Gabriel von abgemeldet (Wie entscheidest du dich?) ================================================================================ Kapitel 5: Parce que Je t'aime - Because I love you --------------------------------------------------- Die Musik spricht nicht die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht dieses oder jenes Individuums in dieser oder jener Lage aus, sondern die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht selbst. Richard Wagner (1813 - 1883) - deutscher Komponist Er hielt mich fest und umschlungen von seinen Armen, vergaß ich alles um mich herum. In diesem Moment gab es nur uns. Seine Lippen und seine Hände ließen mich einfach alles vergessen. Ich sah nur in seine Augen und das war alles was ich sehen wollte. Ich hörte sein Seufzen, an meinem Ohr, wenn er heißen Atem hinein blies, dass ich eine Gänsehaut bekam. Sein Seufzen war alles, was ich hören wollte. Ich spürte seine Lippen auf meiner Haut und das war alles was ich spüren wollte. Sie wanderten meinen Hals nach oben, er küsste mein Kinn und umfasste mein Gesicht mit beiden Händen. Er sah mir in die Augen. In ihnen erkannte ich eine Bitte. Eine Frage. Ich beantwortete diese Frage, in dem ich die Augen schloss und mich fallen ließ. Seine Lippen legten sich auf meine. Sanft. Liebevoll. Nicht gierig und anspruchsvoll. Liebend. Seine Hände lagen auf meinem Rücken und er drückte mich an sich, meinen nackten Oberkörper gegen seinen. Seine Hände streichelten über meine Haut und sie fühlte sich seltsam empfindlich an und ein Seufzen trat über meine Lippen, die er sofort wieder mit seinen Lippen verschloss. Er hob mich etwas an und nur noch meine Zehenspitzen berührten den Boden. „Okay. Schnitt!“ Diese zwei Worte rissen mich aus unserer Traumwelt und ließen mich unsanft wieder in der Realität ankommen. Der Aufprall war hart und erschreckend. Nur langsam realisierte ich, wo wir uns eigentlich befanden und dass ich nur mit meinem Slip bekleidet vor einer Menge Menschen stand und mich an Edward presste, als gehöre er mir. „Ihr wart gut. Alle beide“, sagte der Regisseur. Meine Hände legten sich auf Edwards Brust und ich drückte mich von ihm, sorgte dafür, dass es wieder Abstand zwischen uns beiden gab. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Gut, wenn ich ehrlich war, hatte ich ja gar nicht gedacht. Edward hatte gehandelt und mich zum Set gezogen, mich ausgezogen und ich dämliche Kuh hatte es einfach über mich ergehen lassen. Wie musste dass denn bitte schön aussehen? Vielleicht sollte ich ins Kloster gehen, denn für das würde ich ewig Buße tun müssen. „Bei der Szene kriegt man richtig Herzklopfen“, hörte ich Victoria sagen. „Zuerst dachte ich, Bella ziert sich und schmeißt die Aufnahme.“ Genau das hätte ich tun sollen. Ich hätte das nicht mit mir machen lassen sollen. Wo war denn mein Versprechen an mich selber, mich endlich gegen Edward zu wehren. Ich wollte nicht mehr das arme Schulmädchen sein, mit dem er machen konnte was er wollte. Ich wollte nicht mehr seine Spielfigur sein, die er so setzten konnte, wie es ihm gerade in den Kram passte. Denn genau das tat er doch. „Was hab ich getan…?“ Ich griff schnell nach meiner Kleidung, hielt sie mir vor die Brust und rannte weg. Das hätte nicht passieren dürfen. Nie im Leben, hätte das passieren dürfen. Weder wenn wir alleine wären und schon gar nicht vor so vielen Menschen. Wenn meine Eltern das je erfuhren, würden sie mich sofort nach England zurück schicken, wo ich bei meiner strengen Großmutter leben müsste. Sie hasste kurze Röcke und ungestärkte Blusen. Das war fast genauso schlimm wie das Kloster, in das ich selber gehen wollte. Ich verzog mich in die Maske, schmiss die Tür zu, nachdem ich sicher ging, dass keiner außer mir im Raum war und zog mich an. Ich war fast völlig nackt. Vor der Kamera. Es wurde aufgenommen. Viele würden mich fast nackt ansehen. Das war verdammt gewagt. Was würde sein, wenn man mein Gesicht erkennen würde? Und dennoch hatte es mich glücklich gemacht, so von ihm berührt zu werden. Solange ich in dieser kleinen Seifenblase steckte, vergaß wo ich mich wirklich befand, war ich glücklich gewesen. Es machte mich glücklich, dass er mich einem Topmodel vorzog. Es klopfte an der Tür, doch ich drehte mich nicht um, um zu sehen, wer angeklopft hatte. Ich wollte keinen sehen. Eigentlich wollte ich nur nach Hause in mein Bett und mich unter der Bettdecke verkriechen. Wenigstens für ein paar Tage. „Erwarte keine Entschuldigung von mir“, hörte ich Edward sagen. „weil du dich vor all den Leuten ausziehen musstest.“ Seine Stimme war ernst. Nicht mal ihn konnte ich nun ansehen. