The true Story of Rapunzel von Himikario ================================================================================ Kapitel 1: Let the Show begin ----------------------------- Zur damaligen Zeit war die Welt rau und grausam. Der größte Teil der Bevölkerung war bettelarm und die Menschen die reich waren und denen es an nichts fehlte, wurden nur immer reicher. So trug es sich zu, dass zwei arme Leute, die in einem gar winzigen Häuschen lebten, bald ein Kind bekommen würden. Aber eigentlich wollten sie dieses Kind gar nicht, da sie es eh nicht versorgen konnten, da sie schon jetzt gerade mal so über die Runden kamen. Während sie so darauf warteten bis der Tag kam, an dem das Kind geboren werden sollte, überkam die Frau ein solcher Hunger auf den Rapunzel, der frisch und grün im Garten ihrer bösartigen Nachbarin wuchs. Die Frau hatte einen solchen Heißhunger auf diesen, dass sie solange quängelte bis der Mann ihrem Flehen nachgab und über die Mauer in den Garten der Nachbarin stieg. Dort klaute er einige der Rapunzelpflanzen, die er seiner Frau zum Essen mitbrachte. Diese machte sich einen Salat daraus und verputzte ihn ziemlich selbstsüchtig ohne auch nur ein Blättlein für ihren Gemahl übrig zu lassen. Am darauf folgenden Tag begann die Frau wieder zu quängeln und weil der Mann nun doch so gutmütig war, stieg er auch an diesem Tag über die Mauer um seiner Frau etwas von dem Rapunzel ihrer Nachbarin zu bringen. Nun verhielt es sich jedoch so, dass ihre Nachbarin, eine böse Zauberin, in ihrem Garten war und den Mann sah. Ihr Gesicht verzog sich zu einer bösartigen Fratze und sich spuckte Feuer und Galle, sodass dem Mann das Blut in den Adern gefror. Sie sprach in ihrer Wut zu ihm: „Du niederes Geschöpf wagst es wirklich einen Fuß auf meinen Grund und Boden zu setzen, mit der Absicht mich zu bestehlen? Wie kannst du es wagen, du Wurm? Dafür werdet ihr büßen! Höre meine Worte, Unwürdiger, in drei Monaten, werde ich mich ganz fürchterlich rächen!“ Der Mann flüchtete in seiner Todesangst schneller als er es selbst von sich geglaubt hätte, zurück zu seiner wartenden Frau. Er hatte solch eine fürchterlich Angst, weil man über die alte Zauberin schon diverse Geschichten gehört hat, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Bleich und voller Panik kam er Zuhause an und berichtete seiner Frau was gesehen war. Diese wurde sogleich von derselben Todesangst gepackt, denn auch sie kannte diese ganzen Geschichten über die Zauberin. So packten sie ihr wenig Hab und Gut zusammen und versuchten sogleich so weit wie nur irgendmöglich von dem Grundstück der bösen Zauberin zu fliehen. Währendessen gebar die Frau das erwartete Kind, sie nahmen es zwar mit, machten sich jedoch nicht die Mühe sich großartig darum zu kümmern oder ihm einen Namen zu geben, denn sie hatten andere Sorgen. Sie fühlten sich die ganze Zeit beobachtet, auch wenn überhaupt niemand da war außer ihnen. Und Nachts wenn es dunkel war glaubte sie manchmal die Zauberin zu sehen, aber sobald sie einen Moment weg sahen, war sie wieder verschwunden, das machte beide völlig nervös. Sie erschreckten sich bei jedem noch so kleinem Rascheln. Nur wenige Tage nachdem das Kind geboren wurde, waren die drei Monate um und natürlich tauchte die Zauberin auf, um ihre gerechte Strafe zu vollstrecken. Sie hielten schützend