Cod3s von _Myori_ ================================================================================ Eckstein, Eckstein ------------------ Ich konnte nicht atmen. Mein Herz raste in meiner Brust, verlangte nach Sauerstoff, doch das interessierte meine Lungen nicht. In Hades` Gesicht entdeckte ich keinen Funken von Überraschung oder Erstaunen; seine Augen sahen mich mit einer gefährlich wirkenden Neugier an und um seinen Mund entstanden Lachfältchen. „Wen haben wir denn hier? Hast du dich verlaufen?“ Hades hatte jegliche Emotion aus seiner Stimme verbannt, sodass sie mich an einen Roboter erinnerte. Ich stolperte ein paar Schritte rückwärts und holte stockend und leise Luft, Angst, von ihm gehört zu werden. Sein Grinsen verschwand wieder. „Du gehörst zu Nero, habe ich Recht? Wie unklug von ihm, dich allein zu lassen. Man weiß nie, wer einem so über den Weg läuft…“ Lauf! , rief eine Stimme in meinem Kopf, die mich stark an Nero erinnerte. Egal, was er vorhat, warte nicht ab, bis er es tut! Ich gehorchte- jedoch zu spät. Schnell, viel schneller als D oder Apollon, zog Hades eine Waffe unter seinem Mantel hervor und zielte. Ich drehte mich auf dem Absatz um und rannte den Gang hinab. Doch der erwartete Schuss kam nicht- noch nicht… Meine Schritte hallten an den weißen Wänden wider, darunter vermischt waren seine eigenen dumpf und monoton zu hören. Er verfolgte mich, doch der Schuss blieb immer noch aus und die Anspannung zerriss mich. Der Gang schien nicht zu enden, hinter mir zielte er mit einer Waffe auf mich und ich konnte nichts anderes tun, als zu laufen. Hades spielte mit mir, das wurde mir schmerzhaft bewusst… Endlich tauchte ein weiterer Gang rechts von mir auf- und beinahe im selben Moment hörte ich das leise Klicken, das entstand, wenn eine Waffe entsichert wurde und für das ich so sensibel geworden bin. Alles zog sich in mir zusammen. Lauf weg! Mit einem Satz sprang ich nach rechts in den Abzweig und keine Sekunde später folgte der Schuss, der nur wenige Zentimeter hinter mir ein weintraubengroßes Loch im Beton der Wand hinterließ. Ich stoppte nicht, ich sah mich nicht um, ich rannte weiter, angetrieben von Neros Stimme in meinem Kopf. Hades` stoische Schritte waren immer noch zu hören und Panik stieg in mir hoch. Ziellos rannte ich um die Ecken, nicht darüber nachdenkend, ob ich jemals irgendwo den Ausgang finden würde. Türen waren wieder neben mir in dem halbdunklen Gang, durch den ich nun lief, aufgetaucht und es flammte ein Gedanke in mir auf. Das ist wahnsinnig, zischte Neros Stimme, doch welche andere Möglichkeit hätte ich denn sonst gehabt? Ich zog die Luft mittlerweile nur noch keuchend ein, sodass Hades mich über Kilometer hinweg gehört hätte und mein ganzer Körper tat weh. Ich war am Ende. Eine Chance, raunte Nero, du hast eine Chance, um dich zu entscheiden, für mehr wird die Zeit nicht reichen… Ich nickte, blieb stehen und riss an der Klinke der Tür, die mir am nächsten stand. Sie ging auf. Ich stürzte hinein und schloss von innen so leise wie möglich ab. Der Raum war dunkel, nur durch ein kleines Fenster in der Tür fiel spärlich Licht hinein. Von draußen hallten Hades` Schritte an mein Ohr und ich trat erschrocken von der Tür weg und stellte mich neben sie, sodass man mich von draußen nicht sehen konnte. Bitte, flehte ich, bitte lass ihn nichts gesehen oder gehört haben… Das Echo wurde lauter und ich hielt den Atem an, sah zur Decke in der Dunkelheit und versuchte nicht zu zittern. Bitte… Stunden- so kam es mir vor- vergingen, bis seine Schritte leiser wurden. Alle Anspannung fiel von mir ab und ich wagte es, wieder Luft zu holen. Erleichtert fuhr ich mir durchs Haar, lehnte mich erschöpft gegen die Wand- und plötzlich war es Taghell. Ich hatte den Schalter in meinem Rücken nicht bemerkt und jetzt war es zu spät. Mit aufgerissenen Augen starrte ich die gegenüberliegende Wand an und hörte meinen Puls so schnell schlagen, als wolle er einen neuen Rekord aufstellen. Nein! Es war beinahe unmöglich, dass Hades