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass mich seine sanften Berührungen glücklich gemacht hatten. Diesen Sieg wollte ich im nicht zusprechen. Ich zuckte mit den Schultern, umarmte mich selber, weil ich die Angst hatte, dass gleich wieder irgendetwas in mir zerbrechen würde. „Nein, schon gut“, sagte ich nur und hoffte, er merkte nicht, wie unsicher ich gerade war. Mein Körper bebte, zitterte vor Aufregung. „Schließlich musste alles möglichst überzeugend wirken, nicht wahr.“ Ich ging an ihm vorbei. „Also ich werde dann gehen.“ Ich wollte selbstsicher klingen, stark und mutig, doch ich konnte es nicht. Wen wollte ich denn bitte schön mit meiner kläglich zitternden Stimme überzeugen, wenn es nicht mal bei mir selber klappte. „Ist das dein Ernst?“, hörte ich ihn aufgebracht fragen. Er griff nach meinem Handgelenk und hielt mich fest, als ich an ihm vorbei gehen wollte um den Raum zu verlassen. „Denkst du wirklich, mir ging es bei der Sache nur um das Eine?“ Er hielt meine beiden Handgelenke fest. Zu fest. Es tat weh. „Edward, du tust mir weh.“ Ich spürte die Wand hinter mir. Er ließ meine Handgelenke los, nur um seine Hände links und rechts neben meinem Kopf gegen die Wand zu drücken. Die Silberkettchen die man ihm für den Videodreh angelegt hatte, klirrten als er seine Hände mit Kraft gegen die Wand presste. Ich zuckte zusammen, presste die Augen erschrocken zusammen. „Red nicht so einen Quatsch“, sagte er wütend. „Wie kannst du so unsensibel sein?“ Ich öffnete die Augen und sah die Wut in seinen Augen. Er war wirklich sauer auf mich und dabei sollte ich es doch sein, die sauer war. Er hatte mich schließlich vor all den Menschen ausgezogen. Es wurde gefilmt und es würden noch viel mehr Menschen sehen. Er senkte den Kopf und sah verzweifelt aus. Seine linke Hand sank an seine Seite, während seine Rechte sich zu einer Faust ballte. Ich konnte sehen, wie er sich auf die Unterlippe biss, doch seine Haare versperrten mir die Sicht zu seinen Augen. „Und das, wo ich dich so sehr liebe…“ Ich schluckte, als ich das hörte. Er liebte mich? Mich? Die Worte hallten in einer Endlosschleife in meinem Kopf wieder, das Blut rauschte an meinem Ohr und ich versuchte die Worte zu verstehen, die er eben gesagt hatte. Mein Herz schlug schneller und meine Hoffnung betete dafür, dass er die Worte wirklich ernst meinte. Es sollte nicht wieder eines seiner Spiele sein. Verzweifelt klammerte ich mich an diese Worte, hoffte unrettbar, dass sie wahr waren. Noch nie in meinem Leben wollte ich so sehr, dass etwas wahr war. „Aber als ich neulich bei dir war“, sogar darüber zu sprechen viel mir schwer. An diesem Abend, wollte ich nichts mehr, als dass er mich als Frau sah. Mich berührte, wie er andere Frauen berührte. Doch er hatte mich einfach los gelassen. Es war wie eine Ohrfeige gewesen, wie seine Hände sich von mir lösten und ich da lag. Ohne ihn. „Kam es mir nicht so vor…“ „Als wir uns umarmten“, unterbrach er mich und sah mich ernst an. „Wollte ich dir meine Liebe gestehen.“ Seine Worte klangen verzweifelt und genauso sah er auch aus. Da war keine Wut mehr in seinen Augen, nur diese Unsicherheit, die ich selber kannte. „Ich wollte dir sagen, was ich für dich empfand, doch dann fingst du plötzlich an zu zittern.“ Er biss sich wieder auf die Unterlippe. „Was wäre das für eine Liebeserklärung gewesen? Wenn ich mit Gewalt…“ Er stoppte und sah weg. Er fuhr sich durchs Haar und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Ich stand einfach nur da und sah ihn fassungslos an. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass er mich mögen würde, dass er mehr in mir sah als nur ein Schulmädchen oder eine Geschäftspartnerin. Nun gestand er mir seine Liebe und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich stand einfach nur da. „Aber der Song“, sagte er weiter. „Du meinst >mélodie LoveNur wenn meine Arme dich umschlingen, Only when my arms embrace you dann ist jeder Zweifel, jede Angst besiegt then every doubt, every fear beating Und ich fühle mich frei wie ein Vogel, And I feel free as a bird der vom Wind getragen zum Himmel fliegt.< flying by the wind to the sky Die Strophen hallten wie von selbst in meinem Kopf wieder. Ich hörte seine Stimme, wie sie dieses Lied so wundervoll mit Gefühl und einer süßen Leidenschaft wiedergab. Edward hatte über mich, über uns, gesungen und ich hatte es nicht gemerkt. „Ich hab das…“ Ich schluchzte, kämpfte mit meinen Tränen und sah ihn einfach nur an. „Die ganze Zeit nicht bemerkt.“ Noch versuchte ich mir die Tränen weg zu wischen, doch es brachte nichts. >Wenn du nach mir rufst, eile ich zu dir, If you call after me, I hasten to you, und wenn du traurig bist, dann tröste ich dich. and when you are sad, then I comfort you Diese Arme werden dich immer beschützen, These arms will protect you always Diese Worte spricht mein wahres Ich.