Ausdauer!? von IchBinLiebe ================================================================================ Kapitel 36: Widerwilliges Sterben --------------------------------- Ganz früher waren die Zitronen so süß wie Kandis. Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen, wir wollen groß sein wie Melonen! Auch finden wir das Gelb abscheulich, wir wollen rot sein oder bläulich!" Gott hörte oben die Beschwerden und sagte: „Daraus kann nichts werden! Ihr müsst so bleiben! Ich bedauer!" Da wurden die Zitronen sauer. Heinz Erhardt Dienstagmorgen, 28. November Kazuha war bereits nicht mehr da, als Yusaku erneut in die Küche kam. „Guten Morgen“, nahm er neben Kogoro Platz, der ihm mit vollem Mond und der Zeitung vor dem Gesicht nur ein: „Morgen“, entgegen nuschelte. Wie er tat Yusaku was er vorhatte: frühstücken. Er aß nicht viel, mehr zog er es vor wieder nach oben zugehen. Wie er, wegen der geschlossenen Türe, deuten konnte war Heiji wohl noch im Bad. Er selbst kehrte schnell in sein Zimmer zurück. Ran und Ruth, wie die zwei da lagen und nebeneinander in friedlicher Eintracht scheinheilig schliefen... Yusaku schüttelte den Kopf, schmunzelte leicht. Bei ihrem Anblick konnte man doch glatt meinen, dass nichts wär. Gott kam ihm in den Sinn und der Gedanke, dass alles gut war. Ja- eigentlich war es gut! Auch wenn der sich daran anschließende Gedanke war sich zu wünschen das Warum schon verstanden zu haben, als er die Türe anlehnte. Das es gut war so wie es eben gerade war. Auf dem Weg zu seinem Schlafplatzt dankte er für den Tag und für alles was er heute bringen würde. Er dankte dafür, dass es ihm gelang darauf zu vertrauen, dass alles seine Richtigkeit hatte. Wenn auch nun auf eine höhere, ihm selbst noch nicht sinnergebende Weise. „Alles ist in göttlicher Ordnung“, murmelnd konnte Shinichis Vater auf die Gesamtsituation bezogen halbwegs glücklich schmunzeln. Er warf noch mal einen Blick auf die Uhr. Er wartete ab bis Heiji eilig über den Flur die Treppe hinunter gelaufen war. Kurz darauf hörte Yusaku vom Fenster im Wohnzimmer aus, die zufallende Haustüre und beobachtete wie der Freund seines Sohnes zügigen Schrittes unten vorm Haus auftauchte und schleunigst die Straße runter lief. Er schaute Heiji nach wie dieser sich aus seinem Blickfeld entfernte, bevor er sich vom Fenster abwandte. Allerdings noch für eine kurze Weile, die Hände in den Hosentaschen vergraben, dort verharrte. Schließlich löste er sich aus seiner Starre, oben auf dem Flur schaute er zur Tür hinter der Shinichi sich befand. Er beließ es dabei, ging in sein Zimmer zurück. Dort lehnte er die Tür an, legte sich zu Ruth und neben Ran. Gerädert rieb er sich durchs Gesicht, bevor er sich dazu entschied, noch fürs erste zu schlafen. Was ihm auch sonderlich nicht schwer fiel. Müde wie er war, war er schnell eingeschlafen. Heiji kam zu spät zur Arbeit. Zu seinem Glück waren weder Sato noch Shiratori gerade im Großraumbüro anwesend. Nur Takagi, aber dessen Blick fiel nicht allzu vorwurfsvoll aus. Schnell setzte Heiji sich. Er sah, dass Kazuha ihn ansah, ignorierte sie aber. In diesem Moment kamen die zwei Beamten. Sich getrennt voneinander gingen sie ihren Aufgaben nach. Der geschrumpfte Shinichi hatte sich von dem verheerenden Ultimatum noch nicht erholt. Aufgebracht und verzweifelt überlegte er fieberhaft nach einer zu seinen Gunsten ausfallenden Lösung. Deprimiert und frustriert brachte ihm alles hin und her überlegen trotz aller Anstrengungen keinen Erfolg. Ihm wurde zu seinem eigenen Bedauern nur immer klarer, dass seine Chancen gleich Null standen auf längere Sicht noch Zeit schinden zu können. Die Einzige, wenn auch mehr als nur unangenehme Möglichkeit die er sah, lag darin Heiji irgendwie noch einmal umzustimmen. Ihm widerstrebte es zu betteln. Bei dem Gedanken sein letztes bisschen Würde aufzugeben, bekam er eine regelrechte Gänsehaut und das obwohl ihm eigentlich heiß war. Er war sich sicher, dass er wieder so etwas wie hohes Fieber haben musste. Wie zur Bestätigung, dass er damit recht hatte, wanderte sein Handrücken zur Stirn. Wobei er das Gesicht auf Grund der schmerzhaften, geradezu in Zeitlupe getätigten, Bewegung verzog. Noch mehr als dieser unangenehm kühle Schauer schauderte ihn noch die Tatsache, dass er sein eigentliches Problem selbst dadurch nicht beheben konnte, denn womit bitteschön sollte er noch vernünftig argumentieren können, sodass er Heijis Gegenargumente noch etwas entgegenzusetzen hatte? Die „Es geht mir gut“- Ausrede zog nicht mehr und seine körperlichen Einschränkungen ließen sich mittlerweile auch nicht mehr weiter kaschieren. Selbst, wenn er es schaffen sollte, Heiji nachher, wenn er nachhause kam soweit zu bearbeiten, dass er vom Beichten zumindest für den heutigen Abend verschobt bliebe. So wäre es doch nur eine Frage der Zeit, bis Heiji ihm erneut die Pistole auf die Brust setzen würde. Wahrscheinlich schon morgen wieder. Es war Frühstückspause. Kazuha, die ihm doch sehnsüchtig und betrübt nachschaute. Doch er ignorierte sie weiterhin, trank stattdessen langsam in sich versunken seinen Kaffee. Shiratori tauschte mit Sato einen fragwürdigen Blick. „Heiji?“ Bekamen die beiden mit wie seine Ex-Freundin es schüchtern noch mal bei ihm versuchte. „Kazuha, lass mich“, legte er keinen Wert auf ihre Gesellschaft. Er stand auf und ging einfach an ihr vorbei zurück ins Großraumbüro. Enttäuscht blieb sie niedergeschlagen zurück. Eigentlich hatte er Heiji ja doch immer gemocht. Doch jetzt in Anbetracht der Umstände bekam er einen regelrechten Hass auf ihn. Heiji war, seinem wortwörtlichen Gedankenlaut entsprechend, der regelrechte Nagel zu seinem Sarg! Heiji brach ihm noch das Genick, dachte er bis aufs Äußerste zornig auf ihn. Der Zwangsgeschrumpfte schloss die Augen. Oh wie er ihn verfluchte. Hätte Heiji ihm nur seine Trinkflasche nicht abgenommen, dann hätte er sich jetzt betrinken können. Aber richtig! Wenn er nur aufstehen könnte, er würde sich Alkohol besorgen. Egal welchen und wenn es noch so ein scheußlich schmeckender Fusel gewesen wäre. Scheißegal! Der Miniatur Shinichi wusste, dass Alkohol nichts Gutes war. Doch diese Tatsache scherte ihn in diesem Moment nicht im Geringsten. Nüchtern ist das doch echt nicht mehr zu ertragen, dachte er. Die bittere Ironie, die in ihm empor stieg, bei dem Gedanken sich aber sowas von einen hinter die Binde zu kippen, dass er Kogoro um Längen schlug, brachten ihn auf zynische Weise doch zum grinsen. Der Schmerz in seinem ganzen Körper von Kopf bis Fuß ging wirklich auf keine Kuhhaut mehr. Wenn er jetzt gekonnt hätte, dann hätte er sich bis zur Besinnungslosigkeit weiter betrunken. Wie herrlich wäre es einfach nichts mehr sehen, hören und das Allerwesentlichste- nicht mehr denken, gar träumen zu müssen. Diese elendigen Schmerzen- ausgeschaltet. Obwohl er doch bezweifeln musste, ob er vor seinen Alpträumen dadurch verschont blieb. Und was bald genauso schlimm war: Jetzt kam ihm zu all seinem Ärger jetzt auch noch ungewollt Ran wieder in den Sinn. Sofort fühlte er wie sein Herz sich regelrecht zusammenzog bei dem Gedanken daran sie jetzt zu verlieren. Der Mini-Shinichi spürte wie sich ihm der Hals deswegen zuschnürte. Er spürte wie Tränen sich ihren Weg bahnen wollten. Er lehnte es ab jetzt anzufangen zu heulen. Stattdessen ließ er sein Gefühl von Traurigkeit und Trauer zurück in Wut umschlagen. „Aua!“, grummelte Yusaku. Hatte ihm die Freundin seines Sohnes versehentlich ihren Ellenbogen, beim sich Strecken wollen, ins Gesicht geschlagen. „Oh, Entschuldigung!“, bedauerte Ran, die sich sofort erschrocken aufgesetzt hatte, das sehr. Ruth neben ihr war ebenfalls wach geworden. Sie drehte sich ihrem Freund und der anderen Schwangeren zu. „Hm“, murmelte Yusaku sich gut mutig durchs Gesicht reibend: „halb so wild“, ließ er seinen Kopf matt zurück auf das Kissen, legte seinen Handrücken dann auf der Stirn ab mit der er sich seine Haare aus der Stirn schob: „Was lehrt uns das?“, drehte er den Kopf noch einmal zu Ran um, die sich nicht wieder hingelegt hatte: „Man sollte nicht so nah aneinander schlafen.“ Er seufzte mit einem doch müdem Grinsen Ran an. Ruth drehte sich weiter schlafen wollend um. Yusaku schloss wie sie noch einmal kurz die Augen, bevor ihm: „Wie spät haben wir?“, murmelnd ein Gedanke kam. „Mittag“, hatte Ran schnell aus ihrer sitzenden Position heraus einen Blick auf seinen Wecker geworfen. „Aha“, ließ Yusaku beiläufig verlauten. Ehe er dann geistesgegenwärtig, mit einem Blick über Ran, meinte: „Ruth, wolltest du nicht zum Flughafen gebracht werden!?“ „Äh, ja!“, fiel es Angesprochener auch ein: „Stimmt ja!“ „Ja, dann mal schnell wenn ich dich noch zum Flughafen bringen soll“, stand Yusaku wie seine Freundin eilig auf. „Kann ich mitkommen?“, richtete Ran sich fragend an ihn. Er wechselte einen Blick mit Ruth, nickte. „Hilfe“, machte Ran etwas hilflos auf sich aufmerksam, der es schwer aufzustehen. „Na, hopp“, streckte Yusaku ihr rasch seine Hand entgegen, half ihr so gutmütig auf die Füße. „Ruth!“, rief er dieser auf den Flur laufend hinterher, die bereits ihre Kleidung unter dem Arm geschnappt hatte und schon auf dem Weg ins Badezimmer war: „Ich komm mit. Warte!“ Heiji war immer noch müde. Richtig bei der Sache war er weiterhin nicht, was gerade von Shiratori, der immer mal wieder vorbei lief, zur Kenntnis genommen wurde. Zwar versuchte Heiji sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, doch er musste beim Lesen immer wieder neu ansetzen, weil er den Inhalt des zweiten Absatzes oben drüber bereits wieder vergessen hatte. Hoffentlich passiert jetz nichts. Wenn ich nur nich hier festsitzen müsste, verdammt!..., driftete er in Gedanken immer wieder zu Shinichi ab. Er machte sich wirklich Sorgen um ihn. Ob er es wohl sagt?, überlegte er weiter: Als wenn! Das macht‘er garantiert nich, konnte er sich selbst an fünf Fingern ausrechnen, dass seine Hoffnung diesbezüglich geradezu illusionär war. Aus einer Mischung von Ärger, innerer Anspannung und Nervosität heraus startete er einen neuen Versuch seine Arbeit vorm Abend noch auf die Reihe zu bekommen. Während er sich zusammen mit Ruthie fertig machte, beeilte Ran sich in ihr Zimmer zu kommen. Aus ihrem Schrank griff sie die nächstbeste beige Cordhose und einen dazu passenden grauen Rollkragenpullover, Socken und Unterwäsche heraus mit denen sie sich im anderen Bad zu Recht machte. Nach dem abtrocknen, verteilte sie flott mit beiden Händen die Creme auf ihrem Bauch, ehe sie machte, dass sie sich anzog. Yusaku hatte sich derweil neben seiner Freundin vor dem Spiegel rasieret. Sie war noch dabei ihren Lippenstift einmal nach zuziehen und ihren Mascara aufzuschrauben, als er schon in Bademantel bekleidet rausging. Aufmerksam lauschte er einmal vor der Zimmertüre. Er hörte nichts, bedächtig und doch in einer normal wirkenden Bewegung öffnete er. Nachdem er seinen schlafenden Sohn begutachtet hatte, verließ er dessen Zimmer wieder. „Yukiko?“, klopfte er bestimmt an der Schlafzimmertüre an, ehe er reinkam. Er fand seine Frau im Bett aufrecht vor. Sie begegnete seinem Blick zurückhaltend, antwortete: „Yusaku“ zwar distanziert, aber erstaunlich höflich. Yusaku musterte sie skeptisch, bevor er zum Schank gehend fand: „Du hast auch schon mal besser ausgesehen. Hast du dich bei deiner nächtlichen Unternehmung erkältet?