Anders von DARKFEATHER ================================================================================ Kapitel 19: Neunzehn -------------------- (Schwer zu sagen, welche Sicht das ist >_< Aber größtenteils Tora.) 19. Kapitel Piep. Piep. Piep. Piep. Angespannt biss er sich auf die Lippen, kniff verzweifelt die Augen zusammen. Mit seiner rechten Hand fasste er sich an die Schläfe, hatte den Kopf deprimiert Richtung Boden geneigt. Seine ganze Haltung drückte völlige Konzentration aus. Doch was genau war es, was ihn so sehr beschäftigte, ihm einfach keine Ruhe lassen wollte? Piep. Piep. Oh ja, richtig. Es war dieses unaufhörlich schreckliche Geräusch, was er einfach nicht mehr aus seinen Gedanken vertreiben konnte. Ein gequältes Seufzen entfloh seiner Kehle, als er sich etwas aufrichtete und die Augen wieder öffnete, nur um gleich den nächsten Grund für ein erneutes Schnaufen zu entdecken. „Ich verstehe wirklich nicht, was du hier überhaupt noch zu suchen hast, Uruha.“, fauchte er schon beinahe, als er den Dunkelblonden ein paar Meter weiter von sich entfernt stehen sah. Die letzten Tage hatten sie zusammen fast vollständig hier im Krankenhaus verbracht. Bis auf heute hatten sie schweigend nebeneinander an Shous Bett gesessen, hatten voller Sorge den Moment herbeigesehnt, in dem der Braunhaarige aufwachen würde. Denn seitdem Shou am Dienstag die Treppe hinunter gestürzt war, lag er im Koma, war dadurch regelrecht ans Bett gefesselt. Er würde sein Bewusstsein bald wieder erlangen, hatten die Ärzte ihnen gestern erst noch mitgeteilt. Aber was danach sein würde, war noch ungewiss. Ein Schädel-Hirn-Trauma. Das war alles, was sie bisher wussten. Aber die Auswirkungen dieses Traumas konnte man bisher jedoch noch nicht sicher benennen, solange der Braunhaarige nicht wieder aufgewacht war. Wenn er nur daran dachte, was alles passieren konnte… Er war immerhin selbst Arzt, er hatte also fast schon zu viel Ahnung darüber, was die Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas sein könnten. Lähmungen, Seh- und Sprachstörungen oder auch andere körperliche Behinderungen, die Shous Leben für immer beeinflussen würden. Aber all dies konnte man erst herausfinden, sobald man einige Tests an dem Braunhaarigen durchgeführt hatte. Und das ging nur im wachen Zustand. Doch die Situation hatte sich geändert. Denn der Moment, auf den Tora und Uruha die ganze Zeit gewartet hatten, war heute, an diesem Samstagmorgen endlich eingetreten. Sie waren einzeln hier angekommen, hatten sich wie immer recht schnell in Shous Zimmer auf der Intensivstation eingefunden und schließlich, wie jeden Tag bisher, kaum ein Wort miteinander gewechselt (was wohl eher an Tora lag, denn dieser hatte jeden Versuch von Uruha, ein Gespräch anzufangen, eiskalt unterbunden). Doch dann, kaum eine Stunde nach ihrer Ankunft, war es geschehen. Shou hatte die Augen geöffnet. Verwirrt hatte er sich in dem weißen Raum umgesehen, war sich wohl im ersten Moment gar nicht bewusst, was geschehen war. Sein Blick war auf Uruha, dann Tora gefallen, die beide noch zu erstaunt über das plötzliche Aufwachen des Braunhaarigen waren, dass sie zu keiner Reaktion fähig waren und einfach nur sprachlos beobachteten, starrten. Ein paar Sekunden hatten Shous Augen bei Uruha verweilt, wobei sich deutlich dessen Verwirrung aufgelöst und langsam in Mitleid für den Dunkelblonden verwandelt hatte. Ein Seufzen, dann ein Blick zu Tora. Nur noch mehr Mitleid. Weder Uruha noch der junge Arzt wagten es, das Wort zu ergreifen und Shou anzusprechen. Darauf erhielten sie jedoch wohl nicht die Reaktion, die sie sich dabei erhofft hätten. Stattdessen entflohen dem Verletzten nur wenige Worte, begleitet von einem eiskalten, emotionslosem Ausdruck: „Raus hier. Sofort. Alle beide.