Tabu von Schneefeuer1117 (One Shots für Harry Potter RPGs) ================================================================================ Kapitel 8: Hathaway ------------------- Meine Eltern haben mich Gwendolyne Leana getauft und mit diesem alten Namen eine unendlich lange Tradition fortgeführt – jede dritte Generation wird ein Liam oder eine Leana auf die Welt kommen und genau so genannt werden. Ein altes Hathaway Erbe, dem mein Vater gefolgt ist. Mein lieber Bruder wurde ein Liam, wenn auch nur mit zweitem Namen, und ich wurde eine Leana, ebenfalls nur mit zweitem Namen. Was sagt das über uns aus? Dass wir so offensichtlich gegen diese wundervolle Tradition rebellieren und sie dennoch befolgen? Oh, ich glaube, mein Dad hat damit versucht, uns zu zeigen, dass Traditionen nichts Schlechtes sind, sie allerdings von Zeit zu Zeit eine … Verbesserung bedürfen. Wir sind eine Familie, die reines Blut hat. Jenes reine Blut, das vor zwei, drei Generationen Lord Voldemort gedient hat. Jenes reine Blut, das uns vor Tod und Folter bewahrt hat – nicht jedoch vor Schmerz. Wir litten und bluteten wie alle anderen im großen schwarzen Krieg und wir zitterten und bangten um die Leben unserer Lieben. Nein, nicht ich persönlich und auch Dad hat nichts darüber zu berichten, doch wenn ich in Grandmas Augen schaue … wenn ich das gezwungene Lächeln auf Grandpas Lippen sehe … Ich spüre, dass sie noch immer leiden. Und ich bin diejenige, die ihre Augen zum Leuchten bringt und ihr Lächeln so friedlich aussehen lässt. Nur deshalb bin ich so, wie ich eben bin. Mädchenhaft. Lieb. Höflich. Schüchtern. Vorsichtig. Nun. Zumindest scheine ich so. Dass ich tatsächlich höflich und vorsichtig bin, ist eine Tatsache. Schüchtern? Oh nein, keineswegs. Lieb? Liegt vermutlich im Auge des Betrachters. Mädchenhaft? … In allen Belangen. Ich bin ein gutes Mädchen, das mit jeder Faser ihres Körpers versucht, das Böse zu vertreiben und gleichzeitig ein bisschen böse sein zu dürfen. Oh, dramatisch, nicht wahr? Aber so ist das Leben als Reinblut nun einmal. Dramatisch. Heutzutage muss man sich so oft für seine Abstammung rechtfertigen, ist genauso vielen Schmähungen und Blicken ausgeliefert, wie Muggelstämmige. Selbst wenn man nicht die Ansichten der schwarzen Magier von damals teilt. Ich bin keine Slytherin geworden, doch unsere Familie war nie besonders Schlangenreich. Hathaways – und auch McCarthys, wie meine Mum eine ist – waren schon immer in allen Häusern willkommen. Ob bei den listreichen Schlangen, den mutigen Löwen, den intelligenten Adlern oder den treuherzigen Dachsen. Ich wurde ein intelligenter Adler. Anfangs ließ ich die Intelligenz jedoch reichlich vermissen. Ich bin fleißig, eher ein Huffflepuffattribut und sehr trickreich, eher eines Slytherin würdig. Ein Gryffindor werde ich niemals sein – mir fehlt die wagemutige Anwandlung, zugegeben, und rot stand mir nie wirklich. Aber ein Ravenclaw? Ich? Der sprechende Hut schien Dinge in mir zu sehen, die mir selbst nicht klar waren. Mittlerweile sind sie mir klar. Ich bin äußerst intelligent und geschickt darin, meinen facettenreichen Charakter zu meinen Gunsten zu nutzen. Nein, das halte ich nicht für Slytherin würdig. Niemals. Ich tue das nicht, um anderen zu schaden. Oder um mir einen gigantischen Vorteil zu erpressen, erspielen. Ich erpresse und erspiele überhaupt nichts. Ich bin Daddys Augenstern. Ich bin Jaspers Schutzbefohlene. Ich bin Anaths verschwiegenste Vertraute. Aber ich bin auch … eine ziemlich miese Person … wenn ich es für richtig und gut halte. Ein Widerspruch an sich, es klingt alles so falsch. Aber … ich halte es für richtig, hier und da falsch