< These words speak my true self Ich verlor den Kampf gegen die Tränen und sie rannen mir über meine Wangen. Es war vielleicht nicht gerade der direkteste Weg, den er gewählt hatte. Aber doch der schönste. Hätte ich es doch nur verstanden. Hätte ich doch nur gesehen, was er für mich empfand. „Weißt du, der französische Schriftsteller Victor Hugo sagte mal etwas sehr schönes über die Musik. >Die Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu Schweigen unmöglich ist.“ Wieder musste ich schluchzen. Ich konnte nicht glauben, dass die Wahrheit die ganze Zeit vor mir war und nicht nur so blind gewesen war. Ich hätte auf Jasper und Emmett hören sollen, als sie mir sagten, dass ich Edward vertrauen sollte. Doch genau das war nun mal mein Problem. Ich konnte Menschen nicht so leicht vertrauen. Ich wollte es, doch man konnte einfach zu sehr verletzt werden. Ich dachte, Edward wollte mich nicht mehr, als er mich an diesem Abend los ließ, seine Hände von meinem Körper verschwanden. Dabei wollte er nur einen perfekten Moment Ich hätte ihm vertrauen sollen, denn er hatte mir mehr als nur ein Mal bewiesen, dass er für mich da war. Er war da, als mich seine Fans schikanierten und er war da, als ich fast vergewaltigt wurde. Jedes Mal stand er mir bei, beschützte mich, hielt mich fest. „Gewöhnlich nehme ich mir, was ich will. Doch ich will dich nicht einfach nehmen, mit Gewalt. Ich will bei dir sanft sein, vorsichtig. So wie du es verdienst, Isabella. Das ganze ist ziemlich neu für mich“, sagte er mir und strich mir mit seinem Zeigefinger die Tränen weg. „Aber was soll’s“, sagte er mit einem Lächeln und saugte meine Tränen von seinem Zeigefinger. Gespannt sah ich ihm dabei zu und fragte mich, wie er die ganze Zeit so unglaublich gut aussehen konnte. Warum war alles, was er tat so sinnlich? „Es ist das erste mal, dass eine Frau mein Herz erobert hat. Ich wollte dich nicht Gewalt rumkriegen. Irgendwann wirst du mir schon deine Aufmerksamkeit schenken. Ich werde darauf warten.“ Er lächelte siegessicher. Ich sah ihn erstaunt an und registrierte erst jetzt, dass er genauso unsicher war, wie ich. Nur bei seinem puren Selbstbewusstsein merkte man das nicht so, wie bei mir. Letztendlich schien auch Edward Masen nur ein Mensch zu sein, der auch unsicher sein konnte. Ich musste lächeln, denn irgendwie war in diesem Moment diese Situation wirklich zum Lachen. Ich wollte verzweifelt meine Liebe und er auch. Doch beide glaubten wir bis jetzt nicht, dass der andere das Gleiche empfand. Als ich sah, wie Edward mich verstimmt ansah – mein Grinsen, schien ihm nicht zu gefallen – warf ich mich in seine Arme und presste mein Gesicht in seinen Pulli. Es war ein wundervolles Gefühl, als seine Arme sich um mich legten und er mich einfach nur festhielt. So wie ich es die ganze Zeit über gewollt hatte. Ich küsste ihn auf die Wange und flüsterte ihm die Wahrheit ins Ohr. „Mein Herz hat von Anfang an dir gehört...“ Plötzlich war es so leicht, diese Worte über die Lippen zu bringen. Es war bisher immer so schwer gewesen, das nur zu denken, weil diese Worte mit Schmerz und Kummer verbunden waren. Doch nun fühlten sie sich so leicht an. Er nahm meine Hände in sein Gesicht und sah mich überrascht an. Dann lächelten wir beide, weil uns klar wurde, dass Liebe nicht immer unerreichbar sein musste. Als seine Lippen sich dieses Mal auf die meinen senkten, war es ein süßer und unschuldiger Kuss. Dies hier sollte unser erster wirklicher Kuss sein. Der Kuss, nachdem man dem anderen seine Gefühle gestanden hatte. Es dauerte nicht lange und überall in Paris konnte man auf den großen Leinwänden die Werbung für >Gabriels< neues Video erkennen. Der Song >Drug< war eh schon Nummer 1 aller Charts und nun lief das Video auf allen Musikkanälen und sogar auf den Kanälen, die eigentlich keine Musikvideos in ihrem Programm hatten. Das Lied war ein Ohrwurm, man sprach über das Video, genauso wie über den Song. Auf Plakaten sah man Edward und mich nackt, wie er die Arme um mich geschlungen hatte und in die Kamera blickte. Man konnte mich wirklich nicht erkennen, da man mich nur von hinten sah, dennoch war es ein komisches Gefühl, mich zu sehen. Ich wusste noch, wie aufgeregt ich gewesen war, als ich das Video zum ersten Mal gesehen hatte. Wir waren alle im Vortragssaal von „Mars Production“ gewesen und ich war auf meinem Stuhl hin und her gerutscht, weil ich so verdammt nervös gewesen war. Ich konnte es einfach nicht erwarten, das Video zu sehen. Ich hatte keine Ahnung ob das ein Besonderer Moment für die Band sein würde, doch für mich war es das auf jeden Fall. Wegen zwei Dingen eigentlich. Einerseits weil es mein Song war und andererseits weil ich in dem Video eine Rolle spielte, auch wenn das keiner wissen würde. In den Nachrichten hörte man von den Moderatorinnen solche Sätze wie: „Das Mädchen im neuen >Gabriel<- Video ist wirklich zu beneiden“ oder „Jeder würde wohl mit ihr tauschen wollen.