“ Sie hatten gar keine andere Möglichkeit, als diesem Befehl Folge zu leisten. Natürlich war es Tora, der mittlerweile wusste, dass man Shou nichts entgegensetzen sollte, wenn er erstmal in Rage geraten war. Und noch bevor Uruha auch nur auf die Idee kommen konnte, dem Größeren irgendwie zu widersprechen oder sich dagegen zu wehren, hatte der Schwarzhaarige ihn bereits aus dem Raum gezogen. Und nun saß Tora hier, im Flur des Krankenhauses, hatte den Kopf voller Fragen, keine Antworten und das wichtigste: dieses verdammte Geräusch. Tagelang hatte er den Geräten zuhören müssen, an die Shou angeschlossen war. Selbst jetzt, wo er dieses schreckliche Piepen doch gar nicht mehr ertragen musste, hörte er es immer noch in seinen Ohren. Es hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt und er wusste, dass er es auch in ein paar Tagen noch nicht verdrängt haben würde. Zu schmerzhaft waren die Erinnerung, zu grausam diese Bilder, die ihn schon seit Jahren verfolgten und nun endlich eingeholt hatten. Shou, wie er blutend am Boden liegt. Shou, hilflos und ohnmächtig, der auch vor Jahren schon Wochen im Krankenhaus verbracht hatte, verbringen musste. „Wieso hat er dich eigentlich auch rausgeschmissen?“, durchdrang plötzlich eine Stimme seine Gedanken. Erneut hob er seinen Kopf, sah dann Uruha an: „Wie bitte?“ Dieser blickte rasch weg. Er konnte ihm schon seit Tagen nicht mehr in die Augen schauen. Unendlich viele Vorwürfe Tora ihm schon gemacht, irgendwann hatte es der Dunkelblonde aufgegeben, noch irgendetwas auf seine Anschuldigungen zu erwidern. Doch Uruha hatte ihm nie widersprochen, egal, was er ihm an den Kopf geworfen hatte. Nein, im Gegenteil. Zugestimmt hatte er ihm. Und ebenso oft, wie Tora ihm all diese Dinge vorgeworfen hatte, hatte sich Uruha entschuldigt. Nicht nur bei dem Schwarzhaarigen, auch an Shous Bett hatte er es immer wieder vor sich hingemurmelt, hatte immer dann, wenn Tora ihn gerade nicht beobachtet hatte - oder eher, wenn Uruha es so vermutete, denn der Schwarzhaarige hatte ihn nie aus den Augen gelassen, nie -, die Hand des Bewusstlosen in seine genommen, hatte vorsichtig darüber gestrichen, immer wieder leise zu dem Braunhaarigen flüsternd. „Hmm, na ja, also du bist doch sein bester Freund, oder etwa nicht? Also, ich meine, dass er mich nicht bei sich haben will, verstehe ich ja vollkommen, aber du…“, versuchte der Kleinere schließlich seine Frage etwas umzuformulieren, blickte dabei weiterhin schuldbewusst zu Boden. Genervt schloss der Ältere kurz die Augen, fasste sich wie schon so oft in den letzten Tagen an die Schläfen. Gott, wie sauer dieser Typ ihn machen konnte, es war wirklich unfassbar. Seine Stimme, sein Anblick, seine bloße Anwesenheit… das alles trieb ihn noch in den Wahnsinn. Doch wenige Sekunden und einige Male tiefes Durchatmen später, fasste er sich wieder, rang sich schließlich zu einer Antwort durch: „Er hält es mit mir nicht mehr aus. Wegen unserer Freundschaft, oder eher, wegen mir wird er immer wieder verletzt… wahrscheinlich hat das alles hier das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Ich tue ihm einfach nicht gut und das hat er jetzt wohl endlich erkannt.