zu sein, wenn man sich der Konsequenzen durchaus bewusst ist und niemand anderen dabei verletzt … ist es für mich vollkommen in Ordnung, zu lügen und zu hintergehen. Ich bin intelligent genug, um mich dabei nicht erwischen zu lassen. Und ich bin intelligent genug um zu wissen, dass es dafür keine Rechtfertigung gibt. Fürs Lügen und Betrügen, fürs einfach nur schlecht sein. Aber es ist mir egal. Ich bin jung! Ich möchte Orte sehen, Dinge erleben, verrückt sein! Durchdrehen! Und ich möchte ich selbst sein können. Nicht schüchtern, höflich, mädchenhaft. Ich möchte ausbrechen können, ohne dass Opa wieder so gezwungen lächelt. Ich möchte lachen können, ohne dass Omas Augen trüb werden. Ich möchte morgens aufwachen können, ohne Gefahr zu laufen, einer der Neuen Papas über den Weg zu laufen. Ich möchte lieben können wen ich will, ohne Angst haben zu müssen, dass Jasper ihn um die Ecke bringt. Ich möchte leben. Einfach nur leben. Aber ich kann nicht. Ich habe Verpflichtungen, so, wie das immer ist mit den reinblütigen, namenhaften Familien. Dank Papas Arbeit haben wir einiges an Geld, ein großes Haus, viel Platz … Ich habe meinen Mustang, der mir in den Sommerferien zur Verfügung steht und mit dem ich über die Ebenen preschen kann. Ich habe Klavierunterricht genossen, Manieren gelernt, immer jemanden zum Spielen gehabt. Ich kann mich nicht beschweren, ein schlechtes Leben gehabt zu haben. Aber … Meinen ersten Kuss hatte ich mit 14. VIERZEHN! Manche haben da schon ihre Unschuld verloren … und Jasper hat bis zu dem Tag immer ziemlich gut verhindert, dass sich mir ein Mann überhaupt bis auf zwei Meter nähert, ob er nun zur Familie gehörte oder nicht. Ich liebe ihn, meinen Bruder, so sehr. Ich würde mein Leben geben – und das ist weder eine Lüge, noch die angekündigte Dramatik eines Reinblüterlebens. Jasper hat mich praktisch aufgezogen und war immer für mich da. Es gibt niemanden, dem ich mein Leben anvertrauen würde, außer ihm, dem ich näher stehe und dem ich dankbarer für das bin, was er für mich getan hat. Ich liebe ihn. Aber es nervt einfach, dass er sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommt, aber glaubt, in meines pfuschen zu können, wie er will. Jasper! Jeder Idiot sieht, dass du was von Catherine willst, also schnapp sie dir endlich! Oder … mach halt … mit Keith rum … IGITT! … und unserer Familie Schande, was solls?! Hauptsache, du tust es endlich. Ich selbst musste auf Menschen aus meinem unmittelbaren Umfeld zurückgreifen, um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, mich zu verlieben. In Hogwarts?! Unmöglich! Ich konnte doch keinem Jungen antun, mit Jasper zu konkurrieren! Oder gegen ihn anzutreten … Nein. Nein, nein, nein. Es war in den Weihnachtsferien vor zwei Jahren. Endlich war wieder die ganze Familie vereint. Naja. Außer Mum, aber das war ja nichts Neues. Dad hatte Jessica … die Dritte? … mit zur Feier genommen und niemanden schien es zu stören … außer mich … Immer, wenn er eine andere Frau als Mama liebte … Wie auch immer. Damon – meine erste große Liebe, ich sage es dir! Ein so netter, charmanter, wohlerzogener Junge! – war gerade in seinem letzten Jahr in Durmstrang und wir redeten so viel und so lange, dass ich das Gefühl bekam, meine unendliche Liebe zu ihm würde endlich erwidert werden! Ich war so unheimlich verknallt in die braunen Schokoaugen, die breiten Schultern, das weiße Lächeln … Ach ja. Aber Jasper war auch auf dieser Feier, natürlich. Er machte – wie immer – alles kaputt, nahm sich Damon zur Brust und seitdem ist das Verhältnis zwischen mir und meinem lieben Cousin mehr als unterkühlt. Damon ist ein so wohlerzogener junger