“ „Bella. Bella“, wurde ich gerufen und drehte mich um. Jacob kam mit Jasper und Emmett zu mir. Sie alle hatten schon ihr Bühnen-Outfit an und sahen toll aus. Wie immer. „Siehst du dir auch die Live-Premiere an?“, fragte er mich. Heute würden sie zum ersten Mal >Drug< nach der Videoaufnahme auf einer Bühne vorspielen. Ich nickte und sah wieder zu den Moderatoren, im Fernsehen, die gerade über das neue Video von >Gabriel< sprachen. Vor einer halben Stunde war das hier der erste Sender wo es lief und nun lief es schon auf allen Sendern. „Du bist ganz schön berühmt, Kleine“, meinte Emmett und ich sah ihn fragend an. „Kein Wunder. >Gabriel< stehen an der Spitze der Charts und das Video läuft auf allen Kanälen“, sagte Jasper. „Aber warum bin ich berühmt?“, fragte ich die Jungs, denn man sah mich ja nicht. Keiner wusste wer ich war. „Hm? Hast du noch nichts darüber gelesen?“, fragte Jacob und ich konnte nur mit den Kopf schütteln. Ich begleitete die Drei in den Aufenthaltsraum, wo eine paar Klatsch-Zeitschriften auf dem Tisch lagen. Jacob blätterte sie auf und reichte mir eine Zeitschrift nach der anderen. Es waren alles Berichte über >Gabriel<. „Wer ist der neue Texter?! Was plant >Mars RecordsDrug<-Video!“ Alle sprachen von mir. Ich schluckte schwer. „Jonah Swan? Bist du damit gemeint, Bella?“, fragte Jasper mich und hielt mir die nächste Zeitschrift hin. Darin war Edward und mein Song abgedruckt. Text: Carlie Swan/Musik: Edward Masen. Ich nickte. „Ja, sie wollten, dass ich als Texterin für >Gabriel< einen männliches Pseudonym wähle. Also steht bei meinen Songs dieser Name. Jonah ist der zweite Vorname meines Vaters. So wurde aus Isabella Swan Jonah Swan“, erklärte ich ihnen und blickte wieder auf eines der Fotos, das Edward und mich zeigte. Es war komisch, mich nackt auf einem Cover zu sehen, auch wenn keiner wusste, dass ich es war. „Sieht aus, als würde die Plattenfirma mit Fragen über Jonah Swan bombardiert werden…“, sagte Jacob, und ich sah ihn überrascht an. „Einige Bands baten um eine Kontaktadresse, weil sie auch Texte von dir wollen. Aber die Firma macht um deine Person ein großes Geheimnis und gibt keine Informationen preis.“ „Das sorgt natürlich für Schlagzeilen“, sagte Jasper mit seiner ruhigen Stimme. „Verstehe“, meinte ich nur und wusste nicht, was ich darüber denken sollte. Es war komisch, dass ich nun plötzlich im Mittelpunkt stand. Wegen mir gab es Schlagzeilen. In jeder Zeitung wurde ich als großes Rätsel gepriesen, dabei war ich doch einfach nur ich. Ich schrieb Texte, aber ich war immer noch ein einfaches Mädchen, das auf die Schule ging. Ich wusste nichts von der Welt oder wie meine Zukunft wohl aussehen würde. „Stellt euch vor, es käme heraus, dass der Texter und das Videogirl ein und dieselbe Person sind“, meinte Jacob und lachte. „Die Info ließe sich teuer verkaufen.“ Ich seufzte nur, denn offensichtlich war ihm in diesem Moment nicht klar, dass das die ganze Band betreffen würde. Falls das rauskommen würde, würde nicht nur ich auf der Abschlussliste stehen, sondern auch Edward, Jacob, Emmett, Carlisle und Jasper. Sie alle würden darunter leiden, das wusste ich einfach. Das Gemurmel um uns herum verstummte und ich drehte mich um. Edward kam gerade auf uns zu und mein Herz schlug Purzelbäume. Es schlug so laut und kräftig, dass es entweder meinen Brustkorb sprengen würde oder alle in meiner Nähe hören würden, wie ich in Edwards Nähe fühlte. Mal wieder hatte er die Hände in die Hosentasche seiner schwarzen Jeans gesteckt, welche ihm locker auf den Hüften saß und sah mehr als nur lässig aus, als er zu uns herüber kam. Sie hatte ein paar Risse und das schwarze Hemd, war nur am untersten Knopf geschlossen, zeigte mal wieder allen seine makellose, reine Brust. Er lächelte mich sanft an. „Lange nicht gesehen.“ Ich nickte nur, denn ich brachte kein Wort über meine Lippen, so nervös war ich. Ich knete den Stoff meines Rockes und sah ihn unsicher an und dann sah ich sofort wieder weg, wenn er meinen Blick erwiderte. Es war eine komische Situation zwischen uns beiden. „Ich muss zum Sound-Check“, sagte Emmett. „Ich auch“, meinte Jasper und Jacob folgte ihnen einfach. Somit waren wir alleine. Edward setzte sich auf den Stuhl neben mir und wir beide wichen dem Blick des anderen aus. Ich fühlte mich absolut unsicher, ratlos was ich tun sollte, während ich die schwarzen und weißen Mosaik-Fließen des Fußbodens zählte. Bisher war es immer so locker und einfach zwischen uns beiden gewesen, er war da, wenn ich ihn brauchte, doch nun hatte sich etwas verändert. Unser Liebesgeständnis hatte etwas zwischen uns verändert. „Wie fühlt man sich als Star ohne Gesicht?