“, erkundigte er sich scharfsinnig und spitz. Ein Hemd und eine Jeans genommen drehte er sich wieder zu ihr um. Jedoch durchaus auch etwas unterschwellig Besorgtes lag in seinem Blick auf sie. Seine Frau machte keinen fitten Eindruck, sah wirklich nicht gerade gut aus. „Es ist nicht der Rede wert“, spielte Yukiko ihr Befinden hinunter. Einen aufkommenden Hustenreiz unterdrückt drehte sie sich auf die andere Seite, während ihr Mann für einen Augenblick überlegte, bevor er sich doch kurzum dafür entschied sich an Ort und Stelle anzuziehen. Yukiko bekam es sehr wohl mit, dass ihr Mann sich in ihrem Beisein umzog. Sie mied es einen Blick zu riskieren. Was Yusaku wiederum mitbekam. Gekränkt nannte er den eigentlichen Grund für sein kommen: „Ich werde Ruth jetzt zum Flughafen fahren. Deshalb sei so gut und achte auf Shinichi.“ Er wollte schon zur Tür gehen. „Warum lässt du sie gehen?“, fuhr sie ihn daraufhin schon beinahe vorwurfsvoll an. Was Yusaku absolut nicht nachvollziehen konnte. Er reagierte ärgerlich: „Was soll die Frage jetzt wieder?“ Er erntete nur einen, die Arme vor der Brust verschränkenden, beschämten Blick von ihr. Den er als patzig interpretierte, was ihn nicht gerade netter entgegnen ließ: „Entschuldigung, aber nach Spielchen ist mir nicht. Wenn du mir etwas sagen willst, dann sag es direkt. Ich habe gerade keine Zeit zum Raten, weshalb du jetzt schon wieder beleidigt sein könntest. Es tut mir Leid, dass ich in deiner selbst gewählten Isolation gestört habe. Ich bitte vielmals um Verzeihung!“ Wütend über sie schüttelte er den Kopf, die ihn wieder nicht ansah: „Ach“, setzte er an, verzichtete dann aber, sondern kam auf seinen Sohn zurück: „Achte einfach auf Shinichi! Im Moment schläft er. Also lass ihn. Ich komme nochmal, wenn ich zurück bin, dann sprechen wir uns ab. Unternimm nichts eigenmächtig ohne, dass ich davon Kenntnis habe!“ Der letzte Satz war durchaus als Befehl zu verstehen. Yusaku hatte das was er gesagt hatte, bevor er ging ernst gemeint, dass wusste Yukiko. „Komm endlich“, forderte er Ruth am Bad auf. „Ran!?“, hörte die werdende Mami die Haarbürste weglegend ihren Namen vom Vater ihres Freundes gerufen. Hastig antworte sie mit: „Ja!?“ „Bist du soweit?“ Mit einem weiteren: „Ja!“, machte Ran eilig auf und trat zu Yusaku auf den Flur. Dort bekam sie mit wie dieser, nachdem er sie zur Kenntnis genommen hatte, ein lang gezogenes, drängelndes: „Ruthie“, verlauten ließ, dabei mit dem Fuß auftippte und mit dem Kopf auf die Uhr an seinem Handgelenk deutete: „Ruthie, mach jetzt hin! Sonst kannst du gleich hier bleiben“, meinte er mit einer Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit. „Ja“, fand diese ihn nervig. „Nicht ja, komm! Du bist hübsch genug. Die Männer werden dir zu Füßen liegen von hier bis über den gesamten Ozean.“ „Argh“, missfiel es ihr, dass er ihr den Lidschatten aus der Hand nahm und in ihren Kulturbeutel packte und ihr diesen in die Hände drückte: „Los komm schon“, half er seiner Ex-Affäre auf die Sprünge, indem er sie nach vorne anschob: „Zu viel Eitelkeit schadet. Denk nur an dein kleines Problem.“ Damit hatte Yusaku die ungewollt Schwangere. Von ihrer Wut über seine, wenn auch spaßeshalber geäußerte Bemerkung- die ihre Spitze jedoch behalten hatte- angefacht haute sie in sein Zimmer ab. In dem sie noch schnell die Kulturtasche, ihr Nachthemd und noch ein paar Überbleibsel wie ihr Handy oder das Kleid vom Vortag verstaute. „Tut mir leid. Wir waren noch die halbe Nacht auf und jetzt sind wir spät dran. Ich bring Ruth zum Flughafen“, entschuldigte Yusaku sich, neben Ran seine Schuhe hinter der Haustüre zubindend, bei Eri dafür das er sie beim Kochen versetzte, die mit dem Kochlöffel in der Hand alles andere als glücklich darüber aussah. „Yusaku!“ Noch einmal einen entschuldigenden-versöhnlichen Blick zu seiner Mitbewohnerin die Treppe hoch hörte er seine Ex-Affäre bis hier unten aufgebracht nach ihm rufen. „Was ist?“, rief er ebenfalls recht lautstark zurück. Sich seine Jacke geschnappt lief er zurück nach oben. Ran lief ihm an ihrer Mutter vorbei hinterher, die nichts mehr sagte, sondern nur die Augen verdrehte. „Musst du so durch das ganze Haus brüllen!? Möglicherweise schlafen andere Leute hier noch!“, wies er sie sein Zimmer betreten doch verärgert zurecht. „Ach, und wenn schon!?“, erwiderte Ruth seinen Blick grimmig: „Als wenn um die Zeit jetzt hier noch wer schlafen würde“, sie stemmte die Hände gegen die Hüfte: „Außer deiner Frau vielleicht!“, räumte sie argwöhnisch ein. Der Ehemann erwiderte auf die Anspielung nichts, atmete nur tief. „Yusaku!“, forderte sie ihn grantig auf: „Jetzt hilf mir endlich!“ Was der zügig machte. Feste drückte er mit der einen Hand auf den Deckel des großen, prallgefüllten Koffers, um mit der anderen den Reisverschluss rum zuziehen. Ran schaute vom Türrahmen aus zu. Auch sie hatte schon ihre Jacke an. An ihr trug er das Gepäckstück vorbei die Treppe hinunter. Einer der Hunde bellte, was die Amerikanerin an Ran, noch auf der Treppe, vorbei drängeln ließ. „Ruth, die sind eingeschlossen. Die tun dir nichts“, schüttelte Yusaku tadelnd, mit einer Mischung aus gerade ein wenig mangelndem Feingefühl und in Anbetracht, dass Ran hätte das Gleichgewicht bei diesem unvorgewarnten, plötzlichen Überholungsmanöver hätte verlieren können über diese Aktion, den Kopf. Die nächste Treppe schüttelte er schmunzelnd den Kopf über seine frühere Liebhaberin. Jene, unten an der Geraderobe, hampelte, indem sie auf einem Bein sich an der Wand mit einer Hand abstützte, um in ihre Stiefel schlüpfen zu können. Während Yusaku sich das besah, öffnete er die Haustüre. „Komm“, folgte sie seiner Kopfbewegung vor Ran nach draußen. Er hinter ihnen die Türe wieder geschlossen, öffnete per Bedienung. Ran stieg vor Ruht ein. Er war der letzte, der die Wagentüre, sich gleichzeitig anschnallend, schloss. Als nächstes den Zündschlüssel umgedreht fuhr der von der Auffahrt. Das erste was sie tat, während er sich in den Verkehr einreite, war in der Handtasche nach Zigaretten zu kramen. Ran schaute ihr dabei zu, wie sie sich eine heraus nahm und Yusakus Autofeueranzünder benutzte. Von ihm wurde sie dafür streng angesehen. Was sie aber nicht scherte, sie stattdessen das Fenster ein Stück runter kurbelte und an der Zigarette gezogen den Rauch nach draußen abließ. „Ich wollte nicht dein Ungeborenes sein“, war der einzige kopfschüttelnde Kommentar seitens Yusakus, als er ihr beim Abbiegen beiläufig den Kopf zudrehte. An der ersten roten Ampel schaltete er beiläufig beim weiter fahren das Radio an. Den Flughafen erreicht beeilte das ungleiche Trio sich. Zielstrebig steuerte Yusaku, wie Ruth noch einmal einen Blick auf das Flugticket geworfen, das richtige Gate an. Von ihm im Vorbeigehen gekaufte acht Sandwiches wurden vor allem von Ran und Ruth noch schnell in den letzten Minuten munter und vergnügt miteinander genüsslich verputzt. Die beiden gaben ein schönes Bild ab, wie Yusaku ebenfalls in sein Fisch-Salatsandwich gebissen fand. Dann war es so weit. Der Moment des Abschiedes. Fest drückte Yusaku seine Freundin bei der Umarmung mit ihr: „Du schaffst das schon“, rieb er ihr dabei aufbauend mit der Hand über den Arm: „Pass gut auf dich auf und lass es dir gut gehen. Überrasch deine Brüder. Und melde dich, wenn du angekommen bist“, küsste er Ruth herzlich auf beide Wangen, sie wieder los gelassen, bevor er Ran Platz machte, die sie sie ebenfalls ganz wehmütig in den Arm nahm: „Mach‘s gut.“ „Du auch und tret Shinichi in den Arsch!“ „Ja, mach ich“, sorgte diese Bemerkung nicht nur bei Ran für einem kleinen Lächeln. Es einschlich sich doch ein unterdrückter Schluchzer seitens Rans: „Ich fand es schön, dass du da warst.“ „Ich auch. Wir chatten die Tage mal“, beendete Ruth die zweite und somit letzte Umarmung. „Mach‘s gut“, tauschte Yusaku noch einen Blick mit ihr, bevor er ihr noch mit Ran gemeinsam nachsah. Schon ein weites Stück von ihnen entfernt drehte seine Ex-Affäre sich winkend und laut schreiend: „Mach’s besser!“, dreist grinsend noch einmal um. „Hey!“, brüllte Yusaku empört, winkte humorvoll zurück, schaute seiner besten Freundin nach, wie sie sich wieder umdrehte und ihren Weg zielstrebig fortsetzte. Zusammen mit Ran schaute er zu wie Ruth in den Flieger stieg. Sie bleiben noch so lange stehen bis die große Maschine die Landebahn entlang gerollt war, abgehoben hatte und hoch empor in den Himmel aufgestiegen war. Wie sein Blick, war auch Rans weit nach oben in die Hohe gerichtet. Wehmütig blieb Ran noch bei ihm bis das Flugzeug aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Es nicht mehr sehen könnend seufzte sie. Dann orientierte sie sich an Yusaku, der sich mit einem Blick auf seinen Schützling umdrehte. Seinen Arm um sie gelegt verließ er die große, überfüllte Halle mit ihr. „Schade, dass sie schon wieder gehen musste“, äußerte Ran sich erst, als er mit ihr den Parkplatz, auf dem Weg zum Auto zurück, überquerte. Er nahm zur Kenntnis, wie sie sich ein wenig melancholisch an ihn schmiegte. Liebevoll gab er ihr einen Küss oberhalb der Stirn. Worauf sie sich nur noch mehr an ihn kuschelte: „Ich werde sie vermissen“, überlegte sie. „Tu das“, meinte er und nahm den Arm von ihrer Schulter. Sie sah ihn, wie er zu den Wagentüren gehend, darauf etwas irritiert an: „Wirst du sie denn nicht vermissen?“ „Ne“, entgegnete er nur sachlich wie sie einsteigend. Auf ihren noch mehr verwirrten Blick hin führte er weiter aus: „Das mach ich später. Vielleicht heute Abend oder erst Morgen oder Übermorgen. Jetzt werde ich erst mal genießen, dass ich mein Zimmer wieder für mich alleine und meine Ruhe habe“, schaute er sie den Schlüssel umdrehend an. Das Radio ging von selbst wieder an. „Du hättest Ruth doch nicht bei dir schlafen zulassen brauchen?“, fragte Ran nach. „Und mir den ganzen Spaß mit ihr entgehen lassen?“, fing Yusaku zu lachen an: „Sei nicht allzu traurig Ran. Ich bin für nächstes Jahr schon wieder mit ihr verabredet. Dann fliege ich für ein paar Wochen oder vielleicht auch einen Monat zu ihr. Mal schauen. Mit dem Baby kannst du dann gerne mitkommen.“ „Echt!?“ Ran fand das super. Yusaku nickte lächelnd, bevor er dann hinzufügte: „Jetzt können sie erst mal ihre Brüder umsorgen.“ „Hast du ihre Brüder schon einmal getroffen?“, war Ran neugierig. „Ja.“ „Sind sie auch so wie Ruth“, fing sie an ihn zu löchern. Was ihn zum Lachen brachte. „Nein“, schüttelte er bei diesem absurden Gedanken den Kopf: „Die zwei sind ganz anders. Das ist kein Vergleich.“ Interessiert hörte sie seinen weiteren Ausführungen zu: „Die zwei waren mal da, als ich noch bei ihr wohnte. Sie sind wesentlich älter als sie.“ „Wie viel älter?“ „Hm, lass mich überlegen. Der eine ist 34 und der andere- ich meine- war 32. Beide haben bereits mehrere Kinder.“ „Ja? Wie viele denn?“ „Der Ältere hat drei. Davon zwei bereits im Schulalter. Das andere im Kindergarten. Der Jüngere ist glaube ich ist vor drei, vier Monaten zum zweiten Mal Vater geworden. Beide arbeiten in einem Landwirtschaftskonzern und teilen sich eine Rinderfarm. Sind sehr freundliche und ruhige Männer. Ganz anderes als Ruth, die wie du gemerkt hast, im Allgemeinen sehr agil und immer auf dem Sprung ist.“ „Haben sie ihre Kinder mitgebracht?“ „Du meinst zu Ruth?“ Ran nickte. „Nein.“ Yusaku lachte erneut: „Die beiden kennen die Abneigung ihrer Schwester Kindern gegenüber und da sie ihr Liebling ist haben sie die Kleinen bei ihren Müttern gelassen. Ruth war immer das Nesthäkchen in der Familie und ist es jetzt immer noch. Wenn sie ruft, stehen alle drei zur Stelle. Es müsste einmal ein Mann wagen Ruth zu nahe zu treten- mit dem würde ich nicht tauschen wollen.“ „Drei?“ „Ja- Ihre Schwester mit gezählt.“ „Und wie alt ist die?“ „Sie?- Ein Jahr älter als ich. Bei ihr war Ruth, bevor sie uns besucht hat.“ „Ach so. Und ist sie auch nett?