“ Er wusste nicht, warum er Uruha überhaupt davon erzählte, aber wahrscheinlich musste er diese Tatsache einfach nur einmal laut aussprechen, um sich das Leid, das Shou zugefügt worden war, noch einmal vor Augen zu führen und endlich den anderen von sich selbst zu befreien, ihn endgültig ziehen zu lassen… Doch bevor Uruha irgendetwas darauf erwidern konnte, wurde auf einmal die Tür zu Shous Zimmer geöffnet. Heraus trat der Arzt, der Shou die Tage über behandelt hatte und auch sofort zur Stelle war, als der andere aufgewacht war. Seitdem hatten sie das Zimmer auch nicht mehr betreten dürfen (auch wenn dieses „Verbot“ des Arztes beide wohl recht wenig interessiert hatte, da sie sich wohl ohnehin nicht mehr zu Shou hineingetraut hätten). „Kazamasa-san bittet sie nun herein. Die weiteren Folgen des Schädel-Hirn-Traumas haben sich bisher noch nicht gezeigt, also bitte ich sie, sich ruhig zu verhalten und ihn in keiner Weise aufzuregen. Er ist noch sehr geschwächt… aber er hat darauf bestanden, noch ein kurzes Gespräch über die… Geschehnisse, wie er es genannt hat, mit ihnen zu führen.“ Daraufhin konnten Uruha und Tora nur verwirrte Blicke austauschen. Nun wollte Shou also doch nochmal mit ihnen reden? Der Schwarzhaarige erhob sich langsam, stierte einige Sekunden lang auf die Zimmertür. Er hatte Angst vor dem, was Shou ihnen nun mitteilen würde, oder eher: was er ihm mitteilen würde. Denn ob sein bester Freund Uruha nun anzeigen, ihn zusammenstauchen oder ihm wer weiß was sagen wollte, war ihm gerade völlig egal. Stattdessen kümmerte ihn nur dieses unangenehme Gefühl der Taubheit, welches sich langsam von seiner linken Brust über den Oberkörper, Arme, Beine und schließlich über den ganzen Körper ausbreitete. Dass diese wunderbare Freundschaft, die Shou und ihn schon seit Jahren verband, nun auf dem Spiel stand… allein der Gedanke daran, dass er in Zukunft womöglich ohne Shou auskommen musste, bereitete ihm Magenschmerzen. „Na los, gehen wir in die Höhle des Löwen. Es wird dich schon nicht so schlimm treffen, ich meine, du konntest ja nichts dafür, dass ich… uhm…“, versuchte Uruha verzweifelt ihn etwas aufzumuntern, scheiterte aber kläglich an seiner Wortwahl. Er wusste, was der Kleinere ihm damit sagen wollte und natürlich war ihm auch klar, dass es letztendlich Uruha gewesen war, der Shou die Treppe hinuntergestoßen hatte (dabei ließ er außer Acht, ob dies nun absichtlich geschehen war oder nicht). Doch trotzdem war ihm, sowie Uruha als auch sicherlich Shou bewusst, dass er, Tora, ganz allein an all dem schuld war. Er hätte Uruha nie so vor den Kopf stoßen dürfen. Hätte er seine Wut auf sich selbst nicht an Uruha ausgelassen… vermutlich hätte der Dunkelblonde niemals diesen verdammten Aussetzer bekommen, der schließlich zu diesem schrecklichen Sturz geführt hatte. Shou würde es jetzt gut gehen und Uruha müsste sich ebenso wenig mit diesen Schuldgefühlen auseinandersetzen, wie er es selbst