Changing Hearts von BellaBlumentopf ================================================================================ Kapitel 18: Unerwartet ---------------------- Liebe Leser, ich danke euch für 177 Favoriteneinträge! Obwohl ich mir das zeitlich eigentlich überhaupt nicht leisten dürfte, hab ich ein neues Kapitel geschrieben, von dem ich sehr hoffe, dass es euch gefällt! Und hier ist es! Kleiner Musiktipp: http://www.youtube.com/watch?v=tMH7W5iA488 Der Text passt im übertragenden Sinne irgendwie zu Seb und Ciel ♥ ******************************************* Die Engländer lebten die meiste Zeit des Jahres in einer Tropfsteinhöhle, doch dann und wann zeigte sich selbst in diesem Land mal die Sonne. Frances Middleford hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich mit Sebastian im Schlepptau in ihren Blumengarten begeben. Dort summte sie gerade leise vor sich hin, nichtsahnend, welche Todesgedanken ihr entgegengebracht wurden. Denn während sie auf ihrer hübschen Gartenbank saß und Blumen arrangierte, musste der Herr Butler sich durch dichtes Rosengeranke kämpfen. Wer auch immer den Garten der Middlefords für gewöhnlich pflegte, tat dies nicht besonders gut. Niemals würde ein Butler des Hauses Phantomhive die Natur so wuchern lassen, wie es hier geschehen war. Natürlich hatte Mrs Middleford sich genau diese Aufgabe für ihn überlegt. Nicht, dass die Dornen der Rosen ihm etwas hätten anhaben können, aber es war doch nicht sehr angenehm, ständig gekratzt zu werden. Heute abend würde er etliche kleine Löcher in seiner Uniform wieder zunähen müssen. „Mr Sebastian, die Rosen sollten doch etwas länger sein, schneiden Sie sie nicht so kurz!“, rief Frances dem Butler zu. Der Angesprochene setzte ein falsches Lächeln auf. „Natürlich, Madame.“ Nachdem er zehn weitere Blumen zusammen hatte, kletterte er aus dem Gebüsch heraus und legte sie auf dem Tisch vor der Hausherrin ab. Sie bedachte Sebastian mit einem kritischen Blick. „Richten Sie Ihre Kleidung, Sie sehen ja fürchterlich zerzaust aus“, sagte sie kühl. Sebastian musste sich alle Mühe geben, die Fassung zu wahren und schaute an sich herab. Seine Weste war leicht schief und an seinem linken Hosenbein hing ein Blatt. Es war ein Wunder, dass er nicht einem in einen Misthaufen gefallenen Igel glich, aber auf Mrs Middleford war Verlass, sie würde immer etwas finden, das sie bemängeln konnte. Schnell war sein Äußeres in Ordnung gebracht, auch wenn es eigentlich vollkommen sinnbefreit war, wo er doch gleich wieder in den nächsten Rosenbusch steigen durfte. Innerlich seufzte der Dämon und versuchte sich dadurch abzulenken, dass er sein Gehör schweifen ließ. Allzu weit entfernt waren sein Herr und dessen Verlobte nicht, vielleicht konnte er etwas aufschnappen. Es wurmte ihn gewaltig, dass er sich hier mit dieser Wetterhexe herumschlagen und Ciel mit der blonden Göre alleine lassen musste. Sein Hörsinn schärfte sich und er musste sich konzentrieren, um das lauter werdende Summen der Insekten um ihn herum auszublenden. Die Hände arbeiteten von selbst weiter, während er allmählich Stimmen ausmachen konnte. „... mit diesem Auftrag waren wir leicht fertig geworden, aber der nächste war dafür umso schlimmer.“ „Erzähl weiter, es ist so spannend!