“ „Ihr bin ich noch nicht begegnet, aber ich denke schon. Auch wenn sie in Ruth Erzählungen nicht besonders gut wegkommt. Sie soll spießig sein und diejenige, die es mit der jüdischen Religion von den Geschwistern her noch am genauesten nimmt. Bei ihr gibt es wirkliches koscheres Essen. Die zwei sehen sich selten habe ich den Eindruck, aber auch sie dürfte wenn es hart auf hart kommt für ihre kleine Schwester eintreten.“ „Ich geh noch mal ins Bett“, merkte Ran wieder zuhause, mit ihm die Treppe genommen auf den oberen Flur kommend, an. „Tu das, Liebes“, nahm er diese Information zur Kenntnis. Während Ran in ihr Zimmer ging und sich unter die Decke behaglich gähnend einkuschelte, schaute Shinichis Vater nach seinem Sohn. Dieser schlief fest. Yusaku beließ ihn, ging wieder. „Holmes, Queen, flott! Ruth ist weg. Ihr könnt wieder rauskommen“, ließ er die beiden Hunde, die sich über sein Streicheln freuten, wieder frei. Schräg gegenüber klopfte er. Ohne ein Herein abzuwarten- das auch nicht erfolgte, betrat er den Raum einfach. Yukiko saß im Bett. Die Hände in den Hosentaschen vergraben kam er auf sie zu: „Seit gegrüßt Noch-Ehefrau euer Noch-Ehemann ist zurück“, lehnte er sich ihr gegenüber an den Übergang zwischen Wand und Fenster, hinter ihm der Vorgang. Auffordernd schaute er die Mutter seines Sohnes an, wartete auf eine Erwiderung. Die nicht kam. Seine Frau senkte nur demütig ihren Kopf und schwieg ihn an. Er schwieg zurück. Bis es ihm zu blöde wurde: „Nun- da ich meine eigene Meinung habe, wirst du dich selbst bemühen müssen. Ich werde mich wohl kaum selbst stellvertretend für dich an deiner Stelle von deiner Ansicht überzeugen lassen. Ich weiß, dass du darüber im Grunde anders denkst als ich. Also los.“ „Ist schon gut, Yusaku“, schaute Yukiko ihn sehr zurückhaltend an. „Nein, es ist nicht gut“, verschränkte er skeptisch seine Arme vor der Brust: „Du willst mir doch nicht allen Ernstes das Feld einfach so überlassen?“, harkte er ungläubig nach: „Wo ist Shinichis Mutter geblieben, die sich mit mir wegen ihrem Sohn ständig zerstritten hat, weil sie der Meinung war, dass Gegenmittel sei zu gefährlich? Von dem sie sich dafür einsetzte, dass es auf der Stelle abgesetzt werden sollte, hm?“ „Nun“, versuchte Yukiko sich schnell zu rechtfertigen: „Ich habe halt gründlich darüber nachgedacht und eingesehen, dass du Recht hast“, verschränkte sie ebenfalls, pikiert tuend, die Arme. Was auch funktionierte. „Wow“, nickte Yusaku mit dem Kopf: „du gibst mir Recht?“, er war tatsächlich beeindruckt: „Darf ich fragen, was dich zu diesem Positionswechsel bewogen hat?“ Er lachte etwas: „Weißt du- bitte versteh mich nicht falsch, aber du warst absolut dagegen abzuwarten. Ich kann nicht so recht glauben, dass du jetzt plötzlich meiner Meinung bist!?“ „Doch das bin ich. Du hast gewonnen. Du hast Recht und ich habe Unrecht“, gab sie widerwillig zu: „Glaub mir, ich hatte viel Zeit zum Nachdenken!“ „Na, wenn das so ist“, erwiderte er beschwichtigend: „Also hast du jetzt auch keine Einwände mehr, wenn wir meinen Plan heute Abend umsetzen?“, fragte er dann doch noch einmal vorbehältlich nach. „Heute Abend?“, reagierte Yukiko sehr überrascht: „Schon?“, mit einer freudigen Mischung aus Überrumpelung, welche allerdings sofort wieder der Zurückhaltung wich. Zögerlich fragte sie bei ihrem Mann nach: „Heißt das, dass du ihm heute das Gegenmittel abnehmen wirst?“ Er bestätigte es ihr sachlich mit einem: „Ja“, führte weiter aus: „Wenn Shinichi nicht von selbst kommt“, auf den fragenden Blick hin informierte er sie: „Das Ultimatum- Heiji hat es ihm heute Morgen gesetzt. Seinem Wortlaut nach hat unser Sohn Zeit bis er nachhause kommt, um es uns zu beichten. Tut Shinichi es nicht will er zu uns kommen. Bis zu diesem Moment will ich noch abwarten- ich will sehen ob die beiden ernst machen. Wenn nicht löse ich die heimliche Allianz persönlich auf.“ „Was wirst du dann tun?“, sah sie ihn um ihren Sohn etwas besorgt an. „Ich?“, begegnete er ihrem Blick verwundert: „Kommst du nicht mit?“ „Doch“, brauchte Yukiko erneut überrumpelt einen Moment, bevor sie sich schnell wieder fing: „Natürlich.“ „Freut mich!“ Mit diesen Worten stütze Yusaku sich von der Wand ab: „Dann halt dich bereit“, meinte er: „Wenn es so weit ist lasse ich es dich wissen“, sich auf den Weg zu Türe verabschiedete er sich: „Bis dann.“ Yukiko schaute ihm nach „Yusaku?“, rief sie ihm plötzlich hinterher. „Ja?“ Er drehte sich noch einmal um. „Wirst du Shinichi bestrafen?“ In ihrer Stimme lag Wehmut und Sorge. „Um ehrlich zu sein, denke ich Shinichi wird auch so genug gestraft sein. Egal ob er sich freiwillig stellt oder wir das übernehmen. Weshalb ich auf ein leichteres Strafmaß plädieren würde. Darüber bin ich mir allerdings noch unschlüssig. Letztlich wird es viel daran liegen, wie das Ende aussieht. Ich tendiere bedauerlicherweise mehr zu der Annahme, dass Shinichi versuchen wird Heiji einbrechen zu lassen. Bist du damit soweit vorerst einverstanden?“, schloss er seine Frau mit einbezogen ab. Sie nickte. „Gut, dann können wir es dabei belassen?“, versicherte er sich noch ein letztes Mal. Seine Frau nickte erneut und ihr Mann verließ das Zimmer. Nachdem Yusaku noch einmal nach seinem noch schlafenden Sohn gesehen hatte, kehrte er in sein Zimmer zurück, das er noch genauso vorfand wie er es am Mittag gemeinsam mit Ruth und Ran verlassen hatte. Er seufzte leise, bevor er sich daran begab das Chaos, dass Ruth und Ran mit ihm in Form von Bettzeug hinterlassen hatten aufzuräumen. Er brauchte dafür nicht lange. Als er damit fertig war, schaute er sich in seinem Zimmer um und ihn ihm stellte sich wieder das Gefühl ein, welches er gehabt hatte bevor er zu Yukiko gegangen war: Müdigkeit. Unschlüssig was er nun tun sollte schaute er sich um. Es war so ungewohnt still. Er nahm sich ein Buch aus dem Regal, stellte es wieder zurück, überflog die Titel der näheren Umgebung. Dann drehte er sich, schaute auf seine Buddha-Statue auf der anderen Seite. Sein Blick fiel auf das daneben, auf dem Regalbrett gelegene, Kartenset. Kurz war er versucht. Doch er ließ es bleiben. Stattdessen legte er sich seinen Arm unter den Kopf gebettet und sein Bein angewinkelt hin. Er war müde- ja- aber es war keine Müdigkeit im Sinne, als das man hätte durch sie einschlafen können. So lag er da, nachdenklich ging er im Geiste noch einmal das Gespräch durch. Sein Sohn tat ihm leid- wie er sich heute Abend fühlen musste. Es war schon nicht leicht. Für jede Seite, dass wusste er. Er seufzte. Das Einzige, was ihm übrig blieb war die Feststellung, dass es wohl wirklich das Beste war es einfach mal im Vertrauen darauf geschehen zu lassen. Somit beschloss Shinichis Vater seine Nerven zu schonen und wenigstens etwas zu dösen. Was er allerdings nur solange machte, bis sein Handy auf sich aufmerksam machte. Er griff über seinen Kopf hinweg danach. Es war eine SMS: Ich langweile mich, Yusaku. Kommst du on? Er tippte ein kurzes: Yes. Dann stand er auf, ging langsam zum Schreibtisch und schaltete den darauf abgestellten Laptop ein. Hi, schrieb sie ihn an. Hi, schrieb er zurück. Was machst du? Nichts Besonderes. Ganz froh über die Ablenkung die Ruth ihm bescherte verbrachte er seine weitere Zeit mit ihr. Zwischendurch ging er immer wieder mal nach Shinichi sehen. Shinichi. Er veränderte seine Sitzposition, drehte den Bildschirm so, dass er Tür inklusive Flur in seinem direkten Blickfeld hatte. Aufmerksam unterhielt er sich weiter mit Ruth. Plötzlich wurde der Oberschüler auf eine Person über sich aufmerksam, die ihn leicht vorwurfsvoll ansah. Es war Inspektor Shiratori, dessen Stimme wenn auch leise streng angehoben war: „Heiji, würdest bitte mitkommen?“, forderte er ihn auf. Heiji kam der Bitte mit einem mulmigen Gefühl nach. Ihn vorgelassen schloss der Inspektor die Tür hinter sich. Er bot ihm durch Geste der Hand an ihm gegenüber Platz zu nehmen. Was Kazuhas Ex-Freund notgedrungen machte. Kaum hatte er sich gesetzt, sprach Shiratori ihn an: „Heiji, was ist los?“, wollte er bestimmt wissen. „Nichts.“ „Ich meine es ernst, Heiji“, forderte der Inspektor in diesmal warnend auf. „Tut mir leid“, entschuldigte Heiji sich: „aber das kann ich ihnen leider nich sagn.“ Shiratori beäugte ihn darauf kritisch, wollte wissen: „Warum nicht!?“ „Ich habe es Versprochn“, gab Heiji wahrheitsgemäß weiter an. „Ich nehme an es handelt sich um Kazuha. Es war eben mal wieder offensichtlich. Ich kann verstehen, dass das Arbeiten miteinander euch nicht leicht fällt, aber trenne bitte euer Privat- von eurem Arbeitsleben! Ich werde jetzt mit Kazuha reden. Schick sie bitte zu mir“, entließ er Heiji. Ran war wieder aufgewacht. Genüsslich blieb sie noch etwas liegen. Mit einem Mal stand sie auf und setzte sich an ihren Schreibtisch. Mit einem Füller begann sie in Schönschrift einen Brief: Hallo, Shinichi. Geht es dir gut? Für einen Moment verharrte sie, überlegte bevor sie weiter schrieb: Da es im Moment irgendwie schwer ist dich telefonisch zu erreichen, dachte ich, ich versuche es mal hiermit. Ich kann mir denken, dass du sicherlich gerade wieder mitten in deinem Fall steckst. Deshalb will ich dich auch gar nicht lange aufhalten. Ich wollte mich einfach nur mal kurz bei dir melden und dir sagen, dass ich dich vermisse. Ich war gestern wieder zur Vorsorgeuntersuchung. Mit der Kleinen ist alles in Ordnung soweit. Hier ist ein neues Bild von ihr. Ran klebte eben dieses genau daneben. Ist sie nicht süß? Sie wird immer größer. Diesmal kann man sie von vorne sehen. Letztes Mal hatte sie uns ja nur den Rücken zugedreht. Ich möchte dich zwar nicht drängeln, aber hast du deine Namenliste schon fertig? Ich füge dir meine noch einmal an, ja? Sie nahm ihre zur Hand und tackerte sie hinter das Briefpapier. Bitte beeil dich, ja? Ich bin soo neugierig, welche Namen dir gefallen und welche du dir ausgesucht hast. Ich würde mich schon am liebsten jetzt gleich mit dir einigen und naja so viel Zeit bleibt uns ja auch nicht mehr. Ich möchte, dass sie endlich einen richtigen Namen bekommt. Ich will nicht immer „Es“ zu ihre sagen. Einen Sitznamen habe ich ihr vorerst deswegen gegeben. Wenn du zurück schreibst, verrate ich ihn dir  Ein weiteres Mal zögerte Ran: Shinichi? Um ehrlich zu sein, gibt es noch einen zweiten Grund warum ich dir so dringlich schreibe. Ich muss dir etwas beichten... Bitte werd nicht wütend auf mich, aber ich habe Heiji gebeten Conan aus eurer Angelegenheit raus zuhalten. Ich weiß, dass ich euch vertrauen sollte, aber Conan… es geht ihm so schlecht. Ich mache mir wirklich große Sorgen um ihn. Keine Angst, Heiji hat mir nichts verraten. Er hat abgestritten, dass Conan euer Geheimnis kennt. Aber… ich glaube ihm das nicht. Bitte… Shinichi… bitte ich will ja gar nichts wissen. Du brauchst mir nicht zu antworten. Nur… das ist der einzige Grund, der mir einfällt, warum Conan sich so merkwürdig verhält. Es sieht ihm einfach nicht ähnlich, dass er mir nicht sagen will was ihn bedrückt. Ich habe das Gefühl, dass er schrecklich verzweifelt ist und fürchterliche Angst hat. Bitte… wenn meine Theorie stimmt… lasst Conan aus der Sache heraus. Er ist einfach noch viel zu klein für sowas! Ran hatte, als sie das schrieb, Tränen in den Augen. Mit dem Ärmel wischte sie sich diese aus den Augenwinkeln: Also… wie dem auch sei… die Seite ist jetzt fast zu Ende und eigentlich habe ich dir jetzt auch alles gesagt, was ich dir sagen wollte. Nur eins noch: Shinichi, gib bitte auf dich Acht, ja!? Bitte pass gut auf dich auf. Ich würde mich über eine Antwort von dir sehr freuen. Ich liebe dich. Zum Abschluss setzte sie ihren Unterschrift. Für eine kleine Weile schaute Ran sich das Blatt Papier in ihren Händen noch einmal an, ehe sie sich aus ihrer Wehmut löste und den Brief zusammengefaltet in einen Umschlag steckte, den sie nicht