Caught in my Phantasy von abgemeldet (Ein Wandel zwischen Welten - und seine Folgen) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 2 -------------------- 3. September An diesem Samstag rief mich jemand um acht Uhr morgens an. Vor lauter Müdigkeit nahm ich das Handy erst richtig wahr, als es zum fünften mal klingelte, und dann verstummte. Verwirrt blinzelte ich ein paar Mal, bis ich meinen Blick scharf bekam und blickte zur Uhr. Ein genervtes Knurren entfuhr mir als ich begriff wohin die Zeiger wiesen. Verärgert griff ich zu meinem Handy. Was war so wichtig, dass man mich so früh wecken musste? Wehe es ist eine schlechte Nachricht! Auf das hatte ich jetzt überhaupt keine Lust. Emily hatte angerufen. Eine Weile wog ich ab ob ich jetzt anrufen sollte, oder es doch lieber auf später verschieben sollte. Doch dann rief sie von selbst wieder an. Sofort drückte ich den grünen Knopf und legte mir das kalte Ding an mein warmes Ohr. Schon hörte ich sie aufgebracht etwas sprudeln, dass ich nicht verstand. "Em! Emily! Komm runter! Noch mal langsam bitte", sagte ich mit gedämpfter Stimme. So früh wollte ich meinen Vater nicht wecken. So gut wie möglich strengte ich mich an zu verstehen, was aus ihr heraussprudelte. Manchmal redete sie wirklich wie ein Wasserfall, sie war nicht zu stoppen. "Em, das konnte nicht bis Mittag warten oder? Ich habe so tief und traumlos geschlafen!", machte ich ihr empört klar. Es kam selten vor, dass ich traumlos schlief. Ich genoss diese Nächte sehr, denn wenn ich Träume hatte, waren sie entweder Albträume, die mir den ganzen Tag keine Ruhe ließen oder irgendwelche anderen Träume die mit den Räubern verbunden waren. "Tut mir leid", nuschelte sie in den Hörer, "ich lag nur wach und dachte, dass wir lange nichts zusammen unternommen hatten... Nachdem mir die Idee mit dem Kino und dem Übernachten kam, konnte ich es kaum mehr abwarten! Es tut mir wirklich leid, Letty." "Ist schon gut", log ich, "ich werde meinen Vater so bald wie möglich fragen, keine Sorge. Ja, bis bald." Dann legte ich auf. Müde blickte ich auf meine hellblaue Decke, die übersät mit Schäfchen war. Wie oft hatte ich meinem Vater gesagt, dass ich schon zu alt für solchen Kinderkram war, doch er hatte nie auf mich gehört. Er sagte dann immer, ich würde für ihn immer seine kleine süße Prinzessin bleiben. Und inzwischen war ich schon 16. Leise lachte ich in mich hinein, bei den Erinnerungen an das sorglose Leben, das wir damals hatten ... Als meine Mutter und meine Zwillingsschwester noch am Leben waren. Sie waren an einem Autounfall gestorben, vor etwa acht Jahren. Meine Mutter hatte darauf bestanden, meine Schwester Olivia zu ihrer Klavierstunde zu fahren. An diesem Morgen hatte meine Mutter mir das Medaillon geschenkt. Doch wie das Schicksal es so wollte, kam ein Geisterfahrer auf der Autobahn auf sie zugerast. Weder meine Mutter noch der LKW-Fahrer konnten rechtzeitig stoppen. Mum war augenblicklich tot gewesen, meine Schwester war auf dem Weg zum Krankenhaus gestorben. Bei dem Gedanken daran kamen wieder die Tränen. Ich versuchte so wenig an sie zu denken wie möglich. Nach dem Tod meiner Schwester hatte auch ich mit dem Klavierspielen angefangen, um auch eine Erinnerung an sie zu behalten. Ihr Flügel, auf dem auch ich spielte, stand direkt im linken Eck meines Zimmers. Traurig musterte ich das dunkle Mahagoniholz, den mit rotem Saum überzogenen Sessel davor. Gegen neun Uhr stand ich schließlich auf. Eine Stunde lang hatte ich mich rastlos hin und hergewälzt und über alles Mögliche nachgedacht. Langsam stand ich auf und begab mich ins Badezimmer. Langsam und gründlich putzte ich mir die Zähne. Misstrauisch sah ich meine wirren Haare an. Sie waren immernoch gelockt, das waren sie von Natur aus, doch hin und wieder war eine Stelle plattgedrückt. Ich nahm mein Glätteisen, steckte es an und zog die platten Strähnen lang. Dann wickelte ich sie wieder ein und sie sprangen in hohem Bogen hinauf, nachdem