“ Missbilligend rümpfte Sebastian die Nase. Elizabeths hohe schrillende Stimme piekste unbarmherzig auf sein Trommelfell ein. Das Klirren von Geschirr war zu hören und dann ein leichtes Schlucken und ein Durchatmen, bevor Ciel mit seiner Geschichte fortfuhr. Sebastian lauschte weiter und schüttelte etwas verwundert den Kopf. Offenbar erzählte sein Herr ihr wirklich alles. Naja, fast alles, ihre Begegnungen mit so manch übernatürlichen Vorkommnissen ließ er aus. In sich hinein grinsend mutmaßte der Dämon, dass Ciel gewiss auch nicht näher auf das Verhältnis zwischen ihm und dem Butler eingehen würde. Obwohl er Elizabeth damit sicherlich weitaus mehr schockieren könnte, als mit den Aufklärungsarbeiten, deren Muster sich ja stets nur wiederholte. „MR SEBASTIAN!“ Fast wäre der Dämon hintenüber gekippt, als die herrische Stimme von Frances ohne Vorwarnung in seine Ohren schlug. So ein empfindliches Gehör zu besitzen, war nicht immer nur ein Vorteil, wie sich Sebastian eingestehen musste. Unwillkürlich rieb er seine Ohren und wandte sich dann mit einem bemüht neutralen Gesichtsausdruck an Mrs Middleford. „Ja bitte, Madame, was gibt es?“ „Wo sind Sie nur mit Ihren Gedanken? Ich habe sie drei Mal gerufen!“ Offenbar hatte das Ausblenden näherer Geräusche doch einigermaßen funktioniert. „Verzeiht mir, ich habe an meinen jungen Herrn gedacht“, gab Sebastian freimütig zu. „Lassen Sie die Arbeit liegen und setzen Sie sich ein wenig zu mir“, forderte Frances ihn auf. Überrascht nahm der Butler zur Kenntnis, dass ihr Tonfall auf einmal einiges an Strenge verloren hatte. Er legte gehorsam Schere und Blumen zurseite, trat aus den Büschen heraus und zupfte kurz seine Kleidung zurecht, bevor er sich neben Elizabeths Mutter niederließ. Ausdruckslos begegnete er ihrem forschenden Blick. „Sie werden sicherlich verstehen, dass ich mich um Ciel sorge, immerhin wird er meine Tochter in nicht allzu ferner Zukunft heiraten. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht sehr viel über ihn weiß, er ist einfach sehr verschlossen. Daher frage ich Sie, und ich hoffe, Sie werden mir eine ehrliche Antwort geben: Wie geht es Ciel?“ Sebastian verbarg seine Verwunderung und lächelte sie höflich an. „Seine Gesundheit ist in bester Ordnung, Ma'm, auch sein Asthma hat sich in den letzten Jahren nicht verschlimmert.“ Frances sah ihn spöttisch an. „Sie wissen genau, dass ich das nicht gemeint habe. Für mich ist es selbstverständlich, dass Sie als sein Butler dafür sorgen, dass er gesund bleibt.“ Sie seufzte und schaute in die Ferne. „Ich kenne Ciel nun schon sehr lange, länger als Sie. Und auch wenn ich nicht immer in seiner Nähe war, habe ich doch sehr deutlich den Unterschied bemerkt, der in seiner ganzen Art auftrat, nachdem seine Eltern gestorben waren.“ Frances lächelte. „Sie können es sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, aber Ciel war ein sehr fröhlicher Junge, der immer gerne mit meiner Tochter gespielt hat und, wenn auch etwas schüchtern gegenüber Fremden, ein aufgeschlossenes und freundliches Wesen besaß.“ Sebastian musste sich ein Grinsen verkneifen, als er sich vorstellte, wie der jetzige Ciel mit Elizabeth in einem Spielzimmer umher tollte. „Aber seit diesem schrecklichen Ereignis ist er einfach nicht mehr derselbe.“ Mit einem dezenten Räuspern unterbrach der Butler die Lady. „Ist es nicht normal, dass ein solches Erlebnis einen Menschen verändert? Vergesst nicht, dass Ciel nach dem Brand im Anwesen einen ganzen Monat lang verschwunden war.“ Sebastian heuchelte Mitleid. „Gott weiß, was ihm in dieser Zeit zugestoßen sein mag.“ „Wissen Sie es nicht?“, fragte Frances offen. „Von allen Menschen auf dieser Welt hätte ich Sie für denjenigen gehalten, dem Ciel sich anvertrauen würde.“ Bedauernd schüttelte Sebastian den Kopf. „Der junge Herr vertraut sich niemandem an.