Ein Wintermärchen von Grave ("Das Erlkönig Manöver") ================================================================================ Kapitel 1: März --------------- Nie hatte Heinrich sich sehr für Mineralien und Gestein interessiert. Sie flossen ein in atemberaubende Naturbilder, die auch ihn inspirierten und glücklich stimmten. Doch niemals hatte er das Bedürfnis gehabt einen Stein aufzuheben und ihn bis ins kleinste zu betrachten. So drehte er nun diesen Kalkbrocken zwischen seinen Fingern und mit entschlossen zusammengekniffenen Augen, studierte er die Kanten und Ecken, die weichen Stellen und wie leicht er zwischen seinen Fingern bröselte kaum dass er ihn berührte. Von der Farbe her war er fast weiß, vielleicht hellgrau an manchen Stellen. Es war durchaus kein hässlicher Stein, jedoch auch nicht groß anders als andere, speziell hier im Kyffhäuser nicht. Doch es blieb, was es war. Wo lag die Faszination? Wo lag die angebliche Geschichtsträchtigkeit und die schwere Bedeutung? Heinrich wollte es wirklich mehr als nur dringend sehen, wollte wissen was es war was die Aufmerksamkeit so sehr fesselte. Die Verzweiflung trieb ihm soweit denn Stein scheu an seinen Mund zu heben und ihn mit der Zungenspitze zu berühren, was auch nicht die Erkenntnis brachte, sondern nur ein Naserümpfen wegen des erdigen, leblosen Geschmacks. Mit einem Seufzen schmiss er ihn wieder auf den Boden, wo er ihn zwei Teile zerbrach und richtete seine Aufmerksamkeit lieber auf etwas, das sie für eine halbe Ewigkeit ohne Langeweile fesseln konnte. Die Märzsonne fiel warm durch die saftig grünen Baumkronen und das Licht flackerte in den windrauschenden Blättern. Es war ein wunderschöner Tag, speziell nach den kalten Wintermonaten und er fühlte sich lebendig wie schon lange nicht mehr. Von diesem warmen Gefühl belebt, begnügte er sich damit Alexander zu beobachten, wie er mit verkniffenem Blick Steine um sich scharrte und mit liebevollen Fingern bearbeitete als könnte er in ihnen den Sinn des Lebens lesen und noch viel mehr. Er hatte es geschafft einen Platz zu finden, auf dem kein einziger Baum Helios aufhalten konnte ihn komplett zu umarmen. Sein blondes Haar glühte wie geschmolzenes Gold, schimmerte an manchen Stellen Bronze. Er sah aus wie der aus wie ein junger Halbgott, vertieft wie er da saß auf dem Felsen mit den Armen seines Hemdes hochgerollt und den Überrock beiseite gelegt. Die Konzentration schärfte seine Gesichtszüge, machte ihn schöner, machte ihn überirdisch, sodass Heinrich am liebsten sofort zum Stift gegriffen hätte um Hymnen an ihn, an die Natur und sein Glück zu schreiben. Zufrieden und glückselig könnte er sterben, dachte er in diesem Moment, wenn Alexander ihn nur mit genau der gleichen Hingabe betrachten würde; wenn er Alexanders Aufmerksamkeit fesseln könnte wie seine ganzen Steine und Brocken und Mineralien es taten. Und wie herrlich wäre dieser Tod, wenn schon allein Alexanders Lächeln sein Herz für ein paar Augenblicke zum Stillstand kommen lassen konnte in süßester Pein, als er von seinen Studien aufblickte und zu ihm rüber sah, Ewigkeiten verstrichen in denen sie sich nur ansahen. Alexander konnte seine Wissenschaft sein. Kapitel 2: April ---------------- Die kalte Aprilluft war über Nacht schneidend geworden und die Glut, die nur noch schwach im Kamin brannte, konnte sie nicht aufhalten. Nachdem der März so warm gewesen war, fühlte sich dieser Monat an wie ein zweiter Winter, wenn man den Morgentau dabei beobachtete wie er gegen die kleinen, eckigen Gitterfenster zu Eissternen gefror. Und trotzdem spürte Heinrich die Kälte nicht eine Sekunde, nicht einen Augenblick. Nichts hätte ihn dazu bewegen können jetzt aufzustehen und neue Holzscheite zu einem Feuer zu entfachen, denn dieses brannte bereits in seinem Inneren. So waren es nicht die Temperaturen, die ihm plötzlich einen eisigen Schauer den Rücken hinab jagten, als er zur frühen Morgenstunde seine Lippen über Alexanders –sein Herz, sein Augenstern – Körper wandern ließ, im Kopf eine Karte eines jeden Muskels, jeder Beuge und Sehne anfertigend, um nie wieder diese wunderbarsten Stunden seines Lebens zu vergessen. Um sie einzusperren und an dem Tag hervorzuholen, wo das Schicksal sie einmal auseinanderreißen würde oder endlich verstand, dass er niemals ein so himmlisches Geschöpf sein eigen nennen dürfte. »Liebster, woher die ganzen Narben?