Gabriel von abgemeldet
(Wie entscheidest du dich?)
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Kapitel 3: mélodie Love – Love Melody
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„Und nun Bühne frei für >Gabriel< mit ihrem Song ‚,nude“, kündigte die
Fernsehmoderatorin von MTV an. Ich hatte gerade noch rechtzeitig den Fernseher
eingeschaltet, kuschelte mich auf ein Kissen vor den Bildschirm und sah mir das
Musikvideo an. Edward sah klasse in der engen Lederhose.
Ich seufzte und ließ den Kopf aufs Kissen sinken, als ich daran dachte, dass es
mich immer beschützen musste, wurde mir wirklich mulmig zu Mute. Irgendwie
sollte ich mich dafür bei ihm bedanken. Ich sollte ihm irgendwie entgegen
kommen, denn sein Leben war garantiert schon aufregend genug, da sollte er sich
nicht auch noch um das Leben einer Schülerin in der Abschlussklasse sorgen.
Mein Blick wanderte über meinen Teppich zu meiner Handtasche, wo die CD des
Demotapes herausschaute. Ich krabbelte über den Fußboden und zog die CD aus
der Tasche. Mit ihr in der Hand legte ich mich auf dem Rücken und blickte sie
mir an.
Vielleicht würde es Edward erfreuen, wenn ich ihm einen Songtext zu seiner
Melodie schrieb. Das sollte ja schließlich auch meine Aufgabe als Songtexterin
sein. Doch seit dem ersten Songtext, den er mir ja geklaut hatte, hatte er noch
keinen neuen für mich bekommen.
Schnell griff ich nach meinen Discman, legte die CD ein, setzte mir die
Kopfhörer auf und schon ertönte die Melodie, die Edward mir auf dem Flügel in
meiner Schule vorgespielt hatte. Es war eine süße, unschuldige Melodie. Doch
ich wollte, dass die Fans wirklich das erotische Prickeln spüren konnten, von
dem Edward sprach. Ich wollte, dass sie genauso an seine Lippen hingen, wie ich
an seinem Anblick, als er dieses Lied für mich gespielt hatte. Ich wusste
nicht, ob ich diesen unglaublichen Moment überhaupt in Worte fassen würde
können, doch ich wollte es versuchen. Für Edward. Für >Gabriel<.
Ich hatte keine Ahnung von Sex und der Einzige Mann, den ich bisher berührt
hatte, war Edward. Ich rief mir Edward wieder ins Gedächtnis, wie er sich das
Hemd langsam über seine Schulter streifte, seine nackten Schultern Stück für
Stück entblößte. Makellose Alabasterhaut eröffnete er mir.
Ich dachte, an seinen Herzschlag, der unter meiner Hand so kräftig geschlagen
hatte. Es hatte seinen eigenen Rhythmus, das sein Leben bestimmte. Sogar von
diesem Pulsieren, war ich überwältigt.
Ich dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, über seine nackten, breiten
Schultern zu streicheln. Wie meine Fingerspitzen über seine Haut gefahren waren
und ich jeden Zentimeter seiner Haut mir für die Ewigkeit in Erinnerung
behalten wollte.
Ich musste an seine rauchige Stimme denken, wie sie über meine Haut
gestreichelt hatte. Sie war dunkel und kräftig gewesen. In jedem seiner Worte
war die Macht spürbar, die er über meinen Körper hatte.
Sein Geruch war das Nächste, an das ich mich erinnerte, während ich mich auf
den Rücken legte, der Musik lauschte. Sein Geruch, der mich einfach
überwältigt hatte, mich eingelullt hatte in die geheime Welt des Edward Masen.
In einem kurzen Moment war ich auf Watten gebettet worden.
Seine hinreißenden Lippen, die eine heiße Spur auf meine Haut brannten, an die
kam ich gar nicht drum herum. Sogar jetzt spürte ich seine Lippen auf meiner
Haut. Die heiße Spur brannte wieder auf. Das Feuer loderte in mir auf, dass er
in mir entfachte, wenn er mich so berührte.
All das steigerte nur mein Verlangen nach seiner Umarmung. Ich wollte, dass er
mich an sich drückte, dass seine Arme mich umschlossen.
Es war seltsam, dass wenn ich während ich seine Musik hörte und an ihn dachte,
kamen die Worte fast wie von selbst, nach denen ich suchte.
>Wenn du in meinen Armen liegst,
fühl ich, dass du mich begehrst
Ich küsse deine Lippen,
auch wenn du dich noch so wehrst.
Und mit jeder neuen Narbe, die von deinen Nägeln rührt,
steigerst du mein Verlangen
Und wirst mit Leidenschaft belohnt.
Du willst genau wie ich,
Darum soll es jetzt passieren.
Ich reiße dich fest an mich,
Und mich in dir zu verlieren.
Sanft berauscht vom süßen Honig wirst Du in meine Augen sehen,
und ich weiß,
nach dieser Nacht lass ich dich nicht mehr gehen<
~~~
„Okay, ich werde ihn Edward geben“, sagte Aro Gérard, der den Entwurf
meines fertig geschriebenen Songtextes in der Hand hielt. Doch Aro schien nicht
sehr begeistert davon zu sein, offensichtlich gefiel es ihm nicht, dass ich nun
wirklich einen Text geschrieben hatte. Einen Moment musterte er ihn skeptisch,
nickte dann aber doch.
„Ich bin nur hier, weil er sich heute noch nicht bei mir gemeldet hat. Darf
ich kurz zu ihm? Ich würde gerne seine Meinung direkt hören“, bat ich Aro.