in diesem Moment tat. Und dieser Gang in „die Höhle des Löwen“, wie der Jüngere es eben erwähnt hatte, müsste nie stattfinden. Noch einmal atmete er tief durch, genoss es bewusst, wie sich seine Lungen langsam mit Luft füllten. Shou war wie Luft. Er könnte nur eine sehr kurze Zeit ohne diese Luft auskommen. Würde sich diese Zeit jedoch in die Länge ziehen, so drohte ihm ein langsamer, qualvoller Tod. Er dachte einen kurzen Moment darüber nach. Halt, nein. Shou war nicht wie seine Luft… Shou war wie Wasser. Es beeinflusste jeden einzelnen Tag seines Lebens und wurde von ihm wie selbstverständlich einfach hingenommen. Doch dann… wenn es irgendwann einfach fehlte, bemerkte man schnell, wie unersetzbar es doch eigentlich war. Ja, Shou war wie Wasser, sein Wasser. Ebenso notwendig wie die Luft, ohne die er schnell verenden würde. Doch die Luft, seine Luft… es war nicht Shous Gesicht, welches ihm sogleich in den Sinn kam. Ruckartig schüttelte er seinen Kopf, vertrieb all diese Gedanken, die ihn von Shou wegtrieben und zu… zu Saga führten. Dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. „Also los.“, meinte er noch kurz zu Uruha - jedoch wohl eher um sich selbst aufzumuntern - und öffnete schließlich die Tür. Gefolgt von dem Kleineren, betrat er den Raum, wurde mit jedem Schritt unsicherer und kam dann vor Shous Bett zum Stehen. Dieser Blick, mit dem der Braunhaarige sie beide beäugte… er konnte ihn nicht deuten. „Setzt euch.“, erfüllte die kühle Stimme Shous den Raum. Eingeschüchtert biss der Schwarzhaarige sich auf die Unterlippe, gehorchte jedoch seinem besten Freund ohne Widerworte und setzte sich auf einen der Stühle, die den Krankenhausbesuchern zur Verfügung standen. Uruha tat es ihm gleich. Wieder begann eine Zeit des Ausharrens. Keiner von ihnen beiden wagte es, die Stille zu durchbrechen, denn diese Aufgabe würde allein bei Shou liegen. „Gott, ihr wisst gar nicht, wie nervig ihr sein könnt.“, war das Erste, was dem im Bett Liegenden einzufallen schien, woraufhin die anderen beiden nur aufhorchen konnten. ‚Nervig’? Tora war durcheinander, verstand absolut nicht, was genau sein Freund ihnen jetzt damit sagen wollte. ‚Nervig’ war doch nun wirklich nicht das richtige Wort, um die Geschehnisse der letzten Tage zu beschreiben. „Ja, genau das meinte ich. Ihr beide habt mal wieder einfach keinen blassen Schimmer und das ist absolut nervig.“, setzte der andere fort, sorgte damit nicht unbedingt dafür, die Ratlosigkeit seiner beiden Besucher zu beseitigen. „Aber gut. Ich werde es euch erklären. Ich fange einfach mal bei dir an, Uruha?“, lächelte der Braunhaarige erst zuckersüß, doch plötzlich verwandelte sich diese gespielte Freundlichkeit: „Du bist so was von bescheuert. Ich meine, natürlich verstehe ich diesen ganzen ‚Unerwiderte Liebe’-Kram und ja, ich weiß auch, dass du in einer echt scheiß’ Situation warst. Aber deswegen müsstest doch genau du verstehen, warum Tora nicht auf… ich nenne es mal, deine Avancen eingegangen ist. Er liebt Saga.“, stellte er die Fakten nur so auf den Tisch, erhielt dafür nur einen irritierten Blick seitens des jungen Arztes. „Und bevor du dazu irgendwas sagst, Tora, du brauchst das gar nicht abzustreiten.