“ „Das sollte er aber“, meinte Mrs Middleford. „Sicher, es wäre falsch anzunehmen, dass Ciel noch immer derselbe sein würde, aber sollte er nicht langsam seine Vergangenheit verarbeitet haben? Er ist doch nicht allein, Lizzy bemüht sich so sehr um ihn! Aber es zeigt sich einfach keine Besserung.“ „Das ist so nicht ganz richtig“, klärte der Butler sie auf. „Ihr mögt es vielleicht nicht bemerkt haben, aber Ciel ist reifer und erwachsener geworden. Zwar wird er wahrscheinlich nie mehr so werden, wie Ihr ihn gekannt habt, aber er wird ein normales Leben führen können.“ In einem Anflug von Zuneigung wurde Sebastian ehrlicher, als er es sich sonst gestattet hätte. „Er zeigt jetzt viel mehr Gefühle als noch vor ein paar Jahren. Nicht viele, aber zumindest überhaupt welche. Als ich ihn kennenlernte, versuchte er alles, was ihn irgendwie als schwach hätte dastehen lassen, hinter einer Maske aus Stolz und Ablehnung zu verbergen. Dies tut er heute auch noch, aber mir, der ich jeden Tag mit ihm verbringe, hat er durchaus schon einige andere Seiten gezeigt.“ Sebastian bemerkte den Stolz und die Wärme in seiner Stimme nicht, Frances aber schon. Neugierig betrachtete sie das Gesicht des Butlers, in dem echte Zuneigung zu sehen war. Und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, brachte Mrs Middleford diesem ihr sonst so suspekten Mann so etwas wie Sympathie entgegen, der ihr noch nie vorher irgendwelche Emotionen offenbart hatte. „Sie haben Ihren Herrn wirklich gern, nicht wahr?“, fragte sie lächelnd. Verdutzt sah Sebastian ihr in die Augen. Hatte er Ciel gern? Er begehrte ihn, er wollte ihn für sich. War das Gernhaben? „Ich denke schon.“ „Das ist gut“, meinte Frances. „Es ist gut, dass Ciel eine Person in seinem Leben hat, die ihm ein wenig von dem geben kann, was seine Eltern ihm zu geben nicht mehr in der Lage sind. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, muss ich doch sagen, dass wir es wohl Ihnen zu verdanken haben, dass Ciel damals nicht in Depressionen versunken ist.“ Sebastian senkte seinen Kopf. „Das ist zu viel der Ehre, Madame. Ich habe nur getan, was jeder in meiner Position getan hätte. Das ist selbstverständlich für den Butler der Phantomhives.“ Im Stillen gab er ihr jedoch recht. Und andererseits lachte er innerlich über diese Tatsache. Sicher, ohne ihn hätte Ciel nicht überlebt, aber gleichzeitig würde er irgendwann durch seine Hand sterben – was für eine Ironie! „Ich würde Sie gerne um etwas bitten, Mr Sebastian. Vielleicht ist es zu viel verlangt, aber... seien Sie ihm ein Vater. Begleiten Sie ihn auch noch auf dem letzten Stück zum Erwachsenwerden, helfen Sie ihm dabei, sich mit dem Gedanken einer Ehe mit meiner Tochter anzufreunden. Leider ist es mir unmöglich, seine Gefühle diesbezüglich einzuschätzen, aber ich wünsche mir, dass die beiden miteinander glücklich werden.“ Und schon war das bisschen gute Laune wieder dahin. Tatsächlich hätte Sebastian in diesem Moment gerne irgendjemanden erwürgt, vorzugsweise Elizabeth. Doch irgendwie amüsierte es ihn auch, dass Frances in ihm eher eine Vaterrolle sah, wo seine Motive für sein Interesse an Ciel doch ganz anderer Art waren. Dies musste er aber leider für sich behalten, also nickte er nur ergeben und sagt vage: „Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Damit gab sich Mrs Middleford zufrieden und stand auf. „Kommen Sie, das Mittagessen dürfte in wenigen Minuten auf dem Tisch stehen.