Unforgivable Sinner von xRajani (Remake) ================================================================================ Kapitel 8: Der Wille zu siegen ------------------------------ Tosender Applaus brach dem Mädchen entgegen, als es auf die Bühne trat. Schritt für Schritt ging sie vorwärts, den Kopf stolz empor gereckt und vom rhythmischen Takt ihrer eleganten Sandaletten begleitet. Über ihre Schultern wallten sich ihre braunen Haare, welche sich leicht lockten und im Scheinwerferlicht matt glänzten. Gekleidet war die junge Koordinatorin in einem weinroten Cocktailkleid, das ihr bis zu den Knien reichte und keine Träger hatte. Eine Schleife war unterhalb der Brust angesetzt, während kristallene Ornamente den leichten, mehrschichtigen Stoff, der beinahe transparent war, verzierten. Schon lange verspürte Haruka keine Nervosität mehr, wenn sie vor einem Publikum stand. Kein Zögern verrieten Zweifel an ihrer Entschiedenheit. Ihr Traum hing von diesem Augenblick ab. Sie durfte nicht zögern und ihre Unsicherheit zeigen. In völliger Ruhe ließ die Koordinatorin deshalb den Blick durch die Zuschauerreihen schweifen, die aufbauschende Stimme der Moderatorin ignorierend. Gewiss beherrschte jene Frau, die in eine weite Abendtracht gewandet war, ihr Handwerk. Eines Sturmes gleich peitschten sie die Männer und Frauen mit ihrem Enthusiasmus auf. Haruka aber versuchte sich von der Moderatorin abzuschotten. Stattdessen genoss sie das Gefühl im Scheinwerferlicht zu baden, erfreute sich an der Glückseligkeit der Menschen, die an diesem Tag den Weg in diese Hallen gefunden hatten, um diesem Wettbewerb beizuwohnen. Den Kopf senkend, schloss sie besinnend die Augen. Sie durfte nicht verlieren. Nicht wieder. Jene Genugtuung würde sie ihren Rivalen nicht gebieten. Ja, dieses Mal legte Haruka all ihr Können in die bevorstehende Vorführung, und sie vertraute auf ihre Pokémon, mehr als einem Menschen zuteilwerden mochte. Schließlich reckte Haruka ihr Haupt. Entschlossenheit war in ihren Blick getreten, während ihre Finger sich um zwei Kapseln legten. Einen Herzschlag lang zögerte sie den Auftakt hinaus, beobachtete aufmerksam die Menschenmassen, die ihr angespannt entgegen blickten. Natürlich vermochten auch sie zu erahnen, welche Last auf ihren Schultern ruhte; das Privileg am Festival teilnehmen zu dürfen. Nicht viele Tage waren seit ihrer letzten Niederlage vergangen. Dann legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und dachte daran, jene Menschen glücklich zu machen. Es war ihr oberstes Ziel, das sie sich an diesem Tag gesetzt hatte. „Eneco! Psiana! Stage On!“, erlöste Haruka das Publikum von der Qual des Wartens und grinste, wie ein erneuter Ansturm des Jubels über sie hinein brach. Nun aber brach sich das Licht in der gleißenden Flut der sich öffnenden Pokébälle und ließ die Halle in flackerndem Glanz erstrahlen, die wellengleich vom roten Juwel der Lichtkatze ausgingen. Sich um ihre eigenen Achsen drehend, landeten die Katzen leichtfüßig auf ihren Pfoten, während das matte Licht allmählich verlosch. So verging auch jenes schwache Funkeln, das Enecos und Psianas Fell schimmern gelassen hatte. Mit der Arroganz, die Königinnen gleichkam, musterten die Damen das Publikum. Die Schmeicheleien, die ihnen entgegen gebracht wurden, gefielen den stolzen Katzenseelen. Freilich behielten sie Recht. Sie waren sicherlich die schönsten Katzen ganz Johtos. Dann wandten Eneco und Psiana ihre Augen von den Zuschauern ab und sahen ihre Trainerin ernst an, für die es galt all ihre Kraft aufzuwenden. Ihr Traum war auch der Traum ihrer Pokémon. Daher zollten Eneco und Psiana dem Mädchen großes Vertrauen. „Seid ihr bereit?“ Gereizt maunzten die Katzen eine bejahende Antwort und tadelten Haruka mit ihren verengten Pupillen. Welch törichte Frage! Würden sie an ihrer Seiten sein, wenn sie nicht bereit wären, um dieses letzte Band zu kämpfen?! Kaum merklich schüttelte Psiana amüsiert das Haupt. Menschen! Knapp nickte Haruka. „Psiana! Deinen Sternschauer!“ Auf diesen Befehl hatte die Lichtkatze bereits gewartet, die nun anmutig den Kopf in den Nacken warf und sich mit einem eleganten Sprung in die Lüfte begab, den geteilten Schwanz wie den Schweif eines Kometen nach sich ziehend. Schwache Funken zuckten und schwebten um sie herum, die binnen weniger Sekunden die Gestalten hunderter Sterne annahmen. Das Rampenlicht reflektierte ihren Schein und ließ sie in einem wundersamen Glanz erstrahlen. Als die Gebieterin entschlossen miauend das Haupt ruckartig zur Seite drehte, schickte sie jene wie Geschosse herab. „Beschleunigen und Psychokinese!“ Fauchend stürzte sich Psiana blitzschnell zu Boden und drohte auf dem zum Hochglanz polierten Parkett auszurutschen, als ihre Pfoten auf dem Untergrund nach Halt suchten. Nur ihren langen, spitzen Krallen hatte Psiana zu verdanken, dass sie nicht hart aufprallte. Doch all das, die entsetzten auf ihr ruhenden Blicke der Zuschauer, gehörte zum Business, und jagte der Katze jedes Mal das Adrenalin durch die Venen. Ihr gefiel es, wenn die Menschen ihren Atem anhielten und ihre Augen von ihrer fesselnden, wilden Schönheit nicht abzuwenden vermochten. Es schmeichelte lieblich ihr Katzenherz. In einer fließenden Bewegung richtete sich Psiana auf. Eneco wirkte plötzlich so unbedeutend. Ihren zierlichen Leib streckte die Lichtkatze und stellte die Schnurrhaare energisch nach vorne, während ein demütiges Funkeln die Bühne in ein sanftes, schauerliches Licht tauchte. Mit aufblitzenden Augen löste sich eine mystische Kraft aus ihrem Körper, eine Aura, die von Geisterhand geführt den Sternhagel auffingen und mit dem sanften Neigen des Kopfes einen Kreis bildeten, in dessen Mitte die anmutige, stolze Katze sich auf die Hinterbeine niederließ. Wie eine Marionettenspielerin kontrollierte sie die sternhaften Formen, die willenlos in der Luft rotierten und einen zarten Staub abgaben. Regungslos, bloß der Schweif zuckte unbewusst hin und her, verweilte das Wesen dort, ihren starren Blick auf die Zuschauer gelegt. „Jetzt bist du an der Reihe“, holte Haruka Eneco aus der Anspannung, welche bereits duldsam neben Psiana ausgeharrt war und den Schwanz erregt durch die Luft peitschen ließ. Einer Sprungfeder gleich war Eneco in die Höhe geschnellt. „Kraftreserve!