ich sie losließ. Nach einer Weile waren meine Haare wieder genau so, wie ich sie wollte. Wenn sie nass waren, reichten sie mir bis zur Taille. Falls ich sie jemals schneiden müsste, würde mein ganzer Stolz verloren gehen, und ein wichtiger Teil von mir würde fehlen. Als kleines Kind waren meine Haare immer so kurz gewesen wie die eines Jungen. Meine Mutter schnitt sie mir immerwieder, dadurch wurden sie dichter. Doch die Kinder beschimpften mich damit, dass ich aussah wie ein Junge. Ich hatte mich schrecklich gefühlt. Ein paar Monate behielt ich es für mich, doch als ich es meiner Mum erzählt hatte, hatte sie gelacht und gesagt: "Schatz, das hättest du mir doch viel früher sagen können. Kein Haareschneiden mehr. Versprochen." Dann hatte sie mir einen dicken Schmatzer auf die Wange gegeben. Nach einigem Betrachten meines Spiegelbildes kehrte ich in mein Zimmer zurück. Gähnend öffnete ich eine Schublade meines Kleiderschranks. Mein Kleiderschrank hatte fünf Schubladen jeweils rechts und links eines länglichen Schrankes mit Klapptüren, in dem meine Jacken hingen. Links waren meine Jeans und Röcke, rechts waren meine Blusen und Kleider. Nachdenklich öffnete ich eine der rechten Schubladen und suchte ein weißes Kleid heraus. Dazu passte am besten eine dunkelblaue Jeansjacke. Rasch zog ich mich um und betrachtete mich im Spiegel. Sorgsam glättete ich eine kleine Falte. Das Kleid hatte mir mein Vater zum 15. Geburtstag geschenkt. Neben tausend anderer Sachen. Es war ganz weiß, aus reiner Baumwolle. Auf der linken Seite waren mit schwarzem Faden die Äste eines Rosenstrauches eingenäht. Unwillkürlich musste ich an den Abend zurückdenken, an dem mich der Räuber angegriffen hatte. Schnell verließ ich das Zimmer wieder und stürmte hinunter in die Küche. Die Magd hatte schon geputzt und wartete geduldig am Thresen. "Guten Morgen, Miss", begrüßte sie mich mit einem freundlichen Lächeln. "Guten Morgen Maria!" Ich war immer sehr erfreut dass sie heute da war. Eigenartig beruhigt saß ich mich an einen Küchenstuhl. "Was solls denn heute sein?", fragte sie freundlich. "Hmm, ich weiß nicht... Vorschläge?", grinste ich. "Cornflakes", neckte sie mich. Gar keine so schlechte Idee, dachte ich. "Nicht schlecht", antwortete ich, "was haben wir denn?" "Normalen und den mit den Früchten." Sie zog beide Schachteln vom Schrank heraus. Nach einigem Zögern entschloss ich mich für den mit den Früchten. Maria goss kalte Milch in eine Schüssel und wärmte sie in der Mikrowelle auf 20 Sekunden auf, genau wie ich es mochte. Sie kannte mich wirklich gut. Maria wusste immer wie sie mich aufheitern konnte, ich ging immer mit ihr shoppen, da wir den gleichen Geschmack hatten. Ich konnte immer mit ihr reden, wenn ich Kummer oder Probleme hatte. Sie war fast wie eine zweite Mutter für mich. Fast. "Bitte sehr", sang sie und stellte die Schüssel vorsichtig auf dem dunklen Tisch. "Danke sehr", sang ich zurück, grinste sie an und nahm den Löffel in die Hand. Ich weiß nicht woher, doch plötzlich hatte ich wieder das Gesicht des Räubers im Kopf. Die Narben, die blauen Augen, die wehenden schwarzen Haare, das wundervolle Gesicht. Ich erstarrte in der Bewegung. Maria sah mich misstrauisch an. "Alles in Ordnung, Miss?", fragte sie besorgt. Langsam nickte ich. Unsicher drehte sie sich wieder zum Thresen und machte weiter an ihrem Sandwich. Wieso musste ich immerwieder an ihn denken? Schnell schlang ich mein Cornflakes hinunter und ging nach draußen. Es war recht warm für diese Jahreszeit. Ich mochte den September. Die schönen Farben, wenn das Laub herabfiel, es war nicht zu heiß und nicht zu kalt, und irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob sich diesen September etwas sehr Wichtiges in meinem Leben ändern wird. Tief zog ich die kühle Morgenluft ein und dachte darüber nach, was mich heute erwarten könnte. Vor allem welchen Film wir sehen könnten. Romantik war eher Emilys Typ. Ich stand eher auf Abenteuer. Vielleicht