beschriftete. Stattdessen legte sie diesen nur behutsam an die Seite. Sie tauschte den Umschlag gegen ihr Lieblingsbuch ein mit dem sie sich zurück auf ihr Bett begab. An die Wand gelehnt kuschelte sie sich in der Decke gemütlich ein. Yukiko saß da und war nervös. Sie hoffte zutiefst, dass heute Abend alles gut gehen würde. Besorgt schaute sie auf den Wecker auf Yusakus Nachttisch. Viel Zeit war nicht mehr. Wie sollten wir mit dieser unglaublichen Erfahrung namens Sexualität umgehen? Jedenfalls nicht mit Scham, Schuldgefühlen und auch nicht mit Angst. Denn Scham bedeutet nicht Tugend, und Schuldgefühl bedeutet nicht, dass du ein guter Mensch bist, und Angst bedeutet nicht Achtung. Und nicht mit Gier, denn Gier ist nicht Leidenschaft; nicht mit Hemmungslosigkeit, denn Hemmungslosigkeit ist nicht Freiheit; und nicht mit Aggressivität, denn Aggressivität ist nicht Verlangen. Und ganz offensichtlich nicht mit Vorstellungen von Kontrolle oder Macht oder Herrschaft, denn diese Dinge haben nichts mit Liebe zu tun. Darf Sex zum Zweck ganz einfacher persönlicher Befriedigung benutzt werden? »Ja« – denn »persönliche Befriedigung« ist nur ein anderes Wort für Selbst-Liebe. Persönliche Befriedigung ist im Laufe der Jahre in Verruf geraten, und das ist der Hauptgrund dafür, dass sich so viele Schuldgefühle mit dem Sex verbinden. Man sagt euch, dass ihr etwas, das ausgesprochen persönlich befriedigend ist, nicht zur persönlichen Befriedigung einsetzen sollt! Dieser Widerspruch ist für euch zwar offensichtlich, doch ihr wisst nicht, was ihr mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen anfangen sollt! Also beschließt ihr, dass die Sache wenigstens dadurch in Ordnung kommen kann, dass ihr Schuld dafür empfindet. (Gilt genauso fürs Geld!) Die allgemeine Botschaft: Wenn du negative Gefühle damit verbindest, kannst du es genießen! Es ist in Ordnung, Sex zu lieben! Es ist auch in Ordnung, dein Selbst zu lieben! Tatsächlich ist dies ein Muss. Nicht dienlich ist es euch, wenn Sex (oder etwas anderes) zur Sucht wird. Aber es ist okay, wenn ihr euch in den Sex verliebt! Ist das nicht interessant? Dein ganzes Leben lang wurden dir Schuldgefühle eingetrichtert in Bezug auf die Dinge, die du dir am meisten wünscht. Doch ich sage dir: Liebe, liebe die Dinge, die du dir wünschst – denn deine Liebe zieht sie zu dir hin. Diese Dinge sind der Stoff des Lebens. Wenn du sie liebst, liebst du das Leben! Wenn du erklärst, dass du sie wünschst, verkündest du, dass du all das Gute wählst, das das Leben zu bieten hat. Also wähle Sex! Und wähle Macht – all die Macht, die du zusammenbringen kannst! Wähle Ruhm – all den Ruhm, den du erlangen kannst! Wähle Erfolg – all den Erfolg, den du erreichen kannst! Wähle das Gewinnen – alles Gewinnen, das du erleben kannst! Aber wähle nicht Sex statt Liebe, sondern wähle ihn als ein Feiern der Liebe. Wähle nicht Macht über, sondern Macht für. Wähle nicht Ruhm als Endzweck, sondern als Mittel für ein größeres Ziel. Wähle nicht Erfolg auf Kosten anderer, sondern als Instrument, um anderen helfen zu können. Und wähle nicht das Gewinnen um jeden Preis, sondern das Gewinnen, das andere nichts kostet und ihnen sogar ebenfalls Gewinn bringt. Geh und wähle das Lob von Seiten anderer – aber sieh alle anderen als Wesen an, über die du Lob ausschütten kannst, und tu es auch! Geh und wähle, mehr zu haben, aber nur so, dass du mehr zu geben hast. Und ja, wähle »wissen wie« und »wissen warum« – damit du dein Wissen mit anderen teilen kannst. Und wähle unter allen Umständen, Gott zu kennen. Wenn du das an erste Stelle setzt, wird alles andere folgen. Dein ganzes Leben lang bist du gelehrt worden, dass es besser ist zu geben, statt zu empfangen. Doch du kannst nicht geben, was du nicht hast. Deshalb ist die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse so wichtig. Ganz offensichtlich sprechen wir hier nicht von der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse auf Kosten anderer. Hier geht es nicht um ein Ignorieren der Bedürfnisse anderer. Doch im Leben sollte es auch nicht darum gehen, dass ihr eure eigenen Bedürfnisse ignoriert. Die Meisterinnen und Meister des Tantrischen-Sex wissen das. Deshalb ermuntern sie zur Masturbation, die einige von euch tatsächlich eine Sünde nennen. Masturbation? Junge,– jetzt bist du ja wohl zu weit gegangen – wie kannst du dieses Wort überhaupt nur aussprechen – in einer Botschaft, die von Gott kommen soll? Ich verstehe. Du hast Vorurteile. Naja, ich nicht. Aber eine Menge Leser könnten welche haben. Und ich dachte, du hättest gesagt, wir machen dieses Buch, damit andere es lesen können. Das tun wir auch. Warum verletzt du dann absichtlich ihre Gefühle? Ich »verletze niemanden absichtlich«. Es steht den Menschen frei, sich »verletzt« zu fühlen oder nicht. Es ist ihre Wahl. Aber hältst du es tatsächlich für möglich, dass wir frei über die menschliche Sexualität sprechen, ohne dass sich jemand dafür entscheidet, sich »verletzt« zu fühlen? Nein, aber es gibt so etwas wie zu weit gehen. Ich glaube nicht, dass die meisten Menschen bereit sind, Gott über Masturbation sprechen zu hören. Wenn dieses Buch sich auf das beschränken soll, was die meisten Menschen sich von Gott anzuhören bereit sind, dann wird es ein äußerst schmales Bändchen werden. Die meisten Menschen sind nicht bereit, sich das anzuhören, worüber Gott redet, wenn er darüber redet. Gewöhnlich warten sie 2000 Jahre. Lehrer/innen des Tantrischen-Sex, der übrigens eine sehr hohe Ausdrucksform von Sexualität ist, wissen, dass deine Fähigkeit, deiner Partner/in Vergnügen zu bereiten und eine lange und freudige Vereinigung von Seelen und Körpern zu erleben – ein außerordentlich tiefer Grund für die Erfahrung von Sexualität –, sehr stark gemindert wird, wenn du dich mit einem Hunger nach Sex dem Sex hingibst. Tantrisch Liebende bereiten sich daher sehr oft selbst Vergnügen, bevor sie einander Vergnügen bereiten. Und sie tun dies sehr häufig in Gegenwart von und gewöhnlich mit der Ermunterung, Hilfe und liebevollen Anleitung des anderen. Wenn dann der anfängliche Hunger gestillt ist, kann der tiefere Durst beider – der Durst nach Ekstase – durch die verlängerte Vereinigung wunderbar und herrlich gestillt werden. Die gegenseitige Hilfe zum Selbstvergnügen ist Teil dieser Freude, der spielerischen, liebevollen Sexualität, die voll zum Ausdruck gebracht wird. Sie ist nur ein Teil unter mehreren anderen. Die Erfahrung, die ihr Geschlechtsverkehr nennt, mag am Ende einer zweistündigen Begegnung in Liebe stehen. Oder auch nicht. Für die meisten von euch ist sie so ziemlich der einzige Zweck einer zwanzigminütigen Übung. Das heißt, zwanzig Minuten, wenn ihr Glück habt. Und übrigens glaube ich, dass es an der Zeit ist, sich anzuschauen, warum dir bestimmte Dinge ein »gutes Gefühl« geben. Auch Ran war neugierig: Durch dieses »gute Gefühl« tut die Seele kund: »Das bin ich!« Hast du einmal erlebt, dass ein Lehrer die Anwesenheit der Schüler überprüfte und sie namentlich aufrief, und du musstest »hier« sagen, wenn dein Name aufgerufen wurde? Ja. Das »gute Gefühl« ist die Seele, die »hier!« sagt. Allerdings gibt es eine Menge Leute, die sich über den Gedanken, »das zu tun, was einem ein gutes Gefühl gibt«, lustig machen und sagen, das sei der Weg zur Hölle. Doch ich sage, das ist der Weg zum Himmel! Natürlich hängt viel davon ab, was dir selbst »ein gutes Gefühl« gibt. Mit anderen Worten, welche Art von Erfahrungen fühlen sich für dich gut an? Ich sage dir: Nie ereignete sich irgendeine Art von Evolution durch Verweigerung. Wenn du dich weiterentwickeln willst, wirst du das nicht tun, weil du dir selbst so erfolgreich die Dinge verweigern konntest, von denen du weißt, dass sie dir ein »gutes Gefühl« geben, sondern weil du dir diese Freuden zugestanden – und etwas noch Größeres gefunden hast. Denn wie kannst du etwas als »größer« erkennen, wenn du nie das »Geringere« erfahren hast? Wenn du abschätzen möchtest, wie weit du dich entwickelt hast, dann schau einfach, wobei du dich »gut fühlst«. Aber trachte nicht danach, deine Weiterentwicklung zu erzwingen –indem du dir verweigerst, was dir ein gutes Gefühl gibt oder indem du davon Abstand nimmst. Selbst-Verweigerung bedeutet Selbst-Zerstörung. Aber du sollst auch das wissen: Selbst-Regulierung ist nicht gleich Selbst-Verweigerung. Die Regulierung des eigenen Verhaltens bedeutet, dass du auf der Grundlage deiner Entscheidung darüber, wer du bist, eine aktive Wahl triffst, etwas zu tun oder nicht zu tun. Wenn du dich dazu bekennst, eine Person zu sein, die die Rechte anderer respektiert, wenn du dich dazu entscheidest, andere nicht zu berauben, nicht zu vergewaltigen, dann ist das kaum »Selbst-Verweigerung«. Es ist eine Selbst-Aussage. Wenn dir ein Verhalten, das anderen Schaden zufügen oder Schwierigkeiten oder Schmerz bereiten kann – ein »gutes Gefühl« gibt, dann hast du dich nicht sehr weit entwickelt. Der Schlüssel ist Bewusstheit. Es ist es die Aufgabe der Boten Gottes, in allen Menschen diese Bewusstheit zu steigern, so dass sie verstehen, dass das, was für einen getan wird, für alle getan wird – weil wir alle eins sind. Wenn deine Bewusstseinseinstellung diesem »wir sind alle eins« entspricht, wird es dir praktisch nicht möglich sein, ein »gutes Gefühl« zu haben, wenn du andere verletzt. Das sogenannte »unverantwortliche Verhalten« gibt es dann nicht mehr. Innerhalb dieser Parameter suchen Wesen, die sich entwickeln, das Leben zu erfahren. Und im Rahmen dieser Parameter sage ich, dass ihr euch die Erlaubnis geben sollt, alles zu haben, was das Leben anzubieten hat – und ihr werdet entdecken, dass es mehr anzubieten hat, als ihr euch je vorstellen konntet. Du bist, was du erlebst. Du erlebst, was du zum Ausdruck bringst. Du bringst zum Ausdruck, was du hast, um es zum Ausdruck zu bringen. Du hast, was du dir selbst zugestehst. Das Männliche und das Weibliche sind Teil dessen. Sie sind in eurer Welt der höchste lebendige Ausdruck davon. Das Yin und das Yang, hier und dort … dieses und jenes … oben und unten, heiß und kalt, groß und klein, schnell und langsam – die Materie und die Antimaterie … Alles ist nötig, damit ihr das Leben erfahren könnt, wie ihr es kennt. Wie können wir am besten dieser Erfahrung namens sexueller Energie Ausdruck geben? Liebend. Offen. Spielerisch. Freudvoll. Unverschämt. Leidenschaftlich. Geheiligt. Zärtlich. Humorvoll. Spontan. Rührend. Kreativ. Unerschrocken. Sinnlich. Und natürlich: häufig. Da gibt es jene, die sagen, dass der einzige legitime Zweck der menschlichen Sexualität die Fortpflanzung sei. Unsinn. Die Fortpflanzung ist in vielen Fällen die glückliche Folge und nicht die logische Vorausplanung der sexuellen Erfahrung. Die Vorstellung, dass Sex nur dazu da ist, Babys zu machen, ist naiv, und der daraus folgende Gedanke, dass man mit dem Sex aufhören soll, wenn das letzte Kind gezeugt worden ist, ist schlimmer als naiv. Er ist wider die menschliche Natur – und das ist die Natur, die ich euch gegeben habe. Der Ausdruck von Sexualität ist das unvermeidliche Resultat eines ewigen Prozesses der Anziehung und des rhythmischen Energieflusses, der alles Leben antreibt. Ich habe alle Dinge mit einer Energie ausgestattet, die ihr Signal in das ganze Universum aussendet. Jede Person, jede Pflanze, jeder Stein– jedes physische Ding – sendet Energie aus, wie ein Radiosender. Alles ist das Resultat des Bewusstseins. Und ebenso die spezielleren Ereignisse und Umstände deines persönlichen Lebens. Stellen wir uns, um dies anschaulicher zu beschreiben, zwei Menschen in einem Raum vor. Sie befinden sich am jeweils gegenüberliegenden Ende dieses Raums. Wir werden sie