“, hinderte er den Schwarzhaarigen gleich daran, die genannte Tatsache zu leugnen. „Aber zurück zu dir, Uruha. Gerade du hättest doch nachvollziehen können, dass Tora seine Gefühle für Saga nicht einfach so abstellen konnte. Gerade du behauptest doch, diesen Schmerz zu kennen, wenn man nicht mit der Person, die man liebt, zusammen sein kann. Findest du es da nicht etwas ironisch, dir einfach das Recht herauszunehmen, von Tora irgendwelche Gefühle zu verlangen, die er gar nicht besitzt, und gleichzeitig selbst kein bisschen zurückstecken zu wollen? Mir ist klar, dass du ihn einfach für dich gewinnen wolltest, viele würden diesen Weg gehen. Aber du musst zugeben, dir war doch schon längst bewusst, dass du keine Chance mehr hattest. Außerdem war, oder eher, ist Tora doch genau in derselben Situation wie du. Er liebt jemanden, kann aber nicht mit demjenigen zusammen sein. Hättest nicht genau du dafür Verständnis aufbringen müssen? Ja, das hättest du tun müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Du warst so fixiert darauf, zu bekommen was du willst, dass du mich sogar die Treppe hinuntergestoßen hast.“ Dazu öffnete Uruha den Mund, wollte sich vermutlich zum tausendsten Mal dafür entschuldigen, doch Shou winkte das schnell mit einer einfachen Handbewegung ab: „Ich will nichts dazu hören. Ich bin mir sicher, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast. Ich erinnere mich auch daran, dass du mich einfach von dir wegschubsen wolltest. Aber wir waren nun einmal im Treppenhaus und das war auch dir bewusst. Doch in dem Moment war dir das schlicht und ergreifend scheiß egal. Du hast einfach in Kauf genommen, dass ich die Treppe hinunterfallen könnte.“ Beschämt blickte der Dunkelblonde zu Boden und plötzlich bekam Tora Mitleid mit ihm. Shou hatte Recht und das Wissen darum schleuderte dieser dem Dunkelblonden nun geradezu ins Gesicht. „So viel dazu. Kommen wir jetzt endlich zu Kandidat Nr. 2.“, schon wieder dieses überfreundliche Lächeln, welches er diesmal jedoch dem Schwarzhaarigen im Raum zukommen ließ. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Jetzt war der Moment also gekommen. „Kandidat Nr. 2 nervt mich noch ca. tausendmal mehr als Kandidat Nr. 1 und das schon seit… zehn Jahren?“, er zögerte kurz, schien sich ernsthaft Gedanken über diese lange Zeitspanne zu machen, „Gott, da fühlt man sich ja richtig alt, wenn man sich diese Zahl so vor Augen führt.“ Ihm entkam ein leises Seufzen, dann setzte er fort: „Jedenfalls… man, ich will gar nicht wissen, wie viel du die letzten Tage schon wieder rumgeheult hast.“ „Wie bitte?“, meldete sich Tora nun doch zu Wort, doch mit einem kurzen Zischlaut unterband Shou jegliche weiteren Äußerungen: „Shh. Klappe halten, zuhören.“ „Außerdem brauchst du gar nicht abzustreiten, dass du ‚rumgeheult’ hast. Tora, du versinkst doch schon seit Jahren in deinem Selbstmitleid. Die Tatsache, dass ich jetzt ein paar Tage im Koma lag… die Chance hast du doch sicher gleich genutzt, um dir mal wieder tausend sinnlose Vorwürfe zu machen. Ich kenne dich doch.“ Und wieder wollte der Größere zu Widerworten ansetzen, doch er kam nicht dazu: „Tora. Ich sag’s dir nur noch einmal: Klappe halten und zuhören. Und genau das wirst du jetzt tun bis ich fertig bin, klar?“ Das war wohl mal wieder einer dieser Diva-Momente, die Shou öfters zu haben pflegte. Aber wenn er diesen Tag überleben wollte, sollte er wohl wirklich auf ihn hören, dachte sich der Arzt im Stillen. „Brav. Und jetzt weiter im Text.