das Kind vor sich. „Hier, nimm dies als Entschädigung und bitte vergib uns“, bettelten sie gar jämmerlich. Die Zauberin setzte ein bösartiges Lächeln auf. „Ich verhandele nicht mit schmutzigen Dieben“, meinte sie mit kalter Stimme. Dann sprach sie einen Zauber und die beiden wurden aufgebläht wie Luftballons, immer weiter, bis sie schließlich mit einem lauten Knall zerplatzten. Überall flogen Exkremente, Blut und Haut herum. Der Boden färbte sich blutrot und das Kind, das schreiend zwischen seinen zerfetzten Eltern lag, war ebenfalls über und über mit Blut verschmiert. Es war ein wirklich grausames Bild und die Zauberin lachte nur kaltherzig. „Nun habt ihr das bekommen, was ihr verdient“, sprach sie völlig herzlos und nahm das schreiende Kind mit sich. Bei ihr hatte es es wahrscheinlich besser, allerdings war die Zauberin auch furchtbar streng und erwartete von Rapunzel, sie trug diesen Namen, da sie durch die Rapunzelsucht ihrer Mutter zu der Zauberin gekommen war, absoluten Gehorsam. Sie wurde wirklich bösartig, wenn man gegen ihre Regeln verstieß. Rapunzel hatte deswegen schon oft hungern müssen oder so manchen unbarmherzigen Hieb mit der Peitsche zu spüren bekommen. So wollte sie sich nur zu gerne von dieser alten Frau befreien. Eines Abends fasste Rapunzel deshalb den Entschluss die böse Zauberin zu töten. So schlich sie sich eines Abends mit einem Messer ins Schlafgemach der Alten, diese schnarchte fürchterlich. Als sie neben dem Bett stand und gerade ausholte um ihr das Messer in den Körper zu rammen, wachte diese auf und konnte den tödlichen Schlag abwehren, jedoch trug sie eine lange Narbe im Gesicht davon. „Du Biest wolltest mich, die ich dich großzog, eiskalt töten. Wie kannst du das nur wagen? Du bist genauso verdorben wie deine diebischen Eltern“, fluchte sie außer sich vor Wut. „Na warte, ich werde dich lehren was es bedeutet mich zu hintergehen, mein Kind“, sagte sie wieder mit diesem bösartigen Lächeln. Ehe Rapunzel auch nur ans Weglaufen denken konnte, war sie in einem runden Raum, dieser war gar schön eingerichtet, doch er hatte keine Türen, nur ein Fenster. Sie ging zu dem Fenster und schaute hinaus. Sie befand sich gut zwanzig Ellen über dem Boden. Sie war gefangen in diesem Turm und konnte rein gar nichts dagegen machen. Noch dazu waren ihre seidig goldenen Haare plötzlich unendlich lang geworden, sodass Rapunzel nicht so recht wusste, wo das Ende ihres Haarschopfes war. Einsam und verlassen begann sie diese Menge von Haaren in mehrere Zöpfe zu fassen, sodass sie nicht ewig drauftrat. Sie weinte gar bitterlich wegen der aussichtslosen Situation, in der sie sich befand, doch es sollte bald noch wesentlich schlimmer werden, wie sich bald herausstellen würde. Merkwürdig war nur, dass sie überhaupt keinen Hunger verspürte, sie brauchte nichts mehr zu sich nehmen, ihr ging es trotzdem ausgezeichnet, es war mehr als merkwürdig. So kam es, dass sie eines Tages am Fenster saß und ein wenig sang um sich die Zeit zu vertreiben. Da kam einsam seines Weges ein junger Königssohn vorbeigeritten und hörte den lieblichen Gesang Rapunzels und ritt hinüber zu ihrem unseeligen Gefängnis. Dort schaute er zu ihr hinauf und ward sogleich verzaubert von ihrer unglaublichen Schönheit. Er ritt einmal rings um den Turm herum um eine Tür zu suchen, wodurch er zu dieser Schönheit hinauf gelangen könnte. Etwas verwundert stellte er fest, dass es in diesem ganzen Turm nur dieses eine Fenster gab, an dessen Rand das schöne Kind saß. Er ritt wieder unter das Fenster und rief hinauf: „Sag, schönes Kind, wie kann ich zu dir hinaufgelangen?