Aros Miene verfinsterte sich, bevor er mich wütend und genervt ansah. „Hast
du ihn nicht schon genug belästigt.“ Er fuhr sich durchs Haar und die Geste
die bei Edward so unheimlich sexy und wild aussah, sah bei ihm einfach nur
frustriert aus. Als wäre er deswegen so frustriert, dass ich noch eine
Schülerin war, denn mehr war ich in seinen Augen offensichtlich nicht.
Entsetzt sah ich ihn an, denn ich hatte doch eigentlich gehofft, dass er mich so
langsam akzeptierte. Natürlich war ich nicht die typische Songwriterin, aber es
war doch Edward, der mich wollte, sollte er sich dann wirklich quer stellen?
„Ist dir eigentlich klar, welche Opfer er für dich bringt?“ Seine Worte
waren hart. Das hier war wieder der Aro, bei unserer ersten Begegnung.
„Sein Terminplan ist randvoll, dann musste er auch noch zur Schule fahren und
dich mal wieder retten, weil du ja offensichtlich nicht auf dich alleine
aufpassen kannst. Edward fährt jeden Tag vorbei oder lässt jemand vorbei
fahren, um sicher zu gehen, dass nichts passiert ist. Wegen dir verpasst er die
Proben.“ Aro fuhr sich genervt durchs Haar, sein Blick war unerbittlich.
„Und an allem bist nur du Schuld. Hoffentlich hast du etwas Brauchbares
geschrieben, sonst ist es mit >GabrielGabriel<.
„Ich bin gespannt, ob sie damit die Nummer Eins bleiben.“ Aro drehte mir den
Rücken zu und schüttelte den Briefumschlag etwas, in dem ich meinen Song
gesteckt hatte. Er schien nicht daran zu glauben und das ließ er mich auch
spüren.
Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Edwards Karriere darunter litt, nur weil
er sich mit mir traf. Ich wollte auch nicht, dass der Band etwas passierte.
Wollte ich mich nicht bei Edward bedanken, eben weil er für mich da war? Doch
offensichtlich vergaß ich dabei, dass er eine Person war, die vielleicht gar
keine Zeit für mich hatte.
Ich sollte mich ganz von Edward fern halten. Ich sollte keine Songs mehr
schreiben. Er hatte sein eigenes Leben und da passte eine Schülerin nun mal
einfach nicht rein.
Woher nahm ich mir denn das Recht, an seiner Seite sein zu wollen?
~~~
Ich reagierte die nächsten Tage nicht auf die Nachrichten die er mir schrieb
und ging auch nicht ans Telefon, wenn er anrief. Ich blickte nicht mehr aus dem
Fenster, auch wenn ich sein Motorrad hörte, wenn er an meiner Schule vorbei
fuhr.
Eigentlich wollte ich gerne wissen, wie ihm mein Text gefallen hatte. Ich wollte
ihn sehen, aber seine Glamourwelt war für mich einfach unerreichbar. Er war
für mich unerreichbar.
„So ein Mist aber auch“, sagte Claudette neben mir. Sie hatte sich in der
Pause mal wieder neben mich gesetzt. Einen Moment hatten wir einfach beide
unseren eigenen Gedanken nachgehangen, ohne etwas zu sagen. Das mochte ich
Claudette sehr. Sie gab mir Freiraum. Doch nun sah ich sie fragend an. „Ich
kann heute leider nicht zur Rue Moret. Aber du fährst doch sicherlich hin, oder
Bella?“
„Wieso?“
„Na hör mal, lebst du auf den Mond? Siehst du denn kein Fernsehen?“
Ehrlich gesagt hatte ich in den letzten Tagen wirklich kaum Fern geschaut. Ich
wollte nichts über Edward oder >Gabriel< hören. Wollte nicht an ihn erinnert
werden, denn dann würde es nur noch schwerer werden.
„Da ist doch dieses verdammt große Festival von >Gabriel<. Sie wollen neue
Songs präsentieren“, erzählte Claudette weiter. „Keine Ahnung, was da
alles abgehen wird. Aber alle werden da sein. Es soll eine riesige Feier
werden.“
>Gabriel< gab also wieder ein Konzert, doch dieses Mal würde ich nicht zwischen
den Fans sitzen und Edward anhimmeln. Ich würde einfach nicht hingehen.
Mein Handy vibrierte in meiner Tasche und ich zog es hervor. Es war wieder eine
Nachricht von Edward. Ich schloss einen Moment die Augen, atmete tief ein, bevor
ich die Nachricht öffnete. „Komm zur Roe Moret. Edward.“
Da war keine Bitte oder es war auch keine Nachricht, ob ich kommen würde. Es
war einfach Edward. Er bat nicht. Er fragte nicht. Er forderte.
Und ich würde ihm entgegen kommen. Ein letztes Mal würde ich ihn sehen.
~~~
Dabei wusste ich gar nicht, ob ich ihn heute wirklich sehen würde, denn viele
Fans standen vor dem Eingang der Konzerthalle. Auf riesigen Plakaten sah man
Edward, der das Gesicht von >Gabriel< war. Er blickte finster in die Kamera. Die
Plakate kündigten das neue Album oder das Konzert an. Egal wo man hinsah,
überall sah man die Gesichter von >Gabriel<. Da waren Edward, Jacob, Carlisle,
Jasper und Emmett zu sehen.
Ich konnte Edward gar nicht entkommen, er sah mich von über all an. Und er sah
einfach unglaublich aus.