Mann, dass er es nie wagen würde, jemanden zu beschämen – ob es nun ein dummer, dummer pubertierender Junge war, oder aber ein ehrbares Mädchen … oder aber seinen Onkel … obwohl der ja das beste Beispiel für Beschämung und unehrenhaftes Verhalten ist … Damon ging an diesem Abend recht früh und ich versteckte mich lange bei seiner Schwester Heather – wir waren zu der Zeit unzertrennlich, wenn wir einander sahen, immerhin waren wir nur ein Jahr auseinander und sie teilte mein Leid mit einem überfürsorglichen Bruder aufgewachsen zu sein. Zum Glück fand Jasper irgendwann sehr viel Gefallen an einer der Kellnerinnen, die bestimmt drei Jahre älter war als er und mit einigem Verdruss musste ich dabei zusehen, wie er ihr die Zunge in den Hals steckte und ich mit leeren Händen dastand. „Da“, flüsterte Heather mir abends irgendwann zu und deutete auf Chuck, Cousin väterlicherseits, „er beobachtet dich schon ganz lange. Ich glaube, er mag dich.“ Kichernd hatten wir damals mit unseren Haaren gespielt, vollkommen übersehend, dass eine so enge Verwandtschaft es unmöglich machte, glücklich zu werden. Chuck und ich waren praktisch miteinander aufgewachsen, kannten einander sehr gut und unsere Eltern waren Geschwister. Wir waren praktisch selbst Geschwister! Aber das hielt ihn nicht davon ab, zu uns herüber zu kommen. „Hei Lyn.“ So hatte mich noch niemand genannt. Obwohl mein Herz an jemanden vergeben war, spürte ich es schneller schlagen und mit einem Blick aus seinen seelenlosen dunklen Augen hatte er mich. Nur einen Atemzug später, lächelte ich heimlich und verschränkte meine Hand in seiner. „Hier ist es warm – wollen wir nicht rausgehen?“ Ich schaute zwar Heather bei dieser Frage an, doch diese entschuldigte sich fadenscheinig und ging herüber zu ihrer Mama, um auch unsere Eltern abzulenken. Ich beobachtete, wie sie alle aufgeregt Heathers Schilderungen zuhörten und schwor mir selbst, diesem Mädchen irgendwann dafür zu danken, dass sie so großartig war. Sie wartet bis heute auf diesen Dank. Ich drückte Chucks Hand und seine Augen drohten mich aufzufressen. Lachend streiften wir durch die Weiten unseres Gartens, jagten einander, berührten einander immer wieder spielerisch und irgendwann streifte seine Hand verheißungsvoll meine Hüfte. Ich spürte, wie Aufregung jede Pore meines Körpers durchströmte – gleich passiert es, hörte ich mich selbst wie besinnungslos denken. Ich hielt inne. Blinzelte zu Chuck hoch. Er zu mir herab. Strich mir die braunen Haare aus dem Gesicht, die vollkommen wirr waren. Unser milchiger Atem vermischte sich der kühlen Abendluft und als sich unsere Lippen berührten, war es der perfekte Moment. Er war sanft und liebevoll. Der Chuck Hathaway, den ich kannte, war ein ziemlicher Aufreißer und ich glaube, seine Unschuld hatte er schon mit elf verloren. Keine Ahnung, ob das, was seine beiden Brüder erzählten, immer der Wahrheit entsprach, aber angeblich flogen selbst die Professorinnen in Durmstrang auf den Badboy. Tatsache war jedoch, dass ich spontan gewesen war. Dass er mich vollkommen überrannt hatte. Und dass es mir trotzdem rein gar nichts ausmachte, einmal nicht an Konsequenzen denken zu müssen, nicht alles zu planen und nicht perfekt zu sein. Chuck machte diesen Abend für mich perfekt. Wir küssten uns eine halbe Ewigkeit. Es war gut, sehr gut sogar und als er sich schließlich von mir löste, einen verklärten Ausdruck in seinen Augen, war ich zufrieden mit mir. Irgendetwas schien ich gut zu können, ohne, dass ich es geübt hätte. Ohne, dass ich darüber nachgedacht hätte. Ich konnte gut küssen. Wir lachten einander an und die seelenlosen Augen nahmen mich ein zweites Mal gefangen, lösten einen zweiten, noch viel längeren Kuss aus, während dem seine Hände haltlos über meinen Rücken wanderten und schließlich auf meinen Schulterblättern zum Halten kamen. Sachte Gänsehaut rieselte über meinen Rücken – und dann war ich diejenige, die den Kuss löste. „Das war … schön.