“ Ich seufzte auf. „Dieser ganze Wirbel hat nichts mit mir zu tun“, sagte ich ruhig. „Texte und Video sind nur deshalb in aller Munde, weil sie von >Gabriel< kommen. Ich profitiere nur von eurem Erfolg.“ Meine Hände lagen in meinem Schoss, denn ich konnte ihn immer noch nicht ansehen. „Das alles hat nichts mit mir zu tun.“ „Und du glaubst, du hättest nichts zu diesem Erfolg beigetragen?“, fragte Edward. Ich sah ihn an, sah wieder dieses Grinsen um seine Mundwinkel herum. Er legte seine Hand auf meinen Kopf und streichelte mir übers Haar. „Hab etwas mehr Selbstvertrauen. Du bist jetzt eine von uns.“ Er lächelte noch mal und stand dann schließlich auf. „Bis später.“ Ich nickte und war ihm für die wenigen, aber dennoch tröstenden Worte dankbar. „Ja, bis später.“ Ich gehörte also dazu. Ich war Mitglied von >Gabriel<. Ich sollte mehr Selbstvertrauen haben. Hab ich wirklich Talent. Ich sah ihm, wie er zur Tür ging, plötzlich stehen blieb und sich abrupt umdrehte. Er eilte zu mir und küsste mich, bevor ich etwas sagen konnte. „Ich habe keine Ahnung, ob die anderen dein Talent zu schätzen wissen. Ich tu es auf jeden Fall“, sagte er und küsste mich noch mal. „Ich bin wahnsinnig stolz auf dich.“ Mit diesen Worten verließ er den Aufenthaltsraum. Denn eigentlich sollte er schon auf der Bühne sein. Emmett schlug schon die ersten Takte ein. „Und hier kommt sie! Frankreichs wildeste, leidenschaftlichste Rockband! Live on Stage!“ Die Fans schrien begeistert nach ihren Stars und alles schien einfach nur toll zu sein. Edward strahlte in die Menge, während er >Drug< sang. Das war der Song den alle hören wollte und seine Stimme ließ nicht nur die Herzen der Fans schneller schlagen. Ich stand hinter der Bühne und beobachtete ihn und in diesem Moment wurde mir etwas klar. Ich musste nicht im Rampenlicht stehen. Das war ein Ort, der nicht für mich bestimmt war. Dort würde ich mich eh nur unwohl fühlen. Alles was wirklich zählte, war seine Anerkennung. Es genügte mir, an seiner Seite zu sein. Er war mein ganzer Stolz. Er hatte die Kraft, sich an der Spitze zu halten und die Gabe, Millionen zu verzaubern. Keiner konnte sich mit ihm messen. Das Konzert war wie nicht anders zu erwarten, ein großer Erfolg und sie spielten noch zwei Zugaben, bevor sich >Gabriel< von seinen Fans verabschiedete und auf direkten Weg verschwand. Ich half noch etwas bei den Aufräumarbeiten, als ich hörte, wie die Leute um mich herum, verstummten und sie Herr Gérard begrüßten. Ich sah ihn an und nickte ihm zu. „Das Video war ein ganz ansehnlicher Erfolg. Aber deshalb gehörst du für mich noch lange nicht zum Team“, sagte er einfach, ohne mir auch nur „Hallo“ gesagt zu haben. Er war ernst und ließ mich wieder ein Mal spüren, wie wenig er von mir hielt. „Sollte sich das als Eintagsfliege erwiesen, bist du den Job sofort los.“ „Schon klar“, sagte ich mit einem Nicken. Doch dieses Mal würde ich nicht vor diesem Mann klein bei geben. Denn Edward glaubte an mich, er glaubte an meine Arbeit und glaubte auch, dass ich Talent hatte. Seine Liebe gab mir Selbstvertrauen. Ich hob den Kopf wieder und sah ihn direkt an. „Ich werde von nun an noch härter arbeiten“, versprach ich ihm. Einen Moment schien er etwas überrascht zu sein, nickte dann aber. „Ich bin gespannt.“ Er drehte sich um und ging schließlich wieder. Einen Moment noch sah ich ihm nach und hoffte wirklich sehr, dass er mich irgendwann akzeptieren würde. Aber brauchte ich ihn überhaupt? Ich hatte doch >Gabriel< und vor allem hatte ich Edward auf meiner Seite. Beladen mit Sandwiches und ein paar Getränken ging ich wenig später zur Garderobe. Ich klopfte wie immer an und trat einfach ein, war allerdings etwas überrascht, dass Edward der Einzige war, den ich darin entdeckte. Er saß vor dem Fernseher und starrte gespannt den Bildschirm an. „Hier eine Cola für dich.“ Doch Edward schien mich gar nicht zu kriegen. Er wirkte völlig abwesend. Was er da im Fernsehen sah, schien ihn vollkommen einzunehmen. Dabei waren es nur Nachrichten. „Edward?“, sprach ich ihn noch mal an und erst jetzt regte er sich und sah mich überrascht an. „Hm? Oh, Sorry. Ich war ganz in Gedanken.“ Ich nickte nur. „Wo sind denn die anderen?“ „Bei F-Star“, erklärte er mir und legte mir die Hand auf den Rücken, schob mich aus dem Raum hinaus. „Komm, lass uns gehen.