“ Sich zur Konzentration mahnend, drang Eneco in ihr tiefstes Bewusstsein ein, an die fremden Winkel ihres Wesens. Als wäre ihr Geist ein eiskalter Fluss, den es zu bezwingen galt, überwand sie sich und beschwor diese reine Energie aus den hintersten Winkel ihrer Gedanken und überließ sich wenige Herzschläge lang dem Strom der Kraft spendenden Macht in ihr. Wie eine machtvolle Strömung brach jene Energie aus dem Körper des Kätzchens hervor, drohte es hinfort zu spülen. Lichtkugeln entstanden aus dem Werk jener Bemühung, umkreisten im Takt mit den Sternen den Leib des Kätzchens und erlaubten ihm graziös in der Luft zu schweben. Selbstbewusst verzogen sich Harukas Mundwinkel zu einem siegesgewissen Grinsen, und sie bedankte sich bei den Göttern, dass sie kein böses Spiel mit ihr trieben. Vielleicht stand ihr sogar Lugia bei? Nun aber tasteten ihre Finger nach einem Beutel, den sie von ihrem besten Freund erhalten hatte, und holte einen glatten, von weißen Äderchen durchzogenen Stein hervor. Eine sanfte Kühle strömte aus seinem Inneren hervor und glänzte im Licht verheißungsvoll. Ja, eine Aura des Mysteriums umfing den Stein, das vermochte Haruka zu spüren. Dann richtete sie ihre Augen wieder auf Eneco, das durch Kraftreserve getragen durch die Luft tanzte, und schloss ihre Finger sich um den Mondstein. „Aufgepasst! Fang, Eneco!“, lenkte Haruka die Aufmerksamkeit auf ihr Tun und schleuderte das seltene Mineral in die Höhe. In stummer Vorfreude das Maul geöffnet, schnellte das Kätzchen auf den Mondstein zu und bremste die Geschwindigkeit ruckartig in der Luft ab. Ihre Zähne schrammten über seine Oberfläche, als sie sich um das kühle Gestein legten. Kaum berührte Eneco den Stein, rann flüssiges Mondlicht durch ihre Adern, heiß und dennoch eiskalt. Enecos Körper strahlte von innen heraus, so grell und einnehmend, dass nicht einmal mehr ihre Konturen zu sehen waren. Den Kopf in den Nacken werfend und das Maul leicht geöffnet, nahm das Kätzchen das fast schmerzhafte Pulsieren ihres Leibes wahr, als sich Muskeln und Sehnen dehnten und streckten. Jeder wusste Bescheid, von welcher Energie die Katze ergriffen wurde. Ihre Form veränderte sich. Das kindliche Kätzchen wurde erwachsen, wuchs heran und erhielt einen anmutigen Körper. Das strahlende Mondlicht, welches noch immer Enekoros Gestalt absonderte, ließen auch die Energiekugeln silbern strahlen. Begeisterung brandete Haruka entgegen, die sie nur nebensächlich vernahm. Zu keiner Zeit ließ ihre Konzentration nach. Es wäre fatal, wenn sie eine Sekunde lang ihre Achtsamkeit vernachlässigte. Nun huschten ihre Augen auf die Lichtkatze, die noch immer nach ihrem Willen über den Sternenring gebot. Ihre Lefzen waren zurückgelegt, so als beschrieben sie ein schalkhaftes Grinsen. Die alles entscheidenden Sekunden brachen an, der Showdown begann! „Auflösen und Psystrahl!“ Das Juwel ihrer Stirn funkelte intensiver und der Schein, der an Kirschblüten erinnerte, wurde schon bald von einem regenbogenfarbenen Strahl durchbrochen. Fauchend drehte Psiana ruckartig den Kopf. Als zerschlüge ein Steinbrocken ein Glasfenster, traf der Psystrahl auf die mit Geisterhand geführten Sterne und ließ sie in abertausende Staubpartikel bersten, die glitzernd dem Erdboden entgegen rieselten. Die Hand zu Enekoro ausstreckend, kündigte Haruka an: „Und zum Abschluss Blizzard!“ Noch immer getragen von Kraftreserve, die allmählich an Intensität nachließ, schwebte die erwachsen gewordene Katze herab, und ihre Pfoten berührten den vertrauten Untergrund. Jetzt aber sammelten sich eisige Winde um Enekoros Leib, als sie die Energie des ewigen Winters in ihrem Bewusstsein herauf beschwor. Merklich kletterten die Temperaturen in der Halle in die Minusgrade, als ein klirrend kalter Windhauch Enekoro umwehte. Wie hauchdünne Nadeln stach die Kälte schmerzhaft in Haut und Haare. Ihr entfuhr ein Schaudern, ein schwaches Zittern, als sie Arktos‘ Atem zu spüren vermochte. Dennoch reckte Enekoro zufrieden ihren Hals und trotzte erhaben miauend dem Frost. In diesem Moment fiel regenbogenfarbener Sternstaub, der zu glitzernden Schneeflocken erstarrt war, auf das Publikum herab und entlockte den Zuschauern entzückte Laute. Die begeisterten Blicke der Anwesenden machten Haruka stolz, erfüllten sie mit Freude. Sicherlich hatte sie auch die Jury begeistern können! Sie verneigte sich und verließ mit einem optimistischen Lächeln die Bühne. „Damen und Herren, am heutigen Abend bekommen wir ganz exklusiv bereits einen Vorgeschmack auf das bevorstehende große Festival! Begrüßen Sie zu meiner Linken eine Koordinatorin, die bereits Höhen und Tiefen durchwandert hat - Haruka Minamoto!“ Haruka betrat die Bühne und schritt gelassen, aber zögerlich ins Rampenlicht. Scheu und Zweifel nagten einen Augenblick an ihrem Herzen, als sie angespannt dem Takt ihrer Pumps lauschte, den die Absätze auf dem polierten Parkett erzeugten, und doch dauerte diese Unsicherheit nur für einen vergänglichen Herzschlag lang an. Der Applaus des Publikums, die Jubelrufe, in denen sie ab und an ihren Namen wahrnahm, spendete ihr Kraft; Kraft, die sie bitter nötig hatte. Die Zweifel, welche zuvor versucht hatten, ihren Geist zu trüben, wurden unbedeutend; sie lösten sich im Nichts auf. Mit neu gewonnener Selbstsicherheit reckte Haruka das Kinn vor, denn ihr war bewusst, wer ihr das Band streitig machte. Ob sie aufgrund dieser Tatsache nervös oder entspannt sein sollte, vermochte sie in diesem Augenblick nicht zu beantworten. Überrascht stellte Haruka fest, dass ihr jegliche Aufregung bei dem Gedanken sogar fernblieb. Erleichtert atmete sie aus, auch wenn ihr die wohl schwerste Prüfung noch bevorstand und ihr bewusst war, dass die Unruhe wie ein hungriges Tier irgendwo ihrem Geist innewohnte. „Und nun, meine werten Zuschauer, tritt an meine rechte Seite eine Persönlichkeit, die erst vor Kurzem die diesjährige Silberkonferenz in einem spektakulären Kampf für sich entschieden hat. Hier ist Aika Taylor!“ Wie ein gefeierter Popstar wurde Aika in der Arena empfangen. Einer Explosion gleich brauste das Publikum jäh auf, als sie aus den Schatten trat und sich mehrere Lichtkegel auf Aika richteten. Ein wilder Ansturm von lautem Beifall und Jubelrufen brandeten von jeder Seite an die junge Frau heran. Doch gingen sie im Echo des ohrenbetäubenden Geschreis und dem Kreischen unter, welche im Stadion widerhallten und Harukas Ohren schmerzen ließ. Mit federnden Schritten und empor gestreckten Armen schritt sie den Steg entlang. Ein strahlendes Lächeln erhellte ihre Gesichtszüge, als sie sich zu allen Seiten wandte und die Zuschauer mit Zurufen ihrerseits zu noch lauterem Begeisterungsstürmen motivierte. Ihr helles Lachen wurde vom Gejohle des Publikums vollkommen verschluckt. Schließlich erreichte Aika das Kampffeld und nahm ihren Platz Haruka gegenüber ein. Erst nach zahlreichen Aufforderungen vermochte die Moderatorin die tobende Menschenmasse zum Schweigen zu bringen. „Haruka, denk daran, über was wir gestern gesprochen haben“, sagte Aika lächelnd, als der Lärmpegel langsam erträglicher geworden war. Haruka nickte bloß. „Auf einen guten Kampf und möge der Bessere gewinnen!“ Eines flüchtigen Blickes schenkte sie nun dem Schauplatz Aufmerksamkeit: Ockerfarbener Sand war die Grundbeschaffenheit des vor ihnen liegenden Feldes, während spitze, breite und flache Felsen aus dem Erdboden empor sprießen; Behinderungen, die Haruka in ihren Manövern berücksichtigen musste oder Hindernisse, welche ihr zum Verhängnis werden konnten. „Erneut stehen sich zwei Freundinnen gegenüber. Wer vermag wohl zu gewinnen? Lasst uns beginnen!