¬«, fragte er voll Schock, so wie er über die blassen, kleinen Netze strich, kaum zu sehen mit dem Auge, wenn man nicht danach suchte, mit den Fingerspitzen darüber glitt. Alles feine Kreuze, die sich an der Pulsader hinauf schlängelten, sie aber nie durchquerten. Beinahe wie ein kleines Gemälde auf seinem Arm. Schläfrig drehte Alexander sich in seine Richtung und sah ihn für zu lange Sekunden schweigend an, der Ausdruck in seinen Augen absolut unleserlich. Beinahe hätte Heinrich vergessen, was er überhaupt gefragt hatte. »Es ist nichts.« Die Antwort war nur ein leises Murmeln, beinahe verschluckt in dem weichen Kopfkissen, dass auch die Hälfte seines Gesichtes verbarg. Sicher entzog Alexander ihm den Arm, um seine Rechte liebevoll auf Heinrichs Wange ruhen zu lassen. »Lüg mich nicht an, Alexander, oder du brichst mir das Herz.« Er konnte nicht anders, als seinen Kopf zur Seite zu drehen und die rauen Fingerspitzen zu liebkosen. »Es sind nur Narben von dummen Experimenten.« Nun drehte sich Alexander vom Rücken auf die Seite. Zartes Morgenlicht glühte auf seiner tiefbraunen Haut, als würden sich die Strahlen auf ihr bündeln und ihn zur neuen Sonne küren. Die kleine Makellosigkeit, die er entdeckt hatte, konnte es natürlich nicht schaffen ihn auch nur annähernd zu entstellen. Jedoch krampfte sich sein Herz merklich in seiner Brust zusammen, als er ein ähnliches Muster auf dem anderen Arm erkennen konnte. »Oh mein schöner Sander, was tust du nur der dreifach vermaledeite Wissenschaft zu Liebe.« Es schmerzte ihn, als hätte man ihm gerade diese alten Wunden frisch zugefügt. Einige Minuten verstrichen in denen sie sich nur ansahen und die Holzscheite im Hintergrund knackten. Unruhig strichen dabei Heinrichs Finger den muskulösen Arm auf und ab. Als könnte er sie damit alle wegzaubern, verbannen und bestrafen dafür dieses Meisterwerk zu beflecken. Fast wäre er schon wieder eingeschlafen, immerhin war es erst sechs Uhr morgens und ihre Nacht war wenn auch wundervoll, gleichzeitig lang gewesen. »Liebst du mich nun weniger?« Zwar wusste er, dass Alexander wahrscheinlich nur scherzte, jedoch weiteten sich seine Augen furios und er stürzte sich voran in Alexanders Arme, gegen seine Lippen um sie zu küssen und zu küssen auf dass ihnen niemals mehr so eine Dummheit entweichen möge. »Sag sowas niemals, niemals mehr, denn für eine Unterstellung diesen Maßes müsste ich die auf der Stelle umbringen.«, flüsterte er in Stücken zwischen jedem einzelnen Kuss, bis ihn Alexander zur Ruhe zwang, indem er die Hände in seine Haare gleiten ließ und mit Leidenschaft Heinrichs Lippen auseinanderzwang um seinen Mund als Schloss zu erobern. Erregt erzitterte er und ließ sich in die weiche Matratze drücken, Alexander nun über ihm. »Mein wunderschöner Heiner, wie hab ich dich verdient?« Darauf konnte Heinrich fast nicht anders als aufzulachen, so wie er durch die blonden Locken strich. Kaum konnte er seinen Ohren trauen. Alexander konnte ihn hundertmal besitzen, so viel mehr wert war er. Heinrich nur ein einfacher, dummer Exzentriker gegen ich; ein verliebter, törichter Schuljunge. Erschrocken keuchte er auf, als Alexanders Mund sich tiefer arbeitete, über seine Wange, den Hals hinab und dort mit der Zunge über seinen Puls glitt und weiter hinab zu seiner Brust unter der sein Herz drohte seinen Brustkorb zu zerschmettern. Und es zerriss ihn fast mit wie viel Hingabe plötzlich Alexander über ihn schwebte und wie er nur auf den goldblonden Schopf hinab schielen konnte, unfähig sich zu bewegen. »Du schätzt dich zu gering.« Jegliche Möglichkeit darauf zu protestieren, erstickte qualvoll in seinem Hals Alexander in seine bleiche Haut biss, als wollte er ihn für ewig markieren und damit einen Besitz beanspruchen, der ihm bereits gehört hatte als sie sich zum ersten Mal gesehen hatte. »Ich bin nicht gut in den großen Worten. Ich kann dir keine Poesie, keine Metaphern und Hyperbeln vortragen.