“ Rapunzel wusste es erst selbst nicht so recht, doch dann sah sie neben dem Fenster einen Fensterhaken und ihr kam ein Einfall. Sie ließ es ihr Haar zwanzig Ellen in die tiefe niederfallen. „Klettert an meinem Haar zu mir hinauf“, rief Rapunzel in freudiger Erwartung auf Gesellschaft zu ihm hinunter. Dieser stieg von seinem Pferd und begann anschließend den beschwerlichen Aufstieg den Turm hinauf. Als er ganz oben war, stieg er durch das kleine Fenster hinein zu Rapunzel. Diese musste jedoch zuerst einmal ihr ganzes Haar wieder zu Zöpfen fassen, doch inzwischen waren ihre Hände sehr geschickt darin, und so ward sie schnell fertig und konnte ihre volle Aufmerksamkeit dem geduldig wartenden Königssohn zuwenden. „So sag, du schönes Kind, wie lautet dein holder Name“, fragte er mit verliebter Stimme. „Meine Stiefmutter gab mich mir den Namen Rapunzel, mein Prinz“, antwortete sie ihm respektvoll. „Wie kann ich euch nur aus Eurem unseeligen Gefängnis befreien, holdes Rapunzel?“, fragte er sie. „So bring jedes Mal einen Strang Seide mit, daraus will ich eine Leiter flechten“, antwortete sie nach kurzem überlegen. Sie plauderten noch sehr lange miteinander und der Königssohn erzählte ihr, dass er von ihrem Gesang so bewegt war, das er sie mit eigenen Augen erblicken musste. Außerdem fragte er sie, ob sie ihn nicht zum Manne nehmen wolle. Sie willigte natürlich ein, da er auch sehr freundlich, jung und schön war und sich sicherlich besser um sie kümmerte, als es die alte Zauberin getan hatte. Spät in der Nacht verließ er den Turm wieder und ritt zurück zu seinem Schloss. Am darauf folgenden Abend kehrte der Königssohn zurück und wie er so unter Rapunzels Fenster stand rief er: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.“ So ließ sie die Haare herabfallen. An diesem Tage brachte er seiner angebeteten Rapunzel etwas mit. Ein Strang Seide, ein gutes Tröpfchen Wein und dies und das aus der königlichen Küche. Zusammen aßen und tranken sie, jedoch stellte Rapunzel fest, das nichts von den mitgebrachten Sachen einen richtigen Geschmack für sie hatten und obwohl sie jetzt doch mehr als hungrig war, stillte das Essen ihren Hunger nicht und der Wein stillte nicht ihren Durst. Sie wusste nicht, wie ihr geschah, denn plötzlich hörte sie das Herz ihres Geliebten so laut schlagen, als wenn sie ihr Ohr an seine Brust gepresst hätte, jedoch stand sie in Wirklichkeit mindestens drei Meter von ihm entfernt. Was war nur los mit ihr, das Atmen fiel ihr schwer und diese Begierde etwas zu sich zu nehmen, wurde immer größer. Als der Königssohn sie aus Sorge an der Schulter berührte, schlug sie ihn aggressiv weg, dabei hatte sie plötzlich eine solche Kraft, dass er gegen den Spiegel geschleudert wurde. Entsetzt riss sie die Augen auf und sah ihren Geliebten in einem Haufen von Scherben liegen, übersät mit Schnittwunden von den scharfen Spiegelsplittern. Der Geruch des Blutes nahm ihr den Verstand. Sie stürzte sich hungrig auf den Königssohn und rammte ihre Zähne mit schmerzvoller Gewalt in seinen Hals. Von ihm erklang ein