Nur langsam betrat ich mit den anderen Fans in die Halle. Dieses Mal hatte ich
keinen Platz in der vordersten Reihe, sondern war ziemlich weit hinten, weil ich
einfach nicht riskieren wollte, dass Edward mich sah. Die Fans waren aufgeregt
und hyperventilieren noch bevor >Gabriel< die Bühne betreten hatte.
Sie erschienen in einem neuen Outfit, jedes war ihnen auf den Körper
abgestimmt. Jedes passte zu dem individuellen Charakter. Die Outfits von Emmett
und Jacob waren wilder, sie trugen schwarze Lederhosen, auf der sich Flammen in
einem kräftigen Rot und Orange ihren Bein hinauf wanderten. Als Shirt trugen
sie nur ein Muskelshirt, welches mal wieder mehr als nur durchsichtig war. Das
Bühnenkostüm von Carlisle war ernster, ließ ihn erwachsener und reifer
wirken. Jasper trug nur ein weißes Hemd, das er nicht in die schwarze Hose
gesteckt hatte. Eine Krawatte in roten Schotten-Karo-Look hing ihm locker um
Hals, die obersten Knöpfe seines gestärkten Hemdes waren nicht zugeknöpft,
entblößten einen Teil seiner alabasternen Brust.
Das Gekreische ging los und übertönte fast die Musik, die die vier anspielten.
Es war eine sanfte und ruhige Melodie. Eine die ich kannte.
Ich sah mich nach Edward um, doch er hatte die Bühne noch nicht betreten.
Dann ging das Licht aus, die Musik spielte weiter und als das Licht wieder
anging, stand Edward am Mikrofon und er sah einfach nur toll aus. Er trug ein
dunkelblaue Jeans, die an sehr vielen Stellen zerrissen war und darüber ein
schwarzes Hemd, das vollkommen offen stand. Seine Brust war fast komplett nackt,
als er die Lippen öffnete und ins Mikrofon sang:
>Wenn du in meinen Armen liegst,
fühl ich, dass du mich begehrst
Ich küsse deine Lippen,
auch wenn du dich noch so wehrst.<
Es war mein Text und es war ein unglaubliches Gefühl, ihn aus seinem Mund zu
hören. Es war ein unglaubliches Gefühl, es fesselte mich, meine geschriebenen
Worte aus seinem Mund zu hören. Kräftig, mit purer Erotik beladen.
Mit offenem Mund starrte ich Edward fassungslos an, wie er mit ernstem Blick
sang. Obwohl es die Worte waren die ich geschrieben hatte, wirkten sie
vollkommen anders. Wilder. Leidenschaftlicher.
> Und mit jeder neuen Narbe, die von deinen Nägeln rührt,
steigerst du mein Verlangen
Und wirst mit Leidenschaft belohnt.<
Als ich die Melodie zum ersten Mal gehört hatte, als er sie mir auf dem Klavier
in meiner Schule vorgespielt hatte, hatte ich die Erotik nicht gespürt gehabt.
Doch nun durchflutete sie meinen Körper. Mein Körper war angespannt, geladen
mit der Explosivität seiner Stimmgewalt.
Die Melodie alleine schaffte keine Erotik. Auch meine Worte konnten das nicht
schaffen. Es war seine Stimme die Erotik in den Song zauberte. Durch seine
Stimme ist jeder Song pure Erotik. Es war das Zusammenspiel, aus seiner Melodie,
meiner Worte und seiner Stimme die die Fans verzauberte. Und mein Text
unterstrich seine Sinnlichkeit.
Ich hatte meine Aufgabe erfüllt. Mein Song…
~~~
„>Drug<, die Neue Single von >Gabriel<”, kündigten Plakate in bunten Farben
an. Überall sah man Edwards Gesicht, der für meinen Song Werbung machte. Es
war ein komisches Gefühl sein Gesicht über all zu sehen, der für meinen Song
Werbung machte.
„Spitze, die Nummer Eins“, sagten die Fans, an denen ich vorbei ging. Ich
war gestern auf dem Konzert gewesen und seit dem hörte ich immer wieder diese
Sätze. Ich konnte sie gar nicht überhören, weder auf den Weg zur Schule heute
Morgen, während dem Unterricht oder nun, auf dem Weg nach Hause.
Meine Hand wurde schwer und ich verlor fast den Griff um meiner Schultasche,
denn es überwältigte mich. Ich versuchte unbeeindruckt zu sein, doch ich war
selber von meinem eigenen Song begeistert.
„Ja! Wahnsinn.“, „Und so sexy!“, „Genau wie Edwad eben“, „Er hat
sich einfach richtig rein gesteigert“, „>Gabriel< sind die Besten.“,
„Aber wisst ihr, der Text ist wirklich gut.“
Ich konnte gar nichts dafür, aber mein Herz schlug für einen Moment ein paar
Takte schneller. Jemand lobte meinen Text, jemand lobte mich für etwas, dass
ich geschaffen hatte. Es war so ungewohnt, dass mich jemand für etwas lobte.
„Ich habe eine Gänsehaut bekommen“, „So wie in dem Song stelle ich mir
das erste Mal vor“, „Ich auch, mit Edward natürlich“, „Und ich mit
Jasper. Mir ist egal, dass er verheiratet ist“, „Hey, vielleicht steht der
Text in einem Musikmagazin.“
Ich musste schlucken.