das Licht, das durch das kleine Fenster in den fast dunklen Korridor fiel, nicht gesehen hat. Und keine Sekunde darauf donnerte ein Schlag auf der anderen Seite gegen die Tür, sodass sie leicht zitterte. Erschrocken stolperte ich ein paar Schritte rückwärts. Noch ein paar dieser Stöße und die Tür würde nachgeben… Verzweifelt sah ich mich in dem Raum um und sofort wurde mir klar, dass ich in der Falle saß. Der Raum hatte – natürlich- keine Fenster, mir gegenüber erkannte ich lediglich eine veralterte Version eines Schaltpultes und dahinter eine verdunkelte Glasfront. Daneben stand eine Tür wenige Zentimeter offen- es war zwar offensichtlich… aber vielleicht fand ich hinter dieser Tür eine Möglichkeit- Ein erneuter Tritt gegen die Metalltür in meinem Rücken ließ mich erstickt zusammenzucken. Du hast keine Zeit mehr groß zu überlegen, rief mein gehetzter Instinkt und trieb mich durch den Raum, der, wie alles hier, durch das kalte Neonlicht krank und abweisend wirkte. Ich lief zu der hohen, in weiß gestrichenen Tür, auf der das gelbe Symbol für Starkstrom beinahe unangenehm hervorstach und die Eintönigkeit des Raumes störte, umfasste die Klinke und zog sie auf. Dieses Zimmer erinnerte mich an einen Behandlungsraum beim Zahnarzt: an den Seiten standen Schränke aus Aluminium mit eingebautem Waschbecken, an der Wand hangen zwei weiße Kittel und eine große Lampe stand neben dem Behandlungsstuhl- der jedoch keiner war… Zuerst dachte ich, dass es sich um einen elektrischen Stuhl handelte- vielleicht war es auch einer mal gewesen, vielleicht funktionierte er auch auf dieselbe Weise. Nur hier- in dieser Welt- benutzte man ihn in erster Linie nicht zum Töten, sondern zum Vergessen- aber wo lag da bei Olymp schon der Unterschied? Und je länger ich Memoria anstarrte- die linke Hand immer noch am Türgriff- desto deutlicher wurde mein Bild, das ich dabei empfand. Ich konnte Nero erkennen wie er auf dem Stuhl saß, Hände und Füße mit Schlaufen festgebunden, ein Lederband um den Kopf gewickelt, an dessen Seiten auf Höhe der Schläfen die Kontakte für die Kabel angebracht wurden, die sich schmerzhaft durch die Haut bohrten. Ich sah seinen zuckenden Körper und hörte die gequälten Schreie, hervorgerufen durch den Strom, der durch seinen Körper getrieben wurde … Tränen rannen meine Wange hinab und gleichzeitig verspürte ich tiefen Hass- Hass auf Hades, Hass auf Zeus, Hass auf alle, die jemals auf die Idee gekommen waren, einen Menschen auf so eine perverse Art zu quälen. Hades` letzten vergeblichen Versuch, die Tür mit der Schulter einzureißen, bekam ich nur am Rande mit- die Pistolenschüsse, die darauf folgten, waren umso deutlicher. Erschrocken schaute ich zurück, dann lief ich mit großem Widerwillen in das „Behandlungszimmer“. Mein Problem war damit allerdings immer noch nicht gelöst: ich musste hier rauskommen- und zwar lebend! Aber wie? Ich saß in einer Sackgasse und konnte mich nicht einmal wehren… Die Schränke, hallte plötzlich Neros Stimme wieder durch meinen Verstand, vielleicht findest du dort etwas. Hastig folgte ich seiner- oder meiner? – Aufforderung und riss nach einander die Schubladen auf. Doch meine Hoffnungen wurden nach nur wenigen Sekunden wieder zerschlagen. In den Schubladen befanden sich nichts anderes als Tuben mit Gel, Holzstäbchen und kleine Flaschen- und Spritzen… dutzende von verpackten Spritzen. Ich hätte aufschreien können, das einzige, was mich daran hinderte, war das Geräusch einer aufspringenden Tür, die gegen ihre rückseitige Wand gepfeffert wurde. Alarmiert schaute ich mich um, doch Hades war- noch nicht- zu sehen. Nun mach schon! , rief mir Nero zu und panisch griff ich nach einer der Spritzen. Besser als gar nichts… Schnell sah ich mich um und sprang dann einen Augenblick, bevor Hades das Zimmer betrat, hinter Memoria. Kauernd hockte ich hinter der Lehne und lauschte den schweren Schritten. „Scheinst auf Versteckspielchen zu stehen, was, Mädchen?