“ In dem kleinen Salon war es sehr still. Ciel hatte vor kurzem seine Erzählung mit dem Bericht des aktuellen Mordfalls beendet und Elizabeth saß ihm stumm gegenüber und starrte auf ihre Hände, während es in ihrem Hirn ratterte. Sie hatte einiges zu verarbeiten, immerhin hatte ihr Verlobter soeben die vergangenen sieben Jahre seines Lebens vor ihr ausgebreitet. Einerseits war sie geschockt, wie viel ihr in dieser Zeit entgangen war. Es war kaum zu glauben, dass sie all die Jahre immer wieder versucht hatte, an Ciels Leben teilzuhaben, und diese Seite an ihm so völlig übersehen konnte. Andererseits rauschte das Adrenalin in ihren Adern. Sie fand diese Welt, in die Ciel ihr einen Einblick gewährt hatte, unglaublich faszinierend und aufregend. Und sie wollte nicht weiter außen vor bleiben, dessen war sie sich sicher. Ich will nicht weiter nur zu Hause herumsitzen, während Ciel sich fortwährend diesen Gefahren aussetzt! Aber dass sie Ciel unterstützen wollte, war nicht der einzige Grund. Es gab noch einen anderen und dieser war hochgewachsen, schlank, hatte rabenschwarzes Haar und hieß Sebastian Michaelis. Auch wenn sie sich im Klaren darüber war, wie irrational und kindisch sie sich verhielt, konnte sie ihre Abneigung und ihren Neid diesem Mann gegenüber nicht zügeln. Während sie sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als an Ciels Seite zu leben, hatte Sebastian sich ohne zu fragen an diese Stelle geschoben. Lizzy war nicht dumm. Sie hatte sehr wohl gemerkt, dass der Butler einen überaus wichtigen Platz in Ciels Leben einnahm, den wichtigsten überhaupt. Er begleitete ihn, wo er ging und stand, bei all seinen Tätigkeiten, ganz gleich, was es war. Und auch wenn Ciel es vermutlich ihr gegenüber nie direkt zugeben würde, so hatte sie die Vertrautheit, mit welcher der junge Mann über seinen Butler sprach, nicht überhören können. In seiner Stimme hatte eine Wärme gelegen, die er ihr so nie gezeigt hatte, und es traf sie tief, dass sie selbst nicht die Person war, die Ciel so nah sein durfte. Aber sie würde Ciel bald heiraten! Und wenn sie nicht in ihrem eigenen Haushalt eine Fremde sein wollte, musste sie ihren Platz an der Seite ihres Mannes würdig einnehmen. Und das bedeutete für sie auch, dass sie ihr Verhalten Ciel gegenüber ändern musste. Sie sah auf und begegnete dem Blick des jungen Grafen, der an seiner Teetasse nippte. „Geht es dir gut, Lizzy?“, fragte er. „Du bist so ruhig.“ Sie lachte nervös. „Nun ja, du hast mir ja auch einiges zum Nachdenken gegeben.“ „Hab ich dir zu viel erzählt?“ Er klang sogar ein wenig besorgt. „Nein, nein!“, versicherte sie hastig. „Ich bin froh, dass du so ehrlich zu mir warst! Ich muss es nur erst einmal für mich ordnen, das ist alles.“ Sie lächelte ihn an, woraufhin er nickte. Es klopfte an der Tür und ein Diener spähte durch einen Spalt ins Zimmer. „Verzeiht die Störung, Milady, die Herrin bittet um Eure Anwesenheit bei Tisch.“ „Danke, James.“ Elizabeth erhob sich und atmete einmal tief durch. „Nun denn, wir werden wohl eine kleine Pause einlegen.“ Ciel stand ebenfalls auf und gemeinsam begaben sie sich in den großen Speisesaal, wo Frances und Sebastian bereits auf sie warteten. Der Anblick seines Butlers holte Ciel wieder in die Realität zurück und ließ erneut den Ärger und die Enttäuschung in ihm hochkochen. Es war zum Verrücktwerden! Gerade hier wollte er sich keine Blöße geben, also musste er seinen Frust hinunter schlucken und so tun, als wäre alles in Ordnung. Der Butler aß natürlich nicht mit, stattdessen bediente er seinen Herrn bei Tisch, oder besser gesagt, er postierte sich einfach nur hinter ihm. So hatte Ciel permanent das Gefühl, den stechenden Blick der roten Augen auf seinem Nacken zu spüren. Als Lizzys Mutter von der