“, brauste Novia, die Moderatorin der johto’schen Wettbewerbe, erneut auf. Mit diesen Worten begannen die Sekunden von einem fünfminütigen Limit beständig abzulaufen. All den Funken Mut, den Haruka in ihrem Körper aufbrauchte, legte sie nun ihre Stimme. „Enekoro und Psiana!“ Zwei anmutige Katzen lösten sich aus der Lichterflut des Pokéballs und marschierten auf die Bühne. Sich auf den Boden setzend und die Pfoten leckend, wohnten sie scheinbar teilnahmslos der Situation bei. „Tsume und Malik, auf geht’s!“ Sogleich landeten die Kapseln auf dem Boden und enthüllten eine kolossale, gewiss drei Meter große Silhouette, welche ein markerschütterndes Brüllen ausstieß, um ihr imposantes Bild zu bekräftigen. Die panzerartige Haut war so schwarz wie die Nacht. Die scharfen Krallen, die roten Stoßzähne und der hin- und her zuckende Schwanz wirkten bedrohlich, wie das kalte Feuer, das in den Augen jenes Geschöpfes brannte. Beim genaueren Betrachten erinnerte jene Kreatur eher an einen urzeitlichen Dinosaurier als an einen Drachen. Harukas Erstaunen hielt sich, im Gegensatz zu den wunderlichen Rufen der Zuschauer, in Grenzen, denn sie wusste um Aikas vielfältigen Besitz an Pokémon. Schließlich war die junge Frau bereits seit sechs Jahren in der Weltgeschichte unterwegs. Doch als das zweite Pokemon gerufen wurde, da stutzte auch Haruka einen Herzschlag lang. Malik – so war der Name des jungen Mauzis, das sie von einem Flüchtlingsjungen namens Tarek geschenkt bekommen hatte. Als sie das Junge das letzte Mal gesehen hatte, war der kleine Kater noch ein recht kleines Mauzi, welches kaum Kampferfahrung hatte. Konnte es möglich sein? Es war der graziöse Leib eines Pumas oder Löwen, welcher seiner Trainerin nun an die Hüfte reichte. Das zuvor an der Stirn prangernde Gold war nun zu einem runden, ja leuchtenden Juwel geworden. Pfote vor Pfote setzend schritt das Snobilikat vorwärts. Bei jeder Bewegung spielten die Muskeln unter dem seidenglatten Fell. Psiana und Enekoro blickten auf und warnten fauchend die eindrucksvolle Raubkatze eindringlich einen Fehler zu begehen. Die rund gewordenen Ohren, die ebenfalls an einen Puma oder Löwen erinnerte und von einer schwarzen Zeichnung hervorgehoben wurden, zuckten bloß. Maliks rechte Lefze hob sich arrogant. Durch Aika hatte Haruka eine wichtige Lektion gelernt: Dass sie, bevor sie ihren Gegner leichtsinnig angriff, stets mehr über Mensch und Pokémon in Erfahrung bringen sollte. Da sie über Snobilikat kaum etwas wusste, musste sie behutsam vorgehen, um Maliks Können zu ergründen. Daher wartete sie, bis Aika sich entschloss, den ersten Schritt zu wagen. „Macht euch bereit“, warnte Haruka ihre Pokémon, die nicht beabsichtigten, unaufmerksam zu sein. Während Psiana und Enekoro leicht in die Hocke gingen, spannten sich die Muskeln in ihren Leibern an, und sie bleckten kämpferisch die Zähne. Sie waren bereit, mehr als das, sie brannten darauf, zu kämpfen. „Wenn du nicht angreifst, greife ich an!“, sprach Aika. „Beide Schlitzer!“ Maxax und Snobilikat stürmten so rasch vor, dass sich Harukas Gedanken zu überschlagen drohten. Der dinosaurierartige Drache stürzte sich brüllend mit gespreizten Klauen vor, während Malik sich mit einem kraftvollen Sprung geschmeidig in die Luft begab. Dann fuhr er fauchend auf Psiana nieder. „Ausweichen!“, befahl die Brünette dennoch ruhig, was in dieser Situation angemessen war. „Psiana, ab in den Untergrund mit dir! Enekoro, Kopfnuss gegen Snobilikat und folge danach Psiana!“ Der sandige Boden war weich, sodass die Lichtkatze kaum Probleme hatte, um in der Erde Zuflucht zu finden. Geduldig wartete sie auf Enekoros Ankunft in ihrem gemeinsamen Versteck und sehnte sich nach dem nächsten Befehl ihrer Trainerin. Mit zurückgelegten Lefzen und einem wütenden Zischen sprang Enekoro Snobilikat entgegen, unterwanderte den Krallenhieb und stieß frontal mit ihm zusammen. Durch die Wucht des Aufpralls und des Größenunterschieds wurde die kleinere Katze zurückgeschleudert, landete aber unversehrt auf allen Vieren. Sie bleckte fauchend die Zähne, kehrte aber dem Kater den Rücken zu und zog sich dann ebenfalls ins von Psiana gegrabene Loch zurück. Vielsagend verzogen sich Aikas Mundwinkel zu einem Grinsen, welches Haruka das Gefühl gaben, dass ihre Entscheidung im Untergrund eine Zuflucht zu geben, falsch war. „Erdbeben!“, lautete bloß der einfache Befehl, der alle Farbe aus dem Gesicht weichen ließ. Verdammt! „Schnell, raus da!“ Doch es war zu spät. Tsumes massiger Schwanz schlug hart auf dem Boden auf und verursachten ein leichtes Vibrieren, das stärker wurde und die Intensität anschwellen ließ. Haruka nahm die Erschütterungen deutlich wahr und vermochte sich kaum auf den Beinen zu halten. Psiana und Enekoro flüchteten rasch aus ihrem Versteck, sichtlich gebeutet von den Erdstößen, die Maxax unentwegt in den Untergrund sandte. Irgendwann ließen Bewegungen nach und das Beben verstummte. Harukas Katzen keuchten und klagten ihren Unmut. Diese Unachtsamkeit würden die beiden Haruka sicherlich noch lange verübeln. „Was für ein herber Schlag, meine Freunde! Ob sich Harukas Pokémon von diesem Treffer erholen können?“, schrie Novia dröhnend ins Mikrofon. „Reißt euch zusammen!“, fuhr Haruka in ihrer Nervosität ihre Pokémon an, die sie funkelnd betrachteten. Mit jener stummen Drohung wandten sich Psiana und Enekoro ab, ihre glühenden Blicke auf den Drachen und Snobilikat gerichtet. „Psiana, umgib dich mit einem Sternschauer“, wagte die Brünette einen weiteren Angriff, „und Enekoro, Blizzard!“ Die lavendelfarbene Katze war in einem Schein gehüllt, der an Kirschblüten erinnerte. Das Juwel ihrer Stirn funkelte und schon bald durchstachen Energiefunken diesen Schein, während ein eisiger Odem Enekoros Maul entfuhr. Psiana lenkte die aus Lichtenergie geborenen Sterne wie eine Barriere um ihren Leib, der zu keiner Zeit zuließ, dass eine Lücke in ihrer Verteidigung entstand. Erst als der kühle Atem Arktos‘ die Temperaturen in der Arena ungemütlich machte, entfesselte die Lichtkatze die Kraft des Sternschauers. Das Glühen der Sterne erkaltete im eisigen Blizzard. Sie glänzten bloß matt und schwach, doch minderte es nicht die Kraft, die ihnen innewohnte; warme Energie, welche wie eine lodernde Flamme glühte, gefangen in einem Gefängnis aus Eis. Wie scharfe Wurfmesser durchschnitten sie die Luft und trafen aus allen Himmelsrichtungen Maxax und Snobilikat, die sich gegen den Schneesturm stemmten, um nicht fortgerissen zu werden. Dem unerwarteten Sternenhagel hatten sie zu spät wahrgenommen, um diesem entgegen zu wirken. „Nicht schlecht“, lobte Aika die Leistungen ihrer Freundin, nachdem das Tosen des Blizzards sich gelegt hatte. Haruka lächelte. „Danke für die Blumen. Eisenschweif, Psiana!“ „Drachenrute!