Tom und Mary nennen. Nun sendet Toms persönliche Energie in einem Radius von 360 Grad Signale in das Universum aus. Und einiges von diesen Energiewellen trifft Mary. Mary sendet inzwischen ihre eigene Energie aus – und einiges davon trifft Tom. Doch diese Energien begegnen sich in einer Weise, wie du sie dir vielleicht nicht vorgestellt hast. Sie treffen sich in der Mitte zwischen Tom und Mary. Hier vereinen sich die Energien (und denk daran, dass diese Energien physische Phänomene sind; sie können gemessen, gefühlt werden) und verbinden sich, um eine neue Energieeinheit zu bilden, die wir »Tomary« nennen wollen. Dies ist die verbundene Energie von Tom und Mary. Tom und Mary könnten diese Energie auch gut als den »Körper zwischen uns« bezeichnen, denn genau das ist es: ein Energiekörper, mit dem beide verbunden sind, den beide mit ständig in ihn einfließenden Energien nähren und der über einen Faden oder eine Schnur, die immer innerhalb der Matrix existiert, an seine beiden »Sponsoren« Energien zurückschickt. Ran fühlte sich an den roten Faden erinnert, was sie vergnügt schmunzeln ließ. Aufmerksam las sie weiter: Diese Erfahrung von »Tomary« ist die Wahrheit von Tom und Mary. Sie fühlen, über die Schnur, diese großartige Freude des »Körpers zwischen ihnen«, des Geeinten, der gesegneten Vereinigung. Tom und Mary, die in einiger Entfernung voneinander stehen, können – auf eine physische Weise – fühlen, was in der Matrix vor sich geht. Beide werden dringlich zu dieser Erfahrung hingezogen. Sie wollen sich aufeinander zubewegen! Sofort! Nun setzt ihr »Training« ein. Die Welt hat sie dazu erzogen, es langsam anzugehen, dem Gefühl zu misstrauen, sich vor »Verletzung« zu hüten, sich zurückzuhalten. Aber die Seele … will »Tomary« kennen lernen – jetzt! Wenn die beiden Glück haben, sind sie frei genug, ihre Ängste beiseite zu lassen und darauf zu vertrauen, dass die Liebe alles ist, was es gibt. Diese beiden fühlen sich nun unwiderruflich zum »Körper zwischen ihnen« hingezogen. TOMARY wird schon metaphysisch erfahren, und Tom und Mary wollen dies nun auch physisch erleben. Also rücken sie näher zusammen. Nicht, um zum jeweils anderen zu gelangen, obwohl es für einen zufälligen Beobachter so aussieht. Sie versuchen vielmehr, zu TOMARY zu gelangen. Sie versuchen den Ort der göttlichen Vereinigung zu erreichen, der bereits zwischen ihnen existiert. Den Ort, an dem sie bereits wissen, dass sie eins sind – und wie es sich anfühlt, eins zu sein. Sie bewegen sich also auf dieses »Gefühl« zu, das sie erleben, und in dem Maße, wie sie die zwischen ihnen liegende Kluft verringern, legt die Energie, die sie beide zu TOMARY schicken, eine kürzere Distanz zurück und wird damit intensiver. Sie rücken noch näher aneinander heran. Je kürzer die Distanz, desto größer die Intensität. Nun sind sie nur noch einen Schritt voneinander entfernt. Der »Körper dazwischen« glüht heiß. Yusakus Handy klingelte. „Moment“, setzte er das Head-Set ab, griff es vom Sofa und nahm ab. „Kudo?“ „Yusaku, guten Tag.“ „Hallo Professor“, entgegentrete dieser den Gruß beiläufig den Ton in der Taskleiste ausschaltend. „Ich wollte mal nachfragen, wie es mit Shinichi gelaufen ist?“ „Noch gar nicht“, tippte Yusaku während er sprach auf Englisch, dass er telefonierte. „Aber wolltest du das mit ihm und Heiji nicht gestern klären?“, war der Professor etwas verwirrt. „Es kam nicht aus. Ich habe Ruth erst heute Mittag zum Flughafen gebracht. Sie hatte ein Problem, weshalb ich noch gebraucht war. Was allerdings wahrscheinlich auch gut war, zumal-“, Er setze sich auf die Tischkante: „der erste Teil meines Plans doch noch aufgegangen ist. Heiji hat ihm heute Morgen unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er nicht weiter für ihn lügen wird und ihn aufgefordert sich bei mir bis er heute Abend wieder kommt bei mir zu melden.“ „Und jetzt wartest du also auf ihn?“ „Ja.“ Yusaku seufzte: „So sieht’s aus.“ „Meinst du, dass er wirklich zu dir kommen wird?“, überlegte der Professor mulmig. Dessen Vater es in diesem Moment nicht anders ging: „Ich weiß nicht“, antwortete er: „aber ich hoffe es.“ Ein erneutes Seufzen: „Auch, wenn die Chancen doch ziemlich bescheiden sind. Ich fürchte eher, dass Shinichi Heiji solange beschwatzen wird, bis der nach gibt. Ich hoffe, dass er zu seinem Wort steht. Und wenn Shinichi doch kommen sollte, wird er es wohl bis zum letzen Drücker aufschieben.“ „Also fällt unser Yoga wohl heute aus?“, war der Professor sehr verständnisvoll. Obwohl unterschwellig auch etwas enttäuscht. Was Yusaku heraus hörte: „Ach nein“, meinte er: „Wir können unser Yoga trotzdem machen. Wir haben“, er beugte sich über seinen Bildschirm, um auf die Uhranzeige sehen zu können: „Jetzt gerade mal 16:21 Uhr. Shinichi schläft noch und bis Heiji wieder kommt dauert es noch. Wir sollten uns einfach nur etwas früher treffen. Vielleicht gegen 17 Uhr, dann sind wir rechtzeitig fertig.“ „Ja, das wäre schon“, fand der Professor: „Das passt mir.“ „Also gut, bis dann.“ Das Handy bei Seite, setzte er das Head-Set wieder auf. Der Verbindungsstrang hin zu TOMARY und von TOMARY zu ihnen ist dicker, breiter, heller. Die beiden »brennen vor Verlangen«, wie man sagt. Und das tun sie tatsächlich! Sie kommen sich noch näher. Jetzt berühren sie sich. Die Empfindung ist fast unerträglich. Köstlich. Sie fühlen, am Punkt ihrer Berührung, alle Energie von TOMARY – die ganze kompakte, innigste vereinte Substanz ihres verbundenen Wesens. Wenn du dich für deine größtmögliche Sensibilität öffnest, kannst du bei der Berührung diese feine sublime Energie als ein Kribbeln wahrnehmen – manchmal wird dich dieses Kribbeln auch direkt durchströmen. Oder du nimmst diese Energie am Punkt der Berührung als Hitze wahr, eine Hitze, die ebenfalls plötzlich deinen ganzen Körper durchströmen kann, die aber tief in dir in deinem unteren Chakra (Energiezentrum) konzentriert ist. Tom und Mary sind nun sozusagen »heiß« aufeinander! Jetzt umarmen sich die beiden und schließen die Kluft noch mehr, wobei nun alle, Tom, Mary und Tomary, fast denselben Raum einnehmen. Tom und Mary können Tomary zwischen sich fühlen – und sie wollen noch enger zusammenkommen – sie wollen buchstäblich mit Tomary verschmelzen. Sie wollen Tomary in physischer Gestalt werden. Ich habe in den männlichen und weiblichen Körpern eine Möglichkeit geschaffen, dies zu tun. Und in diesem Augenblick sind Toms und Marys Körper bereit, das zu tun. Die beiden physischen Körper verbinden sich. Tom, Mary und Tomary werden eins. Im Fleische. Noch immer fließen die Energien zwischen den beiden. Dringlich. Leidenschaftlich. Sie können nicht genug voneinander bekommen, können sich nicht nahe genug kommen. In ihrem jetzigen Einssein haben sie den Gott und die Göttin, das Alpha und das Omega, das Alles und das Nichts – die Essenz des Lebens – erfahren, haben Das-Was-Ist erlebt. Es finden auch physische und chemische Vorgänge statt. Die beiden sind eins geworden und oft wird eine dritte Wesenheit in physischer Form aus den beiden erschaffen. So wird ein Ebenbild von TOMARY erschaffen. Fleisch von ihrem Fleisch. Blut von ihrem Blut. Sie haben buchstäblich Leben erschaffen! Habe ich nicht gesagt, dass ihr Götter seid? Das ist die schönste Beschreibung menschlicher Sexualität, die ich jemals gehört habe. Das allerdings fand auch Ran. Sie war ganz gerührt. Man sieht Schönheit, wo man sie sehen möchte. Man sieht Hässlichkeit, wo man sich fürchtet, Schönheit zu sehen. Dieser … Tanz, dieser energetische Austausch, findet fortwährend statt – in und mit allem. Eure Energie – die wie ein goldenes Licht von euch ausgestrahlt wird – interagiert ständig mit allem und jedem. Je näher ihr euch seid, desto intensiver ist die Energie. Je weiter voneinander ihr seid, desto subtiler ist sie. Doch ihr seid niemals von irgendetwas total abgetrennt. Zwischen dir und jeder anderen Person, jedem anderen Ort oder Ding existiert ein Punkt. Und an diesem Punkt treffen sich eure Energien und formen eine weniger dichte, aber dennoch reale Energieeinheit. Alles und jedes auf dem Planeten – und im Universum – sendet in alle Richtungen Energie aus. Diese Energie vermischt sich kreuz und quer mit allen anderen Energien zu Mustern von hoher Komplexität. Ran besinnete sich auf diese Verbundenheit. Sie nahm das Gefühl war, welches sie jetzt gerade in diesem Moment empfand. Es war ein wenig beängstigend. Wow- beeindruckend… Shinichi und sie waren eins. Auch wenn das in ihr eine gewisse Art von Traurigkeit auslöste. Sie vermisste ihn, das wurde ihr gerade jetzt wieder bewusst. Trotzdem war sie auch sehr, sehr glücklich über das sich der Einheit gewahr zu sein. Sie dachte ganz intensiv an Shinichi, atmete tief erfüllt von Liebe ein und nach einem Moment wieder aus: Und entlang dieser Matrix schickt ihr euch gegenseitig Signale – Botschaften, Bedeutungen, Heilungen und andere physische Zeichen –, die manchmal von Individuen, aber zumeist vom Massenbewusstsein geschaffen werden. Das Gesetz der Anziehung (Resonanzgesetz). Innerhalb dessen zieht Gleiches Gleiches an: Gedanken ziehen gleiche Gedanken an – und wenn genug von solchen gleichartigen Energien sozusagen »zusammenklumpen«, werden ihre Schwingungen »schwerer«, sie verlangsamen sich –, und sie werden zu Materie. Gedanken erschaffen in der Tat physische Formen – und wenn viele Menschen dasselbe denken, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihre Gedanken eine Realität bilden. (Deshalb ist das »Wir werden für dich beten« eine so machtvolle Aussage.) Ein weltweites Bewusstsein von Angst oder von Wut oder Mangel kann zu ebendieser Erfahrung führen – auf globaler Ebene oder an einer bestimmten Örtlichkeit, wo solche kollektiven Gedanken am stärksten gehegt werden. Die Matrix zieht sich selbst in sich selbst hinein – genauso wie eure Wissenschaftler das Phänomen der sogenannten Schwarzen Löcher beschreiben. Es zieht gleichgeartete Energien an und zieht sogar auch physische Objekte zueinander hin. Diese Objekte müssen sich dann gegenseitig abstoßen oder sie werden für immer miteinander verschmelzen. Alle bewussten Wesen wissen das instinktiv und bewegen sich weg von der permanenten Verschmelzung, um ihre Beziehung zu allem anderen aufrechtzuerhalten. Täten sie das nicht, würden sie mit allem verschmelzen und auf nur ewig Einssein erfahren. Das ist der Zustand, aus dem wir gekommen sind. Nachdem wir uns von diesem Zustand entfernt haben, werden wir nun ständig wieder zu ihm hingezogen. Diese »Hin-und-her«-Bewegung ist der Grundrhythmus des Universums und von allem, was in ihm existiert. Das ist Sex – der synergetische Energieaustausch. Gemeinsam-getrennt tanzen eure Körper in einer so elementaren, instinktiven Bewegung, dass ihr euch eines vorsätzlichen Handelns nur wenig bewusst seid. An einem bestimmten Punkt schaltet ihr auf Automatik um. Dem Körper muss nicht gesagt werden, was er zu tun hat. Eure Gesellschaft versteckt den Sex – eine ganz natürliche, normale menschliche Funktion, dann steht ihr auf und bringt Leute in aller Öffentlichkeit um. Das ist obszön! Die meisten eurer schlimmsten Handlungen unternehmt ihr im privaten Bereich oder im Geheimen, und nur euer bestes Benehmen spart ihr für die öffentliche Zurschaustellung auf. Damit möchte ich nicht für Sex in aller Öffentlichkeit plädieren; ich möchte nur anmerken, dass Intimität nicht unbedingt mit Heiligkeit gleichzusetzen ist – noch werdet ihr durch die Öffentlichkeit ihrer beraubt. Was den Anstand angeht, so hat dieses Wort alleine und der dahinterstehende Verhaltenskodex mehr zur Versagung der größten Freuden von Mann und Frau beigetragen als jedes andere menschliche Konstrukt. Das Problem mit dem »Anstand« liegt darin, dass irgendjemand die Normen aufstellen muss. Das bedeutet ganz automatisch, dass euer Verhalten durch die Vorstellungen eines anderen darüber, was euch Freude machen sollte, beschränkt wird. Ich kann mir nichts Traurigeres denken als einen Mann oder eine Frau, die das Gefühl haben, manches gerne erleben zu wollen, sich dann aber zurückhalten, weil sie meinen, dass das, wovon sie träumen oder was sie sich in ihrer Phantasie ausmalen, die »Anstandsregeln« verletzen würde! Tu nie, nie, nie etwas nicht, weil es vielleicht die Anstandsregeln von irgendjemand anderem verletzen könnte, und dies gilt nicht nur für die Sexualität, sondern für alles im Leben. Wenn ich einen Aufkleber an meinem Auto hätte, würde darauf stehen: VERLETZT DEN ANSTAND Und ganz sicher würde ich einen solchen Spruch in jedem Schlafzimmer anbringen. Du sagst also, dass jegliches Verhalten akzeptabel ist, solange es die Zustimmung aller Beteiligten und Betroffenen findet? Sollte das nicht für alles im Leben gelten? Aber manchmal wissen wir nicht, wer davon betroffen sein wird? Du musst dafür sensibel sein. Du musst ganz wach und bewusst sein. Und wenn du es wirklich nicht wissen und auch nicht vermuten kannst, dann musst du dich zugunsten der Liebe irren. Die zentrale Frage bei JEDER Entscheidung ist die: »Was würde die Liebe jetzt tun?