Sogar heute in der Schule hatten sie alle vom gestrigen Konzert gesprochen,
insbesondere über den neuen Song >Drug<, den ich ihnen geschrieben hatte. Alle
sprachen von meinem Text und genau das konnte ich nicht glauben. Ich hatte immer
um das Lob meiner Eltern gekämpft. Ich wollte, dass sie mich anerkannten. Doch
ich machte immer etwas falsch, machte einen Fehler oder es war nicht so perfekt,
wie sie es sich vorgestellten. Ich schrieb sehr gute Noten in der Schule, war
sogar Klassenbeste. Dennoch verglichen sie mich mit Hanna aus der
Parallelklasse, die immer zwei oder drei Punkte im Gesamtdurchschnitt besser war
als ich.
„Du verstehst es, weibliche Fantasien in Worte zu fassen.“
Überrascht drehte ich mich um und entdeckte Edward. Er stand in einer
schwarzen Jeans und einem schwarzen Pulli vor mir. Eine dunkle Sonnenbrille
verdeckte seine grünen Augen und auf dem Kopf trug er ein Basecape. Wenn ich
ihn nicht an seiner Stimme erkannt hätte, wäre ich vermutlich einfach an ihm
vorbei gegangen, ohne zu wissen, dass es ich bei ihm um Edward Masen handelte.
„Das habe ich dir sofort angesehen.“ Er lächelte sanft. „Du bist wie
geschaffen, um für uns zu texten.“ Ich musste bei seinen Worten schlucken,
denn obwohl ich mich von ihm fernhalten und ihm aus dem Weg gehen wollte, waren
das genau die Worte, die ich hören wollte. Ich wollte dazu gehören.
„Es war sicher ein Wink des Schicksals, dass du mir vor den Wagen gelaufen
bist.“ Er nahm sich Sonnenbrille und Basecape ab und kam auf mich zu. „Und
ich deinen Text gefunden habe.“ Er kam mir verdammt nahe, legte seine Hand auf
meine Wange. Seine Berührung war so sanft, zärtlich. Genauso wie der Blick,
mit dem er mich ansah. Das hier war ein Edward, der mir fremd war. Aber er
gefiel mir.
„Das hat uns zusammengeführt, Bella.“ Sein Gesicht kam meinem immer näher
und bevor ich ihn von mir stoßen konnte, wozu ich aber vermutlich nie die Kraft
gehabt hätte, drückte er seine Lippen auf meine. Es war ein fester Kuss. Ein
Kuss, der meine Lippen sofort in Beschlag nahm und er schien sie nicht wieder
frei geben zu wollen. Edward war derjenige, dem ich meinen ersten Kuss schenkte
und ich wusste einfach naiverweise, dass er der Richtige war.
Langsam schloss ich die Augen und genoss es seine Lippen auf den meinen zu
spüren, den sanften Druck, mit den er meine Lippen küsste, seinen Atem zu
spüren der meine Haut kitzelte.
„Ist das nicht Edward!“ „Wow“, hörte ich die überraschten Stimmen der
jungen Frauen hinter mir.
Edwards Lippen lösten sich von meiner, doch er entfernte sich kaum von mir. Ich
atmete seinen Geruch ein, als er seine Stirn gegen die meine legte und meine
Nase mit der seinen streichelte.
„Ich bin nervös“, sagte ich ihm, denn es war mir unangenehm vor so vielen
Menschen geküsst zu werden.
Sein Daumen strich über meine Lippen, fuhr zärtlich die Konturen nach,
während er mich ernst ansah. „Möchtest du für deinen genialen Text keine
Belohnung?“
Einen Moment sah ich ihm fragend in die Augen, dachte daran, dass ich ihn
eigentlich von mir stoßen sollte, da wir uns in der Öffentlichkeit befanden.
Doch ich hatte keine Kraft dazu. Ich würde Edward nie von mir stoßen können.
„Doch“, brachte ich atemlos über meine Lippen.
Und schon drückte er seine Lippen wieder auf meinen Mund und küsste mich. Der
Kuss war inniger, fester als der Erste und ich seufzte leicht gegen seine
Lippen.
„Ich will“, seufzte ich, doch er verschloss sie immer wieder und schon bald
vergaß ich, was ich ihm sagen wollte.
„Nein, das ist nicht Edward“, sagten die Fans hinter mir. „Der würde hier
doch nicht einfach so herumknutschen.“
Doch ich blendete die Worte der Fans aus und gab mich seinem Kuss hin. Das
einzige was ich in diesem Moment wahr nehmen wollte, war er.
Das Schicksal hatte uns zusammengeführt und diese Liebe entfacht.
~~~
Ich war nicht in der Fassung, nach diesem Kuss nach Hause zu gehen. Mein Herz
war schwer und meine Wangen waren die ganze Zeit gerötet. So konnte ich mich
garantiert nicht an den Abendtisch zu meinen Eltern setzen. Edward und ich
verabschiedeten uns schnell voneinander und ich ging dann in die Wohnung, von
Edward. Das war der einzige Ort, an dem ich in diesem Moment hingehen konnte und
wollte.
Die Wohnung war so etwas wie ein Unterschlupf für mich geworden. Immer wenn ich
es daheim nicht aushielt oder wenn ich nach der Schule noch nicht direkt nach
Hause wollte, dann kam ich einfach hier her. Ich hatte etwas für den
Kühlschrank gekauft, damit er nicht so leer war und ich auch mal was zum Essen
hatte, sollte ich Hunger bekommen. Ebenso hatte ich mir ein paar
Kleidungsstücke hier abgelegt.
Nun stand ich unter der großen Regenwalddusche des riesigen Bads und ließ das
heiße Wasser auf Gesicht und Körper rieseln. Ich hoffte, dass das Wasser meine
Gedanken fortschwämmen würde. Dass die Gedanken an die Sinnlichkeit dieses
Kusses, mit dem Wasser im Abguss verschwinden würden.