kommenden Hochzeit zu sprechen begann, schrumpfte Ciel innerlich in sich zusammen. Dieses Thema hatte er gefürchtet, er wollte nicht darüber reden, nicht einmal daran denken. So hielt er sich größtenteils aus der Unterhaltung heraus, während die beiden Damen angeregt darüber diskutierten, ob die Einladungskarten farblich auf die Raumdekoration des Festsaals abgestimmt sein sollten. Ciel versuchte sein Wahrnehmungsfeld auf seinen Teller zu beschränken, obwohl er überhaupt keinen Appetit verspürte. Leider war es mit seinem Frieden vorbei, da Lizzy ihn direkt ansprach: „Ciel, findest du nicht auch, dass der August der perfekte Monat für unsere Hochzeit wäre?“ Klonk. Dunkler Wein färbte die Tischdecke blutrot, als der junge Graf sein Glas aus der Hand hatte gleiten lassen. Im nächsten Moment stand Sebastian schon neben ihm und begann die Folgen dieses Missgeschicks zu entfernen. Elizabeth und ihre Mutter starrten Ciel überrascht an, der daraufhin rot anlief und sich schnell entschuldigte. „Verzeiht mir, ich war wohl in Gedanken gewesen...“ August... es sind nicht mal mehr fünf Monate bis dahin... Mithilfe der anderen Bediensteten war das Tischtuch schnell gewechselt, aber dass Ciel sich partout nicht zum Termin ihrer Hochzeit äußern wollte, stieß bei den beiden Middleford-Damen sauer auf. „Lizzy, du weißt doch nun sehr genau, wie meine momentane Arbeit aussieht, kannst du dir nicht denken, dass ich zur Zeit einfach andere Dinge im Kopf habe?“ „Aber du hast doch immer etwas anderes zu tun!“, beschwerte sich Lizzy und erinnerte sich im selben Moment daran, dass sie sich ja eigentlich vorgenommen hatte, sich Ciels Willen nicht mehr entgegen zu stellen. Deshalb sagte sie gleich darauf in einem versöhnlichen Tonfall: „Es ist schon gut, wir müssen jetzt nicht weiter darüber reden, wenn es dich zu sehr belastet.“ Ihr Antwort schien Ciel positiv zu überraschen und er schaute sie nicht unfreundlich an. „Danke, Lizzy.“ Dann erhob er sich. „Nun denn, ich denke, es ist Zeit aufzubrechen.“ Elizabeth seufzte bedauernd. „Ja, leider ist der Rest des heutigen Tages bereits verplant. Aber Ciel, wenn du morgen Nachmittag frei bist, würde ich dich gerne besuchen kommen, um unser Gespräch von vorhin fortzusetzen.“ Sie wusste, Ciel würde ihr die Möglichkeit, auch noch etwas zu diesem Thema sagen zu können, nicht verwehren, und das tat er dann auch nicht. „Sicherlich, komm nach dem Mittagessen einfach vorbei, ich erwarte dich.“ Gemeinsam begaben sie sich alle zur Haustür, wo die beiden Besucher verabschiedet wurden. Elizabeth hielt sich zurück und umarmte Ciel nur leicht. Dann wandte sie sich mit gemischten Gefühlen an Sebastian und sah zu ihm auf. Er schaute mit kühlem Blick auf sie herab und verbeugte sich. „Auf Wiedersehen, Lady Elizabeth. Habt einen schönen Tag.“ „Das wünsche ich Ihnen auch, Mr Sebastian“, erwiderte sie ebenso kühl. Ihre Blicke trafen sich noch einmal und aus irgendeinem Grund wurde ihr in diesem Augenblick klar, dass sie beide Rivalen waren. Worum auch immer sie genau konkurrierten, konnte sie nicht sagen, aber sie meinte nun zu wissen, dass der schwarzhaarige Mann ihr genau die gleichen Gefühle der Missgunst und Ablehnung entgegenbrachte. Es erstaunte sie selbst, wie wenig sie diese Erkenntnis überraschte. Nachdem noch einige Worte gewechselt waren, zogen Ciel und sein Butler von dannen. Elizabeth entschuldigte sich bei ihrer Mutter und verschwand in ihr Schlafzimmer, wo sie sich auf ihr weiches Bett fallen ließ und versuchte, die vielen Gedanken und Gefühle, die in ihr umherrasten, zu sortieren. Nachdem