner Erscheinung, hat mich eben aus der Bahn geworfen. Ich sehe aus wie ein Flickenteppich. Wie das Gesellenstück eines blinden Schneiderlehrlings. Nicht nur meine Brust scheint von Narben nur so übersät, auch mein Gesicht fühlt sich nicht viel anders an. Es ist so, wie ich bereits befürchtet hatte, oder sagen wir: vermutete. In dem Gemäuer war es stets recht dunkel gewesen, aber jetzt...? Dazu kommt auch noch, dass mein rechter Unterarm seltsam ausschaut. Zum einen habe ich Zeichen an der Unterseite, welche ich nicht deuten kann und welche sich nicht wegwaschen lassen und ringsherum ist der ganze Arm von einer Narbe verziert, die kaum schrecklicher aussehen könnte. Sie erinnert mich sehr an einen oben zusammengezogenen Beutel. Und meine Hand? Sie wirkt so... zierlich – nahezu weibisch. Nachdem ich aus meiner Starre wieder erwacht war und mich anständig übergeben hatte, setzte ich meinen Weg fort. Nackt! Was hatten sie nur mit mir angestellt? War ich deswegen weggesperrt worden? Das mich die Menschheit nicht so sah? Erst recht nackt? Ich musste schnellstens an etwas zum anziehen kommen und schlug natürlich auch die erstbeste Gelegenheit dazu nicht aus, einen Wanderer zu überfallen. Er hat sich leider gewehrt wie ein Tier und erlag seinen Verletzungen. Ich war mir nicht im Klaren gewesen, dass ich in der rechten, so zierlich scheinenden Hand eine derartige Kraft hatte. Töten wollte ich ihn nur wirklich nicht. Nun sitze ich hier an seinem Feuer, in seiner Kleidung und lasse mir sein Brot schmecken. Kapitel 5: Eintrag 3: --------------------- Liebes Tagebuch! Recht früh am Morgen war ich heute bereits wieder aufgebrochen. Zunächst wollte ich den toten Wanderer noch begraben, welcher unweit von mir gelegen hatte, aber das ließ ich dann doch sein und sah stattdessen zu, dass ich wegkam. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht eine völlig falsche Richtung eingeschlagen habe und somit damit anfange, im Kreis zu laufen. In diesem Fall wäre meine Flucht wohl völlig unsinnig gewesen. Ich habe mich nach der Sonne gerichtet. Ich denke das sollte hinkommen. Außerdem habe ich nun damit angefangen, mir die Fäden aus der Haut zu zupfen. Ein seltsamer Schmerz, doch so langsam gewöhne ich mich daran. Ja, er hat schon fast etwas Beruhigendes. Zumal ich im Augenblick ohnehin nicht andere machen kann. Laufen, laufen und nebenbei diese Fäden herauszupfen. Am Rücken ist es jedoch nicht ganz so einfach heranzukommen. Eine Hilfe wäre da zuweilen ganz nützlich. Obwohl? Vielleicht lieber nicht. Mein heutiges Nachtlager ist nicht weit von einem kleinen See entfernt. Wie ich bemerkt habe, scheint dieser reichlich Fische zu haben. Morgen werde ich wohl einmal versuchen müssen, mir ein paar davon zu fangen. Im Augenblick ist das Licht für mich bereits wieder zu schwach, als dass ich die nähere Umgebung genauer erkennen könnte. Das seichte plätschern des Wassers und der hin und wieder erfolgende Ruf einer Eule, ist das einzige, was ich mit Sicherheit wahrnehme. Der richtige Zeitpunkt, sich ein bisschen nieder zu legen, denn auch zum schreiben ist es mittlerweile bereits zu finster. Doch im Augenblick bekomme ich keine so rechte Ruhe. Ist mir doch tatsächlich, zu meinem eigenen Entsetzten, erst jetzt aufgefallen, dass ich mich nicht an meinen Namen erinnere. Geschweige denn, wo ich vor meiner Gefangenschaft gewesen bin. War ich etwa schon immer dort? Währte diese Folter bereits mein Leben lang? Irgendwie fällt es mir schwer, dies zu glauben. VERDAMMT! Denk nach, Junge!! Du musst dich doch wenigstens an deinen Namen erinnern! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)