Das Neue Leben von Nightowl (Nach dem Erwachen) ================================================================================ Kapitel 3: ~ Vergangenheit ~ ---------------------------- Damals war die Zeit noch eine andere gewesen. Für Kamijo, Hizaki, Yuki, Jasmine You und Teru hätte sie besser nicht sein können. Sie waren alle von höherem Adel und verbrachten ihre Zeit stets in der entsprechend gehobenen Gesellschaft. In Kamijos Schloss fanden regelmäßig Feste statt, allerdings achtete er darauf, dass es nie zu viele Leute wurden und nicht jeder erhielt Zutritt zu den Festlichkeiten. Wahrlich, Kamijo hatte keinen Grund, sein Leben zu hassen, denn er hatte sein größtes Glück in Hizaki gefunden. Von ihrer ersten Begegnung an hatte Kamijo gefühlt, dass Hizaki etwas besonderes war und dass mit ihm ein Zauber in sein Leben gekommen war, der ihm eine nie zuvor gekannte Geborgenheit bescherte. Allein schon Hizakis Nähe machte ihn glücklich, seine Abwesenheit war unerträglich schrecklich. Und Hizaki erwiderte diese Gefühle, nie wieder wollten sie voneinander getrennt werden. Ganz ähnlich wie Kamijo und Hizaki hatten auch Yuki und Jasmine You zueinander gefunden und auch sie hegten die gleichen Gefühle füreinander. Stets waren es diese vier, die als erste von den Festlichkeiten auf mysteriöse Weise verschwanden und unauffindbar waren, bis zum nächsten Morgen. Teru war ein wenig anders. Er liebte es seit jeher, mit den Empfindungen anderer zu spielen und dies auf seine ganz eigene Art. Aber ganz besonders ruhte sein Blick immer wieder auf den anderen vier, stets suchte er ihre Gesellschaft. Sie ließen sich allerdings nicht sehr stören, sie hatten ohnehin nur Augen füreinander und genossen jeden Moment, den sie teilten. Was sie allerdings alle fünf teilten, war ihr Interesse für das Mystische. Sie beschäftigten sich mit den Bewegungen der Sterne, mit der Alchemie und stellten Nachforschungen an zu allen möglichen rätselhaften Ereignissen, die sich zu dieser Zeit zutrugen und mit der Zeit hatten sie sich ein nicht unbeachtliches Wissen angeeignet. Ganz besonders fasziniert waren sie von den Erzählungen über Vampire, denn Vampire waren unsterbliche Wesen, Untote, die durch einen uralten Fluch von menschlichem Blut auf unerklärliche Weise am Leben erhalten wurden. Aus diesem Interesse erwuchs allmählich in ihren Herzen der Wunsch, von diesem ewigen Leben kosten zu dürfen, denn dann könnten sie bis in die Ewigkeit zusammen sein, es gab nichts, was sie sich mehr wünschten, als bis ans Ende aller Tage jeden Moment miteinander zu teilen, auch, wenn dies bedeutete, dem Fluch und dem Verlangen nach Blut dienen zu müssen. Dieses Opfer waren sie bereit, einzugehen. Zu jener Zeit erzählten sich die Leute viele Geschichten über die gefürchteten Blutsauger, Horrorgeschichten, voller Abneigung und Angst. Diese waren in den Augen Kamijos und der anderen voller Vorurteile, sie handelten nur von schlechten Eigenschaften und sie waren überzeugt, dass die Wahrheit anders aussah, denn das Dasein als Vampire würde ihnen ihr größtes Verlangen erfüllen. Unter anderem vernahm man auch Verdächtigungen, vor allem das Verhalten eines bestimmten Mannes, so munkelte man im Volk, passte auffallend zu dem eines Vampires. Dieser Mann trug den Namen Lucian und war, vielleicht auch Dank dieser Anschuldigungen hinter vorgehaltener Hand, nicht unbekannt. Die Leute mieden ihn tunlichst, und wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigte, so verbreitete seine Anwesenheit stets großes Unbehagen. Kamijo erinnerte sich noch gut an jene schicksalhafte Nacht. Er hatte all die Bilder jetzt wieder deutlich wie nie vor Augen. Vor allem das Gespräch mit Lucian, als die fünf Gefährten ihn in seinem abgelegenen Anwesen aufsuchten, klang hell und klar in seinen Gedanken: Lucian saß an seiner Tafel und vor ihm stand nichts als ein reich verzierter Kelch. Seine Augen glommen in dem dämmrigen Licht der Kerzen, es war mitten in der Nacht, und seine Haut war von einer schimmernden Blässe. Trotz ihrer ansonsten gelassenen Art spürten die fünf, als sie vor ihn traten, nun doch die kalten Finger der Angst, die ihnen mit langen, eisigen Fingern über die Kehle strich. „Ist Euch denn klar, was ihr hier verlangt?“, fragte er mit leiser und doch unüberhörbar deutlicher Stimme. „Ist Euch bewusst, welches Los Ihr wählt, wenn Ihr diesen Weg einschlagt?“ Er hielt kurz inne und beobachtete die Mienen der Anwesenden. Keiner fand den Willen, ihm eine Antwort zu geben, also sprach er weiter: „Es bedeutet, dass Ihr Euch freiwillig dem ewigen Fluch hingebt, Euch zu Sklaven Eurer selbst macht.