schmerzvolles und entsetztes Aufstöhnen, er versuchte sich verzweifelt gegen das, was sie tat zu wehren, er schlug mit Händen und Füßen um sich, doch daran störte sie sich keine Sekunde. Sie saugte genüsslich sein Blut und ihre Gier wurde immer größer. Sie ließ kurz von seinem Hals ab, jedoch nur um ihre Zähne nun in die Pulsschlagader an seinem Handgelenk zu bohren und sein Lebenselixier weiter auszusaugen. Allmählich erschlafften seine Glieder und er hörte auf um sich zu schlagen, denn er hatte einfach keine Kraft mehr dafür. Von alldem bemerkte sie nichts, sie registrierte einfach nicht, dass ihr Geliebter dem Tode nah war, sie saugte einfach weiter gierig sein Blut bis auf den letzten Tropfen. Sein Körper war nun völlig blutleer und seine Haut dadurch schneeweiß und eiskalt. Erst als sie bemerkte, dass kein Blut mehr in ihm vorhanden war, ließ sie von ihm ab. Der tote Körper ihres Geliebten war überall blutverschmiert, besonders am Hals und Handgelenk, und außerdem übersät mit mehreren Kratzern, die von ihren Fingernägeln stammten. Nun war ihr Hunger fürs erste gestillt und ihr Verstand begann wieder zu arbeiten. Ängstlich wich sie von der Leiche zurück. Was hatte sie getan? Ihre Augen waren vor Entsetzten ganz groß. Als sie sich selber in den im Spiegelrahmen verbliebenen Spiegelsplittern sah, bot sich ihr ein Bild des Schreckens. Ihr ganzes Gesicht und auch ihr Kleid waren völlig blutverschmiert, aus ihrem Mund ragten zwei spitze strahlend weiße Zähne hervor, die dort vorher nicht waren, und ihre Augen waren ungewöhnlich hell, genauso wie ihre Haut, die nun nahezu weiß war. Ihr Verstand versuchte verzweifelt zu begreifen was gerade mit ihr geschehen war und was sie gerade getan hatte. Sie war ein Monster, das ohne es kontrollieren zu können, Menschen wahllos tötete, ganz egal, ob sie ihr etwas bedeuteten. Sie brach weinend zusammen. Sie hatte das doch alles nicht gewollt. Es war einfach so geschehen, ohne dass sie etwas hätte dagegen tun können! Ihre Tränen flossen ihr in wahren Strömen über das blutverschmierte Gesicht. Doch so konnte es nicht bleibe, wenn die Leiche hier weiterhin so blutleer und völlig leblos herumlag, würde sie über kurz oder lang durchdrehen, obwohl es sowieso nicht einfach war, denn sie wurde von bösen Alpträumen und üblen Schuldgefühlen geplagt und langsam meldete sich auch wieder dieser Bluthunger. Einerseits quälte sie diese Leere in ihrem Magen, aber andererseits hatte sie auch furchtbare Angst, dass sie wieder einen Menschen töten könnte. Sie war so verzweifelt, weil sie einfach nicht wusste, was sie tun sollte. Sie hatte sich zwar das Gesicht gewaschen und auch das Kleid, aber dieses blutverschmierte Bild von ihr verfolgte sie trotzdem immer weiter, besonders schlimm war es, wenn sie schlief. Deshalb schlief sie sehr wenig, da sie diese Bilder nicht ertrug und das hatte zur Folge, dass ihre Augen völlig blutunterlaufen waren und sie während des Tages immer reichlich müde wirkte, wobei sie während des Nachts dagegen ziemlich aufgeweckt und munter wirkte. Als sich Rapunzel dann so in etwa mit der Situation abgefunden hatte, nahm das Schicksal weiter seinen Lauf. Denn das Rad des Schicksals ließ sich von niemanden aufhalten. An diesem Tag oder eigentlich schon fast Abend hatte sie wieder an dem kleinen Fenster gesessen und ein sehr