Cod3s von _Myori_ ================================================================================ Der erste Gott -------------- Am Ende stand ich vorm Anfang und wusste es nicht- noch nicht… Aber was ich zu diesem Zeitpunkt schon ahnte war, dass die unheimlich und zugleich majestätische Aura, die dieser Mann ausstrahlte, nicht ein zufälliges Gefühl von mir war, sondern absichtlich von ihm beschwört wurde, um den gewünschten Eindruck bei mir zu hinterlassen… Mein Blick fiel, nachdem ich den Raum hinter Rose betreten hatte, augenblicklich auf den Mann, der sich in diesem Moment aus seinem Sessel erhob und sich zu uns umdrehte. Ich schätze ihn auf Mitte 50, sein Gesicht zierten vereinzelt Falten und sein schwarzes Haar hatte sich an einigen Stellen schon grau gefärbt. Er war nicht auffällig angezogen- ich fand seine Kombination aus Hemd, Pullunder und Stoffhose sogar sehr bieder- und doch wollte ich nicht weiter auf ihn zugehen. Seine dunklen Augen ruhten stumm auf mir und ich hatte auf einmal unheimlich viel Respekt vor diesem Mann. Ich vergaß kurz zu atmen. Rose dagegen eilte sofort auf ihn zu, nahm seine Hand und küsste ihn grinsend auf die Wange, als begrüße sie ihren Vater. Der Mann lächelte ebenfalls und strich ihr sanft übers Haar. „Ich habe nicht so früh mit dir gerechnet, Rosalie.“, sagte er und bei seiner Stimme lief es mir prickelnd den Rücken runter. Sie war das sanfteste, was ich je gehört hatte. Ich erinnerte mich an die Hörspiele, die ich als kleines Kind immer gehört hatte, wenn ich nicht einschlafen konnte- an die beruhigende Stimme des Erzählers, die mich alle Sorgen und Ängste vergessen ließ. Sie passte zu dem Aussehen des Mannes, jedoch nicht zu seinen Augen, die so erhaben und machtvoll über das Geschehen vor ihnen wachten, dass man das Verlangen hatte, vor ihm auf die Knie zu sinken. Wieder traf mich dieser Blick. „Wen hast du da mitgebracht?“ Rose stand nun neben ihm und deutete auf mich. „Das ist Finja.“ Dann beugte sie sich zu ihm herüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich konnte erkennen, wie sie das Wort Olymp deutlich mit den Lippen formte. Der Blick des Mannes wurde neugieriger, aber keinesfalls weniger dominant. Schließlich nickte er. „Würdest du uns allein lassen?“, fragte er, die Augen immer noch auf mir ruhend. Rose gab keine Antwort, sie ging stattdessen sofort in Richtung Ausgang und blieb kurz davor stehen. „Soll ich später noch einmal kommen?“ Der Mann lächelte wieder. „Bleibe bitte in der Nähe.“ Sie nickte, dann verließ sie das Zimmer und schloss die große Tür hinter sich. Stille. Bedrückende Stille. „Finja, richtig?“ Fast erschrocken nickte ich. Der Mann machte eine Handbewegung zu dem Schreibtisch, der in der einen Ecke der großen Suite stand. „Setz dich, bitte.“ Zögernd kam ich seiner Aufforderung nach und nahm auf dem Besucherstuhl platz, während er hinter den Schreibtisch trat und sich in den großen Drehsessel setzte. „Du willst etwas über Olymp wissen…“, stellte er fest und machte eine Pause. „Warum?“ Er hatte es geschafft, trotz der Sanftheit in seiner Stimme ernst zu klingen- todernst, als verhöre er jemanden. „Ich möchte wissen, wo Olymp seinen Sitz hat.“, sagte ich zögernd. „Das war nicht meine Frage…“, erwiderte er bestimmt. Ich schluckte. „… Woher weiß ich, dass ich ihnen vertrauen kann?“ In seinen Augen blitze es auf und er verengte diese. „Ich sehe, du hast verstanden, dass man vorsichtig sein muss. Aber auf der anderen Seite ist es äußerst mutig von dir, hierher zu kommen, obwohl du dir nicht sicher sein kannst, ob ich vertrauenswürdig bin oder? Seien wir ehrlich, es wäre ein leichtes für mich, dich hier und jetzt umzubringen, wenn ich wollte.“ Ich spürte, wie mir der Schweiß den Rücken herunter lief. „Dieses Risiko muss ich wohl eingehen…“, antwortete ich nervös. Mein Gegenüber lächelte nur und ließ meine Aussage unbeantwortet. „Du weißt etwas über Olymp, habe ich Recht?“, fragte er stattdessen. Mein Mund war staubtrocken. „Ich habe nie behauptet, nichts darüber zu wissen…“, konterte ich zaghaft. Der Mann lächelte. „Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass dir einige Namen der folgenden Personen bekannt vorkommen:“ Wieder schwieg er. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Wer war dieser Mann? „Hades…“ Ich sagte nichts. Der Mann zählte weiter auf. „Ares… Persephone… Äneas…“ Sein Blick wurde durchdringender. Ich versuchte, immer noch keine Reaktion zu zeigen. „…Nero…“ Ich konnte nicht anders- mein ganzer Körper erzitterte unter diesem Namen. „Wer sind Sie?“, krächzte ich leise, unfähig zu atmen oder richtig zu sprechen. „Oh, verzeih mir, dass ich mich nicht vorgestellt habe… Mein Name ist Zeus.“ Ich antwortete nicht sofort, denn ich hatte für einen Moment vergessen, dass ich sprechen konnte. Mein Herz zog sich unangenehm zusammen und verweigerte seinen Dienst. Langsam sog ich die Luft ein. „Sie… Sie gehören zu ihnen…“ Zeus lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Nun… ich würde mich noch als Mitglied von Olymp sehen- offiziell bin ich … ausgestiegen.“ Diese Erkenntnis beruhigte mich nicht im Geringsten. Zeus fuhr fort, als er bemerkte, dass ich ihm nicht antworten würde. „Du gehörst zu Nero, habe ich Recht? Persephone hat mir von dir erzählt.“ „Also arbeiten Sie immer noch mit Olymp zusammen?“ Zeus’ Blick wurde wieder dunkler. „Nein, wie gesagt: ich gehöre nicht mehr zu Hades´ Anhängern- im Grunde war ich schon immer mein eigener Herr gewesen…“ Verwirrt legte ich die Stirn in Falten. „Ich verstehe nicht…“ „Was hat man dir über Judgement erzählt?“, wich er meiner Frage aus. Nun verstand ich gar nichts mehr. Warum spielte dieses Programm immer wieder eine Rolle? „… Es ist ein Programm des Militärs für eine Waffe oder ähnliches- auf jeden Fall ist sie gefährlich.“ Zeus’ Mundwinkel zuckten verräterisch. „Hat dir das Persephone erzählt?“ Ich stutzte und legte die Stirn in Falten. Was hatte dieser Mann mit Persephone zu tun? Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr er mit seiner Erklärung fort. „Diese Art der Schilderung sieht ihr ähnlich… Die Definition ist ja auch eine der Originellsten. Und Ares? Er hat euch wahrscheinlich das Programm etwas schwammiger erklärt-“ und dann schüttelte er lächelnd den Kopf. „Die Technik gehört wirklich nicht zu seinen Talenten.“ Mein Herz schlug immer schneller. Woher wusste er das alles? Ich war immer der Annahme gewesen, dass die ganzen Geschehnisse in den letzten Tagen- ja, die ganze Angelegenheit rund um Nero und mir- geheim gehalten wurden. Er schien zu Persephone Kontakt zu haben; aber er war doch kein Mitglied mehr bei Olymp, oder? Und was war mit Ares? Konnte es sein…? Ich behielt meine Überlegungen für mich- vorerst… „Und Sie?“, nahm ich das angeführte Thema wieder auf. „Was glauben Sie, was Judgement ist?“ In Zeus’ Augen begann es erneut hell aufzuleuchten. „Es gibt viele Gerüchte über dieses Programm. Viele Menschen, der größte Teil vermutlich, geben sich mit der simplen Erklärung zufrieden, dass es gefährlich sei, weil sie nähere Erläuterungen eh nicht verstehen könnten. Die wenigen, meist Wissenschaftler, die etwas mit dem verwendeten Vokabular etwas anfangen können, spekulieren über die wildesten Ausführungen von futuristischen Waffen, die einen ganzen Planeten auslöschen könnten.“ Er zuckte mit den Schultern und hob die Handflächen nach oben. „Aber was ist davon wahr? Ich will dir erklären, wie Judgement an die Öffentlichkeit geriet.“ Zeus machte eine lange Pause, in der er seine Ellenbogen auf den edlen Tisch abstützte und seinen Kopf auf die gefalteten Handflächen legte. „Judgement ist das Werk eines Wissenschaftlers. Ein Genie, das sein ganzes Leben an diesem Projekt gesessen hat. Er war vorsichtig und entwickelte, nachdem das Programm fertig war, einen Zugangscode, von dem er sicher war, dass er nicht geknackt werden könnte. Er gab das Programm in die Hände der Regierung, die schon sehr viel über seine Arbeit gehört hatte. Doch es stellte sich heraus, dass der Code unvollständig war. Und dann starb der Wissenschaftler und nahm das letzte Geheimnis des Programms mit ins Grab.Manche behaupten, dass er seinen Tod nur vorgetäuscht hat und immer noch am Leben sei… aber das sind alles bloß Spekulationen von verzweifelten Befürwortern Judgements, die die bittere Realität nicht wahrhaben wollen.“ Seine tiefe Stimme hallte noch lange in meinen Ohren nach. Ich wagte es nicht zu atmen, in mir schlug mein Herz wie ein wildes Tier, das gefangen wurde und ich zitterte am ganzen Körper. „Soll das bedeuten, dass selbst die Regierung nicht weiß, was Judgement in Wirklichkeit ist?!