“ Ich drehte mich um und blickte zum Fernseher. Es war ein Interview, ein Mann mit blonden Haaren wurde von Reportern befragt. „James Gigandet, der Sohn des großen Medienmoguls Caius Gigandet besucht Frankreich. Sein Plan >Canal Plus< zu kaufen und >Giga Records< nach Frankreich zu bringen, sorgt für großes Aufsehen“, sagte der Sprecher des Berichts. „Mein Vater hat mir den französischen Mark überlassen. Ich werde ein eigenes Imperium aufbauen“, versprachen James Gigandet in die Kamera. „Es gibt da übrigens einen Musiker, den ich unbedingt treffen will…“ Doch da zog Edward schon die Tür zu und ich konnte nicht mehr herausfinden, warum der Bericht über diesen James Gigandet ihn so gefesselt hatte. „Hm? Zur Eröffnungsparty von >Giga RecordsGiga Records<“, sagte jemand und ich blickte auf die kleine Bühne, die man aufgestellt hatte. Ein schmaler Tisch stand dort und ein älterer Mann in einem anthrazit-farbenen Anzug. „Ich möchte Sie im Namen der Firma herzlich begrüßen. Hiermit übergebe ich das Wort an den Vize-Direktor des Medienkonzern Gigandet und Vertreter von >Canal Plus<. Er ist zum ersten Mal in Frankreich. Darf ich vorstellen: James Gigandet.“ Nun tauchte ein blonder Mann im dunklen Anzug auf. „Verehrte Gäste, endlich geht mein großer Traum, in Frankreich zu arbeiten, in Erfüllung.“ Ich schluckte schwer, als ich den Typ wieder erkannte, denn es war der Typ, der mich aufgefangen hatte, als ich über mein Kleid gestolpert hatte. „Kennst du ihn?“, fragte Edward mich, den offensichtlich war ihm nicht entgangen, dass ich ihn wieder erkannt hatte. „Ich habe ihn vorhin mit dir verwechselt“, gestand ich ihm. „Was? Der sieht mir doch überhaupt nicht ähnlich“, sagte Edward ernst. „Die Gründung von >Giga Records< in Frankreich ist der erste Schritt auf dem Weg zur Erschließung des europäischen Marktes. Wir wollen Frankreichs Musikszene in ganz Europa promoten und >Giga Records< dient als Sprungbrett dafür.“ Er sah nicht älter als 20 Jahre. Aber er schien schon jetzt eine große Nummer sein. Und er spricht sogar fließend Französisch. Doch die Ähnlichkeit war immer noch für mich ein wenig erschreckend. Ich sah Edward an und grinste. „So könnte >Gabriel< international bekannt werden. Meinst du nicht?“ Doch Edwards Gesicht war ernst. Seine Lippen waren zu einer schmalen Linie und der Blick war regelrecht empört. „Edward?“ Warum machte er so ein finsteres Gesicht? „Es ist wundervoll und ich finde es toll, dass sie alle mit mir hier sind. Hiermit erkläre ich das Buffet für eröffnet.“ Ich strahlte und versuchte Edwards ernstes Gesicht aus meinem Kopf zu verdrängen. Ich sah mir die einzelnen Gerichte des Buffets an und mein Herz begann wieder zu strahlen. Es gab Eclairs und Madeleines, es gab Kaviar, Krabben, Hummer und Schrimps, Gänseleber, Würstchen im Schlafrock und Roastbeef. Ich war begeistert. Alles sah so unglaublich lecker aus. Sogar das Essen auf der Hochzeit meiner Cousine, von vor drei Wochen sah hingegen dieses Essens ziemlich erbärmlich aus. „Edward, schau mal wie lecker…“ Ich drehte mich um und sah mich nach ihm um. Ein Kloß machte sich in meinem Hals breit, als ich sah, wie eine Frau ihre Hand auf Edwards Wange legte und ihn liebevoll ansah. Zwei weitere Frauen standen daneben und lächelten ihn an. Sie waren blond, groß und wunderschön. „Vergiss diese naiven Popsternchen und komm zurück zu mir“, sagte die eine, mit besonders tiefem Ausschnitt. „Ihr Dummen Gänse. Edward braucht eine richtige Frau“, sagte die Blonde, mit dem längstem Haar unter den Dreien. Sie wirkte auch ein paar Jahre älter. Vermutlich war das die Frau, die doppelt so alt war wie Edward. „Stimmt er braucht eine richtige Frau und nicht so eine alte Schabracke wie dich“, sagte die Jüngste, die eben noch ihre Hand an seiner Wange hatte. „Was weißt du schon über seine sexuellen Vorlieben?“ Ich kochte vor Wut und Eifersucht. Das war doch echt die Härte, was erlaubte sich dieser Typ eigentlich? Und vor allem was erlaubten sich diese Tussis? Das konnte doch nicht der ihr Ernst sein. Und warum machte Edward da überhaupt mit? Die tun so als wüssten sie genauesten über ihn Bescheid. Dabei war sie doch nur mit ihm Bett. Ich aber… Ich hatte nicht mal das mit ihm gehabt. Ich griff nach einem der Martini-Gläser und trank die Flüssigkeit in einem Zug herunter. Mein Blick wanderte wieder zu Edward, der immer noch bei den drei Frauen stand. Ich wusste gar nichts über Edward. Wieder griff ich nach einem Glas, rührte ein wenig mit der Olive in der Flüssigkeit bevor ich das Glas wieder austrank. Ich wusste eigentlich gar nichts über ihn. Nicht was seine Lieblingsfarbe war oder was er am liebsten aß. Welche Kinofilme bevorzugte er und welche Musik hörte er, wenn er mal traurig war. Was wusste ich schon von Edward Masen? „Sind wir uns nicht vorhin begegnet…“ Ich drehte mich um und sah in das Gesicht des blonden Edward-Zwilling. Ich seufzte, denn ich hatte gehofft, es wäre Edward, der endlich wieder zu mir kam. „Hallo“, sagte ich nur und blickte wieder mein Martini-Glas an. „Ist der große Typ dort, den alle anstarren dein Freund?