« Die Liebe zu dir selbst und die Liebe zu allen anderen, die beteiligt oder davon betroffen sind. Wenn du eine andere Person liebst, wirst du nichts tun, was diese Person womöglich verletzen könnte. Sollten irgendwelche Fragen oder Zweifel bestehen, wirst du warten, bis du in dieser Sache Klarheit gewonnen hast. Aber was, wenn man sich selbst dadurch geschädigt oder verletzt fühlt, dass man etwas nicht tut? Dann musst du deinem geliebten Menschen die Wahrheit erzählen – dass du dich dadurch, dass du eine bestimmte Sache nicht tust, verletzt, frustriert, reduziert fühlst; dass du diese Sache gerne tun würdest; dass du gerne dafür die Zustimmung des von dir geliebten Menschen bekommen würdest. Du musst eine solche Einigung anstreben. Arbeite an einem Kompromiss bei dem jeder gewinnen kann. Und wenn ein solcher Weg nicht gefunden werden kann? Dann wieder hole ich, was ich schon einmal gesagt habe. Verrat deiner selbst, um nicht einen anderen zu verraten, ist trotz allem Verrat. Es ist der höchste Verrat. Euer Shakespeare hat es anders ausgedrückt. Deinem eigenen Selbst sei treu, und es folgt daraus, wie die Nacht dem Tag, dass du gegenüber keinem Menschen treulos sein kannst. Ihr müsst euch immer an erste Stelle setzen! Abhängig davon, was ihr zu tun versucht – oder zu erfahren trachtet – trefft eure Wahl. Wenn dein Ziel – dein Lebensziel – sehr hoch angesiedelt ist, werden auch deine Entscheidungen ein sehr hohes Niveau haben. Wenn du dich an erste Stelle setzt, heißt das nicht, dass du »selbstsüchtig« bist – es bedeutet, dass du dir deiner selbst bewusst bist. Warum, wenn Sex so ein wundervoller Bestandteil der menschlichen Erfahrung ist, predigen so viele spirituelle Lehrer Enthaltsamkeit? Aus dem gleichen Grund, aus dem so viele, den Schilderungen nach, in Einfachheit lebten. Diejenigen, die sich zu einer hohen Verständnisebene entwickeln, bringen ihre körperlichen Wünsche mit ihrem Geist und ihrer Seele in Balance. Ihr seid dreiteilige Wesen. Ihr seid mehr als euer Körper. Ihr seid auch Geist und Seele. Nährst du deinen Geist und deine Seele? Bemerkst du sie überhaupt? Heilst du sie, oder verletzt du sie? Wächst du, oder verdorrst du? Dehnst du dich aus, oder ziehst du dich zusammen? Wann hattest du das letzte Mal das Gefühl, dass deine Seele zum Ausdruck gebracht wurde? Wann hast du das letzte Mal vor Freude geweint? Im Regen getanzt? Einen Berg erklommen? Gespräche geführt bis zum Morgengrauen? Stundenlang Liebe gemacht – am Strand, im Wald? Mit der Natur kommuniziert? Nach Gott gesucht? Wann hast du das letzte Mal allein mit dem Schweigen da gesessen, bist in den tiefsten Bereich deines Wesens gereist? Wann hast du das letzte Mal »hallo« zu deiner Seele gesagt? An dieser Stelle hielt Ran für einen Moment inne. Dachte darüber nach und erinnerte sich daran zurück wann sie solche Momente zuletzt erlebt hatte. Dabei viel ihr, sie lächelte, natürlich direkt als erstes Yusakus Yoga ein. Wenn du das Leben als eindimensionales Geschöpf lebst, versinkst du tief in den Angelegenheiten des Körpers. Und in dem Maße, wie du dich in immer höhere und höhere Bewusstseinsstadien hinein entwickelst, bringst du jede Dimension deines Wesens zur vollen Verwirklichung. Doch Evolution bedeutet nicht, dass du manche Aspekte oder Dimensionen des Selbst zugunsten anderer fallenlässt. Sie bedeutet ganz einfach die Erweiterung; die Abwendung von einer fast ausschließlichen Beschäftigung mit einem einzigen Aspekt und die Hinwendung zu echter Liebe und zur Wertschätzung aller Aspekte. Warum vertreten dann manche Lehrer die völlige sexuelle Enthaltsamkeit? Sie glauben, die Enthaltsamkeit sei der einzige Weg zur spirituellen Evolution statt nur eine mögliche Folge davon. Aber stimmt es nicht, dass manche sehr hoch entwickelte Wesen »den Sex aufgegeben« haben? Nicht im klassischen Sinne des Wortes »aufgeben«. Es handelt sich nicht um ein erzwungenes Aufgeben von etwas, das du immer noch haben willst, von dem du aber weißt, dass »es zu haben nicht gut« ist. Es handelt sich mehr um ein einfaches Loslassen, eine Bewegung weg von – so wie man einen Nachschlag des Desserts von sich weist. Nicht, weil das Dessert nicht gut ist. Nicht einmal, weil es nicht gut für dich ist. Sondern ganz einfach, weil du, wunderbar wie es war, genug hattest. Wenn du deine Beschäftigung mit Sex aus diesem Grund fallenlassen kannst, dann wirst du dich vielleicht dazu entschließen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht entschließt du dich nie dazu, dass du »genug hattest«, und willst immer diese Erfahrung machen – in Harmonie mit den anderen Erfahrungen deines Wesens. Das ist okay. Sexuell aktive Menschen sind nicht weniger für die Erleuchtung geeignet, nicht minder spirituell entwickelt als sexuell enthaltsame Menschen. Ebenso wird sich deine ausschließliche Fixierung auf Geld, Macht, Sicherheit, Besitztümer und andere Erfahrungen des Körpers verflüchtigen. Doch deine echte Wertschätzung für diese Dinge wird bleiben und sollte es auch. Wertschätzung für alles im Leben ist das, was dem Prozess, den ich erschaffen habe, Ehre erweist. Ich sage dir: Ich habe nichts Verachtenswertes geschaffen – und nichts ist »böse«, es sei denn, das Denken macht es dazu, wie euer Shakespeare sagt. Ist jede Art von Sex zwischen darin einwilligenden Erwachsenen okay? Ich meine auch »perverser« Sex? Auch liebloser Sex? Auch schwuler Sex? Lass uns erstens noch einmal klarstellen, dass Gott nichts missbilligt. Ich sitze nicht hier und richte, nenne nicht die eine Tat gut und die andere böse. Also – was euch im Kontext eures Evolutionsweges dienlich oder nicht dienlich ist, könnt nur ihr entscheiden. Ran nahm es sich zu Herzen. Dachte darüber nach. Es gibt allerdings eine breit angelegte Richtlinie, auf die sich die meisten entwickelten Seelen geeinigt haben. Keine Handlung, die einem anderen Schaden zufügt, führt zu rascher Evolution. Es gibt auch noch eine zweite Richtlinie. Keine Handlung, in die ein anderer involviert ist, soll ohne die Zustimmung des anderen unternommen werden. »Perverser« Sex? Nun, aus welchem Grund sollte ihn irgendjemand als »falsch« bezeichnen, solange er niemandem schadet und mit Einwilligung aller Beteiligten betrieben wird? Liebloser Sex? Über Sex »um des Sex willen« wurde schon seit Anbeginn der Zeit debattiert. Wenn ich diese Frage höre, denke ich oft daran, dass ich mich eines Tages gerne in einen Raum voller Menschen begeben und sagen würde: »Jeder, der hier noch nie außerhalb einer Beziehung von tiefer, dauerhafter, engagierter, treuer Liebe Sex gehabt hat, möge bitte die Hand heben.« Lass mich nur folgendes sagen: Etwas Liebloses, was immer es ist, ist nie der rascheste Weg zur Göttin. Ob es sich nun um lieblosen Sex oder um lieblose Spaghetti mit Fleischklößen handelt, wenn du das Festmahl bereitet hast und es dann ohne Liebe verzehrst, versäumst du den außergewöhnlichsten Teil der Erfahrung. Auch hier ist »falsch« vielleicht nicht das Wort, auf das es ankommt. »Nachteilig« käme der Sache näher, vorausgesetzt, es ist dein Wunsch, dich zu einem höheren spirituellen Wesen zu entwickeln. Schwuler Sex? Die Menschen möchten – über alles – alle Arten von Werturteilen abgeben, und ich verderbe ihnen gewissermaßen den Spaß. Ich schließe mich diesen Urteilen nicht an, was ganz besonders jene außer Fassung bringt, die behaupten, dass ich deren Urheber bin. Ab welchem Alter ist es angemessen, Kindern zu erlauben, sich der Sexualität als einer Lebenserfahrung bewusst zu werden? Bei dieser Frage wurde Ran hellhörig. Zum einen dachte sie bei dieser Frage an sich und Shinichi. War aber auch neugierig und interessiert zumal es sie ja auch als Mutter betraf. Kinder sind sich von Anbeginn ihres Lebens ihrer selbst als sexuelle Wesen – das heißt, als menschliche Wesen – bewusst. Wenn ein kleines Kind anfängt, in seinem unschuldigen Entzücken über seinen eigenen Körper Augenblicke des Selbstvergnügens zu entdecken, reagiert ihr mit Entsetzen und gebt dieses Gefühl des Schreckens an das Kind weiter. Das Kind fragt sich: „Mami ist böse; was hab' ich getan?“ Ja, das konnte Ran nicht ganz von der Hand weisen. Sie erinnerte sich an ihren Ärger zurück, den sie von ihrer Mutter wegen dem Doktorspielen mit Shinichi damals bekommen hatte. Für euch ging es nicht um die Frage, wann ihr eure Kinder in den Sex einführt, sondern um die Frage, wann ihr aufhört, von ihnen zu verlangen, dass sie ihre eigene Identität als sexuelle Wesen verleugnen. Irgendwann, wenn die Kinder zwischen 12 und 17 sind, geben die meisten von euch auf. Doch da ist der Schaden bereits angerichtet. Euren Kindern wurde zehn Jahre oder länger gezeigt, dass sie sich für diese Körperteile zu schämen haben. Sie bekommen alles Mögliche an Ausdrücken zu hören, die zum Teil schon eine gewaltige Erfindungskraft erfordern, um zu vermeiden, dass ihr einfach »Penis« oder »Vagina« sagt. Ran schaute auf. Es hatte an der Tür geklopft: „Ja?“ Es war Yusaku, der nun herein und auf sie zukam: „Na, Liebes“, schmunzelte er sie an. „Hi“, schaute sie zu ihm auf. „Ich wollte dir eben mitteilen, dass wir das Yoga auf 17:00 Uhr gleich verschoben haben. Da freut sich aber wer“, merkte er auf Rans wie ein Honigkuchenpferd strahlendes Gesicht an. „Ja!“ „Gut, dann weißt du Bescheid.“ „Danke.“ Yusaku wechselte das Thema, indem er sie auf das, auf ihren Schoß gesunkene, Buch ansprach: „Wo bist du gerade“, erkundigte er sich interessiert, stutzte. Rans Gesicht war knallrot. „Was ist?“, fragte er lachend. Worauf sie schnell mit: „Nichts“ antwortete. Yusakus Gesichtsausdruck machte auch ohne weitere Worte deutlich, dass er ihr das nicht abkaufte. Ehe sie sich versah hatte er sich zu ihr hinunter gebeugt und flugs einen Blick erhascht. Amüsiert las er vor: „Nachdem so überaus klar geworden ist, dass alle Dinge, die mit diesen Körperteilen zu tun haben, versteckt und verleugnet werden müssen, dass über sie nicht gesprochen werden darf, gelangen eure Kinder in die Pubertät und haben nicht die geringste Ahnung, was da mit ihnen passiert und was sie damit anfangen sollen. Sie sind überhaupt nicht vorbereitet worden. Natürlich verhalten sie sich dann miserabel und reagieren tölpelhaft, auf ihre neuesten und dringlichsten Triebe. Das wäre nicht nötig und dient, wie ich beobachte, auch nicht euren Kindern. Aha“, grinste er verschmitzt: „So ist das also, du hast vorgeblättert. Jetzt interessiert es dich mit dem Sex wohl noch genauer“, er lachte wieder. Es war ein herzliches, liebes Lachen. Was es Ran ein wenig die Röte nahm. „Bei Shinichi kann ich mir das wirklich sehr gut vorstellen.