die beiden Herren wieder in der Londoner Stadtvilla angekommen waren, verbrachte Ciel den ersten Teil des Nachmittags damit, ein wenig Arbeit aufzuholen. Ein großer Firmenkomplex, wie der seinige, führte sich schließlich nicht von allein. Diverse Kooperationspartner warteten auf seine Zustimmung zu irgendwelchen Verträgen, ein Dokument nach dem anderen wollte durchgelesen werden, bevor Ciel entweder sein Autogramm darunter setzte oder aber mit einer kleinen Notiz den Antrag abwies. Es war eine eher langweilige Tätigkeit, aber eine, mit der er sich gut von seinen verwirrenden Emotionen ablenken konnte, und so bemerkte er gar nicht, wie die Zeit verging, bis es an der Tür seines Arbeitszimmers klopfte. Auf sein gemurmeltes „Herein“ öffnete sich die Tür und Sebastian betrat mit einem Tablett auf dem Arm den Raum. „Junger Herr, es ist Zeit für Euren Tee. Dazu gibt es ein Stück Pariser Schokoladentorte.“ Er stellte Tasse und Teller neben dem Papierstapel auf dem Schreibtisch ab. Dabei fiel Ciels Blick auf die behandschuhten Hände und beinahe sofort glaubte er diese Hände auf seiner Haut spüren zu können... er lief rot an und versteckte sein Gesicht hinter einem Blatt Papier. „Habt Ihr denn keinen Hunger, mein Herr?“, fragte Sebastian freundlich. Widerwillig ließ Ciel das Blatt sinken und legte es zu den restlichen Dokumenten, bevor er sich an seinen kleinen Imbiss machte. Sebastian öffnete derweil die Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen, und begann dann, die bereits durchgearbeiteten Verträge und Briefe in verschiedene Mappen abzuheften und in ein Regal zu stellen. Nun, da sein Kopf keine andere Beschäftigung hatte, wanderten Ciels Gedanken wie von selbst wieder zu seinem Butler. Und er fragte sich zum wahrscheinlich hundertsten Mal an diesem Tag, wie er Sebastian auf das Thema, welches ihn seit heute früh nicht mehr losließ, ansprechen sollte. Was gab es denn überhaupt zu besprechen? Sie beide waren irgendwie von ihren Trieben übermannt worden – so etwas war nicht unbedingt ungewöhnlich, Ciel hatte in so mancher Literatur von den merkwürdigsten Leidenschaften der Menschen gelesen. Und er wusste auch, dass junge Erwachsene, so wie er selbst einer war, körperliche Bedürfnisse hatten, die über Schlafen und Nahrungsaufnahme hinausgingen. Vielleicht war es gar nicht so abwegig, dass Sebastian, als die Person, die ihm am nächsten stand, sich auch um diese Bedürfnisse kümmerte, immerhin tat er auch sonst alles für ihn. Bei all diesen Überlegungen war Ciel inzwischen ganz schön warm geworden und so schlang er schnell das letzte Stück Torte herunter und schob dann seinen Stuhl zurück. Sebastian trat sogleich wieder an den Tisch heran und räumte das Geschirr aufs Tablett zurück. Um zur Normalität zurückzukehren, fragte Ciel beiläufig: „Was gibt es heute sonst noch zu tun?“ Der Butler wandte sich ihm zu und lächelte leicht. „Da Ihr Eure Ausbildung nicht vernachlässigen solltet, werdet ihr zunächst eine Stunde lang Eure Französischkenntnisse unter Beweis stellen – ich habe dafür einen Text zur Übersetzung vorbereitet. Und danach steht Musikunterricht auf dem Plan, eine halbe Stunde Violine und eine halbe Stunde Klavier.“ Ciel nickte nur. „Gut.