“ „Gute Frage“, meinte ich nur und nippte an meinem Glas. „Wie kann jemand, über den ich gar nichts weiß, mein Freund sein?“ Wir liebten uns. Ich war mir meiner Worte zumindest sicher. Aber… Liebe alleine reichte nun mal nicht aus. „Kein Grund sich zu betrinken“, sagte James Gigandet und lächelte mich sanft an. Mir wurde langsam heiß und auch ein wenig schwindelig. Meine rechte Hand krallte sich an die Tischplatte, während meine Linke weiterhin das Glas festhielt. „Hast du heute Abend schon was vor, Edward?“ „Lasst mich in Ruhe“, sagte er schließlich und ich wollte aufsehen, doch mein Kopf war mit einem Mal so schwer und alles schien sich zu drehen. „Ich vertrödele meine Zeit nicht mit Flittchen wie euch! Was bildet ihr euch ein, nur weil wir miteinander geschlafen haben?“ Der Griff um mein Glas wurde lockerer und ich verlor die Kraft. Ich hörte es klirren, konnte aber nicht auf den Boden sehen, weil sich alles drehte. Ich sackte nach hinten und spürte nur wie ich aufgefangen wurde. Ich sah in das Gesicht von James Gigandet, der mich hielt und mich entsetzt ansah. „Ein Glas Wasser. Schnell“, schrie er und ich konnte seine Worte gar nicht verstehen. Sie kamen so schnell über seine Lippen, dass ich gar nicht hinterher kam. Meine Kehle brannte wie Feuer und ich konnte mich nicht mal mehr auf den Beinen halten. „Hier trink“, sagte er und hielt das Glas an die Lippen. Doch er hielt es zu steil und ich musste von dem vielen Wasser schlucken, da es zu viel auf einmal war. „Gib her“, hörte ich jemand sagen und spürte dann wie jemand seine Lippen auf meine drückte. Flüssigkeit wurde in meinen Mund gedrückt und ich als ich die Augen öffnete, sah ich in Edwards besorgtes Gesicht. „Isabella, was ist los? Ist dir schlecht?“, fragte er besorgt. „Soll ich dir etwas bringen? Noch mehr Wasser?“ Ich nickte nur und sah wie er wieder einen Schluck zu sich nahm und dann seine Lippen wieder auf die meinen drückte. Ich seufzte zufrieden auf und fühlte mich plötzlich unglaublich wohl in seinen Armen. Er hatte einfach die Macht über meinen Körper, dass ich mich sofort entspannte, wenn er mich festhielt. „Esch tut mir Leid“, brachte ich nuschelnd hervor. „Ich vertrasche wohl keinen Alkohol.“ „Ist schon gut“, sagte er und küsste mich auf die Stirn. Dann stand er mit mir auf, hielt mich in seinen Armen. „Es wird Zeit, dass wir gehen.“ „Wo bringst du sie hin?“, fragte Jacob besorgt. Ich versuchte ihn anzulächeln, damit er sich keine Sorgen mehr machen musste, doch nicht mal ein Lächeln brachte ich wirklich zu Stande. „Ich habe hier ein Zimmer gemietet“, hörte ich ihn sagen und dann drehte er sich um und ließ Emmett, Jacob, Carlisle und Jasper einfach stehen. Ich sah über Edwards Schulter zu ihnen und winkte ihnen zu. „Soll ich einen Arzt rufen?“, fragte James Gigandet, der uns an der großen Flügeltür abfing. „Spar dir die Mühe. Sie ist nur etwas betrunken“, sagte Edward ernst. „Warum so abweisend?“, hörte ich James fragen. „Redet man so mit seinem Bruder, wenn man ihn zum ersten Mal im Leben trifft?“ „Ich habe dich nie als meinen Bruder betrachtet“, sagte Edward ernst und ging an ihm vorbei. Ich wusste nicht, ob ich wirklich richtig gehört hatte. Vielleicht spielten mir meine Ohren auch in meinem angetrunkenen Zustand einen Scherz und wollte mich nur im Glauben halten, das gehört zu haben. Doch warum dann diese Ähnlichkeit? Warum sah Edward immer so ernst aus, wenn er diesem James Gigandet gegenüber trat. Irgendetwas war zwischen ihnen und ich wusste nicht was es war. Wenn mein Kopf sich nicht so neblig anfühlen würde, würde ich mich damit auch wirklich befassen können. Wenig später lag ich in einem riesigen Bett in einem noch größeren Hotelzimmer und blickte Edward fragend an, der gerade etwas Tee in eine Tasse goss, die auf dem Nachtisch stand. Ich trug das T-Shirt, mit dem Edward mich vorher auch zum Hotel gefahren hatte, denn in dem engen schwarzen Kleid hätte ich mich in dem kuscheligen Bett nicht so wohl gefühlt wie jetzt. „So ist es besser oder?“, fragte er besorgt. „Ruh dich ein wenig aus. Wenn du etwas brauchst, bestell ich es sofort.“ „Edward… kann ich dich was fragen?“ „Alles“, sagte er sofort. „Aber du darfst nicht böse werden. Versprich es.“ „Warum sollte ich böse werden? Du hast doch nichts angestellt oder?“ Ich schüttelte den Kopf. „Was für eine Beziehung besteht zwischen dir und diesem James?