könnten wir die beiden Genres kombinieren. Dann kam nur ein Film in Frage. The Darkest Side of Me. Ein bisschen Horror war dabei, aber wir hatten beide nichts gegen dieses Genre. Stolz schlenderte ich, wieder barfuß, über den Kieselweg. Inzwischen war es schon fast zehn und ich machte leise die Schlafzimmertür meines Vaters auf und spähte hinein. Er saß aufrecht auf seinem Bett und machte Yoga. Das machte er jeden Morgen. Einmal hatte ich ihn danach gefragt und er hatte gesagt es sei eine moralische Übung zur Stärkung des Geistes. Als er mich schließlich bemerkte blickte er zu mir auf. „Guten Morgen Sonnenschein”, grüßte er mich fröhlich. „Störe ich?” „Nein, nein, keineswegs. Was gibt es?” „Daddy”, begann ich unsicher und versuchte meine Worte so gezielt so wählen wie möglich, „Du weißt ich habe schon lange nichts mehr mit Emily unternommen?” Er nickte. „Naja ich habe mich gewundert ob ich vielleicht heute mit ihr Kino gehen könnte...” Er stutzte kurzt, dann versank ich in seinen grübelnden Blick. Ein paar Minuten lang dachte er nach. Uns beiden war die Gefahr sehr wohl bewusst. „Und wenn es geht, könnte ich vielleicht danach noch bei ihr übernachten?” Sein Blick wurde von einem Augenblick auf den anderen vollkommen ernst. „Über das Kino muss ich noch nachdenken, aber das Übernachten geht überhaupt nicht!” Ich versuchte meine Enttäuschung zu verbergen und nickte. Nun beschloss ich wenigstens zu versuchen mir das Kino zu versichern. „Dad? Wer wäre so lebensmüde und würde und in einem Kino, wo sich um die 100 Leute rumtummeln angreifen?” „Du hast ja Recht, aber der Erste hat dich auch auf einem Spielplatz mit viel mehr Leuten angegriffen.” „Aber es war im Freien, dort hätte er mich überallhin mitnehmen können und keiner hätte uns folgen können wenn er schnell gewesen wäre. Aber in einem Kino könnte er nie und nimmer angreifen.” „Na gut du hast mich überredet. Aber ihr müsst sehr vorsichtig sein!” „Schon klar Dad” Begeistert umarmte ich ihn und stürmte hinaus. Wieder in meinem Zimmer angelangt setzte ich mich auf mein Bett und rief Emily an. Inzwischen war es schon fast halb elf und ich war sicher, dass sie schon die Betten hergerichtet hatte und einen netten Film ausgesucht hatte, was eigentlich ziemlich idiotisch war, nach dem Kino noch einen Film zu schauen. Und das Popkorn nicht zu vergessen. Wir waren beide richtig süchtig nach Popkorn. Schon nach dem ersten Klingeln hob sie ab. "Gute oder schlechte Nachrichten?" Die Frage hatte sie sich definitiv von mir abgeschaut. "Eine gute und eine schlechte, womit soll ich anfangen?" "Gute", antwortete sie zögernd. "Ich darf Kino mitkommen, und die schlechte Nachricht ist..." "Warte, lass mich raten", unterbrach sie mich mitten im Satz. "Drei Mal darfst du." "Ok. Erste Möglichkeit: Justin kommt auch...?" "Das wäre für dich ja keine schlechte Nachricht", erinnerte ich sie. "Stimmt. Zweite Möglichkeit: Du hast die Pest und wirst mich anstecken...?" "Ha ha", sagte ich ironisch. "War nur ein Witz! Dritte Möglichkeit: Du weißt nicht welchen Film wir schauen sollen...?" "Doch ich hab da so einen Vorschlag: The Darkest Side of Me." "Hey, seit wann kannst du meine Gedanken lesen?", lachte sie in den Hörer. "Komm schon, raus mit der Sprache, was ist die schlechte Nachricht?" Ich holte tief Luft und entschied mich nicht lange um den heißen Brei zu reden: "Ich werde leider nicht bei dir übernachten können!" Ein enttäuschtes Stöhnen entfuhr ihr, das hörte ich sogar durch das Handy. Sie murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. "Emily, es tut mir leid. Ich kann meinen Vater nicht davon überzeugen ..." "Ist schon gut Letty. Es ist ja nicht deine Schuld", antwortete sie, doch der Ärger in ihrer Stimme war deutlich herauszuhören. "Wir treffen uns dann um sieben im Kino, ok?" Ein leises Grummeln war auf der anderen Seite der Leitung zu hören. Dann legte sie auf. Sie war wirklich sauer, aber sie hatte Recht. Was konnte ich dafür? Gegen