“ Chuck schmunzelte. „Du sprichst schon jetzt in der Vergangenheit? So schnell hat mich bisher keine abserviert, Lyn. Das hat …“, seine Finger wanderten über meinen Nacken in mein Haar und ich biss mir auf die Unterlippe, „…Stil. Du wirst mal eine Herzensbrecherin.“ Schlussendlich endete der Abend für Chuck mit einer gebrochenen Nase und für mich mit einer Woche Hausarrest und einem Bruder, der eine Woche lang nicht mehr mit mir sprach. Wie ich schon sagte: Chuck und ich waren zu eng miteinander verwandt. Cousin und Cousine ersten Grades, das schickte sich nicht. Wären wir nun dritten oder vierten Grades miteinander verwandt … niemand hätte auch nur einen Ton gesagt (außer Jasper). So jedoch … hatte Chuck einen weiteren Punkt auf seiner langen Liste, wenn er vor Gott treten würde und ich den ersten Fleck auf meiner makellosen weißen Weste. Und Jasper und ich den ersten Streit in den 14 Jahren unserer tiefen und innigen Liebe für einander. „Was hast du dir dabei gedacht, diesem Arschloch deine Zunge in den Hals zu stecken?!“ „Jas. Beruhige dich bitte…“ „Beruhigen?! Du hast gerade mit Chuck geknutscht!“ „Ja, das weiß ich. Was ist verkehrt daran?“ „Einfach alles! Seit wann knutscht du mit Jungs?!“ „Jasper, bitte schrei nicht so…“ „…Entschuldige, aber ich will eine Antwort.“ „Chuck ist der erste gewesen, der überhaupt … den du überhaupt … Das ist unfair von dir! Du knutscht andauernd mit irgendeinem Mädchen herum und wenn ich nur ein einziges Mal… Jasper, wieso regst du dich so auf? Es war nur ein Kuss!“ „Das war viel mehr als das, Gwen! Er ist unser Cousin. Dad ist jetzt schon dabei, vollkommen durchzudrehen!“ „…“ „Was?! Was soll der Blick?!“ „Dad hat kein Recht, mich oder Chuck zu verurteilen.“ „Mach das nicht, Gwen. Dad ist…“ „…eine männliche Hure…“ „GWEN!“ „…!...Du…bitte geh.“ „Es … tut mir leid. Das hätte ich nicht … ich hätte doch nie … Gwen, ich hätte dich nie…“ „…aber du wolltest es … Wenn dir die Worte versagen, küsst du Leute entweder, oder du schlägst zu. Das ist okay.“ „Gwen.“ „…bitte geh.“ „...Gwen, ich will dich nur beschützen.“ „Das machst du sehr gründlich.“ „Du solltest das nicht noch mal über Dad sagen. Es stimmt nicht.“ „…“ „Und du solltest dich bei ihm entschuldigen. Was hast du dir nur … Chuck?! Warum ausgerechnet der?!“ „…“ „Ich … gehe jetzt.“ Warum ausgerechnet Chuck? Seit wann ich Jungs küsste? Wir waren verwandt? Oh, ich war so wütend in dem Moment! Ich hätte so vieles über Dad und Jasper sagen können, so viel böses Blut fließen lassen können … doch ich liebe Jasper und Dad. Und ich weiß, dass es falsch war, Dad eine Hure zu nennen, aber … es ist nicht leicht von einem Mann gut zu denken, der seine Ehefrau mit so vielen Frauen betrügt und diese Frauen auch noch seinen Kindern vorführt, sie teilweise mit ihnen zusammen aufzieht! Ich bin so … so … verletzt deswegen. Und ich hätte an diesem Abend wohl jeden geküsst, nur, um diesen Gedanken zu entfliehen. Ich hatte mich nie den Konsequenzen dieses Abends gestellt. Weder Dad, noch Jasper verloren je wieder ein Wort über Weihnachten 2047 – das machte es für mich nicht leichter. Vielleicht war jener Abend ein Schritt in die falsche Richtung gewesen. Vielleicht hatte ich einen gigantischen Fehler gemacht. … Vielleicht war es aber auch das Beste, was ich hätte tun können…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)