trauriges Lied gesungen, das wohl ihre angeschlagene Seele widerspiegelte. Die Leiche des Prinzens hatte sie aus dem Fenster geworfen, genauso wie die ganzen blutigen Spiegelscherben, da sie sie wohl kaum hätte anders wegschaffen können. Ein Förster kam heute am Turm vorbei und war entsetzt über die Leiche, die er am Turm fand. Als Rapunzel ihn sah, rief sie hinunter: „Er ist aus dem Fenster von hier oben gestürzt, Herr Förster und ich konnte nichts tun, denn ich bin hier oben gefangen, bitte helfen sie mir, Herr Förster“, flehte Rapunzel. Sie hoffte, das sie aufhörte, so ein Monster zu sein, wenn sie den Turm verließ. Das war der einzige Funken Hoffnung, der sie davon abhielt sich selbst aus dem Fenster zu stürzten, um zu sterben. Der Förster fasste sich ein Herz, denn auch er wurde von Rapunzels Schönheit geblendet. Er verschwand für eine Weile und tauchte dann mit einem Spaten wieder auf. Damit er ein Grab für den Prinzen zu graben. „Wie kam es denn dazu?“, rief er während er grub, hinauf. „Nun ja, wissen sie, die einzige Möglichkeit in den Turm zu gelangen und auch wieder rauszukommen ist, wenn ich meine ellenlangen Haare zu Boden fallen lasse und als er gerade wieder heruntersteigen wollte, ist er abgerutscht und hat mein Haar nicht zu fassen bekommen. Ich saß hier oben fest und konnte rein gar nichts dagegen tun, es war so schrecklich mitanzusehen“, klagte sie mit leicht weinerlicher Stimme. Das Monster in ihr gierte nach Blut und der Förster war im Moment die einzige Blutquelle, an die sie herankommen könnte, aber vorher sollte er nur schön brav die Leiche des Prinzens beseitigen. Sie warf währenddessen ihr zwanzig Ellen langes Haar hinunter und als der Förster fertig war, wollte er tatsächlich hinauf. „Seid nur vorsichtig“, warnte sie ihn, „nicht, dass ihr genauso endet wie der Prinz, Herr Förster.“ Kurze Zeit später stieg er ebenfalls durch das Fenster, so wie der Prinz vor ihm. Er trat weiter in den Raum und ging stirnrunzelnd auf den zerbrochenen Spiegel zu. Sie machte sich nicht mal die Mühe ihre Haare wieder ordentlich zu Zöpfen zu binden. Mit einem Sprung auf ihn zu warf sie ihn mit derartiger Leichtigkeit zu Boden, dass er völlig überrascht aufschrie. „Was tut Ihr?“, fragte er etwas verwirrt. „Ich speise“, kam es aggressiv und halb fauchend aus ihrem Mund. Er zuckte zusammen und seine Augen weiteten sich vor Entsetzten. Irgendwie gelang es ihm, noch bevor sie ihre Zähne in ihn bohren konnte, sie von seinem Rücken zu stoßen und ans andere Ende des Raumes zu gelangen. Dort nahm er seine Schrotflinte und zielte damit auf sie. „Was seid ihr für ein unseeliges Monster?“, fragte er mit vor Panik bebender Stimme. Sie legte den Kopf schräg und sah ihn mit ihren hellen Augen und den spitzen Zähnen an. Er schoss auf sie, als sie gerade einen Schritt auf ihn zu machte. Ihm waren scheinbar die Nerven durchgegangen. Die Kugel traf sie an der rechten Seite und ihrer Kehle entrang sich ein kurzes Keuchen, doch sie spürte keinen Schmerz. Er ließ die Flinte fallen und fiel auf die Knie. „Bitte verschone mich“, fehlte er wimmernd zu ihren Füßen. „Ich kann nicht!