“, brummte Hades und ich hörte, wie er seine Waffe neu entsicherte. Sein Schatten tauchte auf einmal links von mir auf dem gekachelten Fußboden auf. „Nun, dumm für dich, dass ich solche Spiele schon als Kind gehasst habe.“ Sein Schatten wurde größer und seine Schritte immer lauter. Panisch umklammerte ich die jämmerliche Spritze. Ich war mir sicher, dass er mich sah- er hätte blind sein müssen, um mich nicht zu sehen… zu hoffen, dass er mich nicht finden würde, war also lächerlich. Ich spannte jeden Muskel in meinem Körper an. Ich musste schnell sein, um eine Chance gegen ihn zu haben. Noch zwei, vielleicht drei Schritte, dann würde er neben mir stehen. „Komm schon, du kleine Göre, ich verliere langsam die Geduld!“, donnerte seine Stimme durch den Raum und im selben Moment trat sein Bein in mein Blickfeld. Jetzt! Jetzt oder du bist tot! Alle Kraft zusammennehmend, sprang ich in die Höhe und holte mit der Spritze aus. Ich hätte sie nie durch seine Kleidung, geschweige denn durch seinen Mantel stechen können, was also blieb mir dann noch …? Meine Gedanken rasten und einem Instinkt folgend zielte ich auf Hades` Gesicht. Der Überraschungsmoment war geglückt, sodass Hades mich einen Bruchteil einer Sekunde lang entsetzt anstarrte, jedoch fing er sich unglaublich schnell und versuchte einen Augenblick, bevor die Spritze seine Wange durchstochen hätte, seinen Kopf nach hinten zu reißen. Er wich ihr tatsächlich aus, doch statt sein Gesicht traf ich eine andere empfindliche Stelle: Mit voller Wucht bohrte sich das dünne Metall in Hades` Halsbeuge oberhalb des Schlüsselbeins. Der Mann schrie auf und tastete mit der freien Hand nach der Spritze, doch das bekam ich alles kaum mit. Ich rannte an ihm vorbei, die Treppen hoch und schlug die Tür hinter mir zu. Gedämpft hörte ich Hades schreien, jedoch bezweifelte ich, dass die Spritze so starke Schmerzen verursachte. Ich konnte deutlich die Wut in seiner Stimme hören. Keuchend rannte ich durch die etlichen Flure, bog hier und da ab und hoffte, dem Mann endlich entkommen zu sein. Ich drehte mich nicht um, um nachzusehen- die Angst, sein vom Hass verzerrtes Gesicht zu erblicken, war zu groß. Ich wusste nicht wie, aber irgendwann entdeckte ich eine Treppe, die nach oben führte. Hätte ich genügend Luft in diesem Moment besessen, hätte ich vor Erleichterung aufgeatmet. Ich blieb kurz stehen und schnappte nach Luft. Gleich würde es vorbei sein, gleich- Der Knall schien von überall gleichzeitig her zu kommen, dann spürte ich einen Luftzug an meiner linken Wange und beinahe im selben Augenblick klaffte ein Einschussloch in der Wand vor mir. Erschrocken drehte ich mich um und riss die Augen auf. Hades` Gesicht war vor Wut entstellt, eine Ader pochte an seiner unverbrannten Schläfe und ein winziges Rinnsal Blut bahnte sich einen Weg sein Schlüsselbein hinunter, bis es dann unter seinem schwarzen Hemd verschwand. Seine hellen Augen glühten vor Hass und allein diese Augen hätten schon ausgereicht, jemanden zu töten. Ich verschwendete keinen weiteren Augenblick, riss mich vom Anblick dieser Maske des Todes los und lief die Treppen hoch. Ein weiterer Schuss folgte, der jedoch viel schlechter gezielt war, als der davor. „Bleib stehen, Miststück!“, keifte Hades von unten und seine Stimme trieb mich zu einem höheren Tempo an. Ich musste den Ausgang erreichen, musste raus aus dieser Hölle, vielleicht hatte ich dann eine gewisse Überlebenschance… Meine Schritte echoten lauter und mehrstimmiger, als ich den oberen Treppenabsatz erreicht hatte und wieder in dem Halbdunkel des Parkdecks stand. Lauf weiter! Weiter! Und das tat ich. Der Ausgang war auf den ersten Blick schwer zu sehen, aber ich konnte den Schein der Laternen und Leuchtreklamen, die von außen hineinschienen, erahnen. Nur noch ein paar Meter …! Ein peitschender Knall, dann war alles vorbei. Ich spürte nicht, wie sich die Kugel durch mein Bein bohrte, ich fühlte nicht einmal Schmerzen- wahrscheinlich war mein Köper so voll gepumpt mit Adrenalin, dass er so etwas banales, wie einen Schuss gar nicht mehr wahrnahm. Erst als mein Bein unter meinem Gewicht nachgab und ich auf den Boden aufschlug, durchlief mich ein stechender Schmerz, als rammte mir jemand einen heißen Eisenstab durch die Glieder. Ich schrie auf und umfasste meinen rechten Oberschenkel, von dem der Schmerz ausging. Warmes Blut tränkte meine Jeans und klebte an meinen Händen. Ich versuchte aufzustehen, doch ich schaffte es nicht einmal, mein rechtes Bein unter meinen Körper zu ziehen. Verbittert biss ich die Zähne aufeinander und unterdrückte ein Wimmern. „So wie` s aussieht und sich anhört, habe ich getroffen.