Doch ich konnte nur an diesen Kuss denken.
Ich konnte nur daran denken, wie wundervoll es sich angefühlt hatte, von ihm
geküsst zu werden. Es war so real und dennoch kam es mir wie ein Traum vor. Wie
ein wunderschöner Traum, aus dem ich bald erwachen würde und wieder in der
Realität ankommen würde.
Ein Kuss, als Belohnung für meinen Text?
Aber mein erster Kuss sollte mehr als eine Belohnung sein.
Ich stellte das Wasser ab, da ich es irgendwann aufgab. Ich konnte mich nicht
ablenken lassen, mein ganzer Körper sehnte sich wieder nach seinen Lippen, wie
sollte ich ihn da vergesse können? Die wunderschönen Gedanken an diesem Kuss
blieben in meinem Kopf.
Vorsichtig stieg ich aus der Duschkabine. Ich steckte mir die Haare nach oben,
so dass mir nur das Pony ins Gesicht fiel. Ohne hinzu sehen griff ich nach einem
blauen Handtuch, welches in dem Regal neben dem Waschbecken lag und wickelte es
mir um den Körper. Mit dem nackten Unterarm fuhr ich über den beschlagenen
Spiegel, damit ich wieder etwas darin erkennen konnte. Meine Wangen waren immer
noch gerötet und ich bildete mir ein, dass meine Lippen leicht geschwollen
waren. Vorsichtig fuhr ich mit meinem Zeigefinger die Konturen dieser nach und
seufzte auf, als ich daran dachte, wie Edward meine Lippen mit seinem Daumen
entlang gestrichen hatte.
Ich öffnete die Tür des Badezimmers und trat hinaus, um mir aus dem
Kleiderschrank im Schlafzimmer etwas Frisches zum Anziehen zu holen.
„Was für ein Anblick“, hörte ich Edward sagen und ich erstarrte
augenblicklich. Edward stand neben mir und drückte die Tür zu und sah mich
interessiert und mit einem frechen Blick an.
„Was soll das“, schrie ich ihn sauer an und rannte schnell in das
Schlafzimmer, um mir etwas über zu ziehen, denn ich wollte garantiert nicht nur
in einem Handtuch bekleidet sein bei seinen Spielchen und ihn vielleicht auf
komische Gedanken bringen.
„Sehe ich wie ein Monster aus, oder was?“, fragte er mich, als ich zu ihm
wieder ins Wohnzimmer kam. Er sah mich mürrisch an, während ich in die Küche
ging.
„Nein, aber du hast mich erschreckt.“
Edward seufzte, ging zu dem Regal, welches mit so vielen CDs gefüllt war, dass
ich irgendwann aufgehört hatte, die Hüllen zu zählen, an denen ich mit meinem
Zeigefinger entlang strich. Er nahm gezielt eine Hülle heraus und legte sie in
die teuer aussehende Musikanlage. „Vergiss nicht, das ist auch meine Wohnung
und ich habe auch einen Schlüssel.“
Ich seufzte nur und öffnete den Kühlschrank. Natürlich wusste ich das, aber
meistens blieb er im Studio oder in einem Hotel oder einfach sonst wo. „Schon
fertig mit der Arbeit?“
„Ja, ging schneller als ich dachte. Bis Morgenfrüh habe ich frei. Ich hatte
gehofft, dich hier anzutreffen.“
Ich sah ihn fragend an, doch er hatte mir den Rücken zugekehrt. Er spielte an
der Musikanlage rum und als die Musik aus den Boxen ertönte, lächelte ich. Es
überraschte mich, dass Edward >Kate Voegele< eingelegt hatte, das Lied „I
won’t disagree‘ kam aus der Anlage. Es passte mal wieder so gar nicht zum
rockigen, wilden Edward Masen, der die Bühne rockte.
„Was kochst du da?“, hörte ich Edward fragen. Plötzlich war er hinter mir,
seine Wärme spürte ich an meinem Rücken, als er sich an mich drückte.
„äh… Pilaf. Ich dachte, du hast vielleicht Hunger.“
(http://de.wikipedia.org/wiki/Pilaw) Ich sah ihn an und lächelte. „Hätte ich
gewusst, dass du kommst, gäbe es ein Festmahl.“ Ich sah auf die Pfanne, die
auf dem Herd stand, der Reis darin köchelte vor sich hin. „Aber es ist noch
nicht zu spät.“ Ich nahm die Pfanne schnell vom Herd und stellte den Gasherd
wieder aus. „Ich geh einfach schnell noch was einkaufen.“
Doch im nächsten Moment umschlossen mich Edwards breite Arme. Er hielt mich
fest und schmiegte sein Kinn auf meinen Kopf. Ich war wie erstarrt, konnte mich
nicht rühren. „Dazu musstest du dich erst aus dieser Umarmung befreien.“
„Ich kann nicht“, seufzte ich.
„Dann bleibst du darin gefangen“, hauchte er mir ins Ohr. Sein heißer Atem
war wie Feuer und doch erweckte es etwas in meinem Körper, das ich nicht
kannte.
Edward, so langsam gewöhnte ich mich an dich.
Doch gleichzeitig wusste ich, dass ich mir die Finger an dir verbrennen würde.
Auch wenn ich es nicht wollte, mochte ich seine Umarmung und ich wusste nicht,
wie schwer es sein würde, mich so wieder der Realität zu stellen.