“ Ein stählerner Schweif traf auf einen panzerbewehrten Schwanz, der mit solcher Wucht aufprallte, dass der Schmerz durch Psianas Leib vibrierte. Mit schierer Leichtigkeit, als wäre die Lichtkatze bloß ein Fußball, schleuderte Maxax Psiana über das gesamte Feld. An der gegenüberliegenden Wand fand der Höhenflug schließlich ein Ende, und sie schlug hart auf dem Boden auf. „Malik, das ist unsere Chance - Finsteraura!“ „Enekoro, tu doch was! Zuschuss!“ Sich auf das Schicksal zu verlassen, entspannte Haruka auf eine groteske Art und Weise, obwohl der Schweiß ihr von der Stirn rann, und auch das Publikum verstummte und vermochte bloß aufmerksam auf das Geschehen zu starren. Nur Novia durchbrach diese Ruhe, die Ruhe vor dem Sturm. „Da hat sich Haruka wohl in der Attacke vertan! Ob es das gewesen war?“ Einen Herzschlag schloss Haruka die Augen, hoffe, nein betete, dass dem nicht so war. Als sie wagte, ihre Augen wieder zu öffnen, sammelte Enekoro einen glühenden Feuerball in ihrem Maul, der beständig größer wurde. Dann entfesselte die Katze fauchend diese Macht, die sie sonst nicht zu kontrollieren wusste, und eine Spirale aus Flammen legte sich um Snobilikats Körper. Jenem Tornado vermochte der Kater nicht zu entkommen. „Du hast Tsume vergessen – Drachenklaue!“, erinnerte Aika ihre Freundin an den Drachen, der wie ein furchteinflößendes Monster vor Psiana aufragte. In blutiges Licht wurde die rechte Pranke gehüllt, die Tsume leicht spreizte. Ein unheilvolles Knurren entrann sich dem Drachenweibchen. Dann sauste die Klaue herab. „Psychokinese!“, reagierte Haruka geistesgegenwärtig. Mit geschlossenen Augen und einem gellendem Miauen brachte Psiana erneut ihr Stirnjuwel zum Glühen. Es war auf den Drachen gerichtet, welcher augenblicklich zum Stillstand kam. Wenige Zentimeter lagen zwischen Maxax‘ Klauen und Psianas Stirn. In der Luft schwebend und um sich tretend, wirkte Maxax weniger beängstigend als zuvor. Mit einer raschen Kopfbewegung wirbelte Psiana ihren Gegner durch die Luft, wie eine Marionette steuernd auf die harte Wand zu. Es war ein befriedigendes Gefühl, beide Pokémon ihrer Konkurrenz am Boden liegen zu sehen, wenngleich es die Gefährten ihrer besten Freundin waren. Mit einem schnellen Blick vergewisserte sich Haruka, dass sie noch genügend Zeit und vor allem noch ausreichend Punkte hatte. Es waren erst eineinhalb Minuten vergangen. „Jetzt steht es wohl 1:1, unentschieden“, stellte Aika zufrieden fest, während sich ihre Pokémon wieder auf die Beine bemühten. Snobilikat und Maxax schwankten zwar, aber sie waren soweit unversehrt, wenn man von dem verrußten Fell des Pumas absah. „Wow, was für ein Comeback!“, kreischte Novia begeistert. „Mit diesem wunderbaren Konter hat Haruka wieder Mal bewiesen, dass alle Zweifler ihren Mund halten sollten! Noch ist alles offen, Damen und Herren!“ „Dunkelklaue auf Psiana!“, war nun der nächste Befehl seitens Aika. „Tsume, gib Malik Rückendeckung!“ Die Drachin grollte zustimmend. Dann federte Malik vom Boden ab, den rechten Arm in vollkommene Finsternis tauchend. „Eisenschweif!“ Schwarze Klauen trafen auf einen stählernen Schweif. Sie verhakten sich in dem am Ende gespaltenen Schwanz der Lichtkatze und rissen sie unsanft zu Boden. „Jetzt greifen wir aber wirklich an – Dunkelklaue, Malik!“ „Enekoro!“ Aber Enekoro vermochte ihrer Gefährte nicht zur Hilfe zu eilen. Maxax schnitt der kniehohen Katze den Weg zu ihrer Freundin ab, im Maul einen azurblauen Energieball formend. „Psiana, Spukball!“ Es war eine aussichtslose Situation, denn ihr war bewusst, dass Spukball nichts gegen ein Snobilikat auszurichten konnte, nur aufhalten. Und doch schien das schattenhafte Gebilde, das die Lichtkatze im Maul geformt hatte, Snobilikat die Stirn bieten zu können. Wie konnte das sein? Dazu war keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn Enekoros Schrei durchschnitt schmerzerfüllt die Luft. Blaue Flammen tanzten um ihren Leib, die allmählich verloschen, aber Enekoro mit leichten Wunden brandmarkten. Keuchend erhob sich die beigefarbene Katze tapfer. „Tsume, lass die beiden mal tanzen – Steinhagel!“, sprach Aika ruhig und sah anschließend zu Malik, welcher bereits seinen Befehl geduldig erwartete. „Und du, nutze die Steine um Geschwindigkeit aufzunehmen!“ Riesige Felsbrocken lösten sich aus der Erde, so als risse die Drachin Stücke des Urgesteins aus seinem angestammten Platz. Ein Schlag folgte. Und dann kündigten Kerben an, dass jenes Gestein in Bälde an den gefährdeten Stellen brechen würde. Aus winzigen Furchen wurde Rissen, die von Unheil kündeten. Schließlich tönte ein geräuschvolles Knacken, und der Felsen splitterte und eröffnete ein Gesteinsregen. Snobilikats wendiger Körper bewegte sich geradezu tänzelnd im Steinschlag; mal sprang der Kater leichtfüßig auf einen Fels zum anderen, dann wich er geschmeidig ihnen aus. Unaufhaltsam näherte sich der Puma den Katzen, die sich furchtsam gegen die Wand pressten. „Setzt euch zur Wehr! Eisenschweif, beide!“ Glanzvoll leuchteten ihre Schweife, von einem silbernen Schein überzogen. Sie erstarrten und wurden zu eisernen Schwertern, die mühelos die Steinbrocken entzweiten, so als bestünden sie aus einer weichen Materie. Dann sahen sich Enekoro und Psiana plötzlich Snobilikat gegenüber. „Schlitzer!“ „Psychokinese, schnell!“ Demütig funkelte das Stirnjuwel, als sich das Licht darin brach; ein Strahlen, das die tiefste Dunkelheit durchstach. Entschlossen drang Psiana tief in ihr Bewusstsein ein, an das lange behütete Wissen. Von jener Kraft, die ihrer Seele innewohnte, ließ sie sich fortreißen, getragen vom Strom ihres Geistes, und beschwor diese verborgene Macht. Unwillkürlich nahm Haruka einen schwachen Luftzug wahr, der mit sanft mit ihren Strähnen spielte. Und doch war diese urtümliche Kraft anders, denn sie entzog sich Psiana, schien ihren Pfoten zu entgleiten. Vor ihrem geistigen Auge nahm sie zwar Snobilikats Energien wahr, seltsam verzerrt und unwirklich, die auseinander stoben, sobald die Lichtkatze nach ihnen zu greifen gedachte, so als wäre der Kater in weite Ferne gerückt. Zu spät kehrte Psiana in die Wirklichkeit zurück. Scharfe Krallen bohrten sich in ihren Leib, rissen furchtbar brennende Wunden, den heißen Atem ihres Feindes im Nacken verspürend. Unerwartet wurde das Gewicht, das zuvor auf ihren Körper gelastet hatte, fortgerissen. Der schreckliche Schmerz blieb, ihr Fell vom Blut verklebt und schändlich verschmutzt. Ihr Stolz war gebrochen. Furchtsam suchten Psianas Augen unruhig das Feld nach Snobilikat ab, demjenigen, der ihrer Psychokinese widerstanden hatte. Angst und Entsetzen kämpften in den Seelenspiegeln des gepeinigten Geschöpfes um die Vorherrschaft. Doch die Angst gewann diese Schlacht. Erschüttert starrte Haruka auf das Geschehene. Angespannt wanderten ihre Blicke auf Aika, die sie forsch angrinste. Letzten Endes zerrte Novia die Koordinatorin aus ihren Gedanken. „Damen und Herren, es ist eine große Überraschung für uns alle. Wie kann das möglich sein?