“ Yusaku lachte. Diesmal auf seinen Sohn bezogen liebevoll: „Besonders geschickt dürfte er sich wahrlich nicht angestellt haben.“ Ran sagte darauf nichts, schwieg und senkte den Kopf. „Hey?“, bekam Yusaku den Eindruck, dass er etwas Falsches gesagt hatte: „Ich habe doch nur gescherzt? Was ist denn los?“, setzte er sich rasch zu ihr. „Shinichi“, fing Ran an zu schluchzen. „Nicht doch“, nahm sie von der Seite her in den Arm: „Ich weiß du vermisst ihn“, wollte er sie trösten. „Ja“, schluchzte Ran den Tränen nah erneut: „Das auch.“ „Was denn noch?“, fragte Yusaku behutsam nach: „Ist da sonst noch was?“ Ran schaute traurig hoch, meinte dann aber mit dem Ärmel die Tränen aus den Augenwinkeln wischend: „Ach, schon gut. Ist nicht so wichtig.“ „Wenn es nicht wichtig wäre, dann würdest du nicht fast weinen. Was ist los, liebes?“ „Ach es ist nur-“ „Ja?“, wartete er, ihr Zeit gebend, geduldig ab. „Es ist wegen Shinichi.“ „Was ist mit ihm?“ „Du hast Recht“, rückte Ran ganz langsam mit der Sprache raus. „Womit?“, harkte er sanft nach. „Das er sich-“ Ran zögerte. Was Yusaku veranlasste gut nachzudenken: „Du meinst er hat sich ungeschickt benommen?“ „Ja.“ „Hat er etwas getan, was du nicht wolltest?“, tastete er diese Option vorsichtig ab. Was sie wieder schlunzend mit einem: „Ja“, nickend bestätigte. Sie begann zu weinen, ließ sich von ihm ganz in den Arm nehmen. „Schtt“, hielt er sie fest. „Shinichi hat mich nicht gefragt. Er hat es einfach gemacht“, brach es jetzt verletzt aus ihr heraus. „Du wolltest das gar nicht.“ „Nein.“ „Warum hast du Shinichi das nicht gesagt?“ Ran löste sich etwas von ihm, fasste sich die Tränen mit dem Ärmel von ihrer Wange wischend. Zögerlich räumte sie ein: „Ich hatte Angst.“ „Warum?“ „Weil-“ Ran schwieg für einen Moment: „Ich-ich hatte Angst, dass wenn ich es Shinichi sage, dass er dann geht. Er war an dem Abend so anders- überhaupt so aufgebracht- er hat es einfach gemacht. Ich wollte nicht, dass er böse auf mich wird. Ich wollte nicht, dass er wieder weg geht!“ „Hast du also deshalb eingewilligt?“ „Ja.“ „Warum wolltest du es nicht? Hat er dir weh getan?“ „Nein.“ Ran schüttelte mit dem Kopf: „Ich wusste nicht was ich machen sollte. Er hat mich einfach geküsst- und dann-“ „Wollte er mehr“, beendete er den Satz für sie: „Also hast du dich sehr überrumpelt gefühlt?“ „Ja.“ „Es ging dir einfach zu schnell?“ Wieder: „Ja.“ „Hast du darüber mit Shinichi gesprochen?“ „Nein.“ „Warum nicht?“ „Naja“, setzte Ran an: „Ich- eigentlich“, brach sie ab. Setzte neu an: „Eigentlich- er war sehr lieb zu mir. Er war ganz vorsichtig. Er hat mir wirklich nicht weh getan“, wechselte sie mit ihm einen Blick: „Ich wollte ihn nicht kränken. Er hatte mich gefragt und ich habe nur gesagt, dass er sich Mühe gegeben hat.“ „Also hast du ihm deine wahren Gefühle diesbezüglich verschwiegen.“ „Ja.“ Ran nickte beschämt: „Am Anfang hatte ich Angst, aber nachher hab ich mitgemacht. Erst fand ich es schön, wie er mich geküsst hat, aber als er“, sie überging das Wort: „Es hat weh getan als er-“ „In dich eingedrungen ist?“ Sie nickte. Liebevoll legte er seinen Arm um sie: „Der erste Sex ist oft nicht so schön, aber es wird besser. Glaub mir“, gab er ihr liebevoll einen Kuss auf den Pony. „Meinst du?“ „Ja“, schmunzelte er da beruhigend: „Die wenigsten Leute finden Sex direkt beim ersten Mal toll. Die meisten macht sich einen viel zu großen Kopf darum. Sind unsicher und wissen nicht genau wie sie ich verhalten sollen ganz genau wie ihr haben sie Angst sie könnten etwas falsch machen. Sie wollen, dass es perfekt wird und setzen sich damit selbst unter großen Druck. Am Anfang wenn das Jungfernhäutchen zerrissen wird ist die Vagina noch sehr eng. Sie muss sich erst noch weiten. Später hat sie sich an die Größe des Penis angepasst“, erläuterte er ihr: „Das hat Ruth dir doch gestern erklärt weißt du noch?“ „Du warst wach?“, war sie ganz verblüfft, etwas entsetzt: „Ich dachte du hättest geschlafen?“ „Und verpassen sollen was ihr so über uns Männer zu erzählen habt?“, grinste er sie amüsiert an: „Tut mir ja leid. Aber die Gelegenheit Frauengespräche zu belauschen ergibt sich so selten und ich möchte doch wissen wie ihr denkt. So kann ich euch Frauen besser verstehen. Ihr sagt uns vieles ja auch nicht, weil ihr meint dass es für uns Männer genauso logisch wäre wie für euch und ihr erwartet, dass wir Hellsehen können.“ Ran hatte die Spitze bemerkt die liebevoll in seiner Tonlage mitschwang. „Übrigens“, fing er zu grinsen an: Eure Kommunikationsweise war äußerst amüsant. Vor allem eure Zeichnungen, die ihr zum gegenseitigen Verständnis angefertigt habt.“ „Die hast du auch gesehen?“ „Sicher, Liebes. Ich habe vorhin aufgeräumt.“ „Oh.“ „Ja, oh“, gab er ihr ein Küsschen: „Ich weiß, dass du trotzdem nicht alles so ganz genau verstanden hast was Ruth meinte. Ich kann dir das gerne noch mal auf Japanisch erklären, wenn du das möchtest. „Ja, das wäre nett.“ „Nun“, knuddelte er sie munter: „Jetzt wo du meine Lieblingsstellungen kennst: Verrätst du mir später auch deine?“, grinste er sie zum Spaß dreist an. Was sie zum Lachen brachte: „Vielleicht“, gab sie geheimniskrämerisch ein wenig an. „Yusaku?“, schmiegte sie sich ganz behaglich bei ihm an. „Ja?“ „Ich liebe dich.“ „Danke, das weiß ich. Ich liebe dich auch.“ Kurz blieben die beiden so umarmt und aneinander gekuschelt sitzen. Yusaku schaute auf seine Uhr: „Ich werde jetzt wieder runter gehen. Wir haben schon viertel vor fünf. Der Professor kommt gleich.“ „Ist gut“, antwortete sie ihm. „Bis gleich“, ging er zur Tür. „Ja“, sagte sie erst nur, bevor sie ihm noch einmal hastig nachrief: „Kannst du Shinichi den Brief von mir geben?“, war sie zum Schreibtisch aufgesprungen. Yusaku war überrascht, fragte aber nicht weiter nach. Während Ran weiterlas, sah Yusaku erneut nach seinem Sohn. Shinichi stellte sich schlafend. Er unternahm diesbezüglich nichts, sondern ließ ihn wieder alleine. In seinem Zimmer verstaute Yusaku den Brief in der obersten Schreibtischschublade. Viel zu viele von ihnen treten mit sexuellen Tabus, Hemmungen und Komplexen ins Erwachsenenleben ein. In aufgeklärten oder erleuchteten Gesellschaften werden die Kinder nie entmutigt, getadelt oder »korrigiert«, wenn sie anfangen, ein frühes Vergnügen an der Natur ihres elementaren Wesens zu finden. Noch ist ihren Eltern daran gelegen, ihre eigene Sexualität – das heißt, ihre Identität als sexuelles Wesen – besonders zu meiden oder unbedingt zu verstecken. Nackte Körper, ob nun die der Eltern oder der Kinder oder ihrer Geschwister, werden als etwas absolut Natürliches betrachtet und behandelt, als absolut wundervoll und absolut in Ordnung – und nicht als etwas, dessen man sich schämen müsste. Geschlechtliche Funktionen werden ebenfalls als etwas absolut Natürliches, Wundervolles und als völlig in Ordnung betrachtet und behandelt. In manchen Gesellschaften schlafen die Eltern vor den Augen ihrer Kinder miteinander – und was könnte den Kindern ein stärkeres Gefühl für die Schönheit und das Wunder und die reine Freude und die absolute »Richtigkeit« des sexuellen Ausdrucks der Liebe vermitteln als das? Denn die Eltern sind in dem, was »richtig« oder was »falsch« ist, ein ständiges Rollenvorbild für alles Verhalten, und Kinder fangen die subtilen und weniger subtilen Signale über alles durch das auf, was sie ihre Eltern denken, sagen und tun sehen. Wie schon früher bemerkt, bezeichnet ihr solche Gesellschaften vielleicht als »heidnisch« oder »primitiv«, doch ist erwiesen, dass in ihnen praktisch keine Vergewaltigungen oder Verbrechen aus Leidenschaft vorkommen, Prostitution als absurd verlacht wird und sexuelle Hemmungen oder sexuelles Fehlverhalten unbekannt sind. Während sich eine solche Offenheit gegenwärtig für eure eigene Gesellschaft nicht empfiehlt (da sie zweifellos, außer unter sehr speziellen Umständen, gesellschaftlich allzu geächtet würde), ist es doch an der Zeit, dass die sogenannten modernen Zivilisationen auf eurem Planeten etwas unternehmen, um den Schuld- und Schamgefühlen ein Ende zu machen, die so oft den sexuellen Ausdruck und die sexuelle Erfahrung in ihrer Gesamtheit umgeben und charakterisieren. Hört auf, den Kindern beizubringen, dass die Dinge, die mit den ganz natürlichen Funktionen ihres Körpers zu tun haben, schändlich oder falsch sind. Gestattet euren Kindern, die romantische Seite an euch zu sehen und zu beobachten. Lasst sie sehen, wie ihr euch umarmt, berührt, sanft liebkost – lasst sie sehen, dass ihre Eltern sich lieben und dass es etwas sehr Natürliches und Wunderbares ist, wenn sie ihre Liebe auf körperliche Weise zeigen. Wenn eure Kinder anfangen, ihre eigenen sexuellen Gefühle, Neugierde und Triebe zu erforschen, dann bringt sie dazu, dass sie diese neuen und bereichernden Erfahrungen ihrer selbst mit einem Gefühl der Freude und des Feierns und nicht mit Schuldgefühlen und Scham verknüpfen. Und hört um Himmels willen auf, eure Körper vor euren Kindern zu verstecken. Es ist in Ordnung, wenn sie euch bei einem Campingausflug in einem See in freier Natur oder im Swimmingpool im Garten nackt schwimmen sehen, bekommt keinen Schlaganfall, wenn sie euch unbekleidet vom Schlafzimmer ins Badezimmer gehen sehen; und hört mit diesem hektischen Bedürfnis auf, zu vertuschen, abzusperren und jede wenn auch noch so unschuldige Gelegenheit auszuschließen, die eurem Kind ermöglicht, euch als ein Wesen mit einer eigenen sexuellen Identität kennenzulernen. Kinder denken, dass ihre Eltern asexuell sind, weil ihre Eltern sich selbst ihnen so dargestellt haben. Dann stellen sie sich vor, dass sie auch so sein müssen, weil alle Kinder ihre Eltern nachahmen. (Therapeuten werden euch sagen, dass manche, wenn sie erwachsen sind, immer noch die größte Mühe haben, sich vorzustellen, dass ihre Eltern es tatsächlich »miteinander getrieben haben«, was diese »Kinder« – nunmehr Patienten der Therapeuten – mit Wut oder Schuldgefühl oder Scham erfüllt, weil sie natürlich den Wunsch haben, »es zu treiben«, und sich nicht erklären können, was mit ihnen nicht stimmt. Sprecht also mit euren Kindern über Sex, lacht mit euren Kindern darüber; unterrichtet sie, erlaubt ihnen. Das ist es, was ihr für eure Kinder tun könnt. Und tut dies vom ersten Tag ihres Lebens an, mit dem ersten Kuss, der ersten Umarmung, der ersten Berührung, die sie von euch erhalten und die ihr gegenseitig voneinander bekommt. Jedes Kind wird unmissverständlich klarmachen, wenn ihr wirklich beobachtet und zuhört. Es kommt in ganz bestimmten Wachstumsschritten. Und ihr werdet wissen, wie ihr dem jeweiligen Alter angemessen mit der Sexualität eures Kindes umgehen müsst, wenn ihr selbst damit im reinen seid, wenn ihr eure ganzen diesbezüglichen »unerledigten Angelegenheiten« erledigt habt. Tut, was nötig ist. Nehmt therapeutische Hilfe in Anspruch. Lest ein Buch. Meditiert darüber. Entdeckt einander – vor allem, entdeckt euch gegenseitig wieder als männlich und weiblich; entdeckt wieder eure eigene Sexualität, sucht sie wieder auf, gewinnt sie wieder, eignet sie euch wieder an. Feiert sie. Genießt sie. Nehmt eure eigene freudvolle Sexualität in Anspruch, dann könnt ihr euren Kindern erlauben und sie dazu ermutigen. Der sich schlafengestellte Shinichi fühlte sich elendig. Reglos lag er da. Zwar war er heilfroh, dass sein Vater wieder ohne weiteres gegangen war, doch stand er nun mit seinem Problem