„Lust auf einen Film?“, fragte er mich und hielt mir eine DVD-Hülle aus
seinem Regal hin. Einen Moment musterte ich ihn fragend, stimmte aber mit einem
Lächeln zu.
Wenig später saßen wir, nach dem Essen, auf dem breiten Sofa. Zuerst genügte
es mir, nur an seiner Seite zu sein, ihn von der Ferne aus, anzuschmachten und
ihn zu bewundern.
Doch ich wurde egoistischer und wollte mehr von ihm. Ich wollte Edward so kennen
lernen, wie ihn seine Fans nicht mehr kannten.
Er legte seinen Arm über die Lehne und berührte meine Schulter, auf eine
sanfte Art und Weise. Er drückte mich leicht an sich und ich seufzte tonlos
auf. Mein Blick wanderte vom Bildschirm immer wieder zu seinen langen Fingern,
die auf meiner Schulter lagen. Auf den Film konnte ich mich eh nicht
konzentrieren, das hatte ich nach den ersten fünf Minuten schon aufgeben.
Wenn er mich umarmte, mich küsste, oder mir nette Dinge sagte, dann wünschte
ich mir einfach, wir hätten nicht nur eine geschäftliche Beziehung und er mich
nicht nur zur Belohnung für irgendetwas küsste. Ich wollte einen richtigen,
ehrlichen, liebevollen und sinnlichen Kuss.
Ich war etwas überrascht, als Edwards Kopf gegen meine Schulter sackte. Fragend
sah ich in sein Gesicht, war erstaunt, dass seine Augen geschlossen waren und
sein Gesicht so sanft aussah, wie das eines Engels. Er schlief. Er war einfach
neben mir eingeschlafen. Er musste einen anstrengenden Tag gehabt haben.
Wie würde es wohl sein, immer auf ihn zu Hause zu warten und dann mit ihm einen
Film anzusehen? Würde das der Alltag sein?
Ich wollte, dass Edward Masen mich aufrichtig liebte, weil ich ihn so liebte.
Aber letztendlich war das alles nur ein Traum.
Seinen Kopf ließ ich aber auf meiner Schulter liegen.
~~~
Zwei Tage später stand ich vor dem großen Gebäude von „Mars Productions“
und starrte den Zettel in meinen Händen an, auf dem die Adresse stand. Doch
eigentlich hätte ich dieses Gebäude auch ohne diese Adresse gefunden. Jeder
Fan wusste doch, wo „Mars Production“ ihren Sitz hatte, schließlich hatten
sie >Gabriel< unter Vertrag. Die Glastüren öffneten sich automatisch als ich
näher heran trat und ich war erstaunt, als ich in einer riesigen Halle aus
hellem Marmor stand. Grünpflanzen und ein Brunnen ließen es leicht exotisch
aussehen, doch die Information erinnerte einen daran, wo man hier war. Denn
hinter der blonden Dame, die dort stand, war das Logo von „Mars Productions“
in riesigen Lettern zu sehen.
„Bist du Isabella Swan?“
Ich drehte mich und blickte eine wunderschöne Rothaarige Frau an. Ihr rotes
Haar reichte ihr wellig bis zum Po herab. Sie sah unglaublich an. Ich war
überwältigt von ihrer Schönheit.
„Ich bin Victoria Lefevre”, stellte sie sich vor, Leiterin der
künstlerischen Abteilung. Ich bin für >Gabriel< zuständig.“
„Guten Tag, ich…“
„Edward hat mir einiges von dir erzählt“, unterbrach sie mich, lächelte
mich dabei aber zuckersüß an. „Komm ich bring dich zum Konferenzraum.“
Ich nickte ihr dankend zu und folgte ihr, starrte sie währenddessen weiterhin
an. Sie trug ein enges graues Kostüm und darunter eine weiße Rüschenbluse,
sie sah einfach elegant und edel aus. „Dein Text war wundervoll“, sagte sie
mir und lächelte mich an. „Wir haben dich herbestellt, weil wir eine Bitte
haben?“
Fragend sah ich sie an, doch sie öffnete mir schon die Tür zum Konferenzraums,
in dem alle Mitglieder das Band >Gabriel< saßen. Sie grinsten mich alle an, der
eine mehr als der andere. Es war offensichtlich, dass sie sich freuten, dass ich
hier bei ihnen war.
Die Leiterin der künstlerischen Abteilung drückte mich auf einen Stuhl neben
Edward nieder. „Nun, wo wir vollständig sind, können wir ja anfangen. Dann
schauen wir uns mal das Video an.“ Fragend sah ich in die Runde.
Alle lehnten sich lässig zurück in die Stühle gleiten. Ihr Blick war auf den
großen Monitor an der Wand gerichtet.
Miss Lefevre griff nach der Fernbedienung und drückte auf Stopp, als Das Video
beendet war. Man sah nun auf dem Bildschirm Edwards Gesicht, wie er breit in die
Kamera grinste. „So das war das Promo-Video.“ Victoria drehe sich wieder zu
uns um. „Wir haben denn Werbeetat voll ausgeschöpft. Aber das Ergebnis kann
sich doch sehen lassen, oder?“
Die Frau war wirklich erstaunlich. Sie war nicht nur hübsch und ehrgeizig, sie
strotzte momentan nur so vor Energie.
„Beim Video für den neuen Song >Drug< sollte der Text mehr im Vordergrund
stehen.“ Sie stützte sich auf den Tisch ab und blickte ernst in die Runde.