sieben Uhr fuhr James gerade vor dem Kino. Schweigend stieg ich aus, und sah Emily, die schon wartete. Die Arme vor der Brust verschränkt stand sie neben dem Schalter und tippte nervös mit der Fußspitze auf den Boden. Als sie mich entdeckte lief sie mir sofort entgegen. Wir bezahlten die Karten und begaben uns in den eingeteilten Saal. Dort war es stickig und die Lichter waren schon aus. Es lief gerade der Vorspann, als wir unsere Plätze aufsuchten und uns erleichtert niederließen. Emily hatte eine Tüte Bonbons mitgebracht. Gütig schob sie es mir hin. Zuerst sagte ich ab, doch sie bestand darauf und schob sie mir wortwörtlich unter die Nase. Zögernd nahm ich eines und stopfte es mir widerwillig in den Mund. Ich hatte weder Appetit noch Hunger. Zu Abend gegessen hatte ich noch zu Hause. Das Essen lag mir immernoch schwer im Magen. Mit großer Mühe unterdrückte ich ein Würgegefühl, das sich den Weg zu meinem Hals hochkämpfte. "Du bist total blass", bemerkte Emily gegen Ende des Films plötzlich neben mir, "geht es dir gut?" Mein Gehirn brauchte eine Weile bis es sich vom Film löste und in die Wirklichkeit zurückkehrte. Plötzlich spürte ich wieder den drängenden Brechreiz. "Ich bin gleich wieder da", sagte ich und richtete mich auf. Vor dem Mädchenklo drehte ich mich nochmal um. Ich stemmte mich gegen die schwere Tür. Kalte, stinkende Luft schlug mir entgegen. Das Fenster am anderen Ende des Flurs stand sperrangelweit offen. Unter dem Fenster war eine kleine Kiste. Wieder musste ich gegen ein Würgegefühl ankämpfen. Ich beugte mich über das Becken und betrachtete mich im Spiegel. Jede Farbe war aus meinem Gesicht gewichen. Meine Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz auf der Seite zusammengebunden. Die Locken hatten sich zum Teil aufgelöst. Eigentlich hatte ich vorgehabt sie mit dem Lockenwickler nocheinmal nachzufrisieren, doch es war schon spät gewesen und ich hatte auch keine Lust dazu. Immerhin ging ich ins Kino und nicht zum Abschlussball! Ich trank ein paar Schlucke Wasser und nässte mein Gesicht, bedacht, meine Haare nicht nass zu machen. Es ging mir etwas besser, doch das Würgegefühl brodelte immernoch in meinem Magen, bereit jeden Moment ein Wiedersehen mit meinem Abendessen zu organisieren. Mein Blick schweifte wieder zum Fenster, und da kam mir die erleuchtende Idee. Ohne zu zögern kletterte ich so leise wie möglich auf die grüne Plastikkiste unter dem Fenster. Ich versuchte so wenig Lärm wie möglich zu machen. Behände stemmte ich meine Ellbögen an den Vorsprung vor dem Fenster. Plözlich musste einen gequälten Schrei unterdrücken. Tränen rannen meine Wangen hinab. Überall verstreut lagen Glasscherben, die sich nun in meinen Unterarm bohrten. Wie hatte ich die übersehen können? Trotzdem kletterte ich weiter. Unter dem Fenster waren Mülltonnen, also schwang ich meine Füße durch die Öffnung und sprang in einen Kontainer. Beißender Gestank schlug mir entgegen. Schnell hastete ich weiter. Als ich mir sicher war, dass ich weit genug vom Kino entfernt war, saß ich mich unter einer Fichte nieder. Durch der kalten Luft die mich nun umgab legte sich die Übelkeit ein wenig, doch sie bestand weiterhin. Die Sonne war schon untergegangen und das einzige Licht, das die Straße beschien, war die Laterne über mir. Alle paar Meter folgte eine andere. Ich machte mich daran, die Glassplitter aus meinem Arm zu ziehen. Es waren nicht viele und sie waren nur oberflächlich. Ich hatte großes Glück gehabt. Als auch das letzte Stück Glas aus meinem Unterarm entfernt war, stand ich auf und trottete weiter. Die Wunden bluteten ein bisschen, doch das war mir jetzt egal. Die Gefahr war mir sehr wohl bewusst. Immernoch mit dem Würgegefühl kämpfend stapfte ich weiter, bis ich in eine dunkle Sackgasse gelangte. Verwirrt sah ich mich um. Ich hatte gar nicht gemerkt wie weit ich gegangen war, so sehr war ich in Gedanken vertieft gewesen. Ein kalter Wind fuhr mir durch die Haare und ließ meine