“, grinste Shou zufrieden. „Shinji. Wann verstehst du endlich, dass dich keine Schuld trifft? Weder jetzt noch vor zehn Jahren. Natürlich hat Uruha mich die Treppe runtergeschubst, weil er eigentlich sauer auf dich und sich selbst war. Aber du hättest es nie verhindern können. Du redest dir immer wieder ein, daran Schuld zu haben, wenn ich in irgendeiner Weise verletzt werde. Du meinst, dass du mir Unglück bringst. Aber überleg doch mal... jedem Menschen passieren schlimme Dinge in seinem Leben. Selbst wenn wir uns nie kennengelernt hätten… das hätte mich doch vor nichts beschützt. Es passieren so viele grausame Sachen in dieser Welt und irgendwas davon hätte auch sicherlich mich irgendwann getroffen. Wenn man es so betrachtet, wäre es mir ohne dich wahrscheinlich noch viel schlechter ergangen. Denk doch mal nach, wer sonst hätte mich all die Jahre vor allem beschützt? Schon damals in der Schule hattest du diesen überaus stark ausgeprägten Beschützerinstinkt. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Verweise du damals bekommen hast, nur weil du irgendwelche Leute verprügelt hast. „Ein falsches Wort von irgendwelchen Leuten über mich und schon warst du zur Stelle. Aber du hast mich nicht nur verteidigt, auch sonst… wenn ich Streit mit meinen Eltern hatte, wenn mich sonst irgendjemand geärgert hatte, wenn ich einen schlechten Tag hatte, einfach immer wenn ich mich schlecht fühlte oder traurig war… Du warst immer für mich da, ungeachtet davon, wie es dir selbst ging. Und das hat sich in all den Jahren nie verändert: Du bist immer noch hier, bei mir.“ Plötzlich füllten sich Shous Augen mit Tränen und seine Stimme begann zu zittern. „Tora, merkst du denn gar nicht, wie du dich selber kaputt machst? Du machst dich fertig, denkst, du wärst für mein Unglück verantwortlich. Aber das bist du nicht, niemand ist es. Manche Dinge passieren einfach von Natur aus und niemand kann daran etwas ändern. Auch du nicht. Du wirst mich niemals vor allem ‚Bösen’ dieser Welt bewahren können. Und auch Saga wirst du nicht behüten können, im Gegenteil. Du wirst ihn und dich selbst nur noch mehr ins Unheil stürzen, wenn du dich von ihm fernhältst. Und diese bescheuerte Idee von wegen ‚nur Freunde bleiben’, auf die ihr beide euch da geeinigt habt, wird euch auch nicht weiter helfen. Irgendwann werdet ihr es nicht mehr ohne einander aushalten. Und wenn es soweit ist, wirst du wieder einmal einen Rückzieher machen und damit wirst du nicht nur Saga das Herz brechen, sondern auch dir selbst.“ Shou atmete einmal tief durch, achtete nicht auf die Träne, die langsam seine Wange hinab lief, achtete nicht auf die zerbrochenen Seelenspiegel Toras, die ihn wortlos und starr anblickten. „Tora, es wird Zeit, dass du mit der Vergangenheit abschließt. Mit diesen ungerechtfertigten Schuldgefühlen und mit diesem grausamen Drang, dich selbst zu zerstören.“ Uruha blickte ruhelos zwischen den anderen beiden hin und her. Natürlich wusste er, dass es hier schon längst nicht mehr um den Sturz von Shou ging, aber von was die besten Freunde, oder eher, von was der Braunhaarige hier nun wirklich sprach, war ihm irgendwie entgangen. Irgendetwas Schreckliches musste sich wohl in der Vergangenheit beider abgespielt haben, das hatte er verstanden. Plötzlich sprang der Schwarzhaarige auf, unterbrach sowohl Uruhas Gedanken als auch Shous Ansprache: „Ich muss hier raus.