Londinium von Nao_Kirisaki ================================================================================ Kapitel 3: Ohne Erinnerung -------------------------- Als am nächsten Tag, es war schon fast Mittag, die Sonne durch die Fensterladen hindurch sickerte, rührten sich allmählich die schweren Augenlider. Langsam klappten diese hoch und legten ein Paar glasklare blaue Augen frei. Überrascht schaute sich Ryou um, erhob schwerfällig seinen Oberkörper und fand sich dann in seinem neuen Zuhause auf dem Bett vor. Doch als ob dies noch nicht seltsam genug gewesen wäre, hatte er auch noch immer die selbe Kleidung an, mit der er gestern das Haus verlassen hatte. Schließlich stand er auf, suchte in seinem Kopf nach einem Hinweis, wie er hier her gekommen war. Jedoch fand er nach Verlassen des Hauses seine Erinnerung nicht wieder. Ryou beschloss erst einmal seine Kleidung zu wechseln, erhielt aber nach mehrmaligem Rufen keine Antwort seines Kammerdieners oder irgendwem. Im ganzen Haus war es totenstill, was ihn nur noch nervöser machte. Seufzend entschloss er, dass er sich auch alleine umziehen konnte, öffnete dann die kleine Kleiderstube. Aus dieser fiel ihm plötzlich etwas entgegen, riss ihn mit zu Boden und... „AAAAAAHHHHHHHHHH~!!!“, ertönte ein lauter Schrei. Sofort entfernte Ryou sich von dem Etwas, welches ihn zu Boden gerissen hatte, presste sich hart an die Wand hinter ihm. Das Etwas war niemand anderes als sein Kammerdiener, der nun tot vor seinen Augen weilte. Dieser Anblick wurde nur noch davon übertroffen, dass ein Schwert in dessen Mund hinein geführt worden war und einen grausigen Anblick für Ryou darstellte. Die Gedanken an das Umziehen waren inzwischen wie weggeblasen, da überall in der Kleiderstube Blut klebte. Zitternd sprang er auf, dachte nur noch daran Hilfe zu holen. Schnell huschte er vor die Tür, wusste, dass dort seine beiden Hausdiener die Türe bewachten. Doch auch hier konnte er keine Hilfe mehr erwarten, fand die beiden Diener mit einem Dolch im Kopf vor und sackte noch im Türrahmen zusammen. Sämtliches Gefühl für Zeit war verloren gegangen, als der Weißhaarige die letzten Tränen wegwischte, die aus Panik seine Augen benetzt hatten. Noch immer wusste er nicht, was passiert war, hatte jedoch keine andere Wahl, als die Morde der Polizei zu melden, bevor man ihm diese anhängen konnte. Im Eiltempo verließ er die Wohnung, ließ die Leichen unangetastet und fragte sich bis zum Revier durch. Dort wurde er erst einmal seelisch betreut, bevor sich der Officer um ihn kümmern wollte, bekam sogar einen Tee. Schließlich ließ der Polizist, der sich so nett um ihn gekümmert hatte, ihn alleine und ein älterer Herr setzte sich ihm gegenüber. „Guten Tag, junger Herr. Mein Name ist Officer Richards. Und wie heißen Sie? Oder darf ich 'du' sagen?“, wollte er die Atmosphäre zunächst etwas auflockern. „Ich bin Ryou Veskon, Officer. Meinem Vater gehört das Anwesen auf dem Mount Humbelton.“, erzählte er kurz über sich und erntete einen erstaunten Blick. "Und sie dürfen mich auch duzen.", erlaubte er dem Officer. „Was macht der Sohn eines Ministers denn alleine hier in der Stadt?“, wollte er mit erstaunter Stimmlage wissen. „Ich... Es war mein Geburtstagswunsch. Ich wollte einen Freund finden. So weit abseits der Stadt war ich immer sehr alleine. Mein Vater hat mir dann den Wunsch erfüllt und ich durfte in ein Haus hier im Viertel einziehen.“, erzählte Ryou kurz. „Du meinen das Haus, in dem die drei Morde verübt worden sind?“, fragte der Officer und erntete nur ein stummes Nicken. „Weißt du, Ryou. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir nehmen den Fall mit auf, dir wird nichts passieren.“, versprach der Mann. „Wie kommen Sie darauf?“, wollte Ryou nun wissen. „Weißt du, die Morde gehören zu einer Serie. Der Täter benutzt immer Schwerter oder Dolche und hinterlässt Tarotkarten am Ort, die die Szene wieder spiegeln. Bisher waren es insgesamt acht Schwertkarten, die wir an verschiedenen Tatorten gefunden haben. Leider haben wir bisher noch keinen Anhaltspunkt, wer der Mörder sein könnte oder was ihn bewegt. Das sind unsere einzigen Hinweise.“, erklärte der Mann. „Serie? Aber woher wissen Sie dann, dass ich nicht in Gefahr bin?“, wollte Ryou sofort wissen. „Du wärst tot, wenn er es vorgehabt hätte dich zu töten. Aber du lebst noch und das ist der Beweis, dass er an dir nicht interessiert ist. Er tötet immer schnell und das auch ohne gesehen zu werden. Allerdings wundern wir uns, wie so etwas passieren konnte, ohne dass der Hausherr etwas bemerkt.“, sah der Officer Ryou an. „Ich, also... Ich weiß auch nicht was passiert ist. Gestern Abend, da bin ich noch einmal aus dem Haus gegangen um mir das Feuerwerk anzusehen. Aber ich erinnere mich schon nicht mehr, auf dem Marktplatz angekommen zu sein.