“ Edward zuckte zusammen und die Tasse, die er gerade mit Tee gefüllt hatte kippte um und der dunkle Tee tropfte auf den Teppichboden. Er biss sich auf die Unterlippe und drehte mir im nächsten Moment den Rücken zu. „Was soll diese Frage?“ „Ich möchte es wissen“, sagte ich ernst und rutschte etwas unter der Bettdecke hervor. Ich wollte nicht, dass er mir nun den Rücken zu drehte. Ich konnte sehen, dass er die Fliege von seinem Kragen löste, doch das sollte er jetzt nicht tun. Er sollte mich ansehen, wenn er mit mir sprach. Ich wollte ihn ansehen, wenn wir mit einander sprachen. Ich wollte es wissen. Ich wollte so vieles wissen. Ich wollte endlich irgendetwas von ihm wissen, was sonst keiner über ihn wusste. „Ich liebe dich und möchte alles über dich wissen.“ Er sah mich an und seufzte dann. „Sag aber später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du wolltest es wissen.“ Er sah mich ernst an und ich wusste, dass er wohl hoffte, ich würde sagen, dass ich es nicht mehr hören wollte. Doch ich wollte es hören. „Erzähl es mir, Edward. Bitte.“ „Sein Vater hat meine Mutter vergewaltigt.“ Es war nur ein Satz und irgendwie veränderte er alles. Ich hatte so vieles erwartet. Dass er irgendwie mit diesem James verwandt war, aber doch nicht so. Seine Mutter wurde vergewaltigt? Ich konnte nicht glauben, was er mir da sagte, doch an der Art wie er es sagte, wie er dabei aussah, wusste ich, dass es die Wahrheit war. Er sah so ernst aus. So verletzt. „Sie war verheiratet und arbeitet in einem Club als Sängerin. Caius Gigandet hatte geschäftlich in Frankreich zu tun und sah sie in diesem Club. Sie gefiel ihm. Also bat er den Clubbesitzer, sie zu ihm zu schicken. Und dann…“ Ich sah, wie Edward zitterte und seine Hand sich zur Faust ballte. Er war wütend und verletzt zu gleich. Er war einer dieser Menschen, die andere beschützten wollten und vielleicht war er so geworden, weil er seine Mutter damals nicht beschützen konnte. Vielleicht beschützte er mich, weil sie damals niemand beschützte. „Er hat sie vergewaltigt.“ In seiner Stimme sprach so viel Wut mit, dass er mir fast Angst einjagte. Doch ich wusste, dass er mir nicht weh tun würde. Er war nicht wütend auf mich, sondern auf diesen Caius Gigandet. „Meine Mutter wurde schwanger.“ Wieder schwieg er für einen Moment. Er ging zur kleinen Bar, holte sich ein Glas aus dem Regal, schmiss Eiswürfel ins Glas und füllte das Glas zur Hälfte mit einer hellbraunen, klaren Flüssigkeit. „Sie wusste nicht, wer der Vater war. Also brachte sie das Kind auf dem Land zur Welt. Sollte das Kind von Caius sein, wollte sie es in ein Heim bringen und ihrem Mann sagen, es sei tot zur Welt gekommen. Aber wenn ihr Mann der Vater wäre, würden sie es gemeinsam großziehen, als wäre nichts passiert. Das Baby hatte bronzefarbene Haare, wie meine Mutter und sie benachrichtige ihren Mann. Es war nicht so blond wie Caius. Ihr Mann hatte auch eher einen bräunlichen Haarton und sie war erleichtert über die Tatsache.“ Er lächelte kurz verbittert auf und nippte an dem Getränk. Er verzog für einen Moment das Gesicht, weil es ihm im Hals zu brennen schien, doch dann atmete er erleichtert aus. „Aber als das Kind die Augen öffnete, da waren sie grün. Weder sie noch ihr Mann hatten grüne Augen. Auch niemand aus der Familie. Es gab nur ein Mann, der grüne Augen hatte. Und dieser Mann war Caius Gigandet“, sagte er ernst und trank wieder einen Schluck des Getränks. „Dieses Kind war ich.“ Ich seufzte auf und registrierte erst jetzt, dass ich Tränen in den Augen hatte. Seine Geschichte nahm mich einfach so sehr mit, dass mein Herz zu bluten schien. „Ihr Mann bezichtigte sie des Ehebruchs und ließ sich von meiner Mutter scheiden. Immer wieder hatte sie zu mir gesagt: >Wären deine Augen nicht grün gewesen und wärst du ein Kind der Liebe gewesen, dann würde ich dich lieben können.<“ Ich schluckte schwer. „Edward“, sagte ich tonlos und schmiss die schwere Bettdecke von mich und sprang auf. Ich eilte zu ihm und umarmte ihn von hinten, da er immer noch mit dem Rücken zu mir stand. „Ich liebe deine grünen Augen“, sagte ich zu ihm. „Sie sind so klar. Ich liebe sie von ganzem Herzen.“ „Ich gab mir die Schuld, an allem was passiert war… Auf der Welt zu sein, empfand ich als Verbrechen.“ Er griff nach meinen Händen und zog sie nach vorne. Ich spürte, wie er meine Finger küsste. „Aber um dich zu treffen, hätte ich jedes Verbrechen begangen.“ Ich musste schlucken und trat um Edward herum, stellte mich auf Zehenspitzen und küsste seine Lippen. Ich liebte seine Augen. Ich liebte ihn und ich würde alles mit ihm teilen. Freud und Leid. Ich würde ihm beweisen, dass er ein Gottes Geschenk ist und dass es Menschen gibt, die froh sind, dass er auf der Welt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)