“, keuchte ich atemlos und hielt mich verkrampft an den Stuhllehnen fest. Das Funkeln in Zeus` Augen bekam einen Glanz, der mir Angst machte. Es erinnerte mich an den Wahnsinn und die Besessenheit, die ich auch einmal in Persephones Augen gesehen hatte. „Ist es nicht faszinierend zu sehen, wie leicht der menschliche Geist an etwas glaubt, wie viele Menschen an dieselbe Sache glauben, wenn man ihnen etwas nur oft genug vorbetet und zeigt, dass andere derselben Meinung sind?“, raunte er und grinste dabei so breit, dass er seine weißen Zähne entblößte. „Sie glauben einem Gerücht und sehen dort drin die Wahrheit, mit der die meisten leben können und nutzen diese zu ihrem Vorteil.“ Nun lachte er doch kurz auf. „Judgement ist wohl nichts weiter als ein Beispiel für die sprichwörtliche Mücke, aus der die Menschheit einen Elefanten machte.“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Ich versteh d-“ Ich stockte. Erschrocken über die grausame Erkenntnis, riss ich die Augen auf. Seine letzten Worte ergaben einen grausamen Sinn. „Das Programm- Judgement… es ist also nichts weiter als… als ein Fake?“ Zeus schob beleidigt die Unterlippe vor. „Das ist ein hartes Urteil, liebste Finja.“ Meinem Herzen fiel es immer schwerer zu entscheiden, ob es pumpen sollte, als hinge sein Leben davon ab oder einfach aufzugeben und sich tot zu stellen- im Moment entschied es sich für ein verzweifeltes Aufbäumen. „Aber was ist es dann?“, rief ich verzweifelt. „Im gewissen Sinne das, was alle erwarten- eine Waffe. Allerdings ist sie nicht dazu geeignet, Menschen zu töten… zumindest nicht körperlich.“ Ich schwieg. Nicht aus Empörung oder Sprachlosigkeit, sondern weil ich befürchtete, Zeus einfach nur anzuschreien, wenn ich den Mund in diesem Moment geöffnet hätte. Dieser Mann verstand es in Rätseln zu sprechen, dass man den Verstand und seine Nerven langsam zu verlieren glaubt. Mein Gegenüber grinste. „Ach komm schon- streng dich ein wenig an. Du kennst die Antwort schon längst. Ich bin mir sicher, dass Ares dir und Nero von ihr erzählt hat, wenn auch vielleicht unter einem anderen Namen.“ Er schaute mich erwatungsvoll mit seinen funkelnden Augen an. Ich starrte in seine tiefschwarzen Pupillen und verlor mich fast in ihnen. Was sollte das alles hier? Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er nur mit mir spielte. Neugierig und herausfordernd fixierten mich seine dunklen Augen, wie eine Katze, die eine Maus in die Enge getrieben hatte und darauf wartete, ihr wieder hinterher zujagen. Zögernd schaute ich zu Boden. Ich versuchte mich zu konzentrieren, mich an alles zu erinnern, was Ares zu uns gesagt hatte. Nervös strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und rieb mir über meine Schläfe. Gott, nun bekam ich auch noch Kopfschmerzen… Wie ein Blitz traf es mich, fuhr mir tief in die Knochen und ließ mich ruckartig hochschrecken. Meine Augen suchten fieberhaft Zeus’ Stirn und Schläfen ab. Nichts. Das konnte nicht wahr sein… Meine Lippen formten den ungewohnten und doch mit Furcht belegten Namen. „Memoria…“ Zeus’ Blick blieb unverändert. „Memoria.“, wiederholte er, was wohl soviel wie ja bedeutete. „Aber warum will Hades sein eigenes-“ Ich unterbrach mich selbst. Das machte keinen Sinn. Hades war hinter dem Programm her, was ja im Grunde sein eigenes war? Aber vielleicht wusste er ja gar nicht… Erneut blieb mir das Wort im Hals stecken. „Sie…?“, keuchte ich atemlos und starrte Zeus noch fassungsloser an. Dieser erwachte aus seiner starren Position, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. „Diese Geschichte von vorhin, der Wissenschaftler… das waren Sie?“ „Richtig.“ „Aber-“, ich schüttelte den Kopf. „Wer sind Sie?“ Natürlich antwortete er nicht sofort. Langsam öffnete er wieder seine Augen und schaute nun so ernst, dass ich mich gleich aufrechter hinsetzte. Ich sah nicht einmal mehr eine Spur von seiner freundlichen und warmen Art darin. „Ich bin derjenige, der Olymp zusammen mit Hades gegründet hat; ich bin derjenige, der Memoria entwickelt hat … und ich werde derjenige sein, der Olymp stürzen wird.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)