“ Auf Sebastians Vorschlag hin, verlegte er seine Französischstudien nach draußen in den kleinen Garten, um zur Abwechslung auch mal ein wenig Licht und frische Luft zu bekommen. Es unterschied sich schon zu seinem Anwesen auf dem Land. Dort hörte er die Vögel zwitschern, ab und zu ein Wiehern und manchmal die Stimmen seiner Angestellten. Hier in seinem kleinen Stadtgarten, der zwar von Mauern und Büschen umgeben war, war es nicht halb so ruhig. Immer wieder waren Stimmen aus Nachbargärten zu vernehmen, die Geräusche von Pferdehufen und Kutschrädern drangen an sein Ohr, aber dennoch störte es ihn nicht wirklich. Eigentlich empfand er es sogar als angenehme Unterbrechung seines Alltags und es besserte aus irgendeinem Grund seine Laune. So konnte er gut arbeiten und war mit der Übersetzung schon eher fertig – was sich als unpraktisch herausstellte, denn jetzt hatte er wieder zu viel Zeit zum Grübeln. Und wieder wälzte er nur dieselben Gedanken in seinem Kopf hin und her. Letztendlich war er richtig froh, als Sebastian zu ihm kam und ihm mitteilte, dass er sich nun zum Geigespielen nach drinnen begeben müsse. Zwar würde Sebastian hierbei natürlich als sein Lehrer agieren, aber da Ciel sich ja auf sein Spiel zu konzentrieren hatte, würde es, so hoffte er, nicht so schlimm werden. Und so war es dann auch, der junge Graf spielte ein Stück nach dem anderen durch, während sein Butler ihn auf dem Klavier begleitete. Am Ende dieser Einheit lächelte Sebastian zufrieden. „Ihr beherrscht dieses Instrument inzwischen wirklich sehr gut, junger Herr.“ Das Lächeln und dieser Ausspruch erinnerten Ciel daran, dass er Sebastian gegenüber ja eigentlich schlechte Laune haben wollte. Eine Unverschämtheit war das, dass der Butler offenbar so gelassen war, während er selbst sich mal wieder Sorgen um Sorgen machte. Frustriert runzelte Ciel die Stirn. Sebastian legte den Kopf etwas schief. „Stimmt Ihr mir nicht zu, mein Herr?“ „Ich weiß, dass ich die Geige gut spielen kann, das brauchst du mir nicht zu sagen“, erwidert Ciel ungehalten. Er merkte selbst, wie unpassend und kindisch dieser Satz war, aber ihm war nicht danach, erwachsen und nüchtern zu sein. Vielleicht hoffte er ja, Sebastian würde bemerken, was mit ihm los war, und in irgendeiner Weise darauf zu sprechen kommen. Aber wollte Ciel das überhaupt? Der Butler hatte sein Lächeln fallen lassen und machte nun den Klavierhocker frei, damit Ciel sich an seiner Stelle dorthin setzen konnte. Nachdem er seine Finger ein wenig geknetet hatte, legte der junge Mann sie auf die Tasten. Er fühlte sich mit diesem Instrument noch immer unsicher, denn er spielte es noch nicht halb so lange wie die Violine. Dementsprechend hatte Sebastian auch einiges zu verbessern. Besonders die schwierigen Stellen in der Partitur musste Ciel immer und immer wieder durchgehen, mal war er zu schnell, dann zu langsam, nicht im Rhythmus, er verspielte sich... und manches Mal kam es auch vor, dass Sebastian etwas an seiner Haltung auszusetzen hatte. „Presst die Elbogen nicht so eng an den Körper“, sagte er zum Beispiel, während er sich vorbeugte und nach den Armen des Jungen griff. „Seid nicht zu verkrampft, dann haben Eure Hände auch mehr Spielraum und die Bewegungen lassen sich fließender vollziehen.“ Die warmen Finger des Butlers verweilten noch ein wenig auf den Unterarmen seines Herrn und Ciel konnte den Atem des Anderen auf seinem Nacken spüren. Irgendwann würde er noch wahnsinnig werden. So deutlich, wie er die Präsenz seines Dämons hinter sich spürte, war es kein Wunder, dass er sich ständig in den Tasten vergriff und hier und da vom Tempo abwich. Das war nicht mal das schlimmste. Es war eigentlich schon fast normal, dass die Nähe Sebastians ihn nervös machte, er hatte sich ja gewissermaßen bereits damit abgefunden, dass er sich zu ihm hingezogen fühlte und körperlich auf ihn reagierte. Es war sogar in Ordnung, dass sie am Abend vorher