“, war er ehrlich. „Das ist ja interessant. Hast du irgendeine Droge zu dir genommen? Oder ein Schlaftrunk?“, sah ihn Officer Richards nun skeptisch an. „Nein, so etwas mache ich nicht.“, sagte er die Wahrheit. „Bitte glauben Sie mir, Officer.“ Dieser seufzte und packte dann seine Unterlagen zusammen, hatte erneut nichts in der Hand, was er nutzen konnte um den Täter, der London in den letzten zwei Wochen in Angst und Schrecken versetzt hatte, fassen zu können. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen, ordnete er die Säuberung des Tatortes nach der Bestandsaufnahme an und zog sich zurück. Wieder einmal konnte er nur einen Standartbericht ohne Ergebnis schreiben, da sein wahrscheinlich einziger Zeuge sich nicht mehr erinnern konnte. „Geht nach Hause, Junge. London ist zu gefährlich für euch. Ihr solltet hier nicht bleiben.“, wurde er wieder sachlicher und verabschiedete sich. Ryou sah ihm noch einen Augenblick nach, wurde plötzlich vor die Tür gesetzt. Entweder wollte oder konnte man ihm hier nicht helfen, ihn allerdings tief traf und verletzte. Wenn sein Vater davon erfahren würde, würde dieser sicher ausrasten, doch er hatte keine andere Wahl. Als er zurück zum Haus kam, erkannte er mit einem gezielten Blick die bereits durchgeführte Reinigung seines von ihm bewohnten Hauses. Seufzend beschloss er, dass er doch besser die Koffer packen und verschwinden sollte, bevor er das nächste Opfer dieses Wahnsinnigen sein würde. Ein Blick in den Kleiderschrank ließ ihn die gähnende Leere in seinem Kleiderschrank erkennen, die man wohl als Beweismittel durch das an ihr klebende Blut mitgenommen hatte. Jedoch wollte er auf keinen Fall abreisen, beschloss, sich neue Gewänder zu besorgen und verließ sein Haus wieder. Es dämmerte bereits, als Ryou mit seiner neuen Kleiderauswahl fertig war und sich in einem kleineren Laden nach einem Souvenir umsah. Die Kleidung würde er am nächsten Morgen fertig abgeändert geliefert bekommen und hatte beschlossen, diese eine Nacht noch in dem Haus zu verbringen. Interessiert schaute er durch eine bunte gläserne Vase hindurch, als er plötzlich eine doch recht bekannte Silhouette erkennen konnte. Es war der Mann von gestern Abend, glaubte er jedenfalls zu erkennen. Sofort spurtete er nach draußen, bekam gerade noch so mit, wie ein Stück von dessen Umhang um eine Ecke verschwand. Der Weißhaarige rannte ihm nach, war dieser Mann doch der einzige Hinweis, den er hatte, um vielleicht doch noch zu erfahren, was geschehen war. Also folgte er ihm durch die Gassen Londons, verlor dabei fast vollkommen die Orientierung. Wo er hier war und wieso der Mann sie gerade hier lang führte, wusste Ryou nicht, hatte jedoch keine andere Wahl mehr, als ihm zu folgen. Schließlich, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, fand er sich auf der Hauptstraße wieder, war direkt neben seinem Haus angelangt. Ryou schluckte hart, wusste nicht, wohin der Mann verschwunden war und sah sich auf der Straße genauestens um. Er hatte ihn aus den Augen verloren, fühlte sich nun gar nicht mehr so sicher, wie vorhin noch. Vorsichtig betrat er das Anwesen, schnappte sich den erstbesten Gegenstand, den er finden konnte und erkundete schleichend das Anwesen. Den Mann konnte er dabei nicht entdecken, wurde nur langsam ruhiger und schließlich erleichtert. Schnell stellte er die Holzstatue wieder zurück an seinen angestammten Platz, ging zurück auf sein Zimmer und atmete tief ein und aus. Müde ließ sich der weißhaarige auf sein Bett fallen, als er etwas ungewöhnliches an seinem Rücken spürte. Überrascht tastete er sich vor, hielt plötzlich etwas Flaches in der Hand. Langsam richtete er sich auf, blickte auf den Gegenstand, der sich als eine Tarotkarte heraus stellte. Auch erkannte er, dass diese anders war, wie die bisher gesehenen. Vorsichtig, als würde ihm diese Karte gerade etwas schlimmes antun, drehte er diese zwischen seinen Fingern hin und her. Auf der Karte war eine schlafende Frau abgebildet und darunter war der Kartenname „Eremit“ zu lesen. Der Weißhaarige seufzte, wusste nicht, was diese letzte Karte zu bedeuten hatte und warum sie gerade jetzt auftauchte. War sie überhaupt erst jetzt da oder hatte die Polizei sie irgendwie übersehen? Er sah erneut auf die Karte, die ihn nun immer nervöser machte. Es war eine Karte, die offensichtlich nur ihm galt und ihn zu seiner Bestimmung zu rufen schien. Doch was sagte diese Karte über ihn? Ryou wusste es nicht, hatte jetzt aber keine Möglichkeit mehr, einfach so nach Hause zu reisen. Wenn er wieder ruhig schlafen wollte, dann musste er zumindest herausfinden, was die Karte bedeutete und welche Rolle er in dem Ganzen spielen sollte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)