Inochi von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Kamisori ------------------- gewidmet: Shion-chan, Calu-chan und To_Kyoto Viele werden nicht verstehen, wie unglaublich befreiend körperlicher Schmerz, wie extrem schön eine Klinge sein kann. Wie erleichternd es ist, wenn einem das Blut durch eigenes Verschulden die Unterarme hinunterläuft, sich in kleinen Tropfen an den Fingerspitzen sammelt und letztendlich auf den kalten, weißen Badfließen zerspringt... Nein, die meisten werden wohl sagen, dass Menschen, die so etwas fertig bringen, Hilfe brauchen, dass sie krank sind und sie werden es beim besten Willen nicht nachvollziehen können. Nun, was soll ich dazu sagen? Selbst ich frage mich manchmal noch, wieso ich das tue, wieso ich mich verletzte, aber letztlich komme ich immer wieder auf dieselbe Antwort: Die Qual in meinem Inneren, in dem Teil, der allgemein hin als Seele bekannt ist, ist zu groß, das Leid zu elend, die Schwärze zu undurchdringlich, als dass es noch eine andere Möglichkeit gäbe, es herauszulassen. Ich sehe ganz einfach keine andere Chance, keine Perspektive mehr, als zum Messer oder zur kleinen, wunderschönen, schon so oft gebrauchten Schneide zu greifen, die da im Schein des Mondes auf dem Fensterbrett ihr Dasein fristet und still vor sich hin glitzert, wenn tief in mir dieses unbändige Verlangen danach schreit, nach außen zu gelangen. Wenn es sich - ohne, dass ich selbst es auch nur annährend steuern könnte - meinen Körper zu eigen macht und einfach nach diesen scharfen Gegenständen hascht, die dünnen Finger darüber gleiten, sie die Schärfe fühlen lässt, sie schließlich durch meine Haut schlitzt, bis diese rote, bittersüß schmeckende Farbe hervordringt und sich in dünnen Rinnsalen über meine Handgelenke schlängelt. Erst dann beginne ich zu realisieren, was meine Hand wieder einmal getan hat und wenn ich könnte, würde ich darüber Tränen vergießen. Allerdings ist das schwer, da ich mir zuvor schon die Augen aus dem Leib geweint habe, weil mich die erbarmungslose Realität mal wieder eingeholt hat. Weil mir mal wieder die Wahrheit vor Augen geführt wurde. Ich werde ihn nie kriegen, ihn nie auch nur teilweise besitzen! Egal, was ich auch tue. Und wenn ich mich noch so sehr wie eine Frau benehme, mich wie eine kleide. Ein Mann werde ich bleiben, genau wie er. Mein kleiner, großer Engel! Aber gut, bevor ich jetzt wieder anfange, zu sehr über ihn, sein hübsches, rundliches Gesicht, die großen, braunen Augen mit diesem nahezu alles durchdringenden Blick, seine weichen, kurzen, blondierten Haare, die sinnlichen, vollen Lippen, seine vielseitige Stimme, welche ihn erst zu unserem Sänger machte... nachzudenken, widme ich meine Aufmerksamkeit wohl besser wieder der Klinge, die sich durch die kaum verheilten Wunden bewegt, sie tiefer aufschlitzt, nur um zu gewährleisten, dass es denselben Effekt hat, wie noch vor ein paar Monaten, als ich damit anfing. Damals reichte ein bloßes Einritzen der Haut, doch mit jedem Mal musste ich das winzige, silberne, glänzende Utensil, das so viel Schaden anrichten kann, mehr und mehr zwischen den Hautschichten versenken, um Wirkung zu erreichen. Mit jedem Mal musste die physische Marter ansteigen, damit die psychische befreit wurde, nach draußen dringen konnte, nur um vor dem nächsten Vorfall noch viel schlimmer zurückzukehren... Und wieso das Ganze? Ziemlich gute Frage! Wie schon gesagt: Es hängt an meiner eigenen Idiotie! Was verliebe ich mich denn auch in Tooru Niimura? Drum gebeten hat er mich bestimmt nicht, genauso wenig, wie er es mitbekommt, was in mir vorgeht... Ach Scheiße, ausgerechnet jetzt klingelt es! Na gut, weg mit der Rasierklinge und... Oh Mann, da ist aber jemand wirklich sehr geduldig! "Ich komme gleich!" Wo ist denn dieses blöde Sweatshirt hin? Verdammter Mist, ich kann doch so keinen Besuch empfangen! Dann sind die Schlagzeilen über den Drummer von Dir en grey mal wieder perfekt und alle Welt zerreißt sich das Maul über meine Labilität... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)