“ „Es bleiben nur noch drei Minuten“, wies Aika ihre Konkurrentin auf die fortgeschrittene Zeit hin. „Wir sollten uns beeilen, nicht wahr? Haruka nickte langsam, ihr Verstand noch immer über jenes Rätsel grübelnd. „Psiana“, sprach sie ihr geschwächtes Pokémon an, welches sich ihrer Trainerin zuwandte. Psianas Blick war müde, schmerzverzerrt und von Furcht erfüllt. Haruka konnte es ihr nicht verdenken, und doch setzte sie all ihre Hoffnungen auf Psiana und Enekoro. Dieses Vertrauen spürte die Gefährtin, denn ein unsichtbares Band bestand zwischen ihnen. Die Lichtkatze raffte sich auf die Pfoten, streckte vorsichtig ihren Körper und stellte fest, dass der Schmerz nicht weichen wollte. Grollend nahm sie die Wunden hin. „Tsume, Erdbeben!“ „Enekoro, Sandwirbel und Mogelhieb!“ Haruka reagierte rasch. Weitere gewaltige Erdstöße würden ihre Niederlage endgültig besiegeln und soweit wollte sie es nicht kommen lassen. Fürchterlich war Maliks Kreischen, als aufgewirbelter Sand gezielt in seine Augen geschleudert wurde und dieser sein Sehvermögen trübte. Enekoro war flink auf ihren Pfoten. Sie täuschte einen Angriff auf Snobilikat vor, drückte diesem die Tatzen ins Gesicht und entwischte dem Kater mit zurückgelegten Lefzen, als stellten sie ein Lachen dar. Dann preschte die Katze weiter auf Maxax zu. Ein gezielter Hieb ihres Schweifes brachte die Drachin aus dem Gleichgewicht, und es schien, als wäre Maxax erschrocken über jenen raschen Angriff, den Snobilikat zuvor zu vereiteln gedachte. Elegant landete Enekoro wieder auf ihren Pfoten, besah sich dem übermächtigen Drachen eines Blickes, der einer Königin würdig war. Arrogant hob sie die linke Lefze. Wütend ertönte ein Fauchen, und da fuhr Enekoro erschrocken um, als Snobilikat über ihr stand. „Psiana, Ruckzuckhieb!“ Mit aller Wucht rammte Psiana den Puma fauchend zur Seite. Sie kratzte und biss wie ein Berserker, der sich für all seinen Schmerz an seinem Peiniger rächen wollte. Schnaufend wich die Lichtkatze schließlich zurück, japste nach Luft und fühlte sich entkräftet. Als Haruka Snobilikat entgegen sah, durch Psianas Wutanfall zahlreiche Verletzungen davon tragend, schreckte sie einen Herzschlag lang zurück. Ein furchterregendes Funkeln lag in den Augen des Katers. Sie glühten förmlich, kalt und hasserfüllt. Eine boshafte Aura nahm von Snobilikat Besitz, so grell und einnehmend, dass Haruka glaubte, diese zerstörerische Wut vermochte das gesamte Stadion in Schutt und Asche zu legen. Eine Welle purer schwarzer Energie breitete sich binnen weniger Sekunden aus und stellte alles Dagewesene in den Schatten. Wie ein Sturm peitschte sie Psiana und Enekoro entgegen, die jener nicht standhalten konnten. All die Wunden forderten nun den Tribut, den Psiana zu zahlen hatte. Unter der Last der Schwäche brach die Lichtkatze zusammen, während ihrer Kehle ein erleichterter Seufzer entglitt. Vor ihren Auge wurde es schwarz, tiefe Dunkelheit. Gleichsam ertönte ein schriller Laut, der Psianas Niederlage einen bitteren Geschmack verlieh. „Wahnsinn! Psiana hat es eiskalt erwischt! Für Haruka wird es eng. Ob sie soeben ein Déjà-vu erlebt?“ Wie erstarrt blickte die Koordinatorin das Snobilikat an, das die Lefzen zu einem wütenden Fauchen zurückgelegt hatte. Enekoro erwiderte diese Drohgebärde. Dann schritt Haruka zu ihrer Gefährtin, nahm sie liebevoll auf den Arm und trug sie an den Rand des Kampffeldes. „Du hast gut gekämpft“, raunte sie der Lichtkatze zu, die sich eng an Haruka kuschelte und erschöpft die Augen schloss. Schließlich konzentrierte sich das Mädchen weiterhin auf den Kampf, den nun schwieriger war als zuvor. Ihre Kehle fühlte sich vor Sorge rau und trocken an. „Drachenrute!“ Trotz des schweren Körper stürmte Maxax rasch vorwärts, direkt auf Enekoro zu, das sich leicht in die Hocke begab und über den Drachen hinweg sprang. Ein Krater zeichnete sich am Boden ab, an dem zuvor der Schwanz aufgeschlagen war. Sanft landete die Katze wieder auf den Pfoten und blickte zurück. Ihr energisches Miauen riss Haruka aus ihrer Lähmung. „Tsume, es ist Zeit für deine Drachenklaue, beenden wir es!“ „Ausweichen!“, befahl Haruka geistesgegenwärtig, während sich ihre Gedanken noch immer um eine Lösung des Rätsels bemühten. Zuerst war der Kater in rasendem Tempo gewachsen und zu einem jungem, starken Snobilikat herangereift, dann vermochte Psiana mithilfe des Spukballs Snobilikat zu treffen, was normalerweise nicht sein durfte. Schließlich fanden die geheimnisvollen Kräfte der Lichtkatze keine Wirkung und anschließend beherrschte der anmutige Kater eine solch machtvolle Attacke, die Haruka bisher nur einmal beigewohnt hatte… Rötlich schimmerte die rechte Pranke des hünenhaften Pokémons, welches nicht zögerte, seinen Konkurrent zu attackieren. Mit aufgerissenem Maul stürzte Maxax voran, die wie Blut überzogene leuchtende Kralle schräg angewinkelt. Ihrer Flinkheit hatte Enekoro zu verdanken, dass sie jenem Angriff entgehen, denn sie federte sich im letzten Moment leichtfüßig vom Boden ab und sprang über Maxax‘ Haupt hinweg. „Lass es nicht entkommen, Malik, Schlitzer!“ Kraftvoll drückte sich das Snobilikat vom Boden ab, elegant und totbringend zugleich, denn die Lefzen entblößten scharfe Reißzähne. Die Krallen, die sonst in den Pfoten verborgen waren, stellten eine ebenso bedrohliche Waffe dar, die bloß darauf wartete, Enekoro zu verwunden. Doch die Katze dachte nicht daran, zu unterliegen. Rasch entglitt sie dem Kater, indem sie diesem den Schweif ins Gesicht schlug, und die nachfolgende Irritation für sich nutzte. Nur den harten Aufprall nahm Enekoro mit einem triumphierenden Maunzen wahr, während Snobilikat sich auf die Beine raffte und ein drohendes Fauchen ausstieß, so als ob der Puma die Kontrahentin für ihr Vergehen eine Warnung aussprach. Ich habe diese Attacke schon mal gesehen, wiederholte sich der Gedanke innerlich, und plötzlich war es da, dieses verzerrte Bild vor ihrem geistigen Auge. Nachtflut – so hieß der Name jener machtvollen Attacke, die bloß ein Pokémon auf dieser Welt beherrschte, soweit sie von Aika Bescheid wusste: Zoroark. Da fiel ihr auch die besondere Fähigkeit jenes Pokémons ein, die dem Schattenfuchs erlaubte, jede beliebige Gestalt eines Pokémons anzunehmen. Zoroark hatte die Form eines Snobilikats angenommen, um sie und alle Anwesenden im Stadion zu täuschen. Eine wahrlich meisterhafte Taktik, die Aika gewählt hatte, um sie zu verunsichern. Die Strategie war ihr gelungen, denn nun war Psiana am Boden; Enekoro oblag nun die Pflicht, diesen vermeintlich ausweglosen Kampf noch für sich zu entscheiden. Doch wie löste sie den Zauber, der über Zoroark herrschte? Ob es ihr und Enekoro gelang, wusste Haruka nicht. Aufgeben wollte sie nicht, nicht den Traum am Festival teilnehmen zu können. „Nutzen wir die Chance, Tsume! Drachenklaue!“ Zufrieden sah Aika ihrer Freundin und Rivalin entgegen, dass ihr Bluff erfolgreich gewesen war und Haruka verunsichert hatte. „Malik, gib Tsume Deckung!