„Bella hat einen Text geschrieben, der die Mädchen richtig scharf macht. Das
Promo-Video soll genau das zeigen und bis an die Grenzen des Erlaubten
gehen.“
Überrascht sah ich sie an und versuchte ihre Worte zu verstehen. Ihre Worte
klangen nach Sex. Sie wollte ein Musikvideo drehen, in dem es nur so um Sex
ging? Reichten der Text und Edwards Stimme nicht aus?
„Ich möchte, dass Bella das Konzept ausarbeitet“, sagte Victoria weiter und
blickte mich kurz an.
„Was? Ich?“ Überrascht sah ich diese Victoria an, denn ich hoffte doch
wirklich, dass das nicht ihr Ernst war. Ich sollte ein Musikvideo ausarbeiten?
„Lass deinen erotischen Fantasien freien Lauf. Wir kümmern uns um die
weiblichen Darstellerinnen.“
Sofort verkrampfte ich mich neben Edward.
Weibliche Darstellerinnen? Ich sollte ein Drehbuch für eine heiße Liebeszene
mit Edward und einer anderen Frau schreiben? In meinen Kopf drangen sofort
Bilder eines nackten Edwards, der seine Arme um eine nackte Frau gelegt hatte.
Er küsste sie und grinste dabei frech in die Kamera, schien dass alles verdammt
zu genießen.
„Was meinst du, Edward. Das wäre doch was?“, fragte Victoria ihn.
„Ja. Hört sich interessant an“, meinte dieser neben mir und stützte sein
Kinn auf seinen Handrücken ab, den Ellenbogen stützte er auf den Tisch ab. Er
lächelte interessiert.
„Sehr gut“, meinte Victoria begeistert. „Dann kommen wir jetzt zum
nächsten Punkt. Das Arrangement des Albums…“ Ich bekam gar nicht mehr
wirklich mit, was Victoria noch erzählte. Es interessierte mich auch gar nicht
mehr.
Edwards Worte saßen tief. Er hatte nicht mal wirklich darüber nachgedacht und
einfach ausgesprochen, was er darüber dachte.
Es ging ihm nicht um mich oder wie ich mich dabei fühlte. Wenn ich ehrlich bin,
sollte mich das ja gar nicht überraschen. Edward betrachtete mich ja
schließlich doch nur als gewöhnliche Mitarbeiterin. Ich war die Songwriterin
und nichts anderes für ihn. Ich war nicht mehr für ihn.
Das war wir hatten, war eben nur ein Traum. Es war mein Traum. Ein naiver Traum.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er mit einer anderen rummachte. Schon gar
nicht, konnte ich das Drehbuch dafür schreiben. Doch genau das wollte er.
Edward, deine Umarmungen, das Gerede über Schicksal, der Kuss… all das ist
für dich Teil des Geschäfts. Die Gefühle, die du dabei in mir weckst, waren
dir doch egal.
„Gehen wir essen?“, fragte Emmett und grinste seine Bandkollegen an. Sie
waren aufgestanden und sahen mich gar nicht mehr an.
„Gute Idee“, stimmte Jacob ihm zu und legte den Arm um den Schlagzeuger.
„Bella.“ Ich sah auf und blickte in Aro Gérards Gesicht. „Da wäre noch
eine Kleinigkeit.“
Ich wollte nicht mit ihm reden, ich wollte jetzt nur alleine sein und erst mal
das verarbeiten, was eben gesagt wurde. „Was gibt es denn?“
„Ich möchte, dass du dir einen männlichen Künstlernamen zu legst.“
Was? „Äh… aber?“ Ich verstand nun gar nichts mehr.
„Wenn raus käme, dass eine Frau die erotischen Songs von >Gabriel< schreiben
würde wäre das Charisma der Band dahin. Das verstehst du doch, nicht?“ Aro
sah mich ernst an. „So läuft nun mal das Geschäft, Kleines.“
Ich nickte und senkte den Kopf. Es ging ums Geschäft. Wie alles, wenn es um
>Gabriel< ging. Es ging um die Vermarktung. Das Image. Die Verkaufszahlen.
Ich drehte mich weg und verließ den Konferenzraum. So schnell wie möglich
musste ich den Raum, dieses Gebäude und diese Menschen verlassen.
Das hier war ein Traum und wenn Edward und ich nicht in Zweisamkeit schwelgten,
entpuppte sich dieser zu einem Albtraum.
Meine Schritte wurden schneller und ich konnte die Tränen nicht aufhalten, denn
mein Herz schmerzte. Es war ein unerträglicher Schmerz, als würden Tonnen
Gewicht auf mir ruhen und mich am atmen hindern. Es fühlte sich schwer an und
schien aufzugeben.
„Isabella! Isabella! Warte doch.” Doch ich reagierte nicht auf die Stimme,
die mir hinterher rief. „Was ist plötzlich mit dir los?“ Man griff nach
meinem Oberarm und ich warf verzweifelt über die Schuler. Es war Edward, der
mir nach gerannt war.
Überrascht blickte er mich an. Vermutlich überraschten meine Tränen ihn. Doch
es war mir gerade ziemlich egal, ob er mich weinen sah. Sollte er doch denken,
dass ich eine Heulsuse war. Ich war ein Mädchen, keine Frau wie Victoria. Ich
hatte Gefühle und hatte keine Ahnung von Geschäften.
Er ließ meinen Arm los und sah mich ernst an.
Mein törichtes Herz. Mal war es federleicht. Mal war es bleischwer.
Ich blickte weg, ertrug es nicht, dass er mich so ansah.
Doch da zog er mich schon an sich ran und küsste meine Tränen weg. Meine
Wangen färbten sich rot und meine Augen waren geschockt aufgerissen.