eine Grenze überschritten und sich so nah gekommen waren. Aber dass er sich überhaupt nichts anmerken lässt, dass es ihm offenbar überhaupt nichts bedeutet, was da zwischen uns passiert ist, das ist nicht in Ordnung! Ciel wollte irgendeine Reaktion von Sebastian, er brauchte sie, um sich zu vergewissern, dass er mit seinem ganzen Gefühlschaos nicht alleine da stand. Irgendwann war der Klavierunterricht vorbei und Ciel konnte sich ein wenig entspannen, während Sebastian das Abendessen vorbereitete. In Ciels Fall bedeutete das: Nichtstun. Er saß in seinem Arbeitszimmer herum und brütete darüber, was er tun sollte. Nach dem Abendessen würde es unweigerlich in Richtung Bett gehen. Sollte er so tun, als wäre alles beim Alten? Dann würde Sebastian ihn bettfertig machen, was hieß, er würde ihn ausziehen und nackt sehen... Sollte er sich lieber selbst umziehen? Aber würde er sich damit nicht noch mehr vor Sebastian bloßstellen? Vielleicht wollte er aber auch gar nicht mehr kühl und gelassen sein, vielleicht wollte er, dass Sebastian etwas tat? Ciel raufte sich die Haare und krümmte sich innerlich. Es war wirklich nicht leicht, sich Schwächen und Begierden einzugestehen. Aber so, wie ihn all das zur Zeit belastete, konnte es nicht weitergehen. Er musste irgendeine Lösung finden. Nachdem er unter Sebastians aufmerksamen Blick sein Essen beendet hatte, suchte Ciel kurz das Badezimmer auf und ging dann in sein Schlafzimmer, wo der Butler bereits auf ihn wartete. Der junge Mann schritt auf ihn zu und blieb stehen. Sebastian sah auf ihn herab und zum ersten Mal an diesem Tag hatte Ciel das Gefühl in diesen roten Augen etwas anderes zu sehen, als Gleichgültigkeit. Ciel hätte im Nachhinein nicht sagen können, was ihn in diesem Moment überkommen war, aber plötzlich wusste er ganz genau, was er wollte. Es war doch ganz einfach: Sebastian hatte sich als sein Butler um seine Bedürfnisse zu kümmern. Und jetzt gerade bedurfte er ... seines Butlers! Er wollte sich jetzt nicht ins Bett legen, darauf warten, dass Sebastian verschwand, um dann selbst Hand anzulegen. Nein. Auch wenn manche es als falsch, moralisch verwerflich oder sogar als abartig und gottlos bezeichnen würden – es hatte ihm gefallen, wie der Butler ihn berührt hatte. Er war der Herr, er konnte Sebastian befehlen, was immer er wollte, und er konnte ihm notfalls auch das Mundwerk verbieten, sollte dem Dämon etwa einfallen, sich über ihn lustig zu machen. Was hatte er schon zu velieren? Sebastian trat einen Schritt auf ihn zu. „Mein Herr, wenn Ihr so freundlich wärd, Euch auf das Bett zu setzen, damit ich Euch die Schuhe ausziehen kann?“ Ciel warf dem älteren Mann einen schwer einzuordnenden Blick zu und drehte sich langsam um. Gegen seine inneren Zweifel ankämpfend ging er hinüber zum Bett, blieb aber stehen. Er hob die Hände und löste seine Augenklappe, die er einfach zu Boden fallen ließ. Schließlich sagte er leise, aber ohne ein Zittern in der Stimme: „Sebastian, dies ist ein Befehl: Befriedige mich so, wie du es gestern Abend getan hast.“ ***************************************************** Bäm! Ich weiß, ich hatte euch am Ende des letzten Kapitels Erotik versprochen, aber dieses Kapi war schon so voll, da musste die Erotik draußen bleiben! Außerdem kommt es nicht oft vor, dass ich ein Kapitel mal mit so etwas wie einem Cliffhanger beenden kann XDD - ich kann euch versprechen, dass es im nächsten Kapitel erotisch wird. Denn schließlich kann Sebastian sich einem direkten Befehl nicht widersetzen, muha! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)