“ Protest flackerte in den Augen des Snobilikats und die Lefzen waren zu einem lautlosen Knurren verzogen, während der Wille zum Ungehorsam mit der Treue zur Trainerin miteinander focht. Der Puma, der in Wahrheit scheinbar im Pelz eines Zoroarks gehüllt war, zögerte. „Mach schon!“, wies Aika das Pokémon zwar ungeduldig, weder grob noch freundlich, zu recht. Als Snobilikat widerwillig die Ohren seitlich anlegte und die Zähne bleckte, stellten sich die Schnurrhaare des Katers angriffsbereit nach vorne. Dann gehorchte Malik und setzte verärgert fauchend Maxax nach, doch anstatt wie befohlen Tsume zu schützen, rempelte Snobilikat die Drachin an, und Maxax drohte, das Gleichgewicht zu verlieren. Tsume unterlag der Schwerkraft und fiel krachend zu Boden, während der schlanke Puma elegant über das unerwartete Hindernis hinweg sprang. Hernach stürmte der Kater auf Enekoro zu, das verärgerte Rufen seitens des Publikums ignorierend. Aufgebracht fuhr die schlanke Kätzin fauchend herum, die Muskeln unter dem sandfarbenen Fell angespannt und die Krallen aus den samtigen Pfoten ausgefahren, bereit jene über Snobilikats Gesicht zu ziehen. „Abwehren mit Eisenschweif!“, lautete Harukas geistesgegenwärtiger Befehl, als sich Finsternis um Snobilikats rechte Pranke legte. Jene war in tiefe Schwärze gehüllt und erinnerte Haruka unwillkürlich an Dunkelklaue, doch war sie anders. Diese Dunkelheit - sie war erfüllt von abstoßender Kraft, die das Mädchen erschaudern ließ. Enekoro folgte Snobilikat - oder sollte Haruka eher Zoroark sagen? – in die Höhe, während ihr Schweif von einem silbernen Glanz ergriffen wurde. Die Konfrontation war unvermeidlich, denn die Rivalen holten mit einem entschlossenen Kriegsschrei zu ihrem vermeintlich finalen Schlag aus und hatten dabei die Schnelligkeit und Kraft des anderen unterschätzt. Und so trafen Snobilikat und Enekoro mit voller Wucht frontal aufeinander, mitten im Gesicht ihres Widersachers. Mit einem dumpfen Knall krachten sie stöhnend auf den Boden, und Haruka glaubte sogar, ein Knacken wahrnehmen zu können. Während Enekoro den Sturz abzufedern vermochte, war das Glück dem Pumakater nicht gnädig gewesen: Snobilikat war unglücklich auf sein Rückgrat gefallen. Die rettende Drehung war ihm letztlich doch misslungen und konnte sich nur unter Schmerzen auf die Pfoten erheben. Jene verminderten jedoch keinesfalls seinen Kampfgeist. Kaum hatte sich das Raubtier aufgerichtet, legte das Zoroark, getarnt im Fell eines Snobilikats, die Lefzen zurück und fauchte warnend. Erleichtert atmete Haruka auf, warf einen schnellen Seitenblick auf die Uhr und nahm nebensächlich wahr, wie Maxax sich ebenfalls wieder empor stemmte. Ihr Blick blieb an dem Drachen haften. Sie konnte nur gegen einen Gegner bestehen. Aikas Zoroark war ohnehin ein Einzelgänger, das wusste Haruka. Tsume war ihm sowieso ein Dorn im Auge, welcher es zu beseitigen galt. Der Schattenfuchs würde es zu Aikas Leidwesen gewiss bevorzugen, Mann gegen Mann zu kämpfen – oder genauer gesagt Mann gegen Frau. Vor bereits längerer Zeit hatte Aika ihr die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der zahlreichen Elemente ausführlich erklärt, und Haruka versuchte sich fieberhaft zu erinnern, welche Typen besonders wirksam gegen Drachen waren. Das Mädchen wusste bloß, dass diese erhabenen Kreaturen außergewöhnliche Kräfte besaßen, die das Geschick anderer Pokémon weitaus übertrafen. Jener Stärken vermochten nur wenige Pokémon widerstehen, doch ihre Schwäche war… „Angreifen, Tsume, Drachenklaue!“, erscholl Aikas eindringliche Stimme und ließ Haruka aufmerken. Sie spürte die kraftvollen Erschütterungen, als Maxax auf Enekoro zu preschte. Während sie wie gelähmt näher kommen sah, blitzten unerwartet drei simple Buchstaben in ihren Gedanken auf, die des Rätsels Lösung verhießen und ein einfaches Wort ergaben: Eis. Ebenso rasch formten ihre Lippen den schlichten Befehl, der Maxax‘ Verderben verlauten sollte und Haruka den Sieg ein Stück näher brachte. „Blizzard!“ Ein kühler Frosthauch umhüllte den Leib der Katze, ein Tanz aus Schneeflocken hielt sie in eisigen Klauen. Klirrend kalte Eiskristalle bildeten sich in ihrem Fell, und jene spie sie dem Drachen entgegen, begleitet von ebenso frostigen Windstößen. Nichts konnte Maxax gegen das Erkalten seiner Gliedmaßen tun. Sanfter Pulverschnee bedeckte die Schuppen, ließ die Haut leicht blau schimmern und kündete von seiner Erstarrung. „Schnell, Eisenschweif!“ „Verhindere es, Malik!“, konterte Aika, woraufhin der Pumakater einen dunklen Energieball formte, der von einem nebelhaften Dunst umgeben war, obwohl ihm bewusst war, dass jene Attacke keine Wirkung zeigen sollte. Doch die Kätzin schien sein Vorhaben zu ahnen, dass jener Angriff bloß einem Verzweiflungsakt gleichkam, um das Unvermeidliche zu verhindern. Während ihr langer Schweif silbern erstrahlte, wich sie mit einem geschickten Seitenschritt aus. Im nächsten Moment schnellte Enekoro auf die wehrlose Drachin zu, die mit einem röchelnden Brüllen zu Boden ging. Dann durchschnitt ein greller Ton wie ein Schwert die Luft, als trennte es die einzelnen Glieder eines Kettenhemdes, und bedeutete Maxax‘ Niederlage. „Jetzt ist wieder alles offen. Wer wohl gewinnen mag? Bald werden wir es erfahren“, tönte die hitzige Stimme der Moderatorin, die die Koordinatorinnen bereits zu ignorieren gelernt hatten. „Die letzten Minuten brechen an!“ „Du hast aufgeholt, gut gemacht“, würdigte die Aika Haruka für ihre meisterhafte Leistung, die sie in diesem Kampf bisher geleistet hatte und nun das Lob mit einem knappen Nicken zur Kenntnis nahm. „Bist du hier, um mir dauernd Honig um den Mund zu schmieren?“, erwiderte die Brünette mit einem verwegenen Grinsen auf den Lippen. „Ich bin jedenfalls hier, um das Band zu gewinnen.“ „Ach, du auch? So ein Zufall aber auch!“ Die Freundin erwiderte das Grinsen; ein freudiges Strahlen in den Augen. Jetzt wusste Haruka wenigstens, mit welchem Pokémon sie es tatsächlich zu tun hatte: Zoroark. Nur war ihr nicht klar, wie sie die Illusion, die über das Snobilikat im falschen Fell herrschte, zu lösen vermochte. Jedenfalls durfte sie nicht zögern, sonst verstrichen kostbare Sekunden, welche möglicherweise ihren Sieg hätten bedeuten können. „Wir haben wenig Zeit, Enekoro - Duplexhieb!“ Enekoro gehorchte. Sie preschte auf Snobilikat zu, das arrogant die Lefze hob, so als würde der Kater den kühnen Vorstoß mit Hohn und Spott begegnen, und schnellte im letzten Moment in die Luft. „So leicht kriegst du uns nicht – Kratzfurie und anschließend Nachthieb!