„Komm morgen zur Aufzeichnung von Music-Airport“, sagte er mit ruhiger
Stimme und strich die letzten Tränen sanft weg. „Ich werde für dich
singen.“
Edward, seufzte ich seinen Namen tonlos, als er sich wieder von mir wegdrehte.
Für mich singen? Was meinte er damit?
~~~
„Unsere nächsten Gäste sind >Gabriel<“, wurden sie von der Moderatorin
angekündigt. So wie sie es sagte, glaubte ich, dass sie auch ein heimlicher Fan
von >Gabriel< war. Irgendwie erkannte ein Fan den anderen. „Erst vor kurzem
brachten sie mit ihrem neuen Song ganz Rue Moret zum Beben.“
Ich stand neben einer Kamera und blickte zur Bühne, wo >Gabriel< mit der
Moderatorin der Show stand. Eigentlich wusste ich nicht mal, warum ich
überhaupt gekommen war. Das was ich gestern alles gehört hatte, hatte mich
verletzt und ich war gekränkt. Irgendwie auch unsicher. Ich hatte nun mal keine
harte, raue Schale wie es bei anderen Menschen der Fall war.
Edward wollte ein Lied für mich spielen. Doch sicherlich war das ein Lied in
dem es nur um Sex ging. Das war doch das, was Edward ausmachte. Sogar die
unschuldigste Melodie konnte er durch seine Stimme mit Erotik und Leidenschaft
füllen.
Vermutlich wollte er wieder nur meine Fantasie anregen, um mich für das Video
zu inspirieren. Ich war für ihn nun mal nur eine Geschäftspartnerin. Und
einfach nicht mehr.
Ich war die Songwriterin und ich sollte nun das Drehbuch für das nächste
Musikvideo schreiben.
Es war grausam und es tat schrecklich weh. Aber andererseits, war ich es doch,
die unbedingt in seiner Nähe sein wollte.
Wenn ich keine tollen Ideen lieferte, brauchte er mich auch nicht mehr um sich.
Dann würde ich wieder in mein normales Leben zurückpurzeln und alles würde
wirklich nur noch wie ein Traum sein.
Ich sah zu, wie >Gabriel< sich an ihre Instrumente setzte und war etwas
überrascht, als Edward sich an ein Piano setzte.
„Und nun höre wir einen der Hits aus ihrem brandneuen Album. Hier sind
>Gabriel< mit ‚Love Melody‘.“
Den Titel kannte ich gar nicht. Neugierig lauschte ich der Musik und diese Mal
fing nicht Emmett wie sonst an, es war Edward der seine Finger auf die Tasten
legte. Schon an der Melodie konnte man erkennen, dass es ein ganz anderer Song
als bisher immer war.
Es war eine Ballade.
>Ich will dir ohne Worte sagen, I will tell you without words
was ich fühle und weiche deinen Blicken nicht mehr aus. what I feel and
soft your eyes any longer.
Der Schmerz in meiner Brust reißt mich in Stücke The pain in my heart tears
me to pieces
und ich treibe in dieser Nacht aufs Meer hinaus. and I am doing that night out
to sea.
Du bist das Meer, in dem ich ertrinke You are the sea in which I drown
und das rettende Ufer so weit entfernt. and from the saving bank so far.
Es gibt kein Zurück, ich bin verloren, There is no going back, I'm lost
kein Land in Sicht in tiefster Dunkelheit. no land in sight in the depths of
darkness.
Jeder Atemzug von mir ein Seufzer, Every breath a sigh from me,
es tut weh, wenn man jemanden so liebt. it hurts when someone you loved so
much.
Nur einen Schritt von dir in meine Richtung Only one of you step in my
direction
und ich wusste, dass es Wunder gibt.< and I knew that there are miracles.
Dieses Lied war unglaublich. Offensichtlich konnte Edward nicht nur mit seiner
rauchigen Stimme sexy Songs singen, sondern auch solche gefühlvollen Balladen,
wie diese hier.
Ich war wie erstarrt und als ich die anderen ansah, die vor der Bühne standen,
die Personen hinter den Kameras oder auch Victoria Lefevre, die am Rande stand
und sich bis eben mit jemand unterhalten hatte, wusste ich, dass ich nicht die
Einzige war, die überrascht war. Das hier war etwas vollkommen anderes. Seine
Stimme war nicht kräftig und rauchig, sie war sanft wie Honig.
>Nur wenn meine Arme dich umschlingen, Only when my arms embrace you
dann ist jeder Zweifel, jede Angst besiegt then every doubt, every fear
beating
Und ich fühle mich frei wie ein Vogel, And I feel free as a bird
der vom Wind getragen zum Himmel fliegt.< flying by the wind to the sky
Keine Spur von Sex war in diesem Song. Keine prickelnde Leidenschaft in der
Melodie. Keine Erotik in seiner Stimme.
Warum spielte er einen Love-Song für mich? Warum spielte er eine Ballade für
mich?
Wie sollte mich eine Ballade für das Musikvideo inspirieren?
>Wenn du nach mir rufst, eile ich zu dir, If you call after me, I hasten to
you,
und wenn du traurig bist, dann tröste ich dich. and when you are sad, then I
comfort you
Diese Arme werden dich immer beschützen, These arms will protect you always
Diese Worte spricht mein wahres Ich.< These words speak my true self
Ihm war nicht klar, was er damit angerichtet hatte. Was er damit bei mir
angerichtet hatte. Und irgendein Teil von mir, wollte dieses Lied nicht hören.
Für ihn war ich doch nur eine Songwriterin.
Nicht mehr und auch nicht weniger.
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