Zähne klappern. Die einzige Lichtquelle war eine schwache Laterne, die neben einem Hauseingang hing. Ich machte mich auf den Rückweg, doch als ich mich umdrehte, versperrte eine große schwarze Sillhouette den Weg. Meine Fäuste ballten sich und ich biss die Zähne zusammen. Es ist nur ein normaler Mensch, versuchte ich mir einzureden, doch es war schwerer als ich gehofft hatte. Langsam schritt die schreckliche Kreatur auf mich zu und schwankte wie ein Betrunkener hin und her. Egal ob es nun ein Mensch oder ein Räuber war, mein Schicksal hatte mir wieder einen schlechten Streich gespielt. Als das Etwas nah genug war, erkannte ich die muskolösen Arme, den Dolch am Gürtel und die altmodische Kleidung. Augenblicklich begann mein Herz zu rasen und ich spürte mein Blut im Hals pochen. Mit jedem Schritt des Räubers lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Panisch drehte ich mich um die eigene Achse und versuchte einen Ausweg zu finden, doch es gab keinen. Im gleichen Tempo wie der Räuber bewegte ich mich zurück, doch schon bald krachte ich gegen die Mauer hinter mir. Mehr dennje wünschte ich mir, dass ich mich einfach in Luft auflösen oder fliegen könnte. Es klang banal doch wie in Büchern und Filmen beschrieben ließ ich nocheinmal meinen ganzen Lebensablauf vor meinem Inneren Auge wie eine Diashow vorbeiziehen. Meine Geburt, meine Kindheit, den Tod meiner Mutter und meiner Schwester, meinen ersten Freund und meinen letzten Geburtstag. Bei dem Gedanken lief mir ein weiterer Schauer über den Rücken. Der Räuber stand nun direkt vor mir. Er packte mich und zog mich so nah an sich heran, dass ich riechen konnte wie lange er sich nicht mehr gewaschen hatte. Am liebsten hätte ich mir die Nase zugehalten, doch er hielt meine Arme fest und drückte mich gegen die Wand. Langsam näherte er sein Gesicht an meinen Hals, dort wo keine Haare waren. Tränen liefen über meine Wangen, denn ich wusste, dass jetzt alles vorbei sein würde. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Ich spürte seine Lippen schon an meinem Hals, er drückte mich immer fester gegen die Wand, sodass es schon weh tat. Plötzlich hörte der Schmerz auf. Ich dachte, ich sei tot, doch ich schlug die zusammengekniffenen Augen auf und blinzelte ein paar mal. Mein Unterarm sendete immernoch pochenden Schmerz zu meinem Gehirn. Was ist passiert? Verwirrt blickte ich mich um, und entdeckte den Räuber am Boden liegend. Teils erleichtert, doch noch beängstigter kniete ich mich neben ihn und drehte ihn auf den Rücken. Der Anblick ließ mich erstarren. Das Gesicht von Blut verschmiert, eine klaffende Wunde dort, wo das Herz sein sollte. Nun spürte ich wieder die Übelkeit, stärker als zuvor. Als ich es nicht mehr zurückhalten konnte beugte ich mich zur Seite und übergab mich. Taumelnd richtete ich mich auf und sah jemanden an eine weiße Hauswand gedrückt stehen. Die Nasenflügel gebläht klammerte er sich förmlich an den Verputz und sah mich geschockt an. Vor lauter Schrecken konnte ich mich nicht bewegen. Aber ich hatte keine Angst, sondern es war Verblüffung die mir den Atem raubte. Dort an der Wand stand er, schwarze Haare, blaue Augen, die drei kleinen Narben an der linken Wange. Zögernd machte ich einen Schritt vor. Ein mächtiges Verlangen danach, ihn zu berühren überflog mich. Ich musste einfach sicherstellen, dass er da war. Beim zweiten Schritt rümpfte er die Nase und rannte die schmale dunkle Gasse entlang vor mir weg. Tausend Gefühle mischten sich und machten mein Gehirn nebelig. Erschöpft lehnte ich mich gegen eine Mauer und ließ mich niederfallen. Ich hatte keine Kraft mehr zurückzulaufen. Mein Blick schweifte den toten Räuber. Ob die Leute denken würden ich hätte ihn umgebracht? Ich schüttelte mit großer Mühe den Kopf. Hartnäckig kämpfte ich gegen die schweren Lider an, die nun begannen sich zu schließen. Nach einiger Mühe gab ich es auf und fiel in einen tiefen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)