“ Seine Schritte hallten durch das Parkdeck und vermischten sich mit meinem und seinen keuchenden Atem. Meine Instinkte meldeten sich plötzlich wieder und ich versuchte, weiter zum Ausgang zu kriechen. Stöhnend zog ich meinen Körper über den rauen Boden, ohne dabei mein verletztes Bein zu belasten, doch ich kam nicht sehr weit. Nach wenigen Metern hatte Hades mich eingeholt und platzierte dunkel lachend einen Fuß zwischen meine Schulterblätter und drückte mich so zu Boden. „Hast du tatsächlich gedacht, dass du mir entkommen könntest?“, fragte er. „Ich lasse meine Beute niemals laufen und was ich anfange, das bringe ich auch zu Ende- merk dir das für die Zukunft!“ Der Druck auf meinen Rücken nahm zu und ich bekam immer weniger Luft. Keuchend rang ich nach Atem und wieder liefen salzige Tränen über meine Wangen. Ich fühlte, wie mein rechtes Bein langsam taub wurde. Hades schwieg und auch ich presste die Lippen aufeinander, kämpfte gegen die Ohnmacht an, bis er sein Bein wieder anhob, nur um mich mit demselben in den Magen zu treten. Ich würgte und rollte mich auf die Seite. „Steh auf.“, befahl Hades und seine Stimme schien von überall her zukommen. Blut und der Geschmack von Magensaft stauten sich in meinem Mund an, sodass ich nicht sofort antworten konnte. Hades trat noch einmal zu und wiederholte seine Worte stoisch. Ich sah Sterne und mein Magen rebellierte immer stärker. „Ich kann nicht“, würgte ich verzweifelt hervor. Ich hörte, wie er seine Waffe neu lud und mein Herz setzte aus. „Ob du` s kannst oder nicht, entscheide ich, verstanden? Steh auf!“, entgegnete Hades und richtete den Lauf der Pistole auf mich. Ich konnte in dem Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen. Mein Körper brannte vor Schmerzen und in meinen Kopf schrieen tausend Stimmen durcheinander, flehten um Hilfe, beteten, dass Hades mich gehen ließe. Doch wer sollte mich denn schon hören? Und wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mann nur scherzte? Etwas flüsterte in mir, ich solle aufgeben. Doch hatte ich nicht auch viel zu große Angst vorm Sterben? Im Nachhinein war genau diese Angst das, was mich rettete. Steh auf! , schrie sie in mir. Du willst nicht sterben, also steh auf! Mit aufeinander gebissenen Zähnen richtete ich mich auf und versuchte auf die Beine zu kommen. Hades schaute mir dabei grinsend zu und erfreute sich sichtlich an meinen Tränen und Schmerzen. „Na also, geht doch!“, sagte er zufrieden und deutete mit dem Lauf zu den Treppen zurück. „Und jetzt schauen wir mal, was unser Nero so treibt. Er wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“ Ich vernahm seine Worte, doch weder schockierten sie mich, noch verspürte ich den Drang, etwas dagegen zu sagen- es hätte eh nichts gebracht. Stumm folgte ich Hades` Befehl und humpelte zur Treppe. Hades ging hinter mir her und bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung, fühlte sich mein Bein an, als würde Hades jedes Mal hunderte Kugeln auf mich feuern. Ich ertrug es, weinte nur still vor mich hin. Vielleicht, so raunte eine kleine Stimme in meinem gequälten Verstand, wenn ich nur langsam genug ginge, hätte Nero noch genug Zeit, diesem ganzen Horror ein Ende zu setzen und Judgement rechtzeitig zu löschen. Vielleicht hätte er noch Zeit zu fliehen und Hades zu entkommen. Dieser Gedanke beruhigte mich. Vielleicht konnte ich ja doch noch helfen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)