“ Geräuschlos erhob er sich, griff nach seinem Kelch und schritt langsam durch den kleinen Saal. Seine Gäste blieben wie angewurzelt stehen und bewegten sich nicht. „Ist Euch denn im Klaren, dass ein solch ewiges Leben wahrlich nicht nur Vorteile mit sich bringt?“, fuhr er fort. „Es bedeutet nicht nur, dem Verlangen zu dienen, es bedeutet auch Entbehrung ... Entbehrung des Sonnenlichts ... und des Genusses von Speis und Trank ... dieser Wein ...“, er hob den Kelch an die Lippen und trank ihn leer, „ ... dieser Wein ... gibt mir rein gar nichts an Geschmack oder gar an Genuss ...“. Mit einem markerschütternden Scheppern schleuderte er ihn auf den Tisch, wo er auf der anderen Seite hinabkullerte. Obwohl die Wände des Saales voll riesiger Spiegel waren, die vom Boden bis knapp unter die Decke reichten, konnten die fünf nur sich selbst im Spiegelbild ausmachen, von Lucian fehlte dort jede Spur. Da allerdings niemand etwas sagte, sprach dieser weiter: „Natürlich ... lernt man mit der Zeit, auf solche Dinge zu verzichten. Jedoch gibt es ein Hindernis, das Euch den Weg wohl unüberwindbar versperren wird. Denn ... der Fluch bringt es mit sich, dass man all seine Erinnerungen an sein früheres Leben verliert.“ Erschütterung durchfuhr Kamijos Körper und wich dann langsam der Verzweiflung. Mit dieser Hürde hatte er nicht gerechnet. Keiner von ihnen hatte das. Was nützte ihm ein ewiges Leben, wenn Hizaki dann für immer aus seinem Herzen verschwinden würde? Allein der Gedanke daran schmerzte ihn fürchterlich. Doch bevor er weiterdenken konnte, erhob Lucian erneut seine Stimme: „Wenn Ihr Euch allerdings, wie man hört, tatsächlich mit den Sternen und deren Bewegungen beschäftigt, dann solltet Ihr wissen, dass es eine Sterformation gibt, welche nur alle tausend oder zweitausend Jahre am Himmel erscheint. Dieser Konstellation wohnt eine große Macht inne, sie soll die Herzen aller Verliebten zueinander finden lassen können.“ Natürlich waren sie in alten Büchern und Schriften bereits auf Erwähnungen dieses Sternbildes gestoßen. Dies also war der Schlüssel zu ihrem größten Traum. Auch wenn niemand sagen konnte, wann es wieder am Himmel erscheinen würde, kommen würde es eines Tages, das war gewiss. Und bis zu diesem Tag würden sich ihre Herzen gedulden müssen. Wenn der Tag kommen würde, würden sie zum Schloss zurückkehren und sich wieder in die Arme schließen können. Und so schlossen sie einen Pakt mit Lucian, dem Vampir. Zum Austausch für ihr Blut würde er ihnen ewiges Leben schenken – ein ewiges Leben, stets an der Seite der Person, die sie so unbeschreiblich liebten. Kamijo erinnerte sich noch, wie es sich anfühlte, als Lucian ihn biss. Zuerst durchfuhr ihn ein plötzlicher, unsagbar großer Schmerz, doch gleich danach umhüllte ihn ein Nebel aus sanftem Nichts, und die Welt um ihn herum versank in Dunkelheit. Was sich zuerst wie eine Art hilflose Kraftlosigkeit angefühlt hatte, wandelte sich dann immer mehr zu einer Energie, wie er sie noch nie in sich gespürt hatte. In diesem Moment hatte er bereits seine Erinnerung an sein früheres Leben als Mensch verloren und er wusste nur noch, dass er eine Macht besaß, um die ihn viele beneiden würden ... und dass er Durst hatte, großen Durst nach menschlichem Blut und dass er diesen Durst sofort stillen musste. Als er sich selbst alleine in einem Wald wiederfand, mit nichts als seinen edlen Kleidern am Leib, begann für ihn eine Reise durch Länder und Städte, auf welcher er mit der Zeit seine Kräfte als Vampir zu gebrauchen lernte, gleichzeitig wurde ihm schnell klar, dass er seine außergewöhnliche Wirkung auf die Menschen geschickt nutzen konnte, um an ihr Blut zu kommen. So fristete er endlose Jahre sein Dasein als Kreatur der Nacht, nicht wissend, woher er kam oder was seine Bestimmung war. Bei diesem Gedanken wurde Kamijo schwer ums Herz. So lange schon war er ohne Hizaki und nun, da die Sternformation endlich nach einer schier nicht enden wollenden Zeit der Einsamkeit am Himmel erschienen war und all die Erinnerungen zu ihm zurückgekehrt waren, brannte die Sehnsucht schmerzvoll und ungebändigt in seiner Brust. Leise huschte ein Windhauch durch den Garten und brachte die Rosen um ihn herum zum Raunen. Er blickte mit von Tränen verschleiertem Blick empor und sah durch die sich kräuselnden Äste und Blätter den Sternenhimmel funkeln. Wann nur, fragte er sich immer wieder, würde er ihn endlich wiedersehen? ... ~ ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)