« Schwach schüttelte Heinrich den Kopf. Er brauchte das nicht, ihm langte es alleine wenn Alexander ihn nur niemals allein lassen würde, wenn er nur wusste, dass Alexander manchmal einen Gedanken an ihn verschwendete und inne hielt um sich an ihre gemeinsame Zeit zu erinnern. Sein Atem stockte und sein Mund fiel auf in Wunder, als Alexander fortfuhr mit seiner Zungenspitze fremde Muster auf seine Haut zu zeichnen, hinab über seine flatternde Bauchdecke. »Alexander!« Mit weit aufgerissenen Augen sah er nach unten, den Mund auf, bereits zum lautstarken Protest, dass sich Alexander auf sowas nicht hinab lassen musste, dass das eine Aufgabe für Dirnen war. Doch es war wohl nicht nötig zu erwähnen, dass jedes Wenn und Aber in den entzücktesten Laut überging als sich Alexanders Mund mit einer Selbstverständlichkeit um seine heiße Erregung schloss, die ihn schwindeln ließ. Die Erfahrung und das Geschick liebte und hasste er dabei in gleichen Maßen, so hieß es doch dass er nicht der erste Mann sein konnte mit dem Alexander so intim wurde. Eifersucht war ein widerliches Gefühl. Doch blieb ihm kaum Zeit darüber nachzudenken, während sich seine Finger in das harte Lacken krallten um dort irgendwie Halt zu suchen. Seinen Blick konnte er nicht von Alexander abwenden. Wie alles was er tat, besaß er auch hierbei eine majestätische Grazie, so dass Heinrich ihm am liebsten eine Krone auf den goldenen Schopf gesetzt hätte und zum König Europas oder gleich der ganzen Welt geschlagen hätte in diesem Moment, wie auch in jedem anderen. ¬»Oh Sander, du Göttlicher, du Wunderbarer-« Sein Herz quoll über vor Freude, während sein Körper brannte vor Lust, seine Hüften sich so verzweifelt nach oben strecken wollten, dass Alexander ihn mit Gewalt unten halten musste, während er ihn so tief aufnahm, mit der Zunge warm und feucht an der Unterseite, dass einzelne blonde Strähnen an seinem Bauch kitzelten. Weinen wollte er vor Glück, dass er ihn wiedergefunden hatte. Weinen und ihn nie mehr loslassen. Er dankte Gott dafür, dass er ihn vor dem Rhein noch wiedergefunden hatte, unversehrt, nur etwas bleich um die Nase als sie sich wiedersahen. Damals hatte er sich nicht um die Leute in der Taverne gekümmert, die sie beide misstrauisch beäugten. Zu herzensfroh ihn wiederzuhaben und nicht in einer Welt leben zu müssen, in der sein Alexander nicht existierte. Doch dann hätte er sich eh selber ein Ende gesetzt. Der Gedanke trug dazu bei, dass seine Hände umso verzweifelter nach dem Älteren fischten und erst glücklich waren, als er das weiche Haar und eine Hand, die sich ihm entgegen streckte in den Fingern hatte. Es kam ihn vor wie Stunden und Sekunden, dass er den wunderbaren Kontrast der dunklen Wimpern auf den geröteten Wangen betrachtete oder wie die vollen, nassen Lippen sein Glied umfuhren und küssten. Ein Bild, das sich in seiner Schönheit ewig einbrennen würde. Und dabei schaute Alexander zu ihm hoch mit glasigen Augen, als wäre es genau umgekehrt. Als wäre plötzlich Heinrich das einzigartige Kunstwerk, das atemberaubende Wunderwerk. Die Brust hob und senkte sich in verzweifelten Versuchen noch Luft zu bekommen, vergebens und am Ende flatterten seine Augenlieder zu und er genoss nur, genoss dieses überwältigende Gefühl, das Pumpen der Erregung in seinen Adern und der Höhepunkt, der ihn überrollte mit einer erschlagenden Macht. Als Heinrich wieder die Augen öffnete, kniete Alexander auf dem Bett, hinter seinem Rücken die aufgehende Sonne eines neuen Tages. Eine überirdische Traumgestalt mit dem zerzausten Haar, die Haut glänzend vor Schweiß und die Lippen angeschwollen und nur zum Küssen gemacht. »Wie hab ich dich nur verdient?« Wären seine Sinne nicht so wohlig betäubt, wäre ihm wohl die Unsicherheit in der Stimme aufgefallen. Genauso wie die Tränen in Alexanders Augen, wenn er nicht von dem göttlichen Schein geblendet werden würde. So wollte er nur innerlich frohlocken und die warme Glückseligkeit umarmen. Alexander war nicht tot. Er selber war nicht tot. Frankreich, Deutschland und die Welt konnte ihm egal sein. Er hatte was gefunden, dass ewig zählte und dem er niemals müde wurde. »Wenn du nur wüsstest wie glühend ich dich liebe.« Der Kuss der darauf folgte, ließ es Heinrich erahnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)