“ Snobilikat – oder Zoroark? – begab sich mit einem kräftigen Sprung in die Höhe, weitaus höher als Enekoro es in die Luft geschafft hatte, und ließ sie nicht entkommen. Erbarmungslos hieb die Großkatze auf die Konkurrentin ein, die vollkommen lädiert auf den Boden prallte. Kaum war Snobilikat anmutig auf alle Viere gelandet, machte er fauchend einen Satz nach vorne, direkt vor Enekoro, und ließ jener nicht die Chance, sich zur Wehr zu setzen. Mit einer in Dunkelheit gehüllten Tatze prügelte Snobilikat die Kätzin, die sich hilflos auf den Rücken rollte, um sich mit Krallen und Zähnen zu verteidigen. Nachdem der Pumakater einige Blessuren zu verkraften hatte, nahm er wieder Abstand, sah aber nicht davon an, Enekoro zu fixieren und die Zähne zu blecken. Während sich Enekoro schwerfällig erhob, verfluchte Haruka sich und ihre Ideenlosigkeit. Verdammt, sie musste doch eine Möglichkeit finden, um die Illusion zu brechen! Selbstsicher straffte Aika ihren Körper und reckte ihr Kinn leicht vor. „Und wieder Nachthieb!“, befahl sie unerbittlich. Zwei, drei Herzschläge sah Haruka die Freundin regungslos an, doch ihre Miene verriet keinerlei Emotionen. Aika lächelte oder grinste nicht einmal, was Haruka zumindest entspannt hätte. Stattdessen wirkte sie ernst und hoch konzentriert. Dann wandte sich das Mädchen an sein Pokémon, das unwillkürlich die Muskeln angespannt hatte, so als fürchtete es sich vor den nächsten Krallenhieb. Dazu sollte es nicht kommen, denn in Haruka war eine Idee gereift, die ihr etwas mehr Zeit beschaffen konnte, um an das Rätsel Lösung zu gelangen. „Wehr mit Anziehung ab!“ Lieblich zwinkerte Enekoro dem Puma zu und miaute diesem ermunternd zu. Unschuldig sah sie Snobilikat aus verführerisch dunklen Augen an. „Lass dich nicht täuschen – Finsteraura!“ Gefesselt blickte Snobilikat dem Enekoro entgegen. Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimme seiner Trainerin. Finsteraura? Sollte er tatsächlich dieses zarte Wesen angreifen? „Zuschuss!“ Intuitiv kam ihr jener Befehl über die Lippen. Die Götter entschieden, welche Attacke entfesselt werden sollte. Ich glaube an dich, fügte Haruka in Gedanken hinzu. Noch geschah aber nichts. Enekoro blieb regungslos. „Mach schon, du verliebter Narr!“, rügte Aika ihn ungehalten, woraufhin Haruka einen Moment über das Ausmaß an Ungeduld ihrer Freundin schmunzelte. Zuvor hatte diese souverän und beherrscht gewirkt, aber jener Ausbruch hatte sie nun verraten. Kräftig schüttelte Snobilikat sein Haupt, um wieder zu klaren Sinnen zu kommen. Das Schicksal war auf Harukas Seite, denn Risse im Boden kündigten das bevorstehende Schauspiel, als unerwartet starke Energien um Enekoros Leib sammelten. Jede Faser ihrer Muskeln war in dem zierlichen und schmächtigen Körper angespannt. Wie in der heißen Sommersonne flirrte die Luft, während Funken durch das Fell der Kätzin zuckten, mal schwächer und mal stärker. Jene Energien flossen zusammen, bildeten sodann eine Kugel um Enekoro, bestehend aus scheinbar flüssiger Elektrizität, welche beständig heranwuchs. Plötzlich zogen sich die gewaltigen Kräfte zusammen und verweilten einen vergänglichen Herzschlag eng an Enekoro geschmiegt. Dann breitete sich der angestaute Starkstrom schlagartig aus, unterstrichen von Enkoros entschlossenen Miauen und einem ohrenbetäubenden Explosion. Wie gelähmt starrte Haruka auf das Ereignis und vermochte nicht zu glauben, was sich soeben zugetragen hatte. Schließlich verzogen sich ihre Lippen zu einem vielsagenden Grinsen. „Das war Donner, Ampharos‘ Donner“, frohlockte Haruka flüsternd, als sie sah wie Snobilikat durch den mächtigen Blitzschlag vollkommen malträtiert langsam zu Boden glitt. Da verschwamm plötzlich das Bild vor ihren Augen, und Haruka fasste sich wie in einem jähen Schwindelanfall an die Stirn. Konturen flossen ineinander über, waren seltsam verzerrt, ja wirkten beinah geisterhaft, so als würden sie sich jeden Moment auflösen. Der Boden schien unter ihren Füßen zu zittern, und Haruka wankte. Unwillkürlich hatte sich ihr Herzschlag beschleunigt, daher schloss sie die Augen, um sich in ihre Gedanken zu flüchten und ihren Puls zu beruhigen. Tief atmete sie ein und füllte ihre Lungen. Als Haruka die Augen öffnete, war die anmutige Silhouette des Snobilikats verblasst. Die vollendete Eleganz einer Raubkatze war nun der bedrohlichen Gestalt eines dunkelgrauen Werfuchses gewichen. Zoroark hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet, überragte Haruka um mehrere Haupteslängen und wirkte durch die zurückgelegten Lefzen noch furchteinflößender als zuvor. Die Koordinatorin ließ sich dadurch nicht einschüchtern. Sie lächelte dem Schattenfuchs kühn entgegen, offenbar stolz, dass sie die Illusion erkannt und einen Weg gefunden hatte, um die Täuschung zu lösen. Obwohl kaum noch zwei Minuten zu kämpfen war, fühlte Haruka wie das Selbstbewusstsein allmählich zurückkehrte. Doch die Anspannung fiel nicht von ihren Schultern. Unerwartet war eine drückende Atmosphäre in der Halle zu spüren, die Haruka wiederum leicht beunruhigte. Sie nahm leises Geflüster und Raunen in den Reihen des Publikums wahr, während die Moderatorin bloß irritiert schwieg und rasch zu den Juroren sah, die ihr bloß mit einem wortlosen Nicken versicherten, dass alles in Ordnung sei. Als sich ihre Blicke schließlich kreuzten, schien Novia wieder Herrin ihrer Stimme zu werden. „Meine Damen und Herren, ich bedaure, dass wir Opfer einer Täuschung geworden sind“, begann Novia auffallend unsicher, „und nun stehen dennoch wir am Rande einer Wendung in diesem nervenaufreibenden Kampf!“ Sie hatte Recht. Das Blatt drehte sich, zugunsten von Haruka. Allerdings durfte sie jetzt nicht übermütig werden und diese Begebenheit nicht verstreichen lassen. Immerhin war Enekoro gleichermaßen erschöpft wie Zoroark es war. „Bist du da festgewachsen?“, riss Aika die Brünette aus den Gedanken und zögerte auch nicht, Harukas Unentschlossenheit für sich zu nutzen. Nun gab es keinen Grund mehr, Zoroarks wahre Stärke zu verbergen. „Nachtflut!“ Ein weiteres Mal glühten Zoroarks eisblauen Augen so intensiv, dass Fluchtgedanken Harukas Geist ergriffen. Eine wie aus Blut geschaffene rötliche Energie umfloss den Leib des Schattenfuchses, welche mit jedem Moment bedrohlicher wurde. Haruka aber reagierte gerade noch rechtzeitig: „Doppelteam, schnell!“ Denn gerade als Zoroaks gewaltige Nachtflut entfesselte und eine gewaltige Druckwelle einen Krater im Podium gerissen hatte, verzerrten Enekoros Umrisse und verschwammen vor den Augen aller. Die Finsternis zerfetzte ihre Ebenbilder in Stücke. Mehrere Meter entfernt verbarg sich Enekoro in Sicherheit vor Zoroarks befreiten, dunklen Macht. Sie hatte in den Schatten von herausgerissenen Teilen der Tribüne zurückgezogen und sammelte dort keuchend ihre Gedanken. „Da hast du ja nochmal deine Haut gerettet, was? Aber was tust du jetzt?“, fragte Aika lächelnd. Nervös biss sich Haruka auf die Unterlippe. Ja, was sollte sie nun tun? Sie musste angreifen, wenn sie diesen Wettbewerb für sich entscheiden wollte, aber dennoch zögerte sie aus Furcht, und jene Schwäche nutzte Aika abermals aus. „Fokusstoß!