“, kam stockend die normale Stimme ihrer schwächeren menschlichen Seite und schon stürzte sie sich voller Blutgier auf ihn. Mit ihm verlief es nicht besser als mit dem Prinzen und wieder bereute sie es, nachdem sie ihn getötet hatte. So konnte sie nicht weiterleben. Sie sprang aus ihrem Fenster, mit geschlossenen Augen, weil sie sich dann sicherlich nicht getraut hätte. Als sie die Augen wieder aufmachte, saß sie in der Hocke ohne auch nur einen Kratzer davongetragen zu haben. Sie verfluchte sich selber für diese Unsterblichkeit, die sie scheinbar durch den Fluch der Zauberin erlangt hatte. Ihr Bluthunger trieb sie weiter durch den umliegenden Wald, auf der Suche nach mehr Nahrung. Doch nachdem sie annähernd hundert Meter gelaufen war, konnte sie nicht weiter. Dort war so etwas wie eine unsichtbare Barriere, die sie trotz ihrer übermenschlichen Kraft nicht durchdringen konnte. In ihrem Hungerwahn lief sie an der Barriere entlang um vielleicht ein Loch zu finden oder derartiges. Doch das erhoffte Loch existierte nicht. Sie tobte vor Wut, schlug Löcher in meterdicke Bäume und zerstörte mache ganz und gar. Dann stieß sie zufällig auf einen kleinen Tempel, in der eine goldene Schale für Opfergaben stand, darüber das finstere Antlitz einer verhüllten Gestalt aus Stein, und unter der Schale war ein Text in den Stein gehauen. Als sie den Tempel betrat, verrauchte ihr unbändiger Zorn und sie trat an die Steinplatte mit der Inschrift heran. Sie hatte großes Glück, da der Text in einer ihr verständlichen Sprache niedergeschrieben war. „Hier opfere die Unschuld für jeden Monat in der finstersten Nacht um euren Körper von einer schweren Last zu befreien.“, stand auf der Steinplatte geschrieben. Ein Funken von Hoffnung wart geboren in Rapunzel. Wenn sie es schaffen würde des Rätsels Lösung zu finden und zu befolgen, könnte sie vielleicht von ihrem Monster-Dasein erlöst werden. Sie setzte sich im Schneidersitz vor die Steinplatte und las das Rätsel immer und immer wieder, doch der Sinn der Worte wollte sich ihr einfach nicht erschließen. Warum auch musste es so schwierig sein? Wieso konnten sich Leute, die so etwas machten, nicht einfach klar ausdrücken? Sie wusste das Rätsel nach kurzer Zeit auswendig und zermarterte sich immer wieder ihr schönes Köpfchen darüber, was sie tun musste um sich zu erlösen. Sobald ein Mensch in ihr Gebiet trat, stellte sie jedem das Rätsel um vielleicht von ihm die Lösung zu erhalten. Bis zu einem bestimmten Tag war keiner dabei, der des Rätsels Lösung kannte und natürlich endete jeder als Nahrung für Rapunzel, als schneeweiße, blutleere und verschmierte, verkratzte Leiche. Bald lagen die Leichen wirklich überall in dem kleinen Waldstück, indem sie sich frei bewegen konnte, herum und dadurch kamen immer weniger Menschen zu dem Wald, da die Leichen sie abschreckten und auch die zerstörten Bäume waren nicht gerade einladend für Fremde. Deswegen legte sie alle Leichen auf einen Haufen und verbrannte sie mit einem gewaltigen Feuer. Das würde vielleicht wieder Menschen anlocken. Und tatsächlich kam ein alter Mann vorbei, vielleicht seiner Kleidung nach ein Heiliger, doch eigentlich war es völlig egal, ob er nun Gottes Segen hatte oder nicht, sie würde sowieso in die Hölle kommen, obwohl sie sich jetzt schon in ihrer persönlichen Hölle befand. Doch zuerst wollte sie den Priester prüfen, er war in diesem hohen Alter sicherlich weise, vielleicht kannte er des Rätsels Lösung. Sie ging zu ihm und stellte sich ihm demütig und respektvoll gegenüber. „Herr Priester, könntet ihr mir wohl helfen?