wieder ohne Hilfe da, versuchte weiterhin seine widerliche Übelkeit in den Griff zu bekommen. Er versuchte sich abzustützen, um sich aufsetzen zu können, was nicht mal vom Ansatz her funktionierte. Sofort wurde ihm wieder schwindelig und beinahe schwarz vor Augen. Die Zähne fest aufeinander gebissen jaulte er vor Schmerzen, schon allein durch das leichte Anheben des Kopfes und der schon extra so langsamen und bedächtig ausgeführten Bewegung seines Armes, auf. Die Augen zugekniffen winselte er aufs erbärmlichste und hoffte inständig, dass es nachlassen möge. Von den Dauerschmerzen und den damit verbundenen Begebenheiten, lag er weiterhin schachmatt. Von seinem dringlichsten Wunsch ins Bad zur Toilette zu kommen, um sich dort übergeben zu können, konnte er sich somit verabschieden. Hilflos sah er sich im Zimmer um, versuchte durchzuatmen, was vor lauter Übelkeit und Beklemmung nahezu ein Ding der Unmöglichkeit war. Verdammt, dachte er völlig verzweifelt. Er konnte nicht aufstehen und es wurde einfach nicht besser. Um Hilfe zurufen war keine Option. So gut er konnte versuchte er mit aller Mühe gegenzuhalten, was ihm letztlich nicht mehr gelang. Da er wusste, dass wenn er sich auf dem Bett selbst oder- wenn er es überhaupt schaffte sich auf den Boden zu übergeben-, dass er es selbst nicht mehr weg machen konnte, blieb ihm keine andere Wahl, als das Erbrochene in seinem Mund herunter zu schlucken. Er hätte vor Erniedrigung heulen können. Gibt es so etwas wie »zu viel Sex«? Nein. Aber es gibt so etwas wie zu viel Bedürfnis nach Sex. Ich schlage folgendes vor: Genießt alles. Braucht nichts. Menschen eingeschlossen. Jemanden zu brauchen ist der schnellste Weg, eine Beziehung abzuwürgen. Hört damit auf. Habt stattdessen gerne das Gefühl, nicht gebraucht zu werden – denn das größte Geschenk, das du jemandem machen kannst, ist die Stärke und die Kraft, dich nicht zu brauchen, dich für nichts zu brauchen. Yusaku platzierte gerade das letzte Kissen auf den drei Matten, dachte an Shinichi. Erneut fiel sein Blick auf die Karten. Diesmal zog er doch eine: XIV – Kunst: Jetzt, wo Du alle Zutaten zum Gelingen deines Vorhabens beisammen hast, gehe heute mit derselben sicheren Behutsamkeit vor, mit der das Universum unseren Lebensraum entstehen ließ. Dir wird dein Werk gelingen mit den Mitteln, die du hast. Die Differenz zwischen dem Ganzen und der Summe der Einzelteile liegt in Dir. Yusaku atmete tief durch. War dankbar und fühlte sich gestärkt. „Was machst du?“, kam Ran von der Tür aus fröhlich. Er zeigte was er gezogen hatte. „Und was hast du vor?“, war Ran neugierig. „Etwas wegen Shinichi“, sagte er sachlich. „Wie meinst du das?“, war sie verwirrt und auch erschrocken. „Keine Angst, Ran. Es ist nichts Schlimmes“, gab er ihr im Vorbei gehen einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe. Ran setzte sich neben ihn: „Was sind das für Karten?“, fragte sie nach. „Tarot“, meinte er. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er: „Es sind Karten mit denen man eine Zukunftsprognose erstellen kann, indem verschiede Legesysteme der Frage entsprechend angewandt werden. Das was ich jetzt gemacht habe war nur eine Tageskarte.“ Für einen Moment war es zwischen den beiden still. Yusaku hatte seinen Ellenbogen auf der Lehne aufgestellt. Seinen Kopf abgestützt sah in ihr irritiertes Gesicht. „Warum siehst du mich so an?“ „Weil ich dich gern habe und du eine richtige Augenweide bist.“ Sein Blick war verstärkt auf ihren Babybauch gerichtet, fing zu grinsen an: „Allerdings- deine Umstandsmode hat auch schon bessere Tage erlebt.“ „Ich weiß. Ich muss noch mal welche kaufen.“ „Wird langsam eng, was?“ „Ja“, lehnte Ran sich an der Lehne an: „Manchmal nervt sie mich.“ „Wer nervt dich?“, wollte Yusaku wissen. Ran deutete mit einem Blick auf ihren Babybauch: „Kickchen: Wenn ich nachts schlafen will tritt sie mich ständig.“ Yusaku schaute sie amüsiert an: „Du nennst sie Kickchen?“ „Ja.“ „Warum?“ Er lachte. „Hab ich doch gesagt, weil sie mich ständig tritt. Am liebsten würde ich sie manchmal an die Seite legen.“ Yusaku wog abwägend den Kopf hin und her: „Naja könntest du rein theoretisch tun. Überleben würde sie zwar- nur ob das nett wäre“, lachte er: „Aber ich kann verstehen, dass du ein wenig genervt bist. Wenn du dich noch etwas geduldest, werde ich sie für dich gerne die halbe Nacht durch die Gegend tragen. Ich weiß als Schwangere hat man es wirklich nicht leicht. Das finde ich an euch Frauen sehr beeindruckend.“ „Danke. Ich wollte nicht immer sie sagen und da kam ich halt darauf, dass Kickchen von kicken kommt. Das hat mich sofort an Shinichi erinnert. Er hat doch immer Fußball gespielt und ich mache doch Karate- bin also auch gut im treten. Und das chen haben ich an das Kicken noch drangehängt, weil sie einfach noch so klein ist.“ „Verstehe, das liegt nahe. Du weißt woran das liegt?“ „Du meinst, dass sie mich immer dann tritt wenn ich schlafen will?“ „Ja“, Yusaku tauschte einen Blick mit ihr: „Ich weiß, dass du die Schwangerschaftsbücher bereits durch hast. Wenn du trotzdem noch Fragen hast zur Schwangerschaft oder vielleicht auch zur Geburt, sehe ich gerne mal was ich noch so auftreiben kann.“ „Das ist lieb von dir, aber ich glaube ich weiß alles was ich wissen möchte und falls ich doch noch mal eine Frage habe, dann frage ich dich oder Mama einfach. Bestimmt könnt ihr mir das dann erklären“, lehnte Ran zufrieden ab. Gemütlich kuschelte sie sich an den Vater ihres Freundes. Der Moment hier im ruhigen, fürs Yoga hergerichteten Zimmer war richtig schön. „Ich geh die Tür aufmachen.“ Gemeinsam mit dem Professor kam er wieder nach oben. Ran lag schon in den Startlöchern: „Da seid ihr ja“, drängelte sie voller Vorfreude, dass es endlich wieder soweit war. Was Yusaku und der Professor mit Humor nahmen. Gegenüber von einander setzten sie sich zu ihr. Heiji war wie Kazuha noch am Schreibtisch beschäftigt. Sie schaute zu ihm hinüber. Shiratori mit Sato, die hinter Takagi stand, der gerade telefonierte sahen ihn zu gleichen Teilen besorgt, als auch ärgerlich an. Gerade Shiratori und Sato. Er bemerkte, dass Kazuha ihn anstarrte. Er würdigte sie dennoch keines Blickes, konzertierte sich weiter auf das Stück Papier vor ihm. Ran fühlte sich so rundum wohl, dass sie während der letzen Entspannung einschlief. „Lassen wir sie“, meinte Yusaku das verschmitzt bemerkend: „Sie hatte eine lange Nacht.“ Der Professor half ihm beim leisen aufräumen. „Es war mal wieder sehr schön, Yusaku.“ „Ja, das fand ich auch“, nahm er dessen zusammengefaltete Decke zu seiner: „Mir hat es auch sehr gefallen. Es tut gut, aber mit Ruthie ging das ja leider schlecht. Sie hätte uns nur damit aufgezogen“, legte er schmunzelnd die Decken beiseite. Der Professor schaute auf seine Uhr. Wie bei ihm war auch bei Yusaku die Anspannung, wenn auch nur unterschwellig spürbar. „Soll ich hier bleiben?“ „Danke, aber nein. Es reicht wenn ich das mit Yukiko alleine mache. Für Shinichi dürfte es auch so schon schwierig sein.“ Der Professor war verblüfft: „Ihr konntet euch einigen?“ „Ja“, Yukikos Mann schüttelte verwirrt in sich hinein lächelnd mit dem Kopf: „Ob du es glaubst oder nicht. Ich brauchte nicht einmal mit ihr zu diskutieren.“ Er wurde grüblerisch: „Es war zu leicht.“ Er beließ es bei dieser Aussage und ging nicht weiter darauf ein: „Komm“, meinte er: „Ich bringe dich noch zur Tür.“ Ein Stockwerk höher schaute Eri Yusaku erwartungsvoll an. Er grinste. Gemeinsam mit ihr bereitete er das Abendessen vor. Heiji wird gleich kommen, schaute Shinichis Vater auf die Uhr. Heiji war wirklich schon fast da. Er hatte einen Umweg gemacht und war langsamer als üblich gelaufen. Auf der einen Seite zog es ihn nicht zurück. Es war ein zu unangenehm, mulmiges Gefühl. Auf der anderen Seite war er doch sehr daran interessiert und überlegte sich, ob Shinichi es nicht vielleicht doch gesagt hatte. Er hoffte das wirklich. Er überlegte sich wie er auf die Situation, dass Shinichi es doch nicht gesagt hatte, reagieren sollte. In ihm kam Wut auf: Wenn er es nicht gemacht hat, kann er was erleben!, beschloss er stinkwütend zu werden und ihm die Hölle heiß zu machen. „Yukiko!“ Eri freute sich sie zu sehen. Deren Mann schaute überrascht auf, wie seine Frau zurückhaltend auf sie beide zukam. „Setz dich“, bekam sie von Kogoros Frau angeboten. Yukiko schaute Yusaku kurz an, nahm das Angebot dann an. Er hingegen ergänzte das Gedeck um eine weitere Schale, eine weitere Tasse und ein weiteres Besteck. Seine Frau versuchte seine Mimik dabei zu deuten. Sie erkannte, dass er sich über ihr Erscheinen wunderte, aber sie konnte nicht ausmachen, ob ihn das nun freute oder nicht. Er schien es einfach nur so hinzunehmen. Unten vor der Haustüre blieb Heiji allerdings unschlüssig stehen. Yusaku, den Reis auf dem Tisch platziert, hörte die Treppenstufen. Er wechselte einen kurzen Blick mit seiner Frau, als er wie sie mitbekam, dass Heiji definitiv nicht darauf angelte von ihnen gesehen zu werden. Yusaku deutete Yukiko nonverbal an sich weiter ruhig zu verhalten. Schon auf der nächsten Treppe beschlich Heiji der blöde Verdacht, dass er mit seinen Zweifeln über Shinichis Beichte richtig lag, denn er hatte seine Eltern seelenruhig in der Küche gesehen. „Also hat er es nich getan!“, fluchte er, bevor seine Vermutung beim Betreten seines Zimmers zur tatsächlichen Gewissheit wurde. Allerdings war seine Wut auf der Stelle weg, als er seinen geschrumpften Freund völlig fertig auf dem Boden liegen sah. Sofort war er zu dem Mini-Shinichi geeilt und hatte ihn vorsichtig zu sich aufgesetzt. Ihn durch seine Arme festgehalten und bei sich angelehnt sah er erst jetzt in die verzweifelten Augen seines Freundes, der ihn „Heiji, hilf mir“, panisch anflehte ihm zu helfen: „Bitte Heiji! Hilf mir!“ „Ja“, versuchte er selbst erst einmal Ruhe zu bewahren und bemühte sich den geschrumpften Shinichi zu beruhigen: „Das mach ich. Ich helfe dir. Beruhig dich, Shinichi.“ Was Shinichi seine Angst aber nicht nehmen konnte. Er hatte immer noch panische Angst. Ihm war so schwindelig und er hatte Mühe seine Umgebung und somit Heijis extra ruhig betonntes Fragen noch richtig wahrzunehmen. Dessen Besorgnis sich auf seinem Gesicht abzeichnete, als der den Puls seines Freundes fühlte. Er merkte, dass ihm das Atmen schwer fiel. „Mein Herz schlägt nicht richtig“, schaffte der Geschrumpfte es seine Probleme zu verbalisieren. Er wusste, dass Heiji recht hatte, wenn er sagte er solle sich beruhigen, aber er war so nervös. Er hatte solche Angst wie noch nie zuvor in seinem ganzen Leben. „Shinichi, Shinichi!“, hörte er Heiji nach sich rufen, der sichergehen wollte, dass er das auch verstand, was er ihm sagte: „Ich muss jetz kurz gehn! Ich hol Hilfe! Keine Angst! Ich bin gleich wieder da, Shinichi! Das versprech ich dir!“ Erste Maßnahmen eingeleitet ließ er ihn sanft zurück. Heiji rannte ein Stockwerkt tiefer. Er war aus der Puste, als Yusaku ihn auf sich zu eilen sah. Heiji brauchte nichts zu sagen. Yusaku, allein durch dessen Blick bereits in Alarmbereitschaft gesetzt, richtete sich an Eri: „Warte mit dem Essen nicht auf uns. Wir müssen was erledigen“, lief er dem Freund seines Sohnes zügig entgegen. Yukiko, ebenfalls in Sorge folgte ihrem Mann… --------------------------------------------------------------------------- *Anmerkung(en): -chen gleichzusetzen mit chan- wie bei Ayumi-chan- ihr versteht. Bei der Erwähnung an das „Doktorspiel“ spiele ich auf Folge 33, „Rans geheimnisvolles Date“ an. Da wurde erwähnt, dass Eri die beiden wohl mal erwischt hatte. Der „rote Faden“ dürfte auch klar sein- Der erste Kinofilm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)