“ Er konnte das alles hier nicht mehr mit anhören, hielt die Worte seines besten Freundes nicht mehr aus. Und so stürmte er regelrecht aus dem Zimmer, verließ das Krankenhaus schließlich komplett, rannte anschließend draußen einfach in irgendeine Richtung, hatte keine Ahnung wohin es ihn trieb. Er wollte einfach nur weg, weg von Uruha, weg von Shou, weg von all diesen Dingen, die ihm und seinem besten Freund widerfahren sind, die ihnen irgendwann vor vielen Jahren angetan wurden. Weg von dieser Welt, die ihn einfach nicht glücklich sehen wollte. Auf einmal spürte er etwas Feuchtes in seinem Gesicht. Ein kurzer Blick in den dunklen Himmel, der sich über ihm öffnete und wenige Sekunden später, die leichten Tropfen in einen heftigen Regen verwandelte. Verdammt… er hatte seine Jacke im Krankenhaus vergessen. Aber das war nicht mehr wichtig, sollte er sich eben erkälten. Er sprintete erst noch eine Weile weiter, doch wurde er mit der Zeit immer langsamer, bis er irgendwann zu erschöpft war und dann normal weiterlief. Vielleicht würde er sich so ja noch eine Lungenentzündung einfangen. Er hoffte es schon fast. Aber wohin sollte er denn jetzt gehen? Er wollte nicht zurück ins Krankenhaus, jedoch wollte auch nicht wieder zu sich nachhause. Dabei wollte er doch nur... Schlagartig kam ihm ein Gedanke. Nein, kein Gedanke, es war ein Gesicht, welches er vor Augen sah. Und mit einem Mal wusste er, wohin er wirklich wollte. _____________________________________________ Hier das 19. Kapitel! Ich hoffe es hat euch gefallen. :3 Das Ende ist absichtlich ein bisschen abrupt, einfach weil Tora ja Hals über Kopf einfach aus dem Krankenhaus abhaut XD Und... SHOU IS BACK! Also, er lag im Koma und hat ein Schädel-Hirn-Trauma. Tora hat ja mal kurz die Folgen aufgezählt, was u.a. noch passieren könnte... aber wie man kurz darauf merkt, SPRACHSTÖRUNGEN hat Shou sicherlich nicht XD Hach, wie ich Shou liebe. Haut erstmal Uruha und Tora eins auf den Decke. So wie es sich gehört! XD Und dann flüchtet Tora einfach mal... aber ihr könnt euch wohl alle denken, wohin er jetzt geht. Das Ende ist ja ziemlich eindeutig :D Deswegen möchte ich gleich mal ne Frage stellen zum nächsten Kapitel. Wärt ihr eher für Toras Sicht oder Sagas? Ich persönlich tendiere zu Sagas, aber ich möchte gerne eure Meinung dazu hören. :3 Und dann hab ich gleich noch eine Frage! XD Hiroto und Nao haben ja beide eine recht kleine Rolle... da dachte ich mir, wie wärs denn mit einem Kapitel nur für Hiroto und Nao? Was haltet ihr davon? Aber bevor ihr antwortet, muss euch klar sein, dass dieses Kappi dann nur wenig oder sogar gar kein Saga/Tora enthalten würde. ^^ Also überlegt es euch gut XD Wenn ihr dafür seid, dann wäre das Hiro-Nao-Kapitel beim übernächsten Mal dran :3 Also in zwei Wochen gibts ja wieder ein Kapitel und dann nochmal zwei Wochen drauf, wäre dann Hiroto und Nao. Würde mich wirklich über Antworten und Meinungen dazu freuen... und natürlich allgemein wie immer über Kommentare. XD Bis in zwei Wochen! Nächstes Update: 10. April 2011 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)