“, fragte sie höflich und mit Hoffnung in der Stimme. „Wie könnte ich einem Kind Gottes solch eine Bitte abschlagen, nun saget mir, was bereitet euch Kummer?“, meinte er und sein runzeliges Gesicht verzog sich zu einem gutmütigen Lächeln. Das Monster in ihr begann herzhaft zu lachen, von wegen Kind Gottes, denn das war sie schon lange nicht mehr. „Ein Rätsel, Herr Priester, das will sich mir einfach nicht erschließen, möglicherweise kennt ihr des Rätsels Lösung“, antwortet sie immer noch in demütiger Haltung. „Ich will mein Bestes tun, nun tragt es mir erst einmal vor“, sprach er. So trug sie ihm das Rätsel vor, welches sie inzwischen selbst im Schlaf hätte vortragen können. „Nichts ist unschuldiger als eine Jungfrau, die Monate sich an der Zahl zwölf und die finsterste Nacht steht bevor, wenn der Mond sich vor unseren Augen versteckt, das könnte vielleicht des Rätsels Lösung sein“, philosophierte er. „Sehr gut, Herr Priester, herzlichen Dank für Euren Beistand, nun weiß ich mich endlich zu befreien von meinem Fluch. Schade nur, dass ihr dies schon nicht mehr miterleben werdet“, kam nun die kratzige Stimme des Monsters aus ihrer Kehle. Der Priester war überaus entsetzt und wollte sogleich fliehen, doch dazu ließ Rapunzel es erst gar nicht kommen. Doch er war zu alt, sein Blut würde ihr nicht munden, deswegen nahm sie seinen Kopf geschickt in ihre Hände und brach ihm mit einem kräftigen Ruck dank ihrer unbändigen Kraft das Genick und verbrannte auch ihn anschließend. „Auf dass du zu Gott ins Himmelreich hinauffahrest und ein gutmütiger Engel wirst“, murmelte ihre menschliche Seite während sie zusah, wie er verbrannte. Doch jetzt musste sie irgendeinen Weg finden, zwölf lebende Jungfrauen in diese Barriere zu bekommen, was durchaus ein Problem war, da Jungfrauen meistens noch sehr jung waren und dadurch nicht so tief alleine im Wald umherliefen. Das bedeutete, sie brauchte jemanden, der sich frei bewegen konnte, um ihr das zu bringen, was sie brauchte. Aber wenn sich jemand wieder aus ihrem Einflussbereich entließ, wie konnte sie sicher sein, das dieser mit dem zurückkehrte was sie wollte? Sie wusste, dass mache Menschen wirklich alles taten, wenn die Entlohnung stimmte. Doch was konnte sie ihnen bieten, dass sie bereit wären arme unschuldige Jungfrauen zu opfern? Vielleicht könnte sie zwei machtgierige, sogar skrupellose Gestalten dafür gewinnen, die das tun würden, wenn sie dafür Unsterblichkeit erlangen könnten. Eigentlich konnte sie ihnen keine Unsterblichkeit schenken, aber das würden sie eh nicht erfahren. Jedoch mussten solche Gestalten erst einmal auftauchen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Leute wie diese in ihren Wald liefen, war auf alle Fälle größer, als das hier eine Jungfrau lang kommen würde. Tatsächlich kamen wenige Tage später drei Diebe und Mörder(niemand wusste was sie sonst noch alles getan hatten), des Weges entlang und man sah ihnen an, dass sie alles tun würden, solange nur der Preis stimmte. Sie wollte mit ihnen verhandeln. Natürlich glaubten sie ihr erst nicht, dass sie die Macht dazu hätte. Doch nachdem sie zur Demonstration einen von ihnen getötet hatten und sich anschließend sein Schwert in die Brust gerammt hatte, nur um es anschließend wieder raus zuziehen, und keine Verletzungen davongetragen