“, war bloß das einzige Wort, was die blonde Trainerin energisch aussprach. Hernach formte sich ein Energieball von himmelblauer Farbe zwischen Zoroarks Klauenhänden. Zahlreiche Sekunden vergingen, indem jener an Größe und Kraft gewann. Wenn Haruka wagte, Enekoro ausweichen zu lassen, so hätte die Katze darunter mehr gelitten als durch einen Angriff ihrerseits, doch bedeutete dieser Fokusstoß das Ende, sollte sie diesem Szenario weiterhin untätig beiwohnen. Enekoro legte die Ohren zurück und bleckte die Zähne, während ein tiefes Grollen aus ihrer Kehle aufstieg und schließlich zu einem wilden Fauchen umschlug. Dabei war der Fang leicht geöffnet, und da sah man unerwartet etwas in ihrem Maul aufblitzen. Zwischen den perlweißen Reißzähnen der Kätzin formte sich ein unscheinbarer Tropfen, der im Sonnenlicht gebadet wie ein Saphir funkelte. Jenes Gebilde pulsierte und verströmte Licht, das von einem tiefen Blau erfüllt war, als wäre ihm Leben eingehaucht worden. Mal pochte die Energie wie ein Herzschlag und wuchs abrupt, zog sich aber gleich darauf in seine ursprüngliche Form zurück, so als bestritt sie einen ewigen Kampf. Dann überschritt die Energie scheinbar eine unsichtbare Grenze und gedieh schlagartig zu einer rhythmisch schlagenden Kugel. Ein helles Leuchten strömte aus dem Inneren des Energieballs, während das empfindsame Gefäß wie ein Farbenspiel aus Blautönen schillerte. Hernach entfesselte Enekoro die angestaute Energie mit einem entschlossenen Kriegsschrei. Als die Kugel auf dem Boden aufschlug, explodierte sie platschend und ergoss sich als reißendes Hochwasser über den Boden. Zoroarks Fokusstoß prallte gegen jene Naturgewalt und ertrank jämmerlich in den Fluten. Stolz reckte Enekoro den Hals und blickte triumphierend auf Zoroark. Der Schattenfuchs ruhte auf dem Boden und schien gierig nach Luft zu ringen. Sein Fell war vollkommen durchnässt und klebte an seinem Leib, sodass jener noch dürrer erschien. „Diese Aquawelle stellt eine wahrhaftige Urgewalt dar, die selbst den stärksten Kämpfer zu Boden reißt!“, tönte die enthusiastische Stimme der Moderatorin. Und da Haruka begriff, was sich soeben vor ihren Augen abgespielt hatte. Ohne ihr Wissen hatte Enekoro Aquawelle gelernt! Hatte etwa Schillok seine Pfoten im Spiel? Damit war ihr soeben ein Ass im Ärmel vergönnt gewesen, das Aikas scheinbar übermächtiges und zu aller Gewalt bereiten Zoroark zu überrumpeln vermochte. Sie spannte ihren Arm an und ballte die Faust, während nur ein kurzes Wort ihren Mund verließ, das ihre Freude ausreichend beschreiben konnte. Noch immer erschien ihr das Glück so unwirklich, ja zerbrechlich. Sie durfte unter keinen Umständen leichtsinnig werden, diese Chance wäre dann für immer dahin und der Sieg in ungreifbarer Ferne. Der Schattenfuchs hatte sich wieder erhoben und sah mit grimmiger Miene auf Enekoro herab. Die Lefzen waren zurückgezogen, zeigten blanke Reißzähne, aber kein Laut entfuhr seiner Kehle. Abwartend harrte Zoroarks aus, den schallenden Befehl seiner Herrin erhoffend. „Power-Punch, Rajesh!“ Da erklang das erlösende Kommando. Wild knurrend schnellte Zoroark mit geballter Pranke vorwärts. Zorn funkelte in den Augen des dunklen Werfuchses und sehnte jenen Augenblick herbei, in dem seine Fänge sich um Enekoros Kehle legten. Geistesgegenwärtig reagierte Haruka, das Ticken der bald ablaufenden Uhr in ihrem Nacken spürend. „Mach dich bereit, Dunkelklaue einzusetzen!“ Abermals schien die Konfrontation unvermeidlich zu sein. Enekoro erwiderte Zoroarks geifernden Drohgebärden mit einem ebenso verwegenen Fauchen, denn der Katze war bewusst, dass diese Auseinandersetzung bald endete, während ihre rechte Tatze in geisterhaftes Schimmern getaucht wurde. Jenes Licht, welche von dunkler Energie erfüllt war, gebar eine schwarze, sich allmählich formende Schattenhand. Sie pulsierte, erwartete nahezu freudig den Zusammenstoß, als Zoroark auf Enekoros Haupt zielte. Doch dieses schemenhafte Gebilde fing die Faust ab. Die freigewordene Energie schützte Enekoro wie eine Barriere, aber Zoroark schien so besessen von dem Gedanken, zu siegen. Der Fuchs fand eine Schwachstelle, um hindurch zu schlüpfen. „Spring, Enekoro!“, befahl Haruka, und Enekoro folgte ihrer Anweisung. Blitzschnell federte sich die geschmeidige Katze in die Luft, gewiss drei, vier Meter über Zoroarks Haupt. Ein freudiges Zittern ergriff Harukas Hände. In diesem Moment sah sie ihre Gelegenheit nun gekommen und zögerte das unabwendbare Ende nicht länger heraus. Der Wille zu siegen – ja, jenen fühlte die Koordinatorin mit jeder Faser ihres Geistes. „Eisenschweif, auf geht’s!“ „Wahnsinn! Mit einem eleganten Sprung hat es Enekoro geschafft, dem Power-Punch zu entgehen! Und jetzt greift Enekoro an. Zoroark sitzt wie betäubt da und weiß gar nicht wie ihm geschieht! Die Dunkelklaue war also nur ein Bluff!“ Hell erstrahlte Enekoros Schweif im Scheinwerferlicht und verwandelte sich in eine scharfe Schwertklinge. Entschlossen fauchend ließ die Katze jene auf Zoroark herab sausen und schleuderte den geschwächten Schattenfuchs zu Boden. Lautlos setzte Enekoro mit allen Vieren sanft auf das polierte Parkett auf, vermochte aber ihr gieriges Keuchen nach Luft nicht zu verbergen. „Enekoros Eisenschweif landet einen sauberen Treffer und Zoroark streckt alle Viere von sich! Ob es sich nochmal erholt oder ist das Ende bereits entschieden?“ Während ein dumpfes Grollen aus seiner Kehle emporstieg, kräuselte der Werfuchs zornig die Schnauze und erhob sich schwerfällig. Obwohl sein Kampfesgeist unermüdlich zu sein schien, wirkte es als würde jede Bewegung seiner Gliedmaßen eine Qual für ihn darstellen. Sein mühsamer Atem verriet ihn. „Zoroark, das schaffen wir noch - Nachthieb!“ Zoroark schloss einen Herzschlag lang die Lider über seine eisblauen Augen, beruhigte seine Atemzüge und schöpfte neue Kraft. Dann hetzte er mit seitlich angewinkelter Klauenhand plötzlich auf Enekoro los, die fauchend ihren Körper anspannte und fuhr die Krallen aus, jederzeit bereit, um sich zu verteidigen. Doch da ertönte unerwartet das von Aika und Haruka lahnersehnte Signal, welches entschied, ob Haruka das Privileg am großen Festival teilnehmen durfte oder ob ihre Reise hier nun definitiv ihr Ende nahm. Verärgert knurrend stoppte Zoroark in der Bewegung seines drohenden Faustschlages bloß wenige Millimeter von Enekoros Gesicht entfernt. „Die Zeit ist um, finito! Und der Gewinner dieses hoch spannenden und fantastischen Kampf heißt…“ Haruka schloss die Augen. Sie ballte abermals die Faust, lockerte ihre Hand aber im nächsten Augenblick, nur um sie gleichdarauf wieder anzuspannen. Schiere Unruhe, die das Mädchen beinahe um den Verstand brachte, ergriff sein rasendes Herz. Die Nervosität erdrückte Haruka so schmerzhaft, denn sie wagte kaum, nach Luft zu holen. Jede Faser ihres Körpers war zum Zerreißen gespannt. Quälende Sekunden fühlten sich an, als würden Minuten vergehen. Die freudige Euphorie Novias war bedeutungslos, jedes Lob, das ihren Mund verließ – ja, alles erschien ihr plötzlich so bedeutungslos. Dass dieser erlösende Moment kommen möge, sehnte sich Haruka herbei. Jede Hoffnung beruhte auf einer Antwort… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)