hatte, waren sie nach dieser kleinen Vorstellung ganz begeistert von dem Gedanken, genau solche Kräfte zu besitzen und wurden hellhörig für ihre Forderung. Rapunzel nannte ihnen ihren Preis und es herrschte kurz schweigen, doch die Vorstellung von Macht und Unsterblichkeit war für die beiden Verliebenden solch ein verlockender Gedanke, dass sie zusagten. Damit war Rapunzel ihrer Erlösung schon einen Schritt näher gekommen, jetzt brauchte sie nur noch die Jungfrauen. Leider ließen sich die beiden Männer für ihren Geschmack viel zu viel Zeit, obwohl sie davon wirklich mehr als genug hatte. Denn seit sie zu diesem Monster geworden war, alterte sie nicht mehr, sie sah zwar immer noch aus wie 18, doch in Wirklichkeit war sie inzwischen 25. Und eigentlich hätte sich zumindest irgendwas verändern müssen, doch das war nicht geschehen. Nach und nach beschafften sie ihr Jungfrauen, doch wenn sie mal ein entjungfertes Mädchen mitbrachten, tobte sie meistens vor Wut und ließ diese vor den Augen der Männer ohne Gnade ausbluten, um zu zeigen, dass sie nicht versuchen sollten, sie zu hintergehen, denn sie konnte es ganz genau riechen, welches der Mädchen eine Jungfrau war und welches nicht, denn Jungfrauenblut hatte einen wesentlich süßeren Geruch als das der anderen. Doch wenn es eine Jungfrau war, nahm sie sie und brachte sie zum Tempel, dort kettete sie das Mädchen fest und achtete darauf, dass sie nicht wegliefen und bis zu diesem einen bestimmten Tag am Leben blieb. Dann, als die beiden Gauner ihr tatsächlich zwölf Jungfrauen gebracht hatten, entlohnte sie sie, indem sie sie tötete. Denn solche Leute mit solch einer Macht wie der ihren, die auch noch frei herumlaufen würden, wäre das letzte, was die Welt gebrauchen könnte. Zu ihrem Überdruss ließ diese besagte finsterste Nacht noch etwas auf sich warten. Als es dann endlich soweit war, schnitt sie allen zwölfen nacheinander mit einem Opfermesser die Pulsschlagader auf. S ie schrien vor Schmerz und wimmerten ängstlich. Als sich das Blut dann in der Mitte vermischten, erklang plötzlich ein lautes Grollen und im ganzen Tempel wurde es so dunkel, dass man wirklich überhaupt nichts mehr sah. Als es dann anschließend langsam wieder hell wurde, war etwas merkwürdig. Sie fühlte sich anders und als sie sich selbst im Wasserbecken des Tempels betrachtete, hatte sich ihr Aussehen verändert, sie sah endlich älter aus. Sie begann vor Glück zu weinen, der Alptraum war endlich zu Ende. Als sie sich dann zu den Mädchen umdrehte wurde sie bleich. Ihre Augen hatten sich unglaublich hell gefärbt, aus ihren Mündern ragten spitze weiße Zähne und auch ihre Haut war schneeweiß geworden. Scheinbar würde der wahre Alptraum für sie und die restliche Welt jetzt erst beginnen. Alle zwölf kamen mit hungrigem Blick auf sie zu. „Mutter, wir haben Hunger“, sprachen sie im Chor und stürzten sich auf sie. Bei so vielen hatte sie nicht mal den Hauch einer Chance sich zu wehren. Aber sie hatte einen schnellen Tod, denn es dauerte nur einige Sekunden, bis die Zwölf all ihr Blut in sich aufgenommen hatten. Nun wusste sie, wie sich all ihre Opfer vorher gefühlt hatten. Ihr letzter Gedanke bevor sie starb